Kapitel 12

Kanada Maine

Texteinfügung 4.9.92 am 5.11.95

Harbour De Lute, 23.8.92

Liebe Mutti!

Heute früh haben wir einen Brief an Sepp und Familie abgeschickt und da sind eigentlich die letzten Neuigkeiten schon drin, aber es kommt immer wieder Neues dazu und dann habe ich diesen Brief etwas schnell abgewürgt, weil erstens 3 Seiten voll waren und er auch noch sofort zur Post sollte. Einige Dinge fehlen deshalb. Ich hatte vom Farmer's Market in Grand Manan berichtet und dem netten Zollbeamten, der auch Gemüse anbaut. Ich habe ihn aus dem Garten geholt wie ich einklarierte.

Auf diesem Markt haben wir auch einige Delikatessen gekauft. Geräucherte Makrele und geräucherten Lachs. Der Unterschied zwischen dem, was bei uns angeboten wird und den frisch geräucherten Fischen wurde mir erst gestern klar. Der Unterschied ist enorm!!! Das Fischfleisch ist sehr roh, mild und man kann das Filet mit der Zunge am Gaumen zerdrücken, der Geschmack ist ..... na eben für Feinschmecker!!! Habe nie vorher so feinen Fisch gegessen und ich habe schon einige Pfund vertilgt.

Auf dem Markt haben wir auch "Dulse" gekauft. Ihr habt jetzt keine Ahnung was das ist, aber Ihr findet es in der nächsten Zeile schneller als wir heraus. Wir hatten schon immer von diesem Dulse gehört, daß es wirtschaftlich bedeutsam ist, gut schmeckt usw. , aber keine Ahnung was es war. Jetzt wissen wir es und können damit kochen. Es sind getrocknete "Rotalgen". Sie werden gerebelt und als Gewürz zu Fisch, Muscheln, Salat und Reis verwendet. Die Rotalge ist eine fleischige großblättrige Alge und nicht mit der mikroskopischen "Red Tide" (Saxitoxin) zu verwechseln.

Aeolus hat einen neuen Sohn geboren, es ist der Hurrikan Andrew Kategorie 4 ! Das ist mit der Grund, warum wir früher als geplant von Grand Manan, der Wind und Wellen umbrausten Insel, abgesegelt sind. Wir sind eigentlich nicht gesegelt sondern bei totaler Flaute mit Maschine zur Insel Campobello gefahren. Hoffentlich war das nicht die Ruhe vor dem Sturm. Jedenfalls soll es in den nächsten Tagen sowieso aus anderem Grund etwas blasen, aber wir sind in einer ringsum geschlossenen Bucht vor Anker gegangen. Es ist eine Bucht von dem Typ, der mich nachts gut schlafen läßt - für Brigitte: Typ Hatchet Bay, aber da unten tobt bereits der Hurrikan.

Ich habe heute um 19.45 Uhr UTC bereits ein Satellitenfoto von 19.31 mit Fax aufgenommen und auf der Wetterkarte von 15.15 UTC ist Andrew auch schön drauf. Dianne hörte gerade Kurzwelle, vor einer Stunde ging Andrew knapp nördlich Hatchet Bay über Royal Island durch. Dort ist gerade "Kirtonia", die Yacht der englisch/österreichischen Familie. Die Comptons sind auch dort unten. Hoffentlich geht alles gut und sie sind gut vorbereitet. Um 21.00 UTC war das Zentrum über Nord Eleuthera. Wenn Andrew wie vorhergesagt über Florida geht, sind wir aus dem Schneider, aber wir kennen die Bauweise da unten und es ging so lange gut, das wird fürchterliche Zerstörungen geben. Wenn er über Florida weg ist, wird er über dem Golf von Mexiko wieder neue Energie tanken und dann auf die Küste von Texas zurasen. Andrew ist sehr heftig aber nicht so groß wie Bob. "Vilma C" könnte Glück haben und im 50 Kn Bereich bleiben, das wäre nicht schlimm, das haben wir schon bei "normalem" Wetter gehabt.

Bei unserer Überfahrt über die Bay of Fundy sahen wir soviele Delphine wie noch nie zuvor. Man konnte schauen, wo man wollte, überall Delphine. Dann sahen wir erst zwei einzelne Finbacks und kurz darauf ein Paar, das im Takt auf und ab tauchte. Riesige Tiere. Sie gehören zu den größten Walen. Man sieht ja wie bei einem Eisberg nur einen kleinen Teil, aber der läßt schon die Größe ahnen.

Wir haben heute versucht über Funk, über eine kanadische Küstenfunkstation bei Brigitte anzurufen aber leider ohne Erfolg - niemand zuhause - Dianne erreichte aber ihre Mutter und zufällig war auch Chris mit Familie gerade zu Besuch, so konnte Dianne mit allen sprechen. Leider gab es in der letzten Zeit keine so guten Nachrichten. Erst das Asthma von Mum, das jetzt aber im Griff ist und dann die Nachricht von krampfartigen Anfällen bei Caroline. Jetzt liegt die Diagnose vor und sie leidet unter einer milden Form von Epilepsie, aber die läßt sich heute ja gut beherrschen. Habe zufällig vor einiger Zeit im Wissenschaftsmagazin der deutschen Welle von bahnbrechenden neuen Forschungen gehört.

Wir ankern hier nicht weit vom Feriensitz des früheren US-Präsidenten Roosevelt. Das spricht dafür, daß diese Insel auch nicht zu den häßlichen gehört.

Bevor wir heute ausliefen, gingen wir zur Post und da gerade die Fähre hereingekommen war, auch zur Fährpier. Zuerst wunderten wir uns, daß das erste Auto rückwärts auf die Rampe des Anlegers fuhr und gleichzeitig die schiffseigene Rampe hochging. Aus dem Auto stieg ein Taucher. Er war schon in seinem Trockentauchanzug und kurz darauf kletterte der Leitende Ingenieur auf die hochgeklappte Bugrampe und beobachtete und dirigierte die ganze Aktion. Das Bugstrahlruder war blockiert und der Taucher stellte schnell fest, daß ein großes Tau sich darin verfangen hatte. Der Ing. Assi wurde weggeschickt und kam mit einem Riesen Kochmesser zurück. Der Koch folgte auf dem Fuß, klar er war sauer, daß die Maschineros eines seiner "heiligen" Messer requiriert hatten. Wir konnten den Ausgang der Sache nicht mehr beobachten, da wir selbst ausliefen, die Fähre überholte uns aber bald vor dem Swallowtail Leuchtturm.

Haben gerade die Nachrichten des Untergangs des griechischen Passagierschiffes in der Straße von Malakka gehört. Kein Wunder, wenn geldgierige Reeder Schiffe nur noch als Kosten/Gewinn-Faktor sehen. Hier sehen wir das täglich mit Schlepp- bzw. Schubeinheiten, von denen auch immer welche verschwinden. Auch das Nobel - Passgierschiff "Queen Elizabeth II" lief vor kurzem südlich von Cape Cod auf Grund und riß den Rumpf 20 x 5 m auf. Es würde im einzelnen zu weit führen alles zu erläutern, aber mich wundert das nicht. Mich wundert nur, daß es im Luftverkehr (noch) nicht auch so läuft, daß die Piloten unerwünschte Kostenfaktoren sind, eventuell, weil dort mehr Passagiere und weniger Fracht befördert werden. Ich schaue mich jedenfalls bei jedem Schiff, das ich betrete ganz genau um und bin beim Auslaufen immer irgendwo oben.

Würde man nur ein wenig die Gewinne zugunsten der Besatzungen reduzieren, dürften diese Dinge nicht passieren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die "QE II" oder andere Schiffe schlechter ausgerüstet sind als die ARION und ich kann an Bord !!" metergenau"!! navigieren und habe es oft ohne jegliche Sicht bei Nacht und Nebel gemacht. Auf der alten Coburg hatten wir keine so modernen Navigationshilfsmittel wie auf der ARION, aber wir fuhren ohne Fahrlässigkeit und ohne Zeit- und Kostendruck durch einen gierigen Reeder. Leider sind die Staaten zu lasch in der Handhabung von internationalen Vorschriften gegenüber Billigflaggen. Es ist für die Bürokraten viel einfacher, die eigenen Schiffe kleinlich zu kontrollieren und so für weitere Ausflaggung zu sorgen. Die Regierung ist zu feige gegen Billigflaggen ein Anlaufverbot auszusprechen, klar die Finanziers sind ja nicht aus diesen Ländern, die sind unter uns!!!!

Wer mag international Profit verlieren, wer mag vortreten, niemand, das dauert sehr lange?! (Siehe Jugoslawien).

Früher war der Kapitän eines Schiffes eine wichtige Person, heute ist er ein ungern bezahlter Sündenbock und Befehlsempfänger, der jederzeit gefeuert werden kann, im Austausch gegen einen willfährigeren Trunkenbold. Beispiele gibt es endlos. Ein Schiff fällt nicht herunter wie ein Flugzeug und ihm kann man auch Lotsen an Bord schicken, ein Flugzeug muß ohne fremde Hilfe funktionieren, da muß das System stimmen.

24.8.92

Gerade haben wir die neuesten Nachrichten über Hurrikan Andrew gehört und gesehen. Das Zentrum ging mit 250 Kmh Windgeschwindigkeit bei 14 Kn Zuggeschwindigkeit 15 Km südlich von Miami durch. Die Zerstörungen sind enorm, was mich auch wieder nicht wundert. Geldgierige Immobilienmakler haben seit Jahren - es gab lange Jahrzehnte kaum Sturmschäden in Florida - die ganzen flachen billigen sumpfigen Gelände aufgekauft, in Baugrund verwandelt, mit Eigentumswohnungen, Appartements und Wasserfront-häusern bebaut und mit deren Verkauf Millionen gemacht. Politiker haben da willfährig mitgemacht und jetzt ist das Jammern groß, daß diese "Hütten",- der Baustandard der meist in Holz auf den Dreck gesetzten Häuser ist im Vergleich zu Deutschland miserabel- , vom Hurrikan weggeweht, oder von der Flutwelle vom Strand gespült wurden. Sepp und Brigitte kennen ja auch die amerikanische Art der Stromversorgung und Verkabelung. Wenn es also in den Nachrichten heißt, daß überall der Strom für Tage weg ist, dann sind die Leute selbst schuld.

Ich habe kürzlich im Fernsehen eine Sendung über eine "Gruppe der 100" gesehen, die bei der letzten Wahl Präsident Bush mit offenen und versteckten Spenden unterstützt haben. Damit ist natürlich auch massive Einflußnahme verbunden. Sechzig Prozent der Gruppe waren Immobilienmakler - siehe oben - und 6 wurden nach der Wahl Botschafter der Vereinigten Staaten. Was haben die anderen bekommen??????

Soweit wir es bisher beurteilen können ist Kanada zumindest in einigen Punkten besser, aber bei den Baustandards sieht es genau so aus. Niemand will etwas investieren, wo er nicht selbst noch den gesamten Gewinn daraus zieht. Die Fischereihäfen hier in Kanada sind zumindest als feste Piers von der öffentlichen Hand gebaut, das ist schon ein Riesenunterschied zu den USA, aber die Piers sind Holzrahmen, Kisten aus Balken, innen mit Wackersteinen gefüllt und oben nur dort wo Poller sind, betoniert, sonst haben sie auf der Fahrbahn einen Bohlenbelag. Ist das Holz einmal richtig rott - nach einer Generation - , dann bleibt nur ein versunkener Damm als lose Steinschüttung übrig. Der nächste Hafen muß anderswo gebaut werden, weil die Beseitigung der Trümmer zu teuer wäre. In Europa haben wir noch Bausubstanz der Römer. Die 2.000 Jahre alte Engelsbrücke in Rom wird heute noch stark befahren. Würden die Leute hier mehr in dauerhafte Dinge investieren, könnte jede Generation ein Stück solide Steinpier bauen und nach einigen Generationen hätten sie einen Superhafen. Deswegen findet man in Europa so viele kleine Innenhäfen (uralt), einen Außenhafen (alt), einen Vorhafen (neuer) und neuerdings von der EG bezahlte Riesenwellenbrecher für geschütze Reeden. Hier werden sie in 100 Generationen immer noch unzureichendes Gelumpe haben. Keine Ahnung warum Amerika den Ruf eines modernen Landes hat. Der alte Fischer auf Grand Manan hat uns gesagt, daß er auf den großen Bänken weit draußen auch viele amerikanische Fischer traf und sie hätten immer die schlimmsten dreckigsten und rostigsten Schiffe gehabt. Farbe geht schon vom Profit ab. Um diese schlechten Standards gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu schützen, werden Einfuhrschranken aufgebaut, um angeblich moderne strenge Maßstäbe zu setzen. Abgasvorschriften für Autos, Bauvorschriften für Schiffe, Geräte und Maschinen, die oft kaum zu befolgen sind, Aufträge die ins Ausland vergeben werden, werden hoch besteuert und was im Inland geschieht ist etwas ganz anderes. Da wird alles einfach gemacht, damit die nationale Wirtschaft nicht behindert wird. Schiffsreparaturen im Ausland werden z.B. mit 50% besteuert!! Und da klagen die Amis gegenüber Europa von freiem Handel, sie denken eigentlich mehr an freie Einbahnstraßen. Dieses Thema ließe sich endlos mit Beispielen fortsetzen. Man müßte nur den Bürgern bei uns deutlicher zeigen, wie gut im Grunde bei uns alles läuft und daß wir das bewahren müssen und nicht durch Unzufriedenheit gefährden dürfen. Aber ich will jetzt nicht ins politische abgleiten.

Wir ankern hier in einer Bucht mit dichten Wäldern herum, es ist wie ein Waldsee, nur zwei Häuser stehen an den hohen Ufern. Wir wollen heute die Wetterentwicklung abwarten, vormittags einen langen Spaziergang zum nächsten kleinen Fischerort machen und diesen Brief zur Post bringen. Je nachdem werden wir dann nachmittags bei Niedrigwasser noch auslaufen und nach St. Andrews segeln. Das ist in der großen völlig von Land und Inseln umschlossenen Passamaquoddy Bay. Die nächste größere Stadt ist Eastport Maine. Die Grenze ist nicht weit weg. Wir müssen bei Niedrigwasser hier raus, weil wir sonst die halbverfallenen teilweise unter Wasser liegenden Masten der Fischreusen nicht sehen. Um die Netze zu halten werden 20 m lange Masten in den Boden getrieben und an der Spitze werden dünnere Stangen aus Birkenholz befestigt. In Betrieb befindliche Anlagen ragen auch bei Hochwasser heraus, aber alte Anlagen verfallen einfach. Niemand beseitigt sie oder kennzeichnet sie mit einem Schwimmer oder einer Bake.

Wir sehen jeden Tag neue Vogelarten, die wir noch nicht kennen. Dianne blättert schon wieder in Bestimmungsbüchern. Am letzten Ankerplatz haben wir Eistaucher beobachtet, ihr Ruf klingt wie das Lachen einer alten Hexe. Sie sind schöne große Vögel, die gut tauchen.

*****

Roque Island, Shorey Cove, 4.9.92

 

Liebe Allgäuer!

Wir sind wieder in Maine, zwar noch nicht offiziell einklariert, aber die Ports of Entry liegen nicht immer passend für unsere Pläne. Wir wollten aber unbedingt diese Insel sehen und sie teilt die Strecke nach Bar Hbr. auf Mount Desert Island in der Hälfte. Da es von dort eine Fährverbindung nach Neu Schottland gibt, haben sie ein Büro von Zoll und Einwanderungsbehörde. Seit gestern abend regnet und windet es, aber am Nachmittag soll es schon wieder aufklaren. Wir haben mit dem Wetter wirklich Glück in dieser windigen nebligen Gegend und selbst wenn wir Pech haben, hat es auch noch seinen Vorteil, aber davon gleich der Reihe nach.

Wir hatten in Hbr. de Lute einen Schlauchboot/Fußmarsch nach Wilsons Beach gemacht, einem kleinen künstlich angelegten Hafen mit einigen Häusern und zwei Kirchen. Das einzige Geschäft hatte kaum etwas zu verkaufen und der ganze Ort machte einen verschlafenen Eindruck wie hinter dem Mond. Die Landschaft war aber sehr hübsch, überall blühte es wild und Himbeeren gab es so viele, daß wir in wenigen Minuten unsere Plastikdose voll hatten. Wir pflückten im Stehen an einem Platz. Unser Dinghi hatten wir bei einer Lachszucht gelassen und wollten uns Lachs kaufen. In der Verarbeitungshalle war kein Betrieb, nur zwei Frauen zerlegten gerade zwei Lachse in herrliche rosa Steaks für ein Restaurant. Sie verkauften nur ganze Fische und uns war ein kleiner Lachs mit 7 Pfund halt zu viel. Der Preis war Can $3,25/Pfund(454g). Ich glaube ich habe schon etwas davon auf Karten geschrieben, aber nochmal gut leserlich:

Die Firma kauft 130.000 Lachse bei einer Zuchtanstalt, wo wilden Lachsen der Laich abgestreift wird und dann Jungfische gezüchtet werden. Da die Jungfische im Süßwasser sind, gibt es eine bestimmte Verlustquote bei der plötzlichen Unstellung auf Salzwasser, aber fast alle wachsen dann in 18 Monaten zu herrlichen 7 bis 8 Pfündern heran. Wir haben später noch eine andere Fischfarm für Jungfische gesehen, da bleibt die Fischbrut aus der Zuchtanstalt 20 Wochen im Brackwasser der Mündung des Magaguadavic River. Von den 66.000 Jungfischen überleben alle und sie fressen jeden Tag in zwei Fütterungen insgesamt 400 bis 600 Pfund. Das Futter besteht aus Fischmehl mit anderen Proteinen, Vitaminen und bei Bedarf Medikamenten, um Seuchen zu verhindern oder zu heilen. Fische werden in der Natur von vielen Parasiten und Krankheiten befallen, aber normalerweise dann schnell von anderen gefressen. In einer Farm werden solche Dinge aber schnell epidemisch und damit verlustreich.

Das Futter kostet Can $0,50/ Pfund. Nach zwanzig Wochen gehen die Jungfische zu einer Farm in der Nähe mit reinem Salzwasser.

Von Hbr. de Lute segelten wir entlang der Grenze bei Eastport durch den größten Whirlpool der Welt. "Old Sow" (Alte Sau) hat den Namen zu Recht. Zwischen zwei Inseln hindurch gehen zwei Flut/Ebb Ströme um eine 90° Ecke in einen schmalen Durchlaß zur Passamaquoddy Bay. Wir fuhren bei Niedrigwasser "Slack" (Stillwasser) durch und machten einmal fast eine halbe Umdrehung auf der Stelle und ich mußte immer kräftig dagegen steuern. Die Strömung kommt nie völlig zur Ruhe, denn die Wirbel bleiben stehen, bis sie in die andere Richtung wieder neu angtrieben werden. Bei Sturm und Halbtide wäre es für uns unmöglich da durchzufahren. Hier in Down East hat die Natur schon so einige Überraschungen auf Lager. Es gibt mehrere "Reversing Falls" an Engstellen zu Buchten oder in Flußmündungen. Bei Flut fällt das Wasser über eine Felsrippe hinein und bei Ebbe wieder heraus. Bei Niedrigwasser ist die Rippe fast trocken und bei Hochwasser ist sie bei Slack sogar befahrbar. Im St. John River ist so ein Fall, wo das Wasser bei Ebbe 5 !!! m herunterfällt. Jeder der auf den Seen und Flußlandschaften des St.John segeln möchte, muß bei Hochwasser da rüber. Mit dem richtigen Timing absolut kein Problem, nur ein Rechenfehler...........Bums!!

Wir passierten die Alte Sau bei strahlendem Wetter und am Ankerplatz in St. Andrews wurde uns die Boje eines anderen Bootes angeboten, gratis natürlich. Bei dem Tidenhub und 14 m bei Hochwasser war das sehr angenehm. Die Leute, die uns die Boje des abwesenden Clubmitglieds anboten, luden uns gleich auch noch auf einen Drink ein.

Über die Stadt habe ich schon einige Informationen nach Oberdeusch geschickt und so will ich mich nicht wiederholen. Es war sehr heiß und wir kamen beim Sightseeing richtig ins Schwitzen. Es gibt in St. Andrews ein großes Hotel mit sehr gepflegten Gartenanlagen. Es war eine Pracht diese Blüten und Farben zu betrachten und zu filmen.

Wir kauften auch einige Seekarten der Gegend in einem netten Buchladen. Wir gingen in den nächsten Tagen noch öfters dahin, denn außer Bücher betrachten, was wir immer gerne tun, gab es zwei Katzen im Geschäft. Sie haben ihren Lieblingsplatz auf dem Tisch und Arbeitsplatz des Besitzers, mitten im Geschäft. Dort liegen sie faul herum, schmusen miteinander oder mit Kunden und putzen sich selbst oder gegenseitig. Es war ein roter Katzenpeter (sehr typisch) und ein schwarzer Kater mit weißer Brust. Sie waren dicke Freunde, schliefen engumschlungen und der rote Kater hielt den anderen mit der Pfote um den Hals, während er ihm die Ohren putzte, was beide offensichtlich sehr liebten. Sie waren einfach köstlich und zogen mehr Kunden ins Geschäft als die Bücher im Schaufenster.

Bereits am ersten Tag lernten wir Rob und John kennen, wie sie Johns Boot trockenfallen ließen und den Boden säuberten. Immer wenn wir vorbeikamen, schwätzen wir miteinander. Etwas mehr im flacheren Wasser gab es ein extra Balkengerüst auf dem Grund, um Fischkutter trockenfallen zu lassen. Für Johns Boot war das nicht geeignet, denn es hat einen kurzen Flossenkiel. Am dritten Tag gab es morgens dichten Nebel, der sich erst mittags lichtete, in der Nachmittagssonne sahen wir aber, daß draußen in der Bucht noch eine Nebelwand war. So blieben wir und es war jeden Tag das Gleiche. Ein anderes Boot versuchte jeden Tag nach St. John auszulaufen, wo sie zum Wochenende sein wollten, aber sie kamen immer nach drei Stunden wieder zurück, denn die Letite Passage kann nur bei Slack und guter Sicht gemacht werden. Es gibt dort bis zu 8 Kn Strom und da ist man bei schlechter Sicht schnell, zu schnell auf einem der zahlreichen Felsen. Freitags war dann schon fast Springtide und der örtliche Taucher ließ sein Boot auf dem Grid trockenfallen. Da wir ungeplant so lange geblieben waren, hatten wir die Springtide "abgewartet" und wie wir das Taucherboot sahen, maßen wir die Tiefen und entschlossen uns, am Samstag trocken zu fallen. Nach Tagen mit absolut glattem Wasser begann es ausgerechnet zu blasen, wie wir schon längsseits an der Pier über dem Grid lagen. Jede Welle hob uns an und wir hatten schon Befürchtungen, ob es gut gehen würde, denn mit fallendem Wasser bumst man erst ein Weilchen auf bis genügend Wasser weg ist und man fest steht. Aber ich kalkulierte mit einer Beruhigung, wenn die Ebbe erst einmal stark abläuft und wenn die ersten Sandbänke in Luv herauskommen und die Wellen brechen. Eine Stunde war Bangen und Hoffen, dann wurde es ruhiger und die Arion setzte sich ruhig und fest auf ebenem Kiel auf die Balken. Bald war das Wasser ganz weg und zog sich immer weiter zurück. Wir hatten uns mit Tauen sehr fest an die Pier gebunden damit wir nicht nach außen kippen konnten. Während wir auf das Fallen des Wassers warteten, tranken wir am Fuß der Pier im Ferienhaus von Rob und Caroline zusammen mit John Tee und konnten durchs Wohnzimmerfenster das Boot beobachten.

In zwei harten Stunden war der Rumpf gesäubert und wir konnten auf das Hochwasser warten. Wind und Spring machten fast 9 m Tidenhub. Hochwasser war erst in der Nacht um 2.00 Uhr und nach Kaffee und Kuchen an Bord machten Rob und John den Vorschlag in die Kellerbar des Hotels zu gehen, wo es irische und Country Musik live gab. Es war wie bei einem irischen Singalong. Danach tranken wir noch etwas auf der ARION und so wurde das Warten nicht lang. Der Wind hatte gedreht und war fast eingeschlafen und so war das Ablegen recht einfach. Am nächsten Morgen fing es aber an zu blasen und wir liefen gleich aus, denn der Ankerplatz wurde ungemütlich. Wir segelten nicht weit um die Ecke in die Bucht hinauf und ankerten in Birch Cove sehr geschützt dicht unter Land vor einigen Häusern. Wir fahren hier immer unsere leuchtende große Sonntagsflagge, die Marine muß Flagge zeigen!! und wir sahen manchmal gleich drei Leute von den Häusern mit Ferngläsern zum Boot schauen. Ich lag an Deck in der Sonne und las "Die Libelle" von John le Carré. Besorgt es bitte in unserem Auftrag für Mutti. Heyne Taschenbuch 6619. Ich habe es von Ruth. Es handelt von Agenten des israelischen Geheimdienstes und palästinensischen Terroristen, ist mit sehr viel Detailwissen und spannend geschrieben.

Am nächsten Morgen "segelten" wir bei totaler Flaute in die Mündung des Magaguadavic River. Wir ankerten gleich neben der Fischfarm mit den 66.000 Junglachsen und fuhren mit dem Dinghi hin wie sie gefüttert wurden. Die etwa 12 cm langen Fische sprangen ständig hoch und tanzten auf dem Schwanz, eben richtige Lachse. Der junge Mann, der sie fütterte, arbeitet eigentlich im nahen Kernkraftwerk, arbeitet aber im Lohn für die Fischfarmgesellschaft zusätzlich. Er wohnt gleich daneben in einem der 4 Häuser in der weiten Bucht. Platz ist hier überall im Überfluß.

Wir fuhren mit dem Dinghi in der Bucht herum und schlichen uns an einen Adlerhorst eines Weißkopfseeadlers. Einer der beiden bereits ausgewachsenen Jungvögel war im Nest und flog erst 30 m vor uns weg, wie wir durch das Gestrüpp kamen. Wir sahen die beiden alten Adler mit den jungen immer um uns herum fliegen. Die Alten konnten wir nur am weißen Kopf und Schwanz von den Jungen unterscheiden. Fischadler, Reiher, Eistaucher, Gryllteisten, Enten, Möwen und Seehunde waren natürlich auch ständig ums Boot. Es war wunderbar sonnig und warm, bis dann am späten Nachmittag große Cumuli aufzogen und immer schwärzer wurden. Nach einigen Tropfen als Vorspiel raste plötzlich zweimal eine weiße absolut undurchsichtige Wand mit harten Stürmböen auf uns zu und wir sahen im kübelweise herabfallenden Wasser absolut nichts mehr. Der Abend war dann aber wieder sonnig und die Abendsonne beschien in der Ebbe die vielen Felsen in der plötzlich viel kleineren Bucht.

Am nächsten Morgen fuhren wir bei Niedrigwasser mit dem Dinghi die 3 Sm nach St. George hinauf. Von einiger Entfernung sah man oft den Verlauf des Flusses nicht mehr. Nur Felsen, Muschelbänke und Schlammflächen. Das Tal mit den hohen baumbestandenen Ufern war natürlich ein klarer Wegweiser. In St. George einem kleinen Nest mühten wir das Dinghi die hohen steinigen und schlammigen Ufer hinauf und hatten das meiste des Ortes schnell gesehen. Der Fluß fällt vom Lake Utopia kommend in einer Schlucht über einen Wasserfall herunter, der aber viel von seiner Schönheit zugunsten eines Wasserkraftwerkes verloren hat. Im Tante Emma Laden kauften wir einige Lebensmittel ein, das Fleisch wurde in Packpapier ordentlich zu einem Päckchen verpackt und mit Schnur über Kreuz verschnürt. Mutti hätte ihre Freude gehabt in so einem Geschäft mit Bedienung einzukaufen. Es gibt hier auch viele "Martin in der Hopferau", (allgäuer Tante Emma-Laden) nur, daß dieser immer mit der Zeit ging und modernisiert hat. Wenn der hier wäre, würde er wahrscheinlich die Martin Kette aufmachen und die ganzen "Krattler" aufkaufen und reich werden, wenn er es nicht schon ist.

Die Rückfahrt war gegen die Flut etwas länger und der Fluß füllte bereits fast überall das Tal aus. Ein anderer Weißkopfseeadler kreiste über uns und ein Seehund jagte in den strudelnden Strömungskanten plantschend Fische, wenn er uns nicht schnauzbärtig und Nase rümpfend beobachtete. Wegen der Augenstellung haben Delphine und Seehunde Sichtsektoren, wo sie Mono oder Stereo sehen, deswegen "rümpfen" sie scheinbar die Nase, wenn sie den Kopf heben, um die Entfernung zu sehen. Vögel drehen den Kopf und erzeugen das stereometrische Bild nacheinander im Gehirn.

Kurz nach unserer Rückkehr, eine Stunde vor Hochwasser liefen wir aus und waren genau bei Slack in der Einfahrt zur Letite Passage. In der Durchfahrt und bis nach Northwest Hbr. mußten wir genau navigieren und die Inseln und Felsen "abhaken", um nicht durcheinander zu geraten. Der kleine Fjord ist gut geschützt und ist landschaftlich sehr reizvoll. Das Wasser ist aber so tief, daß wir die Kette mit Leine verlängern mußten.

In der Morgendämmerung liefen wir dann wieder aus und die starke Ebbströmung spuckte uns schnell in die Bay of Fundy, in den Grand Manan Channel hinaus. Das große rote Georgskreuz auf dem Leuchtturm an der Ausfahrt leuchtete in der ersten Morgensonne. Es gibt hier sehr viele schöne Leuchttürme und fast alle haben wir im schönsten Sonnenschein gesehen.

Mit gutem Wind und starker Ebbe näherten wir uns schnell Southwest Head auf Grand Manan und motorten bei Flaute um das Kap und mit der Flut wieder nach Nordost bis nach Seal Cove, wo wir tief unter der Pierkante an einem Fischkutter längseits festmachten. Der Hafen wird durch Molen völlig umschlossen, und man sieht die Einfahrt erst dicht davor. Wir kletterten die Leiter auf die hohe Pier hinauf und spazierten in den weitläufigen kleinen 400 Einwohner Ort. Ganz Grand Mannan hat nur 2.600 Einwohner. Lange unterhielten wir uns mit einem Hummerfischer, der jetzt in der Schonzeit seine Fallen reparierte und viel Zeit zum Ratschen hatte. Inselbewohner haben immer Zeit und hören gerne Neuigkeiten und sind sehr freundlich. Kanada ist sehr strikt mit Fangquoten, Lizenzen und Schonzeiten. In den USA geht es nur um Profit und Einschränkungen würden Wählerstimmen kosten. Das überholte Wahlsystem ist direkt darauf angelegt, daß es bergab gehen muß. Die Enkel sind heute noch keine Wähler und werden schauen müssen, wie sie einmal zurecht kommen.

In Seal Cove gibt es auch noch einen alten Hafen, der bei Ebbe trockenfällt und dort sind die ganzen alten Smoke Houses und Packereien. Seal Cove ist bekannt für seine geräucherten Heringe. Die Heringe werden sehr stark kurze Zeit eingesalzen, dann auf etwa 1 m lange Holzstöckchen durch die Kiemen aufgefädelt und auf Regale zu Tausenden in scheunengroße Räucherhäuser gehängt. Von etwa 2m über dem Erdboden bis unter das Dach hängt dann alles voll Fisch. Wie Honigwaben in einem Bienenstock. Ein hochgesetzter Dachsattel läßt oben am First einen Luftschlitz frei und unterhalb des Daches sind an den Seiten des Hauses Schubtüren. Auf dem Boden legt man in einigem Abstand immer V-förmig lange Holzscheite hin und schüttet einen Haufen Sägemehl auf die brennende Spitze. Der Räucherer kontrolliert mit einem langen Haken das Schwelen der Feuer und kann mit dem gleichen Haken auch die Schubfallen öffnen oder schließen. So werden die nicht ausgenommen Heringe geräuchert und verlieren viel Wassergehalt. Die fertigen Räucherfische kommen in Körbe und gehen in die Packerei. Dort sitzen Frauen an Arbeitstischen und trennen mit scharfen Messern und viel Geschick Kopf, Schwanz und Bauch ab, knitteln den ganzen Fisch, ziehen die so gelöste Haut ab, klappen ihn auf und trennen und putzen mit zwei Schnitten die beiden Filets und packen sie in Holzkistchen. Eine Kiste mit 10 Pfund kostet Can $18 und die Frau bekommt 8 Dollar für die Arbeit. Wir haben Räucherfilets für Can $ 2,- /Pfund gekauft. Sie schmecken herrlich, machen aber durstig. Die Filets werden in die Karibik exportiert, weil sie auch ohne Kühlschrank halten und dort traditionell gegessen werden. Die Frauen in der Packerei zierten sich etwas, aber nach längerem Zureden konnten wir eine alte Frau bei der Arbeit filmen, der Räuchermeister zeigte uns jedoch alles bereitwillig und führte uns auch selbst in die Packerei.

Ja die Inselbewohner sind schon sehr freundlich, denn Dianne ging zum Fotografieren später nochmal auf die Pier, inzwischen schwammen wir ganz oben und es war einfach an Land zu kommen und sie kam mit Fischern ins Gespräch. Sie boten uns an mit ihnen abends hinauszufahren, um mit einem "Seiner" ein Fishweir abzufischen. Wir nahmen das Angebot natürlich an und es kamen noch 4 Gäste mit. Wir fuhren in der schönen Abendsonne nicht weit entlang der Küste zu einer dieser großen Reusen. Der Seiner machte außen an den Netzstangen fest und das Netzboot mit den beiden Arbeitsbooten des Seiners fuhr in die runde Reuse hinein. Ein Taucher ging auch noch runter, um aufzupassen, daß sich das "Seine"-Netz nicht an Felsen auf dem Grund verhakte. Die Sonne ging langsam unter, aber es mußte alles mit der richtigen Tide - gleich Wassertiefe - geschehen. Das Netz wurde wie ein Vorhang entlang des Reusennetzes innen entlang ausgebracht. Es hängt von Schwimmern bis auf den Boden, wird zusammen"-genäht" und dann mit einer Reihleine über Winschen vom Netzboot aus unten zusammen und zu gezogen. Die Arbeitsboote halten es gegen den Zug oben auseinander. Das Netzboot hat auf einer Seite eine langsam drehende Gummirolle auf dem Seitenbord und darüber wird nach und nach Netz aufgeholt bis der Netzsack immer kleiner wird. "Wir" fingen 60 Tonnen Fisch, das Transportboot der Fischfabrik, das inzwischen am Seiner längseits gegangen war, kaufte aber nur 20 Tonnen und 40 Tonnen wurden zur "Aufbewahrung" in der Reuse wieder "frei" gelassen. Ihr könnt Euch nicht vorstellen wie schnell 20 Tonnen junge Heringe aus dem Netz in den Laderaum gehen. Der Seiner hat eine Fisch-Kreiselpumpe an Deck und saugt die Fische über einen Schlauch von guten 20 cm Durchmesser aus dem Netz ab, spuckt sie auf einen rauhen Rost in einem schrägen Alukasten oben auf dem Dach des Steuerhauses und die so geschuppten Fischlein schießen über ein langes Rohr mit senkrechtem Schlauch am Ende, direkt in den Laderaum des Transportbootes. Mit Schaufeln wird dabei ständig Salz über die Fische gestreut. Es sah toll aus, alles im Flutlicht der starken Strahler der drei Schiffe. Es war so hell, daß ich gut filmen konnte. Ein Junge in Christians Alter war auch dabei und er saute sich regelrecht mit Fisch ein und erschlug drei der paar Dutzend Hundshaie, die auch im Netz waren. Die Fischer zogen ihn ständig auf, weil er so voll Dreck und naß war. Die Fischschuppen laufen als glitzernde schillernde dicke Suppe aus einem extra Rohr in große Eimer. Die Menge war schlecht zu schätzen, aber es waren wohl so 1 bis 2 Kubikmeter Schuppen. Sie werden in die USA an Kosmetikfirmen verkauft. Es wird Nagellack und Gloss für bestimmte Lipenstiftfarben daraus gemacht.

Wayne, der Skipper war ein netter urwüchsiger Kerl und wir unterhielten uns gut mit allen, sie waren alle mehr als interessiert, wie sie hörten, wie weit wir schon gesegelt sind. Sogar der äußerst wortkarge Skipper des Transportschiffes konnte seine Fragen nicht bremsen und erzählte alles sofort seinem zweiten Mann weiter, noch während dieser Salz auf die Fische schaufelte.

Wayne schenkte uns dann noch eine große Tüte voll Fisch und zeigte uns wie sie mit drei Schnitten geputzt werden.

Er war dann noch mit anderen "Night Jobs" unterwegs und wie wir mit der ersten Sonne ausliefen, kam er uns gerade am Southwest Light entgegen und brauste mit hoher Bugwelle auf uns zu und scherte bei uns zu einem kleinen Schwatz auf Parallelkurs. Später rief er uns noch zu einem weiteren Schwatz am Funk und der Fischer vom Netzboot rief uns auch noch, wie wir schon in US Gewässern waren und wünschte uns gute Reise.

Gestern Mittag und Abend gab es frische Heringe, in dieser Größe heißen sie eigentlich Sardinen. Die etwas größeren machten wir gestern abend auf neapolitanische Art im Backrohr. Es wurde dazu nur der Kopf abgeschnitten, das Rückgrat aus den zarten rohen Fisch herausgezogen und der Fisch mit den Filets flach geklappt und mit Olivenöl, Gewürzen, Tomaten und Paprika in Lagen eingeschichtet. Schmeckt ganz hervorragend!! Es ist nur schwierig so frischen Fisch zu bekommen,......... wenn man nicht zufällig einige Freunde bei den Fischern hat.

****Mittagspause****

Sardinen die II. :

Kleine Sardinen mit drei Schnitten putzen, mit Küchenrolle trocken tupfen, in Mehl wälzen und in Butter knusprig backen. Eine Hälfte gleich essen bis man nicht mehr kann, Schnaps trinken.

Kalte zweite Hälfte mit Essig, Zucker, Salz, Nelken, Pfeffer und Lorbeer und Wacholderbeeren (gibt es hier frisch, wild, leider noch nicht reif) über Nacht einlegen.

Nach 24 Stunden Bratkartoffel mit Speck und Zwiebeln machen, feine Zwiebelringe über den Fisch legen und alles aufessen. Schnaps trinken und einen Mittagschlaf machen oder müde einen Brief weiter schreiben.

Roque Island ist seit 1806 im Besitz der Familie Peabody bzw. deren Nachkommen, den Familien Gardner und Monk. Der erste Peabody baute hier auf der Insel eine Flotte von 63 Schiffen und er beschäftigte in seinem Geschäft insgesamt 3.000 Menschen.

Roque Isalnd sieht aus wie ein großes "H" der Querstrich hat auf beiden Seiten ca. 1 Sm weißen Sandstrand. die Südbucht hat noch dicht beieinander liegende kleinere Inseln wie ein daruntergesetztes Hufeisen. Die Nordbucht, in der wir jetzt liegen, ist durch das nahe Festland ebenso geschützt. Wir ankerten gestern zunächst in der Südbucht, spazierten etwas am Strand, landeinwärts darf man nicht und gingen dann hier vor den Wohnhäusern der Familien, den Werkstätten und den Farmhäusern und Scheunen vor Anker. Ab und zu sieht man Kühe und Schafe. Beim Ankern wurden wir von einem Seehund beobachtet. Es gibt viele Geschichten über die Insel und ihre Bewohner, eine ist sehr lustig.

Horace Dunbar, ein einheimischer Hummerfischer, feierte einst mit einigen Seglern am Strand und hatte mehr als seinen Anteil an den vertilgten Spirituosen. Endlich brach er auf, ging an den Steg zu seinem Ruderboot und begann heimzurudern. Zwei Stunden später fanden ihn weniger besoffene Segler immer noch fest rudernd am Steg.

Er hatte vergessen die Heckleine loszubinden.

Uns kann so etwas nicht passieren, denn zum ersten Mal in der Geschichte der ARION ist uns das Bier ausgegangen (Schnaps und Wein auch). In Kanda mit seinen puritanischen Preisen für Bier, Wein und Alkohol haben wir nicht nachgekauft. Ja die Puritaner kümmern sich halt sehr darum, daß der Nachbar nichts Unrechtes tut. Höchste Preise halten die Sünder aus dem staatlichen Laden (Sündenpfuhl) heraus. Es gibt dort auch noch weniger Kneipen als in den USA. Nur lizenzierte Restaurants, wo man zum Essen etwas trinken darf, alles nach englischem Vorbild, nur daß es dort halt auch sehr urige Pubs gibt.

Die Kirchen der verschiedenen Fachrichtungen stehen dichtgedrängt an der einzigen kneipenlosen "Hauptstraße". Nur die Altstadt von Baltimore und Gloucester waren Ausnahmen. Irische und portugiesische Fischer und Einwanderer lassen sich ihre Kneipen nicht nehmen, kein Problem mit dem "Sündigen" - sie sind ja katholisch und können beichten. Ich als alter Heide, habe noch weniger Probleme, aber trotzdem keine Kneipe. Räucherheringe sind als Brotzeit recht gut, machen aber schrecklich durstig - nur nicht auf Wasser!

Viele liebe Grüße

xxxxx Anmerkung: Zeichnungen zu diesem Brief ließen sich als Tuschzeichnung gut einfügen.

P.S. Wir haben auch hier am Ankerplatz wieder einen Weißkopfseeadler, er flog hier vorbei und sitzt jetzt hinter dem Boot am Ufer auf einem ausgedörrten Baum - schon seit einer Stunde, ist wohl kein Flugwetter heute-.

Im Wald ruft irgendeine Eule, die Loons rufen mit einem hexenhaften Lachen und unser Seehund ist auch wieder da. In der Wiese hinter den Farmgebäuden steht ein Schimmel, er sieht so aus als ob er in den Stall wolle.

Vorhin ankerte noch eine Riesensegelyacht neben uns. Ansonsten sahen wir nur noch einige Lobstermen mit ihren Fangbooten.

Der Wind ist weg, aber die Wolken hängen bis unter die Wasseroberfläche.

Egal ob Nebel oder nicht, wir werden morgen nach Bar Harbour segeln, unsere elektronischen Sklaven werden uns die Navigation dorthin wesentlich erleichtern, sofern sie ohne Murren arbeiten.

Das GPS - Gerät ist schon wirklich vom Feinsten. Wenn wir bei Nebelgefahr irgendwo hineinfahren speichere ich die Positionen im GPS und Loran und mit den gemessenen Positionen finden wir bei Nebel wieder heraus. Eine Möglichkeit, von der frühere Navigatoren nur träumen konnten. Bis jetzt haben wir es noch nicht gebrauchen müssen und auch das Radar war in Maine noch nicht viel an; ausgerechnet in dieser Nebelgegend. Wir haben eben Glück!

Mit Ringwaden wird auch in Europa gefischt. Man lokalisiert den Fischschwarm im speziellen Fischsonar und fährt mit den Arbeitsbooten das Netz um den Schwarm herum, zieht das Netzt unten zu und rottet dann den ganzen Schwarm aus, wenn er nicht gerade sehr groß ist. Ein Schleppnetz erwischt immer nur einen Teil eines Schwarmes. Das Fischen mit Rinwaden ist in der Hochseefischerei umstritten. Wir haben diese Fangmethode in der Chesapeake-Bay bei den Menhaden Fischern gesehen und auch vor der Küste von New Jersey.

In einem Brief aus Portugal habe ich zum ersten Mal von solchen Netzen geschrieben.

5.9.

In Bar Harbour eingetroffen. Konnten erst nachts nach dem Eintreffen der Fähre aus Kanada bei den Behörden einklarieren. Sehr touristischer Ort, voller Souvenirläden. Starker Kontrast zum urwüchsigen Grand Manan. Die Funkverbindung über Norddeich war sehr gut, habe Dich Sepp gut verstanden, ganz klar.

*****

 

Smith Cove ME, 8.9.92

Liebe Oberdeuscher!

 

Unser letzter Brief erzählte von Roque Island, inzwischen sind wir schon wieder ein gutes Stück westwärts gekommen und segeln zwischen den vielen Inseln und Ankerplätzen der Penobscot Bay hin und her.

Auf Roque Island hatten wir zwar nicht gerade ideales Wetter, aber dieses Land hier bekommt oft erst im Nebel oder in einem Schauer seinen echten Charakter. Nur Sonnenschein wie in den Tropen, wäre hier zu platt, hier müssen auch Schatten ins Bild, sonst bekommt es keine Tiefe.

Wir brachen früh morgens in Roque auf und motorten bis nach Bar Harbour. Manchmal schob der Wind ein wenig mit, aber meist war die See ölig und atmete nur träge in der langen Dünung. Wir sahen wieder viele Delphine aber keine Wale.

In Bar Harbour nahmen wir eine Boje der Stadt, denn zum Ankern ist es etwas tief und da wo man ankern könnte sind überall Bojen. Der Hafenmeister war recht freundlich und behilflich und nach einem Telefonat mit Customs und Immigration bekamen wir 21.00 Uhr als Zeitpunkt zum Klarieren. Pünktlich fuhren die Beamten vor dem Büro des Hafenmeisters vor und wir wurden schnell und freundlich einklariert. Der Papierkrieg war aber erheblich größer als in Kanada und die Beamten entschuldigten sich sogar dafür. Bar Harbour ist ein netter Ort, aber schon sehr touristisch verändert. Es legen dort auch Passagierschiffe an und für diese Kunden sind die Geschäfte zugeschnitten.

Wir kauften nur ganz normal ein, z.B. Rinderbraten für 5,80 DM/Kg.

Am nächsten Tag tankten wir erst einmal Diesel und Wasser und segelten dann um die halbe Insel Mount Desert zur nächsten Inselgruppe und dort nach NW in den Eggemoggin Reach. Dort gibt es die Wooden Boat School, die uns von der so genannten Zeitschrift her schon bekannt war und von einem australischen Freund empfohlen worden war. Wir ankerten neben einer anderen australischen Yacht und wurden gleich herzlich willkommen geheißen.

Die Schule besitzt ein riesiges Gelände, wohl 50 Hektar am Wasser und macht allerlei Kurse vom Bau von Booten bis zur Navigation. Dabei werden mehr idealistische Ziele verfolgt als rein kommerzielle. Der Besitzer von Verlag und Schule wohnt z.B. in einem Mietshaus und hat eine kleine Segeljolle, aus Holz natürlich.

Die Gemeinde verfolgt auch idealistische Ziele und wir haben sehr viel positives über die Gegend gehört. Es ist schön, daß es solche Dinge noch gibt.

Nach einem Frühschoppen mit dem Australier, seine Frau gab gerade einen Segelkurs, gingen wir Anker auf und segelten den Reach hinauf.

Es wurde sehr schönes Segeln, der Wind drehte brav mit und der Nebel blieb immer so weit weg, daß das bereits mitlaufende Radar nicht wirklich gebraucht wurde. Die Sicht veränderte sich aber im Nebel ständig und mit den jagenden Nebelfetzen sah es teilweise recht nach fliegendem Holländer aus.

Wir segelten in eine kleine Bucht vor Castine und ankerten dicht vor bewaldeten Ufern. Vier Fischadler und einige Seehunde fischten um die Wette. Die Adler saßen auf knorrigen Ästen und stürtzten sich ins Wasser auf die Beute. Die anderen Adler schrien dann eifersüchtig bis die Beute in Sicherheit vertilgt war.

Ein Seehund hatte einen so großen Fisch, daß er etwas ratlos mit dem Fisch quer im Maul schaute. Wie dreht man ihn, ohne ihn los zu lassen, wenn man keine Hände hat?

Heute früh motorten wir für einige Stunden in die kleine Stadt Castine und nahmen eine Boje des Yachtclubs. Ankern ist im tiefen Wasser des Bagaduce River nicht möglich. Nachmittags verholten wir dann hierher in die Smith Cove. Die ganze Gegend hier ist ein Naturpark und wir wollen uns morgen noch etwas umsehen. Heute haben wir nach dem Ankern nur noch einen Eimer Muscheln "gefangen".

9.9.92

Wir sind gerade von unserer Wanderung im Naturschutzgebiet zurück an Bord gekommen und während Dianne kocht, kann ich noch etwas schreiben. Der Naturpark entstand durch eine Stiftung an den Staat von Maine. In den 60er Jahren kaufte eine Bürgerin Land auf der Halbinsel zusammen und stiftete 1200 Acres zum bereits auf zwei kleinen vorgelagerten Inseln existierenden Staatsbesitz. Jetzt hat der Park etwa 2000 Acres das sind 800 Hektar. Alles muß völlig naturbelassen sein nur wenig wird durch Pfade erschlossen. Ohne Pfad ist es in diesem Urwald unmöglich durchzukommen, oder zumindest sehr erschwert.

Deshalb gibt es hier sehr viele wilde Tiere wie Schwarzbär, Waschbär, Biber, Wildkatze, Kojote, Stachelschwein, Bisamratte, rote und graue Eichhörnchen, Deer usw.. Wir sahen leider nicht alle bei einem Spaziergang. Wir sahen aber einen Biberbau in einem Bibersee mit Tausenden weißen und roten Seerosen und ein Stachelschwein wie es auf einen alten Apfelbaum kletterte. Es wurden alte Farmen aufgekauft und wo einmal die Homesteads (Heimstatt) waren, wachsen zur Freude des Wildes Apfelbäume. Sie sind fast verwildert und die Äpfel sind recht klein. Das Stachelschwein, ein putziges nettes Tier, kletterte gerade auf einen Apfelbaum mitten in der Wildnis. Er hatte garnicht viele Stacheln, sah eher nach Streicheltier aus.

Wir kamen mit einem Einheimischen ins Gespräch und er kannte die ganzen Reviere der Tiere. Aber bei Tag sind die scheuen Tiere kaum zu sehen. Man sieht zwar überall Spuren und auch die Losung, aber leider sahen wir den Bär nicht. Aber ich bin zumindest auf dem gleichen Weg gegangen. An dem Bibersee sahen wir unzählige Bäume, die von Bibern gefällt worden waren. Es waren z.T. sehr große Bäume mit 30 bis 40 cm Stammdurchmesser dabei. Die Späne sind so groß, daß man glauben könnte die Bäume wären mit einer Axt gefällt worden.

*****

Jetzt war gerade Niedrigwasser und wir sind schnell zu einem Felsen in der Bucht gefahren, der nur bei Ebbe herauskommt. Die Felsen waren von Muscheln und Seetang übersät. In wenigen Minuten war der Eimer voll. Dabei nahmen wir nur die Schönsten und Größten. Das wird wieder ein Essen in den nächsten Tagen, wenn wir im Hafen von Rockland sind, wo wir natürlich keine Muscheln sammeln. Wenn die Muscheln außen weiße Streifen haben, finden sich innen Perlen. Man muß dann beim Essen vorsichtig sein, vor allem beim Zubeißen.

Bevor wir mit dem Beiboot losfuhren kam die Sonne heraus und es sah nach Aufhellen aus, dann zogen aber wieder Nebelschwaden herein und trotz Sonne am Himmel, wurde die Sicht über dem Wasser sehr schlecht.

10.9. abends

Heute morgen war zunächst noch dichter Nebel, der aber gegen 11.00 Uhr heller wurde und es kam die Sonne heraus. Wir entschlossen uns auszulaufen. Nach fünf Seemeilen steckten wir im dicksten Nebel und der Wind wurde auch noch recht stark und das auf die Nase. Da entschlossen wir uns umzukehren und gingen wieder an den alten Ankerplatz. Ich machte mein Video Studio klar und Dianne ging wieder in den Naturpark. Hier in der Bucht blieb es sonnig und schön aber mit dem Südwind zogen immer neue Nebelschwaden in die Penobscot Bay und wir hörten am Funk die vielen Schoner, die Charter fahren. Sie hatten meist Null Sicht und gaben immer Kurs und Position am Funk durch, wir machen das bei schlechter Sicht auch, es ist dann viel einfacher das Radarbild zu interpretieren.

Das Videoband habt ihr ja vor Euch, aber ich will noch kurz erzählen was Dianne auf ihrer 4 Stunden Wanderung erlebte.

Sie kam ganz geschafft und begeistert zurück. Sie hatte wieder Stachelschweine gesehen und sie waren so dickfellig, daß sie eines im Baum fast anfassen konnte. Das wird gute Photos geben. Ein Stachelschwein saß 2 Stunden später noch auf dem gleichen Ast. Sie scheinen sehr behäbige Tiere zu sein. Auf ein anderes Stachelschwein wäre Dianne in der Wiese beinahe drauf getreten. Es stellte sofort die weinigen Stacheln und drehte den runden breiten Rücken her. Später machte es fast ein Männchen und schnupperte nach Dianne. Die Vorderpfoten sind lederig mit starken Krallen und die Hinterpfoten sind ganz mit Pelz bedeckt und haben auch starke Krallen. Man hört richtig das Kratzen wenn sie einen Baum hoch klettern. Dianne ging dann noch zu einer Bucht wo das Wasser bei Flut hereinläuft und bei Ebbe über einen Wasserfall herausfällt. Vor dieser Bucht mit engem Eingang liegt eine kleine Felseninsel, die nur bei Niedrigwasser richtig herauskommt und dort sah sie Seehunde auf den Felsen in der Sonne liegen. Beim Biberteich traf sie dann einen Einheimischen, der kürzlich einen Schwarzbären im Garten hatte und einmal sogar einen Schwarzbären erschießen mußte, weil er unbedingt ins Haus wollte. Der Bär, der sich zur Zeit in der Gegend des Biberteiches herumtreibt ist ein Jungtier mit etwa 3 Zentnern.

Die Nachbarin des Mannes mit dem wir gestern sprachen, züchtet Schafe und da haben die Kojoten, die im Rudel jagen, schon einige geholt. Schafe stellen sich auch recht doof an, bei den Ziegen, die wir bei dem Einheimischen gestern sahen würden die Kojoten einen Angriff schnell bereuen, sie sind viel schlauer und vor allem kampfbereit.

Dianne sah heute auch zwei Schlangen, allerdings keine giftigen und eine war vom Auto überfahren. Sie sind sehr scheu und es ist selten genug, daß man sie sieht.

Heute abend gab es wieder Muscheln. Dieses Mal nach einem neuen Rezept aus dem aus dem Fisch und Meeresfrüchte Kochbuch, das mir einmal Martina schenkte. Muscheln süditalienische Art. Sie schmeckten hervorragend und im Netz hängt noch ein Essen außenbords.

Es waren die Muscheln von dem Felsen vor dem Ufer. Es waren fast keine Perlen darin, das ist beim Essen sehr angenehm.

Dianne ist bereits müde vom Laufen vor einiger Zeit ins Bett gegangen, ich werde es jetzt auch nicht mehr lange machen und nachfolgen.

11.9.92

Heute nacht hat es ordentlich geblasen und gegen Morgen gab es Regen. Beim Aufstehen war der ganze Nebel gegangen und wir hatten sogar Fernsicht. Leider war der Wind mit dem Nebel verschwunden und es reichte nur zum teilweise Motorsegeln. Vor dem Hafen von Rockland lagen wieder zwei russische Fischereifabrikschiffe vor Anker und wir umrundeten sie ganz dicht. Wie sie unsere Flagge sahen wurde viel und freundlich gewunken. Jetzt liegen wir an einer Boje von Knight Marine und werden gleich an Land fahren um die Post abzuholen und wegzubringen.

*****

Rockland, 22.9.92

Liebe Mutti!

 

Nach einer Woche und 2.400 Km sind wir wieder gut hier angekommen. Es war eine schöne Fahrt und wir haben viel gesehen, vor allem schöne Natur.

Wir holten am vergangenen Dienstag um 11.30 Uhr das Auto hier am Flugplatz bei Avis ab und holten dann mit dem Dinghi das Gepäck von Bord. Um 13.00 Uhr fuhren wir los und es ging zunächst auf dem Highway Nr. 1 , den kennen wir schon seit Florida, entlang der Küste nach Portland. Dort bogen wir nach Westen ab und fuhren z.T. über Nebenstraßen immer grobe Richtung Westen. Bald verließen wir Maine und kamen nach New Hampshire und Vermont. Es gab unzählige Flüßchen und Seen. In Vermont wurde es dann bergig und wir kamen auch durch richtige Skigebiete mit vielen Liftanlagen. Je höher wir kamen und je weiter westlich, um so schöner wurden die Herbstfarben. Da wir ständig Sonne hatten, leuchteten die Bäume richtig. Wir fuhren in das Tal des Hudson River und überquerten ihn genau dort, wo der noch kleine Fluß über Stromschnellen und einen Wasserfall in einer Schlucht herabstürzt. Kurz danach kamen wir an einen Seitenfluß, den White River und dann an den Mohawk, der schiffbar ist und über den Oswego Kanal den Hudson mit dem Ontario See verbindet. Die erste Nacht hatten wir bei Lebanon im Tal des Connecticut River verbracht. Westlich von Rotterdam und Amsterdam im Staat New York fuhren wir auf den New York State Thruway und kamen so sehr bequem für $ 7,80 Gebühr nach Westen bis Buffalo. Dort bogen wir nach Norden ab und fuhren nach Niagara Falls.

In Niagara Falls kommt man mit dem Highway zunächst über den Fluß auf eine große Insel im Niagara. Die Brücken auf die Insel und dann von dort in die Stadt sind riesig. Wir fuhren zu einer Tourist Information und gerieten dort gleich an einen sehr geschäftstüchtigen Angestellten. Wir buchten eine Bustour und mit Rabatt damit verbunden das Motel, denn die Gegend bietet so viel und bis man das selbst übersieht und überall den Eintritt und die Parkplätze bezahlt, sich dann irgendwo in der Schlange anstellt, da ist eine Tour mit allem inclusive günstiger und man braucht nicht auf den Verkehr schauen. Um 8.15 begann die Tour und 4 Stunden später kannten wir die Gegend und hatten nirgendwo warten müssen. Die Niagara Fälle sind so sehenswert und es gibt um sie herum so viel zu besichtigen, daß die geschäftstüchtigen Amis alles total kommerzialisiert haben. Zum Glück ist die kanadische Seite die wesentlich interessantere Seite und wir hatten auch die kanadische Tour gebucht.

Nach einem allgemeinen Ausblick auf die Horse shoe Fälle, fuhren mit einem Aufzug hinunter zu einem Tunnel hinter den Fällen, durch Seitenstollen gelangte man direkt an das herabstürzende tosende Wasser. Von einer Platform auf etwa 1/4 der Höhe blickte man zwischen Wasserkaskaden sowohl hinter, wie auch vor die Fälle. Wir hatten gelbe Regenmäntel bekommen und wickelten auch die Kameras hinein, denn in einem Wasserfall ist eine Kamera schnell ruiniert.

Dann fuhren auf den mit 260 m höchsten von drei Türmen mit einem atemberaubenden Blick auf die Fälle. Wir bekamen mit der Tour Karten für den Wiedereintritt. So kamen wir am Nachmittag noch einmal zu den Fällen, hatten dann sogar nicht nur gutes Wetter, sondern strahlenden Sonnenschein. Wir fuhren dann dem Fluß entlang und stoppten überall dort, wo die Tour nicht stoppte. Unterhalb der Fälle tobt der Fluß über Stromschnellen zum Whirlpool, wo er 90° abbiegt und geradeaus einen Kessel mit Kehrwasser ausgehöhlt hat.

Am späten Nachmittag fuhren wir noch zum Welland Kanal, der den Ontario See mit dem Erie See westlich des Niagara verbindet. Mehrere Schleusen und ein großes Schiffshebewerk überwinden den enormen Höhenunterschied. Allein die Fälle haben schon ca. 60 m.

Wir konnten einen Frachter bei der Ausfahrt aus der Schleuse und einen anderen beim Durchschleusen filmen. Das Schiff wurde 15 m hochgehoben. Die Schleusen sind etwa 300 m lang.

Wir fuhren an diesem Tag bis Toronto, der größten Stadt Kanadas.

Am nächsten Tag ging es dann bis Montreal, aber wir stoppten recht oft und besichtigten in Kingston die alte britische Festung und die Iroquois Schleuse am St.Lorenz Seeweg.

In der Festung wurden ab 1939 deutsche Fliegeroffiziere gefangen gehalten, einige entflohen aber trotzdem.

Bei der Schleuse kam wieder gerade zufällig ein Frachter durch und ich konnte filmen. Diese Schleusen sind für Seeschiffe und nicht für Binnenschiffe wie der Oswego Kanal.

Am späten Freitag Nachmittag kamen wir bei Mariele an. Sie freuten sich sehr über unseren Besuch und wir saßen bis spät in der Nacht zusammen. Am Samstag schauten wir uns etwas Montreal an, bis um 17.00 Uhr die große Party begann. Es waren über 50 Gäste da und es war sehr unterhaltsam. Die Franco-Kanadier schalten von Französisch zu perfektem akzentfreien Englisch, daß es einem die Sprache verschlägt. Auch in Geschäften wird man sofort in fließemdem Englisch bedient, wenn man als Ausländer erkannt wird. Umgekehrt ist Ontario rein englischsprachig. Nur New Brunswik ist zweisprachig. Die "Engländer" haben das französische Kulturgut lange echt unterdrückt und die heutige Reaktion der Quebecer ist mehr als verständlich. Catherine, die Tochter von Mariele ist eine begeisterte Anhängerin von Quebec und ich habe mit ihr und einem jungen Quebecer, der sehr idiomatisches "Kanada-Französisch", aber gutes Englisch sprach, bis morgens um 5.00 Uhr diskutiert. Ein Vetreter einer Europa-Union und Quebecer Seperatisten, das ist mit Cognac und Rotwein eine stundenlange Mischung!

Der harte Kern saß in der Küche um den Tisch voller Flaschen und Gläser. Die Party war recht international mit Deutschen, Quebecern, Kanadiern, Franzosen, Iren, Engländern und Haitianern.

Wir haben daher sehr viele aufschlußreiche Informationen gewonnen. Es ist nie so einfach, wie es vom Ausland her aussieht, oder wie es berichtet wird, denn das ist alles etwas durch die "englische" Brille gesehen.

Auch die Nachkommen des durch "Eigenleistung" untergegangen British Empire tun sich mit der Integration und Kooperation unter Aufgabe von Souveränität sehr schwer. Geschichte wirkt lange nach und ich sehe es einmal beim Verhalten der Briten in Europa und zum anderen auch bei Diskussionen mit Dianne. Wir sehen Europa, die Rolle der alten Nationalstaaten, Minderheitenschutz, Wahlrecht, Proporz der Staaten, Föderation oder Staatenbund etc. unterschiedlich. Wie das Pfund kürzlich abstürzte und die Engländer aus dem EWS ausstiegen, haben wir einen halben Tag diskutiert.

Am Sonntag gegen 10.00 Uhr sammelte sich alles so nach und nach zum Frühstück, wir waren nicht die einzigen Gäste im Haus und nachdem alle abgereist waren, Nicolas und Catherine auch das Haus verlassen hatten, unterhielten wir uns noch etwas mit Mariele und Francois und fuhren dann gegen 13.00 Uhr auch los.

Die Autobahn führte über den breiten St. Lorenz Strom in eine endlose Ebene bis nach Maine. Wir fuhren an kilometerlangen Maisfeldern und kleineren Getreidefeldern entlang. In Maine begannen dann die Hügel, Flüsse und Seen und wir fuhren bis zum Fuß der White Mountains. Dort fanden wir im Wald an einem See ein kleines Motel und die alte Dame erzählte uns, daß nachts immer Bären zur Mülltonne kommen und Elche die Gegend durchstreifen.

Wir zogen gleich zu Fuß los zum Filmen und Fotografieren.

Bei Mariele hatten wir einen Iren kennengelernt, der eine Farm bei Montreal hat und der erzählte uns viel über die Wildnis. Seine Farm ist 140 Hektar groß, er wohnt aber nur da und verpachtet das Land an einen Landwirt, der noch eine Farm zur eigenen Farm gepachtet hat, denn unter 400 Hektar lohnt sich die Sache nicht. So werden auch die Preise hier verständlich. Dabei sind das hier keine Agrarfabriken. Ich bin sogar immer wieder erstaunt wie einfach und altväterlich alles betrieben wird. Das wird bestimmt auch alles Gottfried interessieren und da ich immer speziell auf die Landwirtschaft in den besuchten Ländern schaue, werden sich lange Gespräche ergeben, wenn wir wieder da sind.

Am Montag fuhren wir dann durch die White Mountains. Eine herrliche Gegend und die Bäume waren z.T. regelrecht in Flammen. Der Zuckerahorn wird richtig dunkelrot und leuchtet, wenn die Sonne durch die Blätter scheint. Wenn dann Bäche zwischen den bunten Wäldern als Wasserfälle über die Felsen stürzen und sich in stille Seen ergießen, dann ist die Natur an Schönheit einfach nicht zu überbieten. Wir kamen nur langsam voran, ständig gab es Filmstops oder kurze Abstecher zu Fuß.

Erst nach den Bergen ging es etwas flotter weiter und abends, nach einem kurzen Besuch in Camden, kamen wir wieder hier an Bord zurück.

Heute haben wir das Auto zurückgebracht und große Reisetaschen gekauft. Wir werden viel Gepäck haben, denn unsere ganzen Wintersachen werden an Bord nicht mehr gebraucht werden und auch sonst sammelt sich so einiges an. Aber wir fliegen ja mit einem Jumbojet. Für den Fall, daß die Karte an Sepp verlorengeht:

Wir kommen am 7.10. um 9.30 mit KLM Flug 231 M aus Amsterdam kommend in München an. Wir werden am 5.10. nachmittags mit einem Mietwagen die 320 Km nach Boston fahren und dort am 6.10. um 15.40 Uhr nach New York abfliegen. Wir wollten nicht von Rockland fliegen und auch nicht erst am 6.10. abfahren, denn hier gibt es oft Nebel und dann wäre der Abflug in Boston in Gefahr. Um 18.35 fliegen wir dann in New York ab und sind nach 7 Std Flug um 6.50 in Amsterdam. Dort geht es um 8.05 weiter nach München.(Alle Zeiten Ortszeit)

Dies wird wohl der letzte Brief in diesem Jahr sein, demnächst wieder alles mündlich, sofort, ausführlich und ohne Wartezeit.

Heute regnet es und der Wind heult im Rigg, aber morgen ist die Kaltfront durch und es gibt wieder Sonne. Wir wollen noch einige Tage zur nächsten Insel segeln, dort gibt es einige schöne und geschützte Häfen. Wir waren schon in der Gegend, aber es gibt unendlich viele Ankerplätze in der Gegend. Wie wir kürzlich bei Nebel ausliefen und später wegen Gegenwind umkehrten, waren wir ganz in der Nähe der "Nantucket Clipper" einem Passagierschiff, dem wir schon oft auch im Intra Coastal Waterway und in Kanada begegneten. Das Schiff ist nicht groß und macht Reisen für Naturfreunde in Gewässern, wo andere wegen ihres Tiefgangs nicht hin können. An diesem Tag lief sie nicht weit von uns weg auf Grund und riß sich den Rumpf an den Felsen auf. Etwa 11.000 Liter Diesel liefen aus. Vor einigen Wochen war die "Queen Elizabeth II" in der Buzzards Bay auf Grund gelaufen und hatte sich den Rumpf aufgerissen. Navigieren die schlechter als wir? Sind die schlechter als wir ausgerüstet?

Jetzt werde ich den Computer Dianne zum Schreiben überlassen, meine Nutzungszeit ist abgelaufen. Computerbetriebszeiten werden bei uns immer vorher angemeldet, damit wir nicht beide an die Tasten wollen.

Viele liebe Grüße

*****

Weiter Kapitel 13

 
 
Home Faszination des Segelns Unsere große Reise Urlaub auf der ARION Unsere Yacht Inseln der Adria Links