Gustav der Segler ist tot
von SY ARION

Der über lange Jahre beliebte Segler aus Tradition ist leider tot. Viele Yachtleser, die seine Gedanken damals nachvollzogen und seine Geschichten liebten, werden ihn betrauern. Doch die heutigen Segelyuppies stehen verständnislos an seinem Grab und begreifen nicht, daß sie ihn da hinein gebracht haben. (Die Redaktion der "Yacht" hat seine Geschichten abgesetzt, die neuen Leser, Abonnenten und Inserenten waren kein Markt mehr.)

Tempora mutandur, haben die Römer gesagt und sie hatten recht. Das Bessere ist der Feind des Guten, sage ich, aber Hedonismus, der immer nach einem qualitätslosen "Mehrgenuß" schreit, ist das Ende.

Das gilt auch für die Segelei. Früher einte die Seglerwelt das Streben nach Freiheit in der Natur, nach einer besseren Seemannschaft, nach einem Leben in seglerischer Kameradschaft, das Messen seines Könnens mit der Natur und das Einfügen und Eintauchen in die nautische Welt.

Wir waren alle Seelenverwandte von Gustav.
Doch das änderte sich:
Die Organisationsformen der Vereine änderten sich, die Bürokratie kam über die Freiheit der Meere, die Funktionäre im blauen Blazer entdeckten ihre Pfründe und die Seglerschar wuchs schnell an, denn Segeln galt als "IN".

Der Segelgenuß der so zum Segeln ver-/ge-leiteten änderte sich aber auch. Sie wollten etwas unverbindlich und schnell gegen "cash" konsumieren, nicht in die nautische Welt eintauchen und etwas er-Fahren.

Die Plastikyachten wurden in immer größerer Anzahl gebaut, sie wurden sich immer ähnlicher, bis sie sich wie Yoghurtbecher glichen.

Die für das Urlaubssegeln/Fahrtensegeln untauglichen Formen wurden aus der Publicity-trächtigen IOR-Scene übernommen. An Anlegen, gar rückwärts und die Möglichkeit eines tragenden Fenders wurde dabei nicht gedacht.

Achtern mußte Platz sein für Exhibitionismus und Badeplattformen. In Rimini schert sich ja auch niemand um das Ozonloch. Die Instrumenten beladene Steuersäule und das Deck wurden "richtig" designed, da blieb kein Platz für ordentliche Poller, schon gar nicht mittschiffs.

Die Plicht wurde zum Cockpit, Meetingpoint und Functioncenter. Segel rollen sich wie von Geisterhand ein, wer weiß schon, daß ein geschlitzter Großmast rechnerisch nur ein Viertel der Festigkeit hat?

Die Wanten wurden reduziert und immer weiter nach innen gesetzt. Höhe um jeden Preis. Im MEHR, in der Steigerung liegt der Genuß des Hedonisten.
Man kann die Segel stehen lassen bis zum letzten Moment; wenn das Boot auf dem Ohr liegt, dann schnell Ratsch und hinein sind sie (oder auch einmal nicht)! Klar, daß bei dieser Fahrweise ein Wetterbericht vor dem Auslaufen und ein prüfender Blick zum Himmel nicht mehr gefragt sind.

Das er-Fahren der Manövereigenschaften kam natürlich auch aus der Mode. Motion by Joystick, wie am PC - das beherrscht man ja; und das Bugstrahlruder, früher allenfalls bei Fähren bekannt, hat ja auch so einen. Kursdreieck und Seekarte wurden durch eine Handvoll Chips mit "Mäusekinos" ersetzt.

Segelaspiranten, Verbandsfunktionäre und Marketing-"spezialisten" gingen eine Symbiose ein. Per Multiple-choice, wie bei "6 aus 39" werden für viel Geld FREIZEIT-"kapitäne" produziert, die dann die neuesten Creationen aus Frankreich, Giebelstadt und Freienohl bevölkern.

Leider gibt es immer noch das alte Meer, die alte Natur, das alte Wetter und ein paar (hoffentlich noch nicht groß geschrieben) alte Segler. Die Ersteren teilen an die Ignoranten ab und zu mahnende Hiebe aus, die letzteren stehen nur betrübt am Grabe von Gustav.

 

© Karl Reichart 1998

Das ist aus der Luft gegriffen sagen Sie? Dann lesen sie bitte weiter! Der Herbst gehört den kernigen Männercrews. Ich sitze auf der Veranda im 1. Stock des Hafen-Restaurants. Fünf Yachten laufen nacheinander ein. Völlige Flaute. Am Ruder herrscht rechts/links- Schwäche vor, geht es rückwärts denn anders herum? Wie die Boote quer liegen ist die Frage beantwortet. Der Hafenmeister bekommt für seine Hilfe und Ratschläge noch unverschämte Antworten. Die letzten zwei Yachten laufen schon mit Lichtern ein, jedoch ohne Dampferlicht.

Drei Segler sitzen am Nachbartisch:
"1.Segler: Hast Du ein Dampferlicht?
2. Segler: Ja, aber das geht nicht.
1. Ist wohl noch Original verpackt?
2. Das reicht doch, wenn ich hinten und vorne ein Licht habe!
1. Ja, da hast Du recht, aber das gilt nicht nach der Seeschiffahrtstraßenordnung." (Wir waren in Milna/Brac). Merken Sie etwas?

Selbst bei Flaute wird mit Bugstrahlruder an die Pier gegangen, man will ja zeigen, daß man so etwas hat.

Die Segelyacht mit dem Kennzeichen 134658 S fährt unter bayrischer Flagge, wieviel Wissen hat er wohl vom Flaggenrecht? Das Flaggenrecht und die entsprechenden Traditionen sind wesentlich älter als der bayrische Staat.

Wegerecht und seemännische Fahrregeln werden durch "BMW"-Recht ersetzt. Die Autobahn wird auf See verlängert. Beispiele gibt es bei fast jeder Begegnung mit einer Motoryacht, aber auch stark zunehmend in engeren Gewässern bei Segelyachten. Ich wurde heuer vor Sali fast von einer italienischen Segelyacht gerammt. Überholer, gleicher Kurs, gleiche Segelstellung. Manöver des letzten Augenblicks, Ausweichen nach Bb wurde ausmanövriert, nach Steuerbord wurde der Passierabstand 10 m!!!

Die Grundkenntnisse der nautischen Welt fehlen...
Viele Skipper haben nur für Ihren Segelführerschein schulmäßig einige Manöver erlernt, sie kennen die Theorie der Navigation und sie haben auch schon einige Meilen als Crewmitglied oder Skipper zurückgelegt. Es fehlt Ihnen aber die Erfahrung im Umgang mit kritischen Situationen. Ihre Trickkiste zur Entnahme einer bereits erlernten oder erfahrenen Lösung ist noch relativ leer. Es fehlen Ihnen der Überblick, die Ruhe, die Gelassenheit und die Erfahrung, das Wesentliche rechtzeitig zu erkennen und schnell seemännisch und technisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Sie wissen noch nicht wie umfassend das Wissen eines Skippers sein kann und sollte, denn er kann meist nicht nachfragen. Soweit für den Anfänger alles normal, es fehlt aber weiter der Wille zur bescheidenen Selbstbeschränkung und der Wille überhaupt weiter in die Materie einzudringen. Der Schein reicht doch für den "Instant Genuß".

So stehen Yachten mit killenden Segeln im Wind, bewegen sich wieder, luven zu weit an, stehen wieder. Das Prinzip des Segelns ist einigen nicht mehr bekannt. Trial and errorr. Am 24.8.98 kreuzt eine Yacht durch die Enge zwischen Rivanj und Uglijan. Sie läuft gefährlich lange dicht unter Land bis sie endlich wendet. Das Boot steht nach der Wende, nimmt wieder Fahrt auf, nimmt Kurs direkt auf die Durchfahrt, steht wieder, nach 10 Versuchen wird ein Wendewinkel erkannt und der Kreuzschlag bis zur Küste in Luv durchgeführt.

Auslaufen aus Trogir. Eine Segelyacht kommt unter Maschine von achtern auf. Nach mehrmaligen Achtungssignalen, dreht er den Autopilot ab. Passierabstand 15 m, höchstens!

Durchfahrt Provenzala. Eine entgegenkommende Motoryacht läuft quer zwischen das erste Tonnenpaar ein. Erst nach meinem Achtungssignal und nachdem er den nachfolgenden Wassertanker erkennt, dreht er auf seine Fahrwasserseite ein. Der Kurs schlängelt sich wie ein S durch die Tonnenpaare.

Wir liegen mit drei Booten (70 t, 16 t, 6 t) an der Außenmole im Päckchen. Speed-Limit 5 Kn. Eine Motoryacht rauscht in schneller Verdrängerfahrt vorbei in den Altstadthafen. Die Hecksee reißt bei der kleinsten Yacht den Heckpoller aus dem Laminat.

Anlegen an der Tankstelle in Sibenik. Die Tankstelle ist von 2 Yachten belegt. Weitere Boote kommen. Eine Segelyacht ist noch vor uns. In der Verlängerung der Tankstellenpier sind noch leicht 2 Plätze mit der Möglickeit aufzurücken vorhanden. Die Yacht vor uns legt sich in die Mitte der beiden Plätze, die Crew geht schnell zum Einkaufen und ist nicht zum Verholen zu bewegen. So müssen wir uns mit Maschine gegen den Wind auf Position halten.

Sibenik, lange Stadtpier. Die Poller haben etwa 12 m Abstand. 7 Boote liegen bereits längseits, jeweils ein Pollerfeld dazwischen frei. Wir haben 13,40 m. Das erste Schiff der Reihe, eine kleine Fähre auf dem Stammplatz, erkennt die Situation, verholt 3 m zurück und wir passen in die Lücke.

Eine 15 m Motoryacht mit 10 kernigen Seebären an Bord legt sich in Kaprije an die Außenseite der Mole. Sie wollen alle von Bord ins Lokal. Der Hafenmeister sagt ihnen, daß der Platz für das Fährschiff reserviert ist. Sie legen ab und gehen an die Innenseite der Mole, - längsseits über 4 Liegeplätze, aber dort wird normalerweise mit Anker und Heck an die Pier angelegt. 3 Segelyachten, die schon so liegen und die weiß markierten Felder oben und außen an der Pier (wie auf einem Autoparkplatz) stören die "Seebären" nicht.

Noch mehr gefällig? Schreiben Sie mir Ihr tollstes Erlebnis
DKRA-ARION@t-online.de



Letzte Änderung / Last change: Dienstag, 20. Oktober 1998 Wieviel schlimmer ist es jetzt???