Kapitel 11

Ostküste USA von Washington bis Kanada

Washington, 24.5.1992

Liebe Mutti!

Wie wir hier ankamen lag Dein schöner langer Brief bereits vor. Vielen herzlichen Dank dafür und auch noch einmal für die Geburtstagswünsche und das Geschenk.

Wir stecken hier schon wieder voll im Besichtigungsprogramm und so schreibe ich während des Frühstücks. Es ist wieder sommerlich warm und so sitze ich frühmorgens bereits nur mit Hose bekleidet am Tisch.

Gestern wollten wir eigentlich mit der Bahn etwas aus der Stadt heraus fahren und nach einigen Stationen den Gegenzug zurück nehmen. Wir haben so etwas ja schon in vielen Ländern gemacht. Leider war es hier nicht möglich. Es fahren nicht viele Züge, oft nur einmal am Tag in eine Richtung, dieser Zug legt dann aber oft riesige Strecken zurück und deswegen gibt es dann den Gegenzug irgendwann in der Nacht. Ein Zugnetz wie in Europa gibt es sowieso nicht. Das Bahnpersonal kann einen auch nicht beraten, sie haben von der Geographie des eigenen Landes und den Möglichkeiten der eigenen Organisation nicht viel Ahnung. So landeten wir nach einem schönen Spaziergang durch die frühlingshaft schöne blühende Stadt wieder im Museum. Zuerst waren wir im Naturhistorischen Museum. Dann gingen wir nach Schließung des Air and Space Museums noch dorthin ins IMAX Kino. Es gibt dort so ein Riesenkino wie in Canaveral. Wir schauten uns "Antartica" und "Ring of Fire" an. Zwei atemberaubende Filme sowohl vom Inhalt her, als auch von den Bildern her. Wir tauchten unter das Eis, schwammen mit den Robben, den Pinguinen und Seelöwen, wir flogen durch Eisschluchten und kletterten in Gletscherspalten, ja wir schwammen sogar ins innere eines schmelzenden Gletschers, der vermittelte Eindruck ist wie echte Teilnahme.

Im zweiten Film ging es um Vulkane im Ring um den Pazifik. Es waren genauso atemberaubende Aufnahmen. Wir sahen u.a. wie der Mount St. Helen explodierte. In Bildfolgen wurde durch einen zufällig anwesenden Amateur photographiert, wie die gesamte Bergflanke sich nach außen wölbte, sich abhob und in einer gigantischen Explosion wegflog. Wir waren gerade kurz vorher in der Geologieabteilung des Museeums gegenüber gewesen und so war der Film der krönende Abschluß des Tages. Die Filme zeigten auch wieviel Menschen leisten können und wieviel Schönes sie schaffen können.

Natürlich können andere Menschen wieder schlimmer als Hyänen über einander herfallen und wieder andere ständig mit Neid und Mißgunst auf ihren Nachbarn schauen. Aber das ist der Lauf der Menschheit seit den Tagen der Steinzeit. Anders als bei technischen Errungenschaften der Menschen, stellt sich Falsch und Richtig bei Gesellschaftsmodellen erst viel später heraus und dann ist immer noch die Frage, was man als Richtig bezeichnet. Ich brause auch manchmal auf, wenn mich etwas stört, aber dann sage ich mir wieder, eventuell stört das einen anderen Menschen überhaupt nicht und er könnte ja auch richtig liegen und wenn etwas völlig klar falsch ist, muß man sich oft einfach sagen, das verläuft schicksalhaft wie ein Erdbeben, ist eben nicht beeinflußbar, die Menschheit hat so etwas eben noch nie geschafft. Es hat absolut keinen Sinn und nützt auch niemandem, darüber zu verzweifeln. Die Erde ist ein riesiges Ökosystem mit vielen Parametern und das System läuft schon sehr lange. Dabei gab es immer "Fortschritte" und Rückschritte, Arten starben aus, andere lebten um so besser. Der Niedergang des einen Volkes bedeutet eventuell Hochkonjunktur für ein anderes, Selbst wenn wir "alles" im Übermaß hätten, könnten wir nicht alle gleich viel haben, nur die Ebene würde angehoben. Da wir aber wegen Überbevölkerung zu wenig haben, geht es um die Weidegründe. So gleicht die Weltbevölkerung einer Pyramide und die Spielregeln gelten immer nur für eine bestimmte Ebene darin, die Basis der Pyramide wird immer da sein, die Frage ist nur wie breit ist sie.

Da unsere Informationsgesellschaft über das Fernsehen weitgehend Kathastrophen gewinnbringend verkauft, verstellt das Übermaß an Information den Blick. Wenn ein böses Kind Tinte auf die Wand spritzt, kann man auf die vielen Tintenflecken zeigen und alles besteht plötzlich aus Tintenflecken, tritt man drei Schritt zurück, sieht man wieder die schöne Tapete mit ihren vielen Mustern. Beim Tapezieren ist es ja genauso, man sieht die vielen Unzulänglichkeiten und der Besucher am nächsten Tag lobt die gelungene Arbeit, weil er es anders betrachtet.

Also nicht wütend verzweifeln, Du hast doch schon soviel in Deinem Leben erlebt, daß Du geduldiger sein müßtest. Schalte einfach nicht soviel Nachrichten ein, suche die schönen Dinge raus.

Sie überwiegen bei weitem.

Es gibt hier z.B. Public Radio und beim Kabel TV Public Channels. Da ist die Programmgestalltung und Auswahl der Themen auf Positives eingestellt, das macht einen Riesenunterschied im erzeugten Weltbild. Wir sind ja bei den meisten Dingen auf mittelbare Information angewiesen, also ist die dargestellte Lage ohnehin nicht die "Echte". Und bei der Lage, in der wir unmittelbar stecken, die wir unmittelbar erleben, da können wir doch alle nicht wirklich klagen. Selbst ein unsinniger(aus unserer Sicht!) Streik ist im Vergleich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen noch kein Beinbruch und auch ein paar Prozent mehr Steuern bringen noch niemanden um, selbst wenn sie ungerechte Lastenverteilungen darstellen.

Also nimm in Deinem Refugium den Lauf der Welt gelassener hin.

Es ist auch nur natürlich, daß die "Jugend" ihr Leben nach anderen Wertigkeiten gestaltet und diese Wertigkeiten sind eben immer nur personenbezogen richtig, so umstritten sie allgemein sein mögen.

Papa hatte da die richtige gelassene Betrachtungsweise, ich erkenne mit zunehmendem Alter immer mehr wie beispielhaft seine Lebensphilosohie war.

Was sich bei uns so alles getan hat, habe ich ja schon in anderen Briefen geschrieben, die hoffentlich so nach und nach eintrudeln werden. Ich verteile eben die Reiseerzählungen immer so reihum und hoffe, daß ihr die Briefe austauscht. Ich habe mir auch schon Gedanken darüber gemacht, ob ich nicht alle gesammelten Briefe mal in den Computer schreibe, bzw. schreiben lasse und daraus ein kleines Büchlein im Eigenverlag herstelle, so als Reisebericht in Briefauszügen. Muß nach unserer Rückkehr da mal mit Werner reden, er hat ja mit seinem Verlag und der Druckerei Erfahrung damit. Die reine drucktechnische Herstellung ist heute mit Computern kein Problem mehr, wenn erst mal die redaktionelle Arbeit geschafft ist.

Die alten handgeschriebenen "unleserlichen" Briefe sind ja alle noch vorhanden, oder? Die neuen habe ich hier sowieso in der Maschine und die Speicherkapazität scheint unerschöpflich zu sein. Es ist enorm was so eine Maschine kann. Dianne hat für unsere Freunde von VILMA C viele lange Zeitschriftenartikel übersetzt und zusammen mit einem langen Brief einfach auf eine kleine Floppy Disc gespeichert und diese weggeschickt. Als Papierstapel wäre das eine Menge Porto gewesen, aber die kleine dünne Plastikspeicherkarte hatte alle Information drauf und ging in einen kleinen Briefumschlag rein.

Da Diannes Schwester und Familie alle Briefmarkensammler und Naturfreunde sind haben wir einen Bogen mit zusammenhängenden Sondermarken gekauft. Auf dem Bogen sind 50 Briefmarken á 22 Cent mit den bekanntesten Tieren der USA. Dazu gab es eine Kunstdruckbroschüre mit der Vorstellung des Tieres in Photos und sehr gutem Text. Die USA haben überhaupt sehr viele schöne Briefmarken. Ich bin ja kein Sammler, aber schöne Bilder gefallen mir eben besser als sonderbare Graphiken eines modernen Künstlers.

25.5.92

Gestern abend war mein Internatsfreund Franz Würzner mit Familie zu Besuch und wir haben zusammen einen schönen Abend mit viel Erzählen verbracht. Nach vier Jahren in Washington gehen sie in 4 Wochen wieder nach Deutschland zurück. Ich hatte Fischsuppe gekocht mit Schwertfisch, Strawberry-grouper, Makrele und Shrimps, hat guten Anklang gefunden.

Heute war dann wieder Museum angesagt und da sich das warme Sonnenwetter über Nacht mit einer Kaltfront verabschiedet hat, war es das richtige Wetter, denn es ist kalt, wenn auch trocken. Wir haben einige Millionen Jahre in der Geschichte der Erde durchschritten. Das Museum ist phantastisch lehrreich aufgebaut und da die USA lange eine riesige fast unbewohnte Landmasse waren, mit einigen klimatischen und geologischen Besonderheiten, haben sie hier eine solche Auswahl an Funden, daß sie nur die tollsten Sachen ausstellen. Einige sehr schöne Versteinerungen von Fischen, Pflanzen und anderen frühen Erdenbewohnern stammen allerdings aus Deutschland. An einigen Fundstätten wurden Knochen aus der Urzeit in richtiger Anordnung und völlig komplett gefunden. Mit den heutigen Methoden kann man nun die ursprügliche Gestalt sehr genau rekonstruieren und es gibt an der Wand riesige Gemälde wie es wohl einmal ausgesehen hat und davor steht oder hängt das Originalskelett. Ich werde darüber noch einen kleinen Film machen. Wir schauten uns dann die weitere Entwicklung der Säugetiere bis zur Eiszeit und das erste Auftreten der verschieden Homos an. Homo australiensis, Homo erectus, Homo neandertaliensis, Homo sapiens und das neueste Modell Homo sapiens sapiens, 2 Mill. - 30.000 Jahre alt)

Weil uns die Zeitspanne von 600.000.000 Jahren noch nicht reichte gingen wir ein Stockwerk höher, bzw. 4.700.000.000 Jahre zurück und schauten uns die Geologie Abteilung an. Meteore, Meteoriten, Vulkane, Gesteine, Erze, Erdbeben und echtes Mondgestein. Da diese Exponate eher interessant als schön waren, gingen wir ein Stückchen weiter zur Welt der Mineralien, dort warteten auf uns die faszinierendsten, schönsten Produkte der nicht belebten Welt. Kristalle in allen Farben und Formen, von erlesener natürlicher Schönheit und Vielfalt. Da dies dem Menschen aber noch nicht reicht, werden die edelsten Kristalle auch noch bearbeitet und gefaßt. So sahen wir den Hope-Diamanten, den Portugisischen-Diamanten und Edelsteine von unvorstellbarer Schönheit und genauso unvorstellbarem Wert.

Nach soviel toter Materie wollten wir dann noch etwas lebendiges sehen und gingen in den Insektenzoo. Von der Honigbiene bis zur handgroßen Tarantel, die sogar extra fürs Publikum gefüttert wurde waren die interessantesten Vetreter der Tiere mit Außenskelett vorhanden. Für Brigitte interessant, daß es von den Spiny Spider Crabs, die ja auch zu dieser Ordnung gehören, in Japan eine Art gibt, die etwa 1,5 m Durchmesser hat. Die hätten wir aber nicht mehr mit der Hand gefangen.

Dianne ging dann noch in die National Porträt Gallerie, die mich aber nicht anlockte und so schaute ich mir noch zwei Stunden lang einige Abteilungen im Air and Space Museum an. Dieses Museum ist auch so riesig, daß man immer wieder Neues findet. Ein neu aufgestelltes Stück ist ein Viking Lander. Es wurden drei Stück gebaut, zwei stehen noch immer auf dem Mars, wo sie nach 10 Monaten Flug 1976 weich landeten und das Modell, das für allerlei Tests auf der Erde verwendet wurde, bekam jetzt das Museum. Es ist aber auch die Original Apollo Kapsel ausgestellt mit der die ersten Mondfahrer zurückkamen. Es gibt in diesem Museum so viele Meilensteine aus der noch nicht hundert Jahre alten Geschichte der Luft- und Raumfahrt.

Deutsche Wissenschaftler und Techniker haben da sehr stark mitgewirkt.

Gestern waren wir auch noch einmal in der Indianer und Eskimo Abteilung gewesen. Da ich immer noch in Alaska lese, letztes Kapitel, war es sehr interessant einige Dinge zu rekapitulieren. Beim Lesen hole ich mir auch oft unseren großen Times-Atlas heraus, er ist so detailliert, daß ich fast alle Orte finde.

Heute war hier Feiertag und so gab es auch keine Postaktivitäten.

Morgen wird wieder Post befördert und da soll dieser Brief gleich losgehen.

*****

 

Washington, 27.5.92

Lieber Sepp, liebe Brigitte!

Last, but not least, in der letzten Briefserie, will ich nun Euch schreiben. Aber es ist wie überall, manche schreien eben lauter und werden deshalb zuerst mit Post bedient. Aber erst einmal vielen herzlichen Dank für Euren Brief und den großen "Postsack. Im hiesigen Postamt werden wir noch Rabatte bekommen, wenn wir länger bleiben. Aber es macht ja ausgesprochen Spaß zu schreiben und ich klebe besonders gern schöne Sondermarken darauf. Nur das Personal in den Postämtern ist manchmal einfach hoffnungslos. Bevor man eingreifen kann, kleben sie den Zollaufkleber mit Tesafilm über die Briefmarken. Das dürfte einem Postler einfach schon aus Prinzip nicht passieren. Wir kaufen deshalb immer Sondermarken auf Vorrat und bekleben die Umschläge schon vorher, nur der Rest wird nach dem Wiegen noch aufgeklebt.

Gestern war überhaupt der Tag der Post, denn es regnete fast den ganzen Tag und so hatten wir Zeit für Briefe usw.. Dianne war bis in den Nachmittag mit dem Übersetzen eines Kalenders für die Oberdeuscher beschäftigt. Danach fuhr ich bei Regen kurz zum Postamt und brachte auf dem Rückweg schöne frische Shrimps mit. Es gab dann abends Salat mit Shrimps darin. Wir ankern ja direkt vor dem Fischmarkt und da kann ich einfach nicht widerstehen.

Heute waren wir zuerst in einem der Museen, wo Exponate der Weltausstellung von 1876 in Philadelphia ausgestellt wurden. Interessant alleine die Art der Präsentation, aber auch die Gegenstände selbst.

Im selben Gebäude war auch eine experimentelle Galerie, die vom Namen her garnichts sagte, aber dann sehr fesselnd war. Lauter psychologische Experimente, z.T. sehr aufwendig gestaltet und man konnte überall selbst "mitspielen" oder sich Dinge zeigen lassen.

Aber jetzt hätte ich doch beinahe die ganze "Kohle" vergessen.

Vor wir ins Museum gingen, besuchten wir das "Bureau of Engraving and Printing". Wir haben heute mehr Geld gesehen, als wir jemals wieder sehen werden, von Besitz garnicht zu reden. Also in dem 1938 gebauten neoklassizistischen Riesenschuppen werden die "Bucks" gemacht. Je nach Scheingröße hatten die Paletten mit den fertig gebündelten, in Schrumpffolie verpackten Banknoten einen Wert von 120.000 bis 12.000.000 Dollar. Wir waren den Millionen bis auf etwa 4 m nahe gekommen aber sie waren doch so fern. Die Amis nehmen den Mund mit Superlativen ja immer gerne voll, aber für uns werden die vielen schönen Millionen in einer alten "Werkl" gemacht und die deutsche Gewerbeaufsicht würde den Schuppen schließen. Ich verstehe jetzt auch, warum ausgerechnet so viele Dollars gefälscht werden. Leider durfte nicht gefilmt werden, so könnt Ihr das viele schöne Geld nicht druckfrisch aus der Presse kommen sehen. Es hätte allerdings einen schönen Gag gegeben, der uns aber als Souvenir zu teuer war. Die Geldscheine werden ja auf Bogen gedruckt, die erst zuletzt geschnitten werden. 32 Dollarnoten sind auf einem Bogen und man hätte 32 Ein Dollar Noten als Bogen ungeschnitten für 45 $ kaufen können. Echtes gültiges Geld, aber etwas dumm, wenn man beim Einkauf mit der Schere ausschneidet. Die vielen schönen Briefmarken werden auch dort gedruckt.

Die Druckerei hat 3 Schichten 7 Tage lang, die Scheine halten nicht sehr lang (ca. 18 bis 20 Monate bei 1 $, bis 9 Jahre 100 $) so werden 99 % als Ersatz für vernichtete eingezogene Scheine gedruckt.

Es gab auch Beutel mit maschinell zerschnipselten 150 $. Seit 1990 werden die 50 und 100 $ Noten mit Sicherheitsstreifen ausgestattet und bis 1995 werden auch 5, 10 und 20 $ mit solchen Streifen versehen. Diese modernen sicheren Scheine werden auf einer Druckmaschine einer Würzburger Firma hergestellt, die praktisch das Monopol für derartige Sonderdruckmaschinen besitzt. Unsere Währung ist schon lange wesentlich sicherer. Die neuen DM sind noch besser, wenn die Mehlaugen auch den Aufdruck mit der Warnung vor Fälschung vergessen haben. Man muß schon ein sehr hochbezahltes hochkarätiges Mehlauge sein, damit man sich "unbemerkt" und sicher auch ungestraft so einen Bolzen leisten kann. Aber wehe dem armen Türken, der die Mülltonne in den falschen LKW kippt!

Da fällt mir gerade noch ein anderer Bolzen auf der selben Ebene ein. Heute hat das Bundesverfassungsgericht zum Länderfinanzausgleich Recht gesprochen. Saarland, Bremen und Schleswig-Holstein haben in einigen Bereichen gewonnen. Die armen notleidenden z.Zt. roten Länder haben Anspruch auf mehr Unterstützung durch die erfolgreicheren "Reichen". Ebenfalls heute, konnten sie sich im Landtag in Saarbrücken nicht zu einer Änderung der großzügigsten Versorgung (Selbstversorgung) der Minister und Parlamentarier durchringen. Warum auch, wenn der "Klassenfeind" aus Stuttgart bezahlt. Soziale Hängematte nun auch für ganze Länder?

Vor ich jetzt noch giftiger werde, mache ich Schluß und verreise nach Alaska zu einer Grundschullehrerin mit 44.000 $ monatlich.

(Verdammt viel Geld unterwegs, heute, nur mein Geldbeutel merkt's nicht, der blinde Hund).

 

 

Irgendwo auf dem Potomac River, 29.5. mittags

Wir sind heute früh schon um 5.45 Uhr losgefahren und wollen heute eine Rekordstrecke schaffen. Der Potomac ist zwar sehr tief, aber die Seitenbuchten und Nebenflüsse sind z.T. recht flach. Erst weiter unten, wo der Fluß sehr breit wird, sind auch die Nebenflüsse, eigentlich abgesoffene kleine Täler, tief genug für uns. Da immer auch noch die Windrichtung eine Rolle spielt, sind die Ankerplätze je nach Wetter recht rar. Wir haben heute schon 45 Meilen hinter uns und werden damit bis zum Abend eine gute Auswahl von Ankerplätzen haben. Morgen könnte es sein, daß wir nicht weiterfahren, da der Wetterbericht nicht gerade ideal klingt. Nebel und leichter Gegenwind sind angesagt. Aber das ist das Problem von morgen und juckt uns heute noch nicht, wir machen es wie die Politiker, nur eben im überschaubareren Rahmen.

Dafür ist der Blick zurück viel schöner.

Schön war gestern mal wieder mit Euch zu telefonieren, besonders angenehm fiel mir auf, daß Martina richtig gesprächig war, wenn wir auch leider nur sehr kurz miteinander gesprochen haben. Jedenfalls sehr nett, mal wieder mit Dir gesprochen zu haben, junge Dame!

Gestern war wieder der Tag der wilden Tiere, aber nicht so wie damals in Florida. Wir haben den ganzen Tag im Zoo verbracht. Der National ZOO gehört zur Smithsonian Institution und ist damit ebenfals ohne Eintrittsgebühr !!

Wir sind mit der U-Bahn hingefahren und spazierten dann den ganzen Tag dort herum. Es würde zu weit führen, alles zu erzählen, was wir gesehen haben, aber einige Höhepunkte muß ich erzählen.

Nicht jeder Zoo hat einen Panda-Bären, oder gleich ein Pärchen. Ich hatte sie mir größer vorgestellt, zumal es ja die "Riesen" Pandas sind. 145 Kg er und etwa 120 Kg sie. Es ist recht schwer sie in Zoos zu halten und noch schwerer sie zur Vermehrung zu bringen. Ein junger Panda ist so winzig wie ein neugeborener Hase. Die Abstammungslinie zweigt vor den Bären bereits ab, somit ist er ein sehr altes Tier und eben noch nicht so weit entwickelt. Bei Kängeruhs ist das ja noch krasser. Weiter oben im Stammbaum zweigt dann noch der Rote Panda (Katzenbär) und der Waschbär ab. Es gibt nur noch etwa 1000 Pandas und somit ist die Forschung in den Tiergärten ausgesprochen wichtig, um diese schönen putzigen Tiere vor dem Aussterben zu retten. Wir waren rechtzeitig zur Fütterung da und es war schön und interessant den beiden in ihrem großen Vorgarten beim Fressen zuzuschauen. Große Bambuszweige werden wie Zuckerrohr zerknackt und dann ganz manierlich aus der Hand gegessen. Der Bär setzt sich dabei auch ordentlich hin. Dies alles gibt ihnen den gleichen Vorschuß an Beliebtheit wie den Menschenaffen. Nur wer wie eine Sau frißt, wird auch als solche betrachtet.

Der nächste Höhepunkt waren dann Hunde, die aber mit denselben nur den Namen gemeinsam haben. Wir besuchten eine Kolonie Präriehunde.

Sie hatten gerade Junge und so waren 3 Generationen zu besichtigen. Es ist schwer zu beschreiben wie hübsch und lustig die geselligen Tierchen sind. Aber ich habe gefilmt und bald wird ein Naturfilm in Arbeit sein. "Tiere entlang unserer Reiseroute".

Der nächste Kamerad war wieder ein Bär, aber kein putziger. Ein riesiger Kodiak Bär, außerhalb von Alaska Grizzly genannt. Eine eindrucksvolle Erscheinung - nicht aus dem Streichelzoo!!

Die possierlichsten Tiere waren aber die Otter. Ich habe noch nie Otter in einem tiergerechten Gehege gesehen und auch immer nur Einzelne. Hier waren sie aber in einem Bachlauf mit kleinem See und es war eine ganze Gruppe und Familie. Sie sind so munter und ständig aktiv und verspielt. Es genügt ihnen nicht zusammen im Wasser herumzubalgen, sich zu jagen, zu fangen und zu tauchen. Sie graben schöne bunte Steinchen aus und balancieren diese dabei auch noch in ihren Pfoten. Sie sind bewundernswert geschickt und elegant. Das Fell ist so dicht und wasserabweisend, daß sie schon nach einer Minute an Land wieder trocken aussehen.

Der Zoo ist in Washington 1890, weit außerhalb der Stadt auf einem sehr großen Gelände entstanden. So ist die ganze Anlage großzügig parkartig, aber die Anlage der Gehege ist in München überwiegend besser. Nur die Seelöwen haben es in Washington eindeutig besser, ihre Anlage ist sehr groß und sie machen auch recht sportlich davon Gebrauch. Die Artenvielfalt scheint mir in München in weiten Bereichen auch größer zu sein. Vorteilhaft ist aber in Washington, daß das Gelände natürlich hügelig ist und vom Berg zu einem Tal hin abfällt. So kann man terrassenartig anlegen, was dann zum Beobachten auch sehr gut ist.

Bei den amerikanischen Besuchern fällt auf, daß die meisten nicht beobachten können und sich nicht die Mühe machen, die Schilder und Beschriftungen zu lesen. Sie sind zu sehr den fertigen angerührten Fernsehbrei gewöhnt, wo jegliche Eigenleistung entfällt. Wir haben z.B. gedacht, daß bei besonders attraktiven Tieren, z.B. der Pandafütterung Andrang herrscht, wie in München bei den Seelöwen. Wenn man dort nicht bereits einen guten Platz hat, kommt man nicht mehr hin. Aber hier schauten die Leute kurz hin und gingen dann wieder weiter. Obwohl wir wegen der Perspektive oft herumliefen, fanden wir immer wieder einen Platz vorne am Zaun, weil die Leute nicht blieben und ruhig beobachteten. Dafür wurde viel mit absolut untauglichen Knipserkameras photographiert, auch mit Blitz gegen Glasscheiben.

Jetzt ist es inzwischen 15.00 Uhr geworden, der Wind weht den Fluß herauf - Gegenwind - natürlich und wir bekommen ab und zu einen Spritzer übers Deck. Wir haben noch gute 5 Std. Tageslicht und das wird uns locker bis zur Breton Bay bringen, damit haben wir dann an einem Tag die Strecke von sonst 2 Tagen gemacht. Allerdings ein langer Tag, aber wenn man nebenbei im Salon sitzen kann und Briefe schreibt, ist es recht kurzweilig. Die Sonne scheint auch in den Salon und außer der Maschine, höre ich nur das rythmische Klatsch Klatsch gegen den Rumpf. Das 4 Std. Programm der Deutschen Welle habe ich schon heute vormittag gehört.

Zu seinem großen Bedauern hat Karl immer noch keinen hiesigen Schwarzbären gesehen. Nachdem wir wieder keinen im Dismal Swamp sahen, rechnete er fest damit im Zoo einen vorzufinden. Obwohl sonst einheimische Tiere wie der Amer. Büffel, der Weißkopfadler und sogar das graue Eichkätzchen vertreten waren, waren alle Bären bis auf den Kodiak "Ausländer".

30.5.92

Wir haben einen sehr schönen sicheren Ankerplatz, aber das Wetter ist mehr als häßlich. Seit Mitternacht regnet es und teilweise fällt der Regen aus grauem Nebel, daß wir nicht einmal das nahe Ufer sehen. Was tut man an so einem Tag außer sehr lange in der Koje herum......

Man baut ein Videostudio auf und fängt mit einem Film an. Der angesagte Tierfilm ist also schon schwer in Arbeit. Dianne rahmt nebenher - ganz leise - ihre vielen Dias. Wir haben jetzt bereits 67 Masterbänder Videofilme. Wir waren so beschäftigt, daß es nicht einmal ein Mittagessen gab. Wenn man einen Film aus vielen alten Bändern zusammenschneidet, ist es besonders schön mal wieder die alten Aufnahmen zu sehen. Man wird dann an die große Vielfalt des Gesehenen erinnert. Schwierig ist es nur zu schneiden, wenn Ton und Bild gleichzeitig gemacht werden müssen. Auf unserem Recorder wäre es mit Ton MIX viel einfacher und man könnte Längen vermeiden, aber ich hoffe Ihr werdet auch so Spaß daran haben. Da der Wetterbericht sogar morgen noch nicht besonders gut klingt, wird der Film bald fertig sein.

Wir ankern im hintersten Zipfel einer Seitenbucht des Potomac, vor einer großen Farm. Die Gebäude liegen etwa so weit auseinander die Gebäude von Oberdeusch und der Wies, aber das auffallendste ist eine Halle, größer als der Stadel vom Gotthard. Sie steht im Wasser und darin schwimmt die große Motoryacht des "Bauern".

Ich höre gerade wieder Deutsche Welle, Wunschkonzert. Der Vater eines Mädchens aus Tirana/ Albanien, bestellte für seine Tochter zum 16. Geburtstag das Lied von Nicole, ein bißchen Frieden. Das gefiel mir viel besser als die Nachricht aus England, daß die Königinmutter am Sonntag ein Denkmal für "Bomber Harris" enthüllt.

Die Engländer schauen manchmal zu sehr in die ungebrochene Vergangenheit zurück und verspielen die Zukunft. 1950 wäre das Denkmal wohl noch angebracht gewesen, aber 1992 ? nicht umsonst war er bereits im Krieg nicht unumstritten und General Downding, von den Jagdfliegern, der die Battle of Britain gewann, war stets ein scharfer Kritiker dieses unerbittlichen Generals der Bomberflotte, der den Spitznamen "Bull" hatte. Terrorbombing, diese schreckliche strategische "Erfindung" eines italienischen Generals und zum ersten Mal im großen Stil von den Deutschen angewendet - unter einer diktatorischen menschenverachtenden Regierung - wurde von Harris im großen Stil "verfeinert". Er hat die deutschen Städte und seine ZIVILbevölkerung auf dem Gewissen, u.a. Dresden. Diesem Denkmal gehören einige Kilo politischer Sprengstoff unter den Arsch und dann weg damit. Es ist eine beispiellose politische Instinktlosigkeit, solche Denkmäler aufzustellen, während Europa mehr und mehr Gestalt annimmt.

31.5.

Heute früh hörte ich, daß in Hamburg am Denkmal der Opfer des Bombenkrieges in Osdorf ein Kranz der Bürgerschaft niedergelegt wird. In weiteren Stadten gibt es Gedenkveranstaltungen, wie z.B. in Düsseldorf, wo an den gleichzeitigen Angriff von 1.000 britischen Bombern erinnert wurde. Was sollen da einen noch die Äußerungen serbischer Politiker verwundern. Der Zweck heiligt scheinbar immer noch die Mittel!

Du schreibst immer, Ihr hättet nicht viel zu erzählen, aber wir freuen uns, über die Familienneuigkeiten zu hören. In wenigen Tagen hat ja Martina ihren Abschluß, wir werden ganz fest an sie denken und ihr den Daumen drücken.

Franz hat uns einen ganzen Stapel "Spiegel" und "FAZ-Magazine" mitgebracht. Manchmal lese ich Karl während der Fahrt vor. Mit der Deutschen Welle zusätzlich sind wir einigermaßen im Bilde, was so in der BRD abläuft aber es immer interessant, Einzelheiten von Euch zu hören, wie sich die Politiker-Entscheidungen bei Euch auswirken (z.B. Zinsen). Koala-Karl hat uns von den Münchner Mieten erzählt, da muß Wohnungsuchen ein Alptraum sein.

Das Umweltbewußtsein in den USA, zwar immer noch nicht sehr ausgeprägt, ist jetzt schon am Steigen. Diejenigen, die sich darüber Gedanken machen, sind von den Bush-Äußerungen (Er könne der Industrie in der Rezession keine Verschmutzungsschutzauflagen machen) recht empört. In der dritten Welt kämpfen die Leute ums Überleben, nicht um den Erhalt des Wohlstandes, aber sie sollen keinen Wald mehr niederbrennen. In dieser Hinsicht könnte man sich den Jimmy Carter als Präsident zurückwünschen! Aber was hier zur Auswahl bei den nächsten Präsidentwahlen steht ist ganz undurchsichtig. Komisch daß so ein Riesenland keinen echten Führer hervorbringt, statt immer nur zu behaupten, die USA sei eine führende Nation.

Das war's für heute.

Jetzt klart es ein wenig auf und wir hoffen, daß wir heute noch bis zu einer Bucht ganz an der Mündung des Potomac segeln können. Es sind nur etwa 20 Sm. Nächstes Ziel soll dann Chrisfield am Ostufer der Bay sein. Smith Island und Tangier Island sind für uns nicht tief genug, so wollen wir von Chrisfield aus die Fähre nehmen. Diese beiden Inseln sind sehr abgelegen und die Einheimischen haben ihre alte Art bewahren können. Die Leute von Virginia und Maryland, die sich untereinander in der Geschichte nicht grün waren, hielten die Leute vom Ostufer, speziell von den Inseln für Hinterwäldler. Auch auf den "Outer Islands am Pamlico Richtung Cape Hatteras gibt es noch solche Inselgemeindschaften mit elisabethanischem Englisch.

In der Chesapeake Bay gibt es so viele Ecken und Winkel, ich kann verstehen, daß viele Segler hier nie raus wollen, sie haben ja alles was ein Segler mag. Im Sommer ist es nur eben sehr windschwach und schwül, aber die einheimischen Boote haben oft eine Klimaanlage, zumindest eine die im Hafen mit Landanschluß läuft.

Mir fällt gerade noch zum Streichen des Brunnens etwas ein. Wenn Ihr mit Lack streicht, muß die Grundierung mit sehr stark verdünnter Farbe mehrmals gemacht werden und dann wird ein Nachsterichen immer wieder nötig sein. Es gibt aber Impägnieröle für Holz, da wird solange gestrichen, bis das Holz nichts mehr aufnimmt. Das hält dann sehr lange und man braucht nicht immer erst den Untergrund präparieren. Denn das Problem mit Lack ist, daß er durch die Sonne feine Haarrisse bekommt und da tritt Wasser und damit Pilz ein, das gibt die grauen Striche, die vor dem nächsten Anstrich immer erst ausgeschliffen werden müssen. Mit Öl wird die Oberfläche auch nicht glänzend. Eine Marke ist z.B. OWATROL.

Die Sonne ist durch, zeit zum Seeklar!

Viele liebe Grüße

P.S. Da ich aber annehme, daß Du dich auch für die Kunstgalerien interessierst, will ich Dir erzählen, was ich dort gesehen habe. Bei der Portätgalerie gibt es eine Sammlung aller Präsidenten der USA. Ich muß gestehen, daß ich von einigen nicht einmal den Namen kannte, aber diese waren oft nur wenige Zeit President. Viele kamen ganz unerwartet an die Präsidentschaft, entweder weil sie als Vize einen ermordeten, gestorbenen oder resignierten Präsidenten ersetzen mußten, oder weil sie als Kandidat von einer Interessengruppe aufgestellt wurden. Der Stil der Porträts hat sich natürlich mit der Zeit geändert, aber alle wurden recht steif, meistens im Amt dargestellt. Jimmy Carter hat das ganze Büro mitmalen lassen. Das Bild war auch eins der Größten, sollte es etwa Leistung des Abgebildeten kompensieren? Im Museum of Art sah ich mir auch schnell die Sammlung der Impressionisten an. Eine beachtliche Sammlung und ganz repräsentativ.

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Oxford, 4.6.92

Jetzt erkunden wir den Choptank, Hauptschauplatz von Micheners "Die Bucht". Es gibt hier Inseln wo sich sogar ein elisabethanischer Spracheinschlag halten konnte, sie wurden schon 1607 von Weißen besucht und kartographiert. Das Leben läuft an der Eastern Shore deutlich ruhiger ab und die Bewohner wurden(werden)als Hinterwäldler angesehen. Das ganze Gebiet hier lebt von den Blue Crabs. Sie sind eine Delikatesse und nicht nur als frisch gehäutete Soft Crabs eine sehr gefragte Spezialität, die gefroren in 28 Länder versandt wird. Kurz vor der Häutung stehende Krebse werden ausgesondert, in Becken gehalten und sofort nach der Häutung verarbeitet. Im Wasser beginnen sie nach einer Stunde langsam auszuhärten.

Wir fangen sie mit harter Schale mit Hähnchenknochen an einer Angelleine. Diese Schwimmkrebse klammern sich sofort an jede Beute und landen so schnell im Kochtopf. Schon die Indianer haben mit Krebsschnüren die überreichlich vorhandenen Krebse gefangen. Die Austern haben immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen, nicht erst seit Umweltverschmutzung oder zu großer Ausbeutung der Austernbänke. Deshalb sieht man viele aufgelassene "Oysterhouses".

Bis heute werden Krabbenfleisch und Austern von billigen Arbeiterinnen, meist Schwarzen, im Akkord zu Konserven verarbeitet.

Die Arbeitsplätze stehen in krassem Kontrast zum Bild eines modernen Amerika mit High Tech.

Hier ist - noch - der schnelle Profit ohne Langzeitperspektive oder dauerhafte Investition gefragt. "Instant Money", das ist es was die Amerikaner wollen. Viele Industrie- oder Gewerbeanlagen sehen in den USA wie Westernstädtchen aus. Große Fassade mit Reklame und billige Hütte dahinter. Für Umweltauflagen ist da natürlich kein Platz. Da das Land aber so unvorstellbar groß ist, zumindest für europäische Augen, wird die viele Natur von der Bevölkerung einfach als "heil" angesehen, Warner haben es dann doppelt schwer das Wahlvolk aufzurütteln.

Die USA bestehen aus vielen solchen "heilen Welten", auch oft "Good Neighbourhood" genannt. Wir ankern gerade in einer solchen.

Oxford bei Cambridge am Choptank, nicht in England, nicht ganz so alt, aber in seiner Art auch so hübsch und geordnet schön. Im 17.Jhrh. hieß die Stadt "William Stadt" und war mit Annapolis der einzige Außenhandelshafen von Maryland. Alles wurde damals aus England importiert, nur Tabak wurde exportiert. Diese Wirtschaftform, die nur wenige reich machte, änderte sich nach der Unabhängigkeit nachhaltig und die Stadt kam herunter. 1871 wurde Oxford an die Eisenbahn angeschlossen und für die Austernindustrie eröffneten sich plötzlich Absatzmärkte. Ein neuer Boom entstand. Wegen Überfischung und Krankheiten, starben die Austernbänke ab und der Ort wurde wieder eine kleine verschlafene Stadt. Einige waren reich geworden, die anderen mußten abwandern. Heute bieten der Bootstourismus, der Immobilienmarkt und die Bootswerften wieder Wohlstand für einige. Diese wohnen in sehr gepflegten Häusern an der Wasserfront, die Gärten sind mehr kleine Parks. Schwarze, Homeless und Arbeitslose drängen sich in den Slums der Großstädte, "Bad Neighbourhood", die man aber normalerweise nicht sieht. Wenn man das betrachtet, wird einem klar, was unsere Grundgesetzartikel über die Sozialbindung des Eigentums wert sind. Uns sind daher oft die Verdrossenheit, der Sozialneid und das Jammern der Deutschen aus der Ferne betrachtet nicht verständlich. Sozialismus ist bestimmt keine Lösung, aber nur "Free Enterprise" führt ebenfalls in die Sackgasse.

Wir genießen zwar immer die Schönheiten der bereisten Länder, aber wir versuchen auch immer etwas kritisch hinter die Kulissen zu schauen und die Vor- und Nachteile der verschieden Gesellschaften zu erkennen.

Dabei schneiden die Amerikaner nicht gut ab und ich bin eigentlich nur froh, daß ich hier kein Bürger bin. Blickt man aber nach Rio, dann läßt einen die uneinsichtige Haltung der USA als Weltbürger nicht mehr so kalt. Das Artenschutzabkommen wird nicht unterschrieben, weil der Präsident im Wahljahr nichts unterschreibt was Arbeitsplätze kosten könnte. Dabei ist gerade der "Homo generalis americaniensis" nicht in jedem Fall so schützenswert.

Wir lernen so viele nette Menschen hier kennen, auch "richtig" Gebildete mit Wissen und Einsichten; das Land ist einfach herrlich, aber die Gesellschaft ist auf dem Holzwege. Vom Bildungssystem bis zur Verfassung gehört hier einiges grundlegend geändert. In Europa ist so vieles schon auf hohem Niveau ausgereizt, aber hier wären nach einem Umdenken noch riesige Entwicklungschancen.

Alleine die Einführung verbindlicher technischer Standards würde zu vielen zusätzlichen Arbeitsplätzen führen. Defizite im Vergleich zu Europa bestehen z.B. bei: Abwasserbeseitigung, Abgasreinigung, Hausinstallationen,Haustechnik, Hausbau, Stromversorgung, Kabelnetze, alle öffentlichen Dienste, allgemeine Baustandards, Gestaltung der Arbeitsplätze, Raumordnung, usw. So einfache Produkte wie eine amerikanische Waschmaschine wären in Europa mangels jeglicher Qualität unverkäuflich, die Liste ist beliebig verlängerbar. Ausnahmen sind Computer- und Militärtechnologie.

Aber wenn man den Wahlkampf betrachtet und das auch noch aus der Nähe, dann ist Änderung nicht in Sicht und auch nicht möglich. Die große "Führungs ?? nation" ist zur Zeit noch nicht zu Einsichten fähig. Dabei bin ich alles andere als amerikafeindlich und schon gar kein Grüner.

Annapolis, 10.6.92

Die letzte Nachrichten waren wohl noch aus Oxford und so will ich der Reihe nach die letzte Zeit erzählen. Am Sonntag den 7.6. liefen wir bei totaler Flaute aus und motorten die kurze Strecke nach Cambridge, wo wir wieder im Town Creek fast in einem Ententeich ankerten. Die Stadt war auch recht hübsch, war aber größer und hatte nicht ganz den netten Flair von Oxford. Wir haben aber ein Geschäft am Wasser gefunden mit einem Sonderangebot "Meisterbräu".

Da haben wir für weniger als einem Drittel des Preises in den Bahamas aufgestockt. Meisterbräu war die Lieblingsmarke von Ute.

Wir ankerten direkt vor einem Lokal und nachmittags rief plötzlich ein Mann auf deutsch herüber. Wir fuhren mit dem Dinghi hinüber und holten das Paar zu einem Drink an Bord. Dabei stellte sich heraus, daß sie schon die ganze Zeit uns beobachtet hatten und nicht wußten, wie sie uns ansprechen könnten. Sie haben sich ganz unerwartet so gefreut, daß wir sie an Bord holten. Er ist aus Deutschland, sie ist Amerikanerin, spricht aber auch fließend deutsch und sie haben ein Übersetzungsbüro in Baltimore, dort wollen wir uns auch wieder treffen. Wir hatten einige sehr schwüle Tage und leider war am Montag das Freibad am Hafen ohne Angabe von Gründen geschlossen. In der Nacht gab es ein Gewitter und wir dachten schon jetzt käme die bereits verspätete Kaltfront an. Am Dienstag früh war dann alles grau in grau und es nieselte. Wir liefen erst einmal aus und wollten schauen, wie es an der Mündung des Choptank war. Wir fanden dort bessere Bedingungen an als erwartet und der Wind ging sogar so weit herum, daß wir lange den Kurs anliegen konnten, dann mußten wir genau gegenan und da schlief er ein. So kamen wir gleich bis Annapolis. Wir brachten unser Kurzwellenfunkgerät zur Reparatur, es ließ sich nicht mehr immer einschalten. Im Hafen lagen die Schiffe von Kolumbus, allerdings nur Nachbauten und nicht unter dem Kommando des Admirals sondern nur eines Kapitänleutnants der spanischen Marine. Wir besichtigten sie und auf der Heimfahrt kamen wir an einer großen Motoryacht vorbei und wurden freundlich herangewunken. Dianne war in Oxford mit Joe nach seiner Leiter getaucht. Er hatte sie am Vortag bei einem Manöver verloren und war mit dem Taxi zurückgekommen. Wir wurden zu einem Drink eingeladen und es wurden immer mehr an Bord. June stellte uns ihre Schwester mit Mann und Schwager vor und dann kam noch ein befreundetes Ehepaar. June hatte mit ihrem ersten Mann, einem Luftwaffenoffizier vier Jahre in England gelebt und kannte auch Deutschland. Das befreundete Ehepaar kannte Deutschland noch viel besser, schwärmte richtig davon und wo wohnten sie die längste Zeit??

In Zweibrücken und sie erzählten sehr viel von dort. Er wußte auch den Grund der totalen Bombardierung von Zweibrücken am Ende des Krieges. Zweibrücken war zur Übergabe der Stadt aufgefordert worden und die Deutschen hatten das abgelehnt und behauptet die Stadt würde von einem Bataillon Waffen SS gehalten. In Wirklichkeit waren keine Truppen da und so wurde die Stadt "umsonst" sturmreif gebombt. Das werden die dafür verantwortlichen Deutschen nach dem Krieg aber bestimmt nicht so zugegeben haben, aber die alliierten Dokumente sind ja erhalten.

Am nächsten Tag kam Joe mit seinem Schwager dann bei uns vorbei. Er wollte das Boot sehen, denn er ist als alter erfolgreicher Regattasegler kein "richtiger" Motorbootfahrer und unsere Verbotsliste mit "Grüßen eines Motorbootes" hat ihn sehr amüsiert. Er ist wie seine lebhafte Frau June ein sehr netter Kerl und wir haben uns sehr gut und auch kritisch über Amerika unterhalten. Er hat eine Marina in Florida und ist jetzt mit seiner Motoryacht unterwegs. Er hält allerdings nicht viel davon, denn er hält Motorboote für nicht seetüchtig und im Seegang unangenehm. Er verbraucht 1 Gallon pro Meile. Kein Wunder,daß die Amerikaner in Rio unter Beschuß gerieten.

Am Ankerplatz wurden wir dann von einem Holzboot aus Maine zu einem Drink eingeladen. Sie ist aus Schottland und selbst ich hörte wie der Tonfall mit einer Engländerin als Gegenüber immer schottischer wurde. Der Whisky war nicht schottisch, sondern amerikanischer Rye, aber der schmeckt mir eigentlich besser, weil er weicher ist.

Wir haben mit den beiden die Welt verbessert und lange diskutiert. Es gibt viele in den USA, die die gegenwärtige Politik nicht gut finden, aber das politische System, resultierend aus der Verfassung läßt kaum eine echte Änderung zu. Uns bringt es immer richtig auf die Palme wenn Mister Bush ständig von der "Leading Nation" spricht. Er erzählt den Amerikanern sogar in Rio, daß sie weltweit führend auf dem Gebiet der Luftreinhaltung, der Umwelttechnologie usw. seien. Die Amis glauben das sogar, denn sie haben ja im allgemeinen keine Vergleichsmöglichkeiten und keinerlei Kenntnis von nichts. So geht das in einem Wahljahr mit Politzirkus den Bürgern leicht runter. Wenn ich aber hier so im Alltag die amerikanische "Technologie der rostigen Brechstange" betrachte, dann halte ich Bush's Aussagen für eine Unverschämtheit dem Rest von der Welt gegenüber. Heute haben sich die Amis wieder im Radio über die Japaner aufgeregt, weil diese nicht mehr amerikanische Waren kaufen. Aber aus welchem Grunde sollte ein Japaner etwas aus USA kaufen??? Düsenjäger wären noch das einzige, aber die sind auch nicht mehr so dringlich, wenn auch deutsche Friedenseuphorien noch etwas verfrüht sein dürften. Aber was bleibt sonst? Autos? Waschmaschinen? Elektronik? Lachhaft, wer kauft schon ein Dreirad, wenn er um den gleichen Preis ein richtiges Auto haben kann. Die Amerikaner werden böse umlernen müssen. Der Ostblock ist der Verlierer des 20.Jhrh. die Amis könnten die Verlierer des 21. sein.

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Oxford, bei Cambridge, nicht in England

an den Ufern des Choptank, 4.6.92

Liebe Mutti!

Heute nachmittag sind wir hier im Town Creek vor Anker gegangen und wollen morgen das Städtchen besichtigen. Wie immer hat sich in den wenigen Tagen seit dem letzten Brief einiges getan, nicht nur räumlich. Zuletzt ankerten wir ja im Smith Creek, einem Seitenarm des Potomac und von dort kam die letzte Post. Wir hatten von dort quer über die Bucht nach Crisfield M.D. einen herrlichen Segeltag und ankerten in Crisfield ganz geschützt, wie in einem Teich mitten in der kleinen Stadt vor der Coast Guard Station. Die Ostküste der "Bucht" ist schon anders und das Leben läuft sichtbar langsamer und ruhiger ab. Die von Mitchener beschriebenen Bilder sind einfach mehr als zutreffend. Die Stadt lebt, wie die ganze Gegend von den Blue Crabs und den Austern. Es ist Crab Country und die Leute sind Watermen. Wir waren durch die Kedges Strait gesegelt und waren damit hinter Smith Island. (Benannt nach jenem ersten Erforscher der Bucht) Wir wollten zumindest eine der Inseln besuchen, also Smith- oder Tangier Island. Wir entschieden uns für Smith Island und da wir mit unserem Tiefgang nicht sicher selbst dort einlaufen konnten, die Meldungen waren etwas widersprechend, beschlossen wir mit dem Mail Boat hinzufahren. Ein typischer Inseldampfer mit dem von Post bis "Alles" schlicht alles befördert wurde. Der Dieselmotor war unvorstellbar laut, das Boot ein alter Schrottkasten und der Skipper fuhr nur Vollgas. Nach 40 Minuten waren wir gut angekommen und die Insel hatte im Vergleich zu Crisfield den Puls der Zeit noch einmal halbiert. Es gibt auf den Inselmarschen drei richtige feste "Inseln" mit Orten, aber nur zwei haben Straßenverbindung miteinander. Zwei Dinge fallen besonders auf. Absolut schmucke saubere Häuser und M Ü L L . Was nicht mehr gebraucht wird, einschließlich leerstehende Häuser, wird zum Müll und wird nicht entsorgt. Autos, Motoren, Fanggeräte, Hausmüll, alles füllt die Flächen, die nicht zu den hübschen Häusern gehören.

Geld wird nur mit Crabs verdient, Austern werden erst wieder auf Bänken angesiedelt, sie sind immer schon mal abgestorben und kamen dann irgendwann wieder. Ist alles bei Mitchener nachzulesen.

Das interessanteste war aber unser Gespräch mit Edward Harrison, 81 Jahre alt. Er ist einer der alten echten Watermen und hat uns viel über die Insel und die Natur erzählt. Er war richtig mitteilungsbedürftig und er hatte als alter Inselbewohner mehr als Zeit. Mit 7 Jahren verlor er seinen Vater, wurde deshalb aus der Schule genommen und wurde auch Waterman. Ein ganzer Teil des Ortes gehört seiner Familie und immer wenn ein Boot vorbeifuhr, oder wir zu einem Haus schauten, erzählte er uns welcher Verwandte das ist. In den drei Orten lebten einmal fast 1000 Menschen, jetzt sind es nur noch etwa 500. Die Jungen gehen zur Schule auf dem Festland und suchen sich dann auch dort Arbeit. Nur die Grundschule ist auf der Insel selbst. Wie auf Cuttyhunk, wo wir das auch schon kennelernten, wird auf der Insel keinerlei Alkohol verkauft. Diese kleinen Inselgemeinschaften leiden offensichtlich unter der "Indianer und Eskimokrankheit".

Wie wir dann wieder in Crisfield ankamen, sahen wir ein anderes Deutsches Boot neben uns vor Anker. Die Eigner kamen gleich bei uns vorbei und so lernten wir wieder nette Leute kennen. Wir segelten dann gestern nachmittag zusammen von Crisfield weg an der Ostküste hoch, durch die Hooper Strait in den Honga River, wo wir wieder nebeneinander ankerten. Wir luden Roman und Seida zum Abendessen ein und erfuhren da erst wen wir kennengelernt hatten. Roman ist der Sohn des bekannten Journalisten Peter Scholl-Latour. Seine Frau mit arabischem Namen ist französische Schweizerin. Vom Vater, der ja einer der großen Asienkenner ist, hat er die Liebe zu Asien mitbekommen und so sind die beiden schon einmal mit einem kleinen Boot auf der Ostroute durch Rote Meer nach Japan gesegelt. Ihr jetziges neues, sehr schönes in Frankreich gebautes Aluminiumschiff hat deshalb auch einen chinesischen Namen. "Feng Shui" d.h. Wasser und Wind, aber gleichzeitig ist es auch die Bezeichnung für den chinesischen Schamanen, der festlegt, was, wie und wo gebaut und benannt wird. Die Erde ist ein Drache und man darf z.B. auf keinen Fall auf dem Kopf des "Drachen" oder gar seinen Augen bauen. Ein Name ist eben nicht einfach ein Name, ganz unsere Meinung und die Amerikaner verstoßen bei ihren Booten immer fürchterlich gegen dieses Gebot. Sie sind ja auch nicht ein altes Kulturvolk wie die Chinesen.

Roman ist übrigens aus St. Ingbert und die Hellenthals waren ihm natürlich gleich ein Begriff. Wir haben einen sehr angeregten netten Abend zusammen verbracht und da wir bis Maine die gleiche Route haben, werden wir uns sicher noch öfters treffen. Sie wollen dann in den St. Lorenz Strom, in die großen Seen, dort überwintern und dann in das Missisippi/ Missouri-Flußsystem und hinunter in den Golf von Mexiko. Bestimmt auch eine lange und interessante Fahrt.

Das 4 Std. Programm der Deutschen Welle habe ich heute bereits gehört und jetzt hören wir BBC World News. Franz Würzner hat uns in Washington noch eine Menge "Spiegel" und "Zeit Magazin" mitgebracht, ich bin noch nicht durch, aber so sind wir immer bestens informiert. Ich will aber heute nicht auf das politische Glatteis treten.

In Breton Bay(Potomac) hatten wir einen Tag mit viel Regen und so habe ich die Zeit genützt einen Naturfilm anzufangen. Er beginnt vor 4.500.000.000 Jahren und zeigt die Entwicklung bis heute anhand von Aufnahmen im Museum of Natural History und von Tieraufnahmen während unserer Reise. Es wird ein recht langer Film werden, der wohl nur in mehreren Etappen angeschaut werden kann.

Gestern wurden wir ganz überraschend von einem kanadischen Boot am Funk gerufen und sie sind jetzt nur wenige Meilen weg. Wir hatten Alex und Diane letztes Jahr in Beaufort S.C. kennengelernt. Er heißt Beck, ist Deutsch/Jugoslawe/Kanadier, ich glaube Slowene und ein Verwandter der Brauerfamilie "Beck's Bier". In Jugoslawien wird auch heute noch sehr viel Hopfen angebaut und die Becks stammen von dort, irgendwie sind sie in Bremen gelandet.

Damit genug für heute, die Arion-Druckerei macht Feierabend,

Viele liebe Grüße

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Chestertown, Kent County, 13.6.92

Liebe Eisenberger!

Nach einem kurzen Abstecher in Annapolis, sind wir wieder an der Ostküste im Chester River gelandet. Wir sind heute morgen bei strahlendem Sonnenschein und Flaute ausgelaufen und hatten dann einen wunderbaren Segeltag bei leichten Winden aus der richtigen Richtung und alle Segel waren oben. Hier am Ostufer der Upper Bay sind die Ufer etwas höher und hinter den klar abgegrenzten Ufern, hier ist kein Marschland, sind Wiesen, Felder und große Äcker, Höfe mit Pferden und Kühen. Man kann sich unschwer vorstellen, welche Mühe es war diese großen Flächen einmal aus den Wäldern zu roden.

Wir sind abends so rechtzeitig vor Anker gegangen, daß wir noch einen schönen Spaziergang durch einige Straßen in der Abendsonne machen konnten. Die Highstreet endet in einem kleinen Park am Wasser, wo wir am Dock mit dem Dinghi anlegen können. Dort wurden wir gleich in Deutsch angesprochen und ausgefragt. Ein Mann stand etwas abseits mit seinem Hund und plötzlich sagte er in englisch zu dem Ehepaar, sie sollten ja nichts falsches über den Ort erzählen, er würde alles verstehen. So haben sich zwei Einheimische kennengelernt, die nicht wußten, daß der jeweils andere ursprünglich deutsch war. Der Herr stellte sich dann vor, Rosenbaum, 1940 "ausgewandert". Auf unserem ersten Rundgang sahen wir viele schöne große Häuser, wobei hier auffällt, daß sehr viele aus rotem Klinker gebaut sind. So sind viele aus dem 17. und 18. Jhrh. noch gut in Schuß. Es gibt hier das Washington College, den dortigen Campus wollen wir heute besichtigen.

Nancy und Burger segeln über das Wochenende und unser Funkgerät wurde auch nicht bis Freitag fertig. So segelten wir von Annapolis die 35 Meilen hierher und werden am Dienstag oder Mittwoch wieder nach Annapolis segeln. Morgen wollen wir noch in einen Seitenarm des Chester River. Der Corsica River ist von hier etwa 12 Meilen flußabwärts. Es gibt dort wieder nur Natur und keine Orte. Hier wurde früher sehr viel Tabak angebaut und aus dieser Zeit stammen die schönen repräsentativen Bauten.

Heute sahen wir auch viele Fische. Sie wurden trotz Sonntag verladen. Gleich nach dem Frühstück, zugegeben es war ein Spätkaffee, hörten wir den Fischer und seine Familie an den Netzen gleich neben der Arion werkeln. Er hat da einige Pfahle im Wasser und Netze daran. In diesen Netzbehältern bewahrt er die gefangenen Catfish auf. Der Catfish wird in den USA z.T. in Farmen in großen Mengen gezüchtet, hier im Brackwasser wird er aber gefangen. Der Fischer sagte uns, daß immer mehr nachwachsen, je mehr er wegfängt. Wenn das Vorratsnetz voll ist, kommt ein Tank LKW und holt die Fische ab. Heute wurden 1800 Pfund verwogen und verladen. Auch das ging wieder ohne jegliche moderne Technik ab und Ihr werdet das einmal im Video betrachten können. Die Catfish gehören zu den Welsen, sind breit und flach am Kopf, mit Barteln und hinten dick ohne Schuppen.

Nachdem wir die Fische betrachtet hatten und wieder an Bord waren, wurde uns von Land auf Deutsch zugerufen. Wir dachten schon, ja gibt es hier nur Deutsche, da stellte sich heraus, daß sie auch TO-Mitglieder waren. Dr. Walter Klement mit Frau von der Shangri La aus Wien. Wir haben schon oft von Walter und Ursula im TO-Heft gelesen, denn sie haben weite Reisen gemacht. Wie ich Walter sah, kam er mir sehr bekannt vor und ich bin sicher, ich habe ihn schon in der Adria gesehen. Sie sind seit 1987 unterwegs. Wir haben einen netten Frühschoppen zusammen verratscht und dann fuhren sie uns mit dem Auto ihrer Freunde noch zum Washington College. Sie sind z.Zt. im Sassafras River, wo wir im Herbst waren. Über Land ist das sehr nahe. Die Welt ist halt echt manchmal klein und man muß sich nur finden.

Von Wolfgang hat Dianne einen ganzen Stapel übriger Filme gekauft, er hat aber die Entwicklungsbeutel. Sie hat gerade drei Filme an ihn geschickt und will demnächst noch einmal welche schicken. Sie wollte nicht alle auf einmal losschicken, da sie ja einmalig sind.

Hier sind ja Dias nicht sehr verbreitet, dafür sind aber die 1 Std. Labors für Bilder sehr billig. 36 Bilder Entwicklung und Abzüge im Postkartenformat kosten 16 $ dabei bekommt man einen Satz zweite Abzüge gratis dazu.

Viele Dinge sind in den USA echt billig, oder sehr preisgünstig. Wie Ihr auf dem Visa-Auszug sehen werdet haben wir gerade einen GPS-Satellitennavigator gekauft. Sie kosten hier weniger als die Hälfte von Deutschland. Das Gerät ist so genau, daß man sich das kaum vorstellen kann, dabei werden die Signale der eigentlich militärischen Satelliten für zivile Anwendung absichtlich etwas ungenauer gemacht. Wir können bis zu 5 Satelliten gleichzeitig empfangen und wenn wir fliegen könnten, würde er uns noch die Flughöhe anzeigen. Die Genauigkeit ist besser als 100 m und er macht pro Sekunde zwei Standorte. Man könnte ohne weiteres damit eine Bergtour im Nebel machen und nach vorprogrammierten Wegpunkten marschieren. Die Antenne ist nur eine handtellergroße Scheibe. Das Gerät kann in Flugzeuge bis zu vierfacher Schallgeschwindigkeit, KFZ und Schiffe eingebaut werden. Wenn die Militärs die Beschränkung aufheben, ist die Genauigkeit 9 m !!! Die Genauigkeit in Relation zu einem bekannten Punkt ist noch genauer und so können wir bei Fallen Anker die Position des Ankers speichern und sehen dann am Gerät Peilung und Abstand dazu bis auf Tausendstel SM genau. Ebenso genau läßt sich die Position von etwas außenbords durch einen Knopfdruck festhalten und wiederfinden. Theoretisch läßt sich die Genaugkeit z.B. für die Vermessungstechnik bis auf Millimeter noch verbessern. Wir haben ja immer noch die Idee einmal eine Navigations- und Segelschule in der Adria mit der Arion zu gründen (wenn wir erst wieder Fuß gefaßt und wieder Geld haben). Eine moderne Ausstattung ist dann wettbewerbswichtig. Bis dahin dient es unserer Sicherheit. In Verbindung mit einem Autopiloten, mit dem das Gerät "reden" kann, steuert es einen an jeden Punkt, vollautomatisch.

Damit genug von der Technik, wir gehen jetzt wieder an Land und der Brief kann gleich mit.

 

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. Annapolis,22.6.92

Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deine beiden Briefe, die uns hier bereits erwartet haben. Leider ist Brigittes Brief heute noch nicht eingetroffen und so wollen wir morgen noch die Post abwarten und dann nach Baltimore segeln.

Die letzten Tage waren sehr schön, gesellig und arbeitsreich zugleich. Wir hatten ja Chestertown besucht und bei der Abfahrt dort wollte der Diesel schon nicht anspringen und ich musste die neue Notbatterie zu Hilfe nehmen. Wir fuhren an diesem Tag nicht weit und ankerten in herrlicher Lage am Ufer des Corsica River einer Abzweigung des Chester River. Dort ging Dianne alleine an Land und ich laß Karibik. Dianne sah an Land einige Hirsche, Waschbären, jede Menge sehr bunte Vögel und Schlangen. Die Vögel waren so aufgeregt, daß sie nach oben schaute und da sah sie eine Schlange einen Ast entlang kriechen. Wie sie dann auf den Boden schaute, schlich noch so ein Luder vor ihren Füßen durch. Da sie keinerlei Scheu vor den Biestern hat, was ja eigentlich sehr richtig ist, gab es keine Probleme. Ich verzichtete jedoch auf jeglichen Landgang und so fuhren wir nur ans Ende des Creeks und beobachteten vom Boot aus. War auch nicht schlecht, aber ich Depp hätte mich doch an Land trauen sollen, wenn ich nur nicht so eine bescheuerte Furcht vor Schlangen hätte. Aber einsehen und anders machen sind zweierlei Dinge. Abends ankerten dann noch einige Boote in unserer Bucht und einer relativ nahe. Er rief uns zu und wir sahen,daß er irisch stämmig war(Flagge) und er sagte uns, daß er alleine segelt, da seine Frau die immer mit ihm segelte im letzten Jahr gestorben war. So luden wir ihn zu einem Drink ein und es wurde ein sehr unterhaltsamer Abend. Er war im Krieg Flugmotorenmechaniker gewesen, kannte den Pazifik und war dann bis zu seiner Pensionierung als Automechaniker tätig. Er war ein ausgesprochen politischer Rentner und hatte viel Ahnung von der amerikanischen Politik und den ganzen relevanten Gesetzen. Wir hatten schon lange keine so interessante politische Unterhaltung mit einem Amerikaner. Der Abend hat uns wieder viel über das Land gelehrt. Das Land ist in einer politischen Falle und es wird noch viel schlimmer kommen.

Am nächsten Morgen waren wir dann fast in einer Falle. Die Starterbatterie war völlig flach, Zellenschluß in zwei Zellen. Zum Glück war der Wind ideal und wir segelten bis an die Boje im Hafen von Annapolis. Dort kam abends Burger mit der Post vorbei und wir verbrachten einen langen Abend mit ratschen über sein neues Boot. Am nächsten Morgen war es windstill und wir fuhren mit unseren beiden Außenbordern am Dinghi die schwere Arion durch die Klappbrücke in den schönen Spa-Creek und ankerten dort. Ich bereitete alles auf den Ausbau der Batterien vor und Dianne telefonierte Firmen ab. Nachmittags zogen wir dann mit dem Bus zu einer Fa. los und hatten so gute Angebote, daß wir auch gleich Ersatz für die 24 V Batterien kauften, die auch fast am Ende waren. Ein netter Taxifahrer brachte uns zurück, half noch mit den schweren Batterien ins Dinghi hinunter und abends war zumindest die Starterbatterie wieder neu. Dann verlegten wir hierher zu Nancy und Burger an den Steg und tauschten dort die anderen Batterien. Es war eine harte Schufterei, denn die Klötze sind mit 60 Kg einfach schwer da unten herauszukriegen. Abends waren dann Nancy, Burger, Vivian und Melanie zum Essen an Bord und es wurde wieder spät. Am nächsten Abend waren wir gerade beim Grillen, wie etwas verspätet ein bereits erwartetes frz. Boot mit 4 Kindern an Bord ankam. Wir machten das Boot fest und setzten dann das Essen in vergrößerter lustiger Runde fort. Mit drei Sprachen am Tisch war das recht lustig. Den nächsten Abend waren wir alle auf dem großen frz. Boot bei frz. Essen und es wurde wieder spät. Gestern abend kochten wi8r dann getrennt, aber in Abstimmung und teilten dann das Essen oben im Haus. Das wir hier Podluck genannt. Wir machten die Salate. Unnötig zu sagen, daß es wieder spät wurde. Viel wurde natürlich über das tolle neue Schiff geredet, das in Rhode Island im Bau ist. Burger verkauft seine Praxis, das Haus und das alte Boot und dann gehen sie wieder alle segeln. Nur Vivian wird nur zeitweilig dabei sein, weil sie dann auf das College geht. Burger verbringt jede freie Minute hier bei den Booten und den Seglern, wir fachsimpeln über alle technischen und nautischen Dinge. Gleich am ersten Tag hat er uns ein herrliches deutsches Bauernbrot gebacken. Er backt sein Brot immer selbst. Heute früh waren wir wieder lange zusammen, bis er zu seinen Patienten mußte.

24.6.

Wir sind gestern, nachdem der "Bozodd" nichts für uns hatte noch nach Baltimore gesegelt. Baltimore ist eine große Stadt und der Hafen ist ebenfalls groß. Die ganze Gegend der ehemaligen verfallenden Piers aus der Segelschiffszeit wurde neuerdings recht gut hergerichtet und alles hat einen Hauch von Geschichte mit schicker Moderne. Ich habe die ganze Gegend heute erwandert, denn gestern kamen wir erst spät an und ankerten einfach zwischenm zwei Marinas, wo der Platz günstig war. Heute beim Hafenkapitän fand ich dann heraus, daß dies eigentlich der beste Ankerplatz war - von den gebührenfreien Plätzen - und wie ich zurück kam, sah ich ein Dinghi bei uns längseits und fragte gleich Dianne über Funk. Sie war an Bord geblieben und ich hatte das Handfunkgerät dabei. Es stellte sich heraus, daß es Amerikaner von einem Boot hier waren, sie liegen hier an einer Restaurant Pier und wir liegen jetzt auch an dieser Pier - gratis - und wir hatten gerade das Abendessen zusammen, bis dicke Gewitterwolken kamen und jeder auf sein Boot ging.

Wir wollen hier einige Tage bleiben, denn es gibt viel zu sehen und zu besichtigen. Ich schreibe nur schnell diesen Brief fertig, damit wenigstens ein Lebenszeichen wieder einmal rausgeht. Oft nehmen uns Besuche und Besichtigungen so in Beschlag, daß wir erst Tage später irgendwo in der Wildnis vor Anker wieder zum Schreiben kommen, dann gibt es aber wieder keinen Briefkasten.

Auf Deine Briefe werde ich dann in der Wildnis etwas genauer eingehen.

Soviel für heute, das schwere gewitter ging ohne Tornado vorbei, sah aber "Großartig" aus,

Viele liebe Grüße

 

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Manhasset Bay,8.7.92

Liebe Mutti!

Wir liegen hier gut und ruhig vor Anker, draußen bläßt es etwas und Regen kündigt sich an. Dabei war heute ein rundherum strahlender Tag mit einigen richtigen Höhepunkten. Dabei war der gestrige Tag schon nicht schlecht gewesen und hatte bereits mit strahlendem Sonnenschein begonnen. Wir waren gestern von Manasquan, dort gingen vor einem Jahr Ute und Kristin an Bord, nach Great Kills gesegelt. Für die Windjammerregatta waren wir ja bereits zu spät dran, aber zum Auslaufen kamen wir gerade recht. Wir verweilten recht lange in der "unteren Bucht" und nach und nach zogen die herrlichen Schiffe aus einer anderen Zeit an uns vorbei Richtung Ambros Lighthouse. Aber bei weitem noch nicht alle und so warteten die richtigen Höhepunkte noch auf uns.

Wir riefen abends bei Ruth an und heute früh noch einmal. Wir wollten uns treffen und möglichst zusammen durch New York segeln. Leider ging es nicht so und so segelten wir heute früh um 8.00 Uhr alleine los. Um 11.00 waren wir schon bei der Battery, der Südspitze von Manhattan. Bis 12.00 Uhr, der günstigsten Zeit für die Gezeiten, hatten wir noch Zeit und wir hörten alle Hafenfrequenzen ab, um Auslaufdaten zu sammeln. Wir waren sehr erfolgreich und vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer und der Freiheitsstatue zog ein Großsegler nach dem anderen durch. Da es keine Parade war und Laien mit dem Funkkauderwelsch von New York Traffic nichts anfangen können, waren wir das einzige Boot vor Manhattan, das den Großseglern auflauerte und Kreise zog um gute Photo Positionen zu bekommem. Dann kam im letzten Moment, vor der Strom kenterte die Gorch Fock. Mit Höchstfahrt liefen wir darauf zu, denn ein Tanker war uns vorher noch in die Quere gekommen und sie lief uns in die idealen Photografierpositionen. Dann rief ich sie am Funk und sprach kurz mit einem jungen Offizier. Aber gleich darauf wurde die ARION vom Kommandanten der Gorch Fock selbst gerufen und auf einem Extra Kanal hatten wir Gelegenheit zu einer netten Unterhaltung.

Die Gorch Fock zog dann dem Ocean zu und wir liefen in den East River ein. Bei bis zu 5 Kn Strom wurde es z.T. recht kabbelig, aber wir schossen nur so durch New York und waren bereits um 16.30 Uhr in Port Washington. Ich fuhr gleich an Land und holte Ruth und die Kinder ab. Glenn hat gerade sehr viel zu tun und so konnte er nicht mitkommen. Das war auch der Grund, warum sie nicht mit durch New York segeln konnten, denn dann hätte er sie abholen müssen.

Vor wenigen Minuten brachte ich Ruth und die Kinder wieder an Land, gerade noch vor dem Regen. Aber morgen soll es schon wieder schön werden. Wir hatten heute bei völliger Flaute begonnen, segelten dann aber mit Brassfahrt unter Vollzeug bis an den Ankerplatz.

Wir ankern genau auf dem gleichen Fleck wo wir letztes Jahr mit Ute und Kristin geankert haben. Es war ihr zweiter Hafen gewesen.

Oysterbay, 9.7.

Gerade fiel der Anker in schöner Umgebung und vor dem Landgang will ich noch den Brief fertig schreiben. Wir hatten heute nacht viel Regen, Wind und Gewitter, aber bis wir aufstanden, war schon wieder Sonnenschein. Wir haben es etwas schwül bei 70% Luftfeuchtigkeit und 33° C im Schatten. Da aber eine schöne Brise weht ist es recht angenehm. Für die Amerikaner ist natürlich Klimaanlagenwetter und sie werden dafür wieder viel Strom verbrauchen.

Die Sicht ist heute nicht sehr gut und so war es sehr bequem mit dem neuen GPS (Global Positioning System) zu fahren. Metergenau wird man nach entsprechender Programmierung von Satelliten von Wegpunkt zu Wegpunkt geleitet. In ein Auto eingebaut würde einem auch noch die Höhe genannt, also eine drei dimensionale Position.

Aber jetzt zu Deinen Briefen. Schade, daß Dir der Drevermann nicht so recht schmeckt. Ich habe im Zusammenhang mit dem Katholikentag einige gute Diskussionen am Radio gehört. Die reaktionäre Haltung der Amtskirche ist in ihrer anmaßenden Arroganz der Macht nicht zu überbieten. Jesus hätte wahrscheinlich längst beim Standesamt den Austritt aus der Kirche erklärt. Die Haltung des Vatikan bei der Konferenz in Rio ging an der Problematik ebenfalls wieder vorbei.

In den letzten Tagen hast Du bestimmt wieder viel Tennis geschaut.

Wir haben jetzt auch einen kleinen schwarz/weiß Fernseher für amerikanische Norm, haben aber kein Tennis geschaut. Wir benützen ihn eigentlich kaum, denn es kommt zuviel Reklame und Schrott. Es ist aber interessant, denn auch das ist ein Blick in eine Gesellschaft.

Die Jugend wächst Dir wohl über den Kopf, aber die Generationen waren immer schon sehr unterschiedlich, aber die Unterschiede auf lange Zeit gesehen sind nur sehr klein. Sturm und Drang Zeiten hatte schon Schiller, später wurde er auch ruhiger, also nur Geduld mit den ungestümen jungen "Disko-Pferden"! Manchmal muß ich richtig schmunzeln, wenn ich so zwischen den Zeilen lese, man kennt ja so seine Papenheimer!!

Frau Filser habe ich einen langen Brief geschrieben. Ich hoffe es geht ihr gut und wenn Du sie triffst, richte ihr bitte viele Grüße von mir aus.

Morgen heiraten ja Heinz und Ulli. Wir haben ihnen ein Funktelegramm geschickt und Dianne sitzt gerade wieder vor dem Funkgerät und versucht Freunde in der Ferne zu erreichen. Seit der Reparatur in Annapolis geht das Gerät wieder wie früher.

Auf die Politik will ich nicht eingehen, wir sind immer auf dem neuesten Stand, Ruth brachte auch wieder deutsche Zeitungen mit und gibt es auch wieder mehr Hintergrundmaterial. Man hört immer wieder sehr kritisch von der Festung Europa. Ich bin mehr und mehr für eine Festung Europa. Nur wenn wir selbst ein gut funktionierendes System haben können wir aus dieser Position der sicheren Stärke heraus Hilfe leisten und Einfluß nehmen. Geben wir die Festung auf, begeben wir uns in die Strudel ein chaotischen Systems und können dann nicht mehr mit Stärke lenken. Beim Deichbau fängt man auch bei einer besonders hohen Insel oder Hallig an und beginnt nicht gleich mit einem zwar langen aber nur sehr niedrigen Deich im Wasser, denn jede kleine Welle zerstört dieses untaugliche Werk. Viele "Hilfsaktionen" sind solche Deiche im Wasser und taugen höchstens zur Beruhigung eines schlechten Gewissens.

Damit erst einmal genug für heute, wir werden einige Tage hier in der Gegend bleiben, wollen uns auch wieder mit Ruth und Familie treffen und ich will auch endlich mit dem Videoschneiden weiter kommen.

Viele liebe Grüße

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Oyster Bay, 9.7.92

Liebe Eisenberger!

Vielen herzlichen Dank für Euren langen Brief v. 12.6.92. Wie er uns über einige Umwege erreicht hat haber ich glaube ich schon mal geschrieben. Das war aber nur so ein Zwischenbrief auf Postkarten, jedenfalls finde ich nichts im Computer. Ich will also der Reihe nach von der letzten Zeit erzählen. Einiges habe ich ja auch schon am Telefon gesagt, aber den Brief lesen ja noch mehrere. Wir haben es in Baltimore richtig gut erwischt. Erst das Glück mit dem guten kostenlosen Liegeplatz bei den Griechen, die alle auf die Pier kamen und uns kennenlernten, wir haben viel Ehre eingelegt indem wir die griechische Flagge - eine die schon in Griechenland wehte -unter der Saling hissten und dann ging es mit dem Glück aber noch weiter. Wir hatten zuerst das große Aquarium besucht und wollten dann das Science Museum besuchen. Wie wir aber auf dem Weg in die Stadt waren kamen wir an einem polnischen Schoner, Jugendschulschiff, vorbei und kamen da mit einigen Leuten ins Gespräch. Dann lief noch ein zweites polnisches Schiff ein, ein großes Vollschiff und wir besuchten dieses und dann noch die US Fregatte "Constellation" aus dem späten 18. Jhrh. und holländische moderne Zerstörer waren auch noch da. So fiel das Science Museum aus und es wurde nur in "Wasser" gemacht. Das Aquarium werdet Ihr noch im Video sehen können, auch die anderen Sachen werde ich noch aufs Band bringen.

Wir wollen jetzt einige Tage hier bleiben, endlich den Kühlschrank reparieren, der eigentlich gut läuft und noch einmal mit Ruth und Familie, oder Glenn oder den Kindern bzw. Verena und einer Freundin einwenig segeln. Das kommt ganz darauf an wie es bei wem gerade passt. Glenn hat schon so lange keinen Urlaub mehr gehabt und er kommt ev. mit einem Freund mal vorbei. Gestern war Ruth mit den Kindern an Bord, aber das habe ich schon im Brief an Mutti geschrieben.

Unser Kühlschrank braucht nur einen neuen Druckschlauch, aber die Amis sind die letzten. Wir hatten in Cape May endlich einen Techniker an Bord, aber er konnte es angeblich nicht machen. Die Amis wollen nur den schnellen Dollar. Etwas neu verkaufen, ein neues Teil einbauen usw. aber nie ein echtes Problem mit Arbeit lösen. Wir haben mit 4 Firmen verhandelt und alle waren so. Tag um Tag verging ohne sichere Abmachungen. Wie in Südamerika "Manana, manana"! Ich war so wütend wie der Techniker an Bord war und habe ihm allerhand an den Kopf geworfen, der glaubt nicht mehr, daß die Amerikaner die Größten sind!!

Aber wir waren ja noch in Baltimore. An einem Abernd kamen Klaus und Mary und holten uns zum Essen ab. Wir gingen in ein teures Lokal am Hafen, direkt vor der "Constellation" und es ging uns recht gut. Am nächsten Tag holten sie uns morgens ab und wir fuhren zum Susquehana und weiter nach Pennsylvania ins Land der Pennsylvania Dutch. Das sind ausgewanderte Pfälzer Menoniten, die als Amish People heute noch wie damals leben und alles Moderne nicht verwenden. Das geht von Kleidung bis zu Autos und Elektrizität. Reise in die Vergangenheit mit schönen Bildern von schweren Pferden vor dem Pflug und schnellen Pferden vor Kutschen und Einspännern. Wir haben bei den Bauern auch Eier, Brot und Gemüse eingekauft und auch mit ihnen gesprochen. Sie sprechen noch ihr Deutsch mit vielen Einfärbungen. Am Spätnachmittag besuchten wir dann noch einen herrlichen botanischen Garten und kamen erst spät nachts an Bord, da wir noch bei Klaus zuhause auf einen Schluck waren.

Am nächsten Morgen liefen wir aus und kamen bis zum Sassafras River. Der Wetterbericht war gerade günstig und wir liefen beim allerersten Licht um 5 Uhr aus. Zunächst war absolute Flaute, die Gezeiten liefen mit und wir machten mehr als guten Fortschritt. Nachmittags kam aber Wind auf und zwar vom Typ "Gegen", das ist einer der drei Winde(Flaute, Sturm und Gegen-wind), andere sind sehr selten. Die Strömung lief gegen den Wind und das gab genau den Seegang für den die Scheiß Delaware Bay berüchtigt ist. Wir stampften uns fest und machten bei späterem Gegenstrom oft nur 1,6 Kn über Grund. Unser GPS zeigt das auch noch überdeutlich und genau bis auf zwei Stellen hinter dem Komma. So wurde es Nacht bis wir nach Cape May kamen und im Cape May Canal war es schon absolut dunkel. Aber wir kamen gut auf den Ankerplatz und stellten uns den Wecker für den nächsten Tag. Wenn man aber erst um 22.00 Uhr ankert, um 5.00 Uhr losgefahren war und am nächsten Tag um 5.00 Uhr Nebel ist, dann trift man keine lockeren Entscheidungen zum Weiterfahren. Wir haben es zuerst bereut aber so nach und nach wurde das Wetter wie der Wetterbericht mit "Severe Thunderstorm Warning, Tornado Watch etc." und wir fühlten uns gut vor Anker. Wir hatten auch vor die Zeit gut zu nützen, Doktor-Check für Dianne funktionierte beim gleichen Doc wie letztes Jahr, Kühlschrank siehe oben!

Das nutzlose Warten auf einen Kühlschrank-Macker hatte dann aber einen nützlichen Nebeneffekt. Wie der Himmel gerade richtig schwarz wurde und sich ein schweres Gewitter ankündigte, kamen Nancy und Burger mit der "Interlude" auf den Ankerplatz. Da er schon recht voll war, gingen sie an uns längseits und wir machten ein gemeinsames Abendessen. Sie haben zwei Wochen Urlaub und lassen danach das Boot in Rhode Island zum Verkauf bei der Werft die den Neubau macht. Donnerstags blies es dann recht stramm und so hatten wir noch einen Tag zusammen. Freitags sollte endlich ein Techniker kommen und wir gingen mit dem Hochwasser über eine Sandbank zum Steg des Yachtclubs. Die Interlude war schon um 6.00 Uhr ausgelaufen mit direktem Kurs auf Cape Cod. Am Samstag liefen wir dann auch aus und kamen bis Atlantik City. Dort ankerten wir vor der "Est d`Eden", die in Nassau immer hinter uns geankert hatte, kleine Welt. Es war 4. Juli und so konnten wir abends vom Boot aus zwei herrliche Feuerwerke beobachten. Sonntags standen wir schon um 5.00 Uhr auf und waren froh keinen Nebel vorzufinden. Aber bei SW - lichem Wind ist dort immer Nebel in der Luft und mittags fuhren wir dann auch für 3 bis 4 Stunden bei teilweise Null Sicht. Da die amerikanischen Angler keine Regeln kennen und nur mit Loran herumgeistern, muß man voll dem Radar vertrauen, lebt aber immer in der Angst ein kleines Plastikboot ohne Nebelhorn zu überfahren. Am Funk hörten wir, wie sich die Angler bei der Ansteuerungstonne sammelten Sea-Tow riefen und sich in den Hafen lotsen ließen, 150$ pro Stunde. Einmal waren 12 Boote zusammen. Der Funkverkehr war absolut chaotisch. Wir kamen aber gut bis nach Manasquan und ankerten bei schönstem Sonnenschein am alten Platz. Wetterbedingt blieben wir noch einen Tag und versuchten wieder vergeblich mit dem Kühlschrank weiter zu kommen. Es gab sogar eine Firma die solche Schläuche konfektioniert und aus deren Katalogen konnte ich zumindest alle Daten abschreiben, aber sie hatten den richtigen Schlauch nicht auf Lager und von den Fittings hatten sie nur noch eines, dabei werden die immer paarig gebraucht. Besorgen hätte eine Woche gedauert! Sepp, was hälst Du von derartigem "Kundendienst"?

Aber das ist ganz typisch für die USA. Im Lager standen aber jede Menge Kolben mit montierten Pleueln für große Dieselmotoren herum, alles bereits rostig rot, Lagerleichen.

Dann redeten wir wieder mit dem Kältetechniker, dem ich erst alles erklären musste und der kapierte dann, daß er es nicht machen könne, einmal kein Werzeug für den Fitting um den porösen Schlauch zu kürzen (Notreparatur) und dann hatte er keine Pumpe um das alte Frigen aufzufangen und in das Ozonloch wollte ich es nicht blasen. Also wieder nichts. Jetzt sind wir hier wieder am Suchen.

Gestern fuhren wir aber mit dem Zug nach New York, mit Umsteigen in Jamaica. Im Zug lernten wir einen alten Herrn kennen, der uns alles zeigte und so kamen wir ohne Suchen in Penn Station am richtigen Ausgang heraus. Bei Macy`s kauften wir ein Kurzwellenradio als Hochzeitsgeschenk und gingen dann am Broadway auf die Suche nach einer billigen Videoleuchte. Wir landeten in einem Geschäft eines sephardischen Juden und der wollte mir gleich eine Lösung verkaufen die bei 637 $ begann und immer billiger wurde, special price for you my friend!(Infrarotobjektiv für Nachtaufnahmen, letzter Preis 180 $ und 3 Adapter für Photo und Video gratis) Ich kam mir vor wie in der Altstadt von Jerusalem. Ich war aber stur auf meine Lösung aus und hatte sie auch in einem anderen Geschäft schon gesehen, aber eben zu teuer. Genau das Ding war aber nicht vorrätig und so verschwand nach einem Telfonat der hartnäckige Verkäufer und kam mit dem gleichen Ding zu einem noch teureren Preis zurück. Ich tat sehr erschrocken und wollte gehen. Da schrieb er einen niedrigeren Preis auf einen Zettel, sie schreiben die Preise immer, damit andere Kunden den Schacher nicht verfolgen können. Er fragte mich wie billig ich das bereits gesehen hätte, ich ging einfach 11 $ unter diesen Preis und bekam die Leuchte dafür. Er bekam aber auf hebräisch eine Rüge an der Kasse, aber der Betrag wurde sowieso nicht in die Kasse getippt, aber die Sales Tax wurde mir aufaddiert.

Mit auf "Wiedersehen und schönen Tag" wurden wir von allen Verkäufern aus dem Geschäft geleitet. Wir sahen auch HI 8 Video Kameras. Mich würde interessieren was die in Deutschland kosten. Könntest Du Dich einmal erkundigen nach einer Sony CCD 600 Handycam in HI 8, das ist die PAL Version der 701 in NTSC. Sie kostet hier 1.490 $ in PAL und 1.100 $ in NTSC.

Die Bahnfahrt war in jeder Hinsicht schön und interessant. Ich fahre ja immer gerne Bahn und das sieht man mir scheinbar an. In Manasquan standen wir am Bahnübergang wie der Zug im Bahnhof anfuhr und die hübsche Lokführerin schaute aus dem Fenster. Wie sie an mir vorbeifuhr winkte sie mir lächelnd zu und vorgestern war es hier das gleiche, wie wir uns nach den Fahrzeiten am Bahnhof erkundigten. Die Gleisanlagen sind aber noch aus den Gründerzeiten und man hat Angst die Waggons springen aus den Schienen. Die Verkehrsabwicklung ist auch sehr langsam weil das ganze Signal- und Leitanlagensystem veraltet ist. Kaum zu glauben wenn man in der Zeitung vom gelandeten Space Shuttle ließt und dann aus dem Fenster schaut. Die Bahnhöfe entlang der Strecke und in Oyster Bay sind wie Pfronten Ried, genauso alt, gleicher Stil, nur nicht so gut in Schuß.

Der EV-Füssen scheint wohl aus der schlechten Geschäftsführung seiner Bosse trotz Konkurs nichts gelernt zu haben. Eine Firma würde keine Gewerbeerlaubnis mehr bekommen und der Geschäftsführer würde persönlich haften oder sogar eine Anklage bekommen. In der deutschen Welle höre ich auch oft den Sportreport. Nur noch Geschäfte unseriöser Funktionäre, die Sportler selbst eigentlich schon eher hinderlich. Kürzlich kam eine schöne Glosse über den Fußball. Es wurde vorgeschlagen die Spieler mit einem Nominalwert in Aktien auf den Markt zu bringen. Die Fans könnten dann mit den Aktien je nach Spielverlauf handeln und es würde ein echter Marktwert enstehen, Aktionärsversammlungen würden über Transfers entscheiden und so die Liga beeinflussen. Es wurde sehr hintergründig auf allerlei Details angespielt, die ich nicht so wiedergeben kann, weil ich zu wenig davon verstehe, den Witz habe ich aber verstanden.

Christian kommt ja ganz schön in der Gegend herum! Das hat bestimmt Spaß gemacht so weit zu radeln.

An den Bootsnamen CIRRUS hast Du Dich richtig erinnert, wir haben ihre Anschrift und werden das Photo weiterleiten, vielen Dank.

Vom neuen Hund wird es wohl auch bald einmal ein Photo geben.

Damit genug für heute, jetzt geht es zur Post. Päckchen für Heinz und Ulli und noch ein Brief an Mutti. Die Oberdeuscher sind mit dem nächsten Brief dran, dann habe ich hoffentlich endlich das Video auch fertig. Jedenfalls vielen herzlichen Dank für Ihren Brief nach Annapolis.

Viele liebe Grüße an Alle

*****

Oyster Bay, 11.7.92

 

Lieber Gottfried und Familie!

Vielen herzlichen Dank für Euren Brief vom 24.5.92 , der uns in Annapolis erreichte. Zwischen den einzelnen Briefen vergeht immer soviel Zeit, daß ich ohne den Computer schon ganz durcheinander käme. Dianne führt allerdings immer schon ein Tagebuch, wo auch die Briefe ein- und ausgehend verzeichnet werden. Einige der letzten Nachrichten habe ich erst heute im Brief an die Eisenberger geschrieben, aber es gibt schon wieder Neuigkeiten.

Wie wir heute mittags zur Post gingen, um das Päckchen mit dem Hochzeitsgeschenk für Heinz und Ulli aufzugeben, kamen wir am Bahnhof vorbei und da war allerhand los. Ein riesiger Parkplatz entlang der Bahnlinie, zwischen Stadtpark und Ort war voller Feuerwehrautos. Wir bekamen also schon mit, daß es irgend eine Feuerwehrveranstaltung war. Was es aber im einzelnen darstellte, erfuhren wir erst durch einige Gespräche mit Einheimischen. Die Feuerwehren waren alle aus der Gegend, das ist Nassau County in Long Island NY. Es ist nun hier allgemein üblich Wettbewerbe abzuhalten, die mit der tasächlichen Feuerwehrarbeit nichts mehr zu tun haben. Es ist also etwas völlig anderes als ein Feuerwehr Leistungsabzeichen bei uns. Es ist mehr wie ein Rodeo für die Feuerwehr. Ohne Pferde und Stiere, dafür mit Autos, Schläuchen und Wasser. Es gibt eine abgeteilte lange "Rennbahn" mit einem Hydranten auf halbem Weg und einem Dreibein mit einem Ziel das umklappt und die Zeit nimmt, wenn es vom Wasserstrahl getroffen wird. Statt normaler Feuerwehrautos gibt es spezielle Rennautos und Feuerwehrautos für Kurzstreckenrennen und Handschlauchkarren. Bei allen drei Klassen rast das Team zum Hydranten, Leute springen mit dem einen Ende des Schlauchs ab, der Schlauch wird bis zum Ziel gebracht und die Spritzmannschaft geht in Stellung, Wasser Marsch und das Ziel wird getroffen. Ich habe gefilmt, es wird also bald zu sehen sein.

Die Feuerwehren rücken aber mit voller Mannschaft an, Fahrzeuge, Familien, Freunde und der ganze Troß. Da es über den ganzen Tag geht, werden Grills aufgebaut und alles bekommt Volksfestcharakter. Nur ein Bierzelt gibt es nicht, weil die frommen Amerikaner nur heimlich saufen, öffentlich ist Alkohol verboten, deswegen können sie nicht damit umgehen und flippen immer gleich völlig aus.(Siehe Amis auf dem Oktoberfest)

Wir sind etwas später nochmals zum Fest gegangen und sahen den recht lustigen Wettbewerb mit Eimerketten. Jede Gruppe startete mit Stoffeimern, musste eine Leiter hoch und oben mit der gebildeten Kette ein 200 l Faß füllen. Wir sahen viel Geschick und auch viel Wasser daneben und über die Köpfe. Abends gab es dann die große Abschlußparade mit dem Vorbeimarsch der kompletten Wehren. Musikkapelle, Fuhrpark und gesamtes Personal der jeweiligen Wehr marschierte bzw. fuhr vorbei. Nach der Hälfte gingen wir, das war nach 1 1/2 Std.. Ich höre jetzt um 23.00 Uhr immer noch Fahrzeuge und Kapellen. Gut, daß es heute nicht gebrannt hat. Dabei sind Brände hier nicht selten. In Baltimore kam ich gerade dazu wie 2 Häuser brannten und alles stand voller Feuerwehrfahrzeuge und die Straße schwamm vom Wasser. Wir sprachen mit einem Chief einer Feuerwehr und er sprach von 700 Einsätzen im Jahr. Das Gebiet seiner freiwilligen Feuerwehr umfaßt etwa 5 Quadrat Kilometer.

Häufigste Brandursache sind Elektrobrände, kein Wunder bei dem primitiven Standard, der niedrigen Spannung von 110 V und der Art der Amerikaner Energie zu verbraten. Drei Kilowatt bei 110 V sind halt fast 30 Ampere und da werden die schlechten Kontakte schon sehr heiß. Viele sogar neue Häuser sind völlig aus Holz gebaut, das brennt alles wie Zunder. Die Wehren sind aber technisch toll ausgestattet und die Fahrzeuge sind wie nagelneu poliert und so wie sie bei einer Parade glänzen, glänzen sie wirklich immer!!!

Der Tag war für nasse Späße gerade ideal. Wir hatten einen herrlichen Tag mit 36° C im Schatten und selbst jetzt haben wir noch 24° C im Mondlicht. Werde mir jetzt noch ein "Meister Bräu" aus Milwaukee genehmigen und dann auch ins Bett gehen. Dianne hat sich bereits zurückgezogen.

12.7.92

Will jetzt beim Frühstück noch ein wenig weiter schreiben und dann Video schneiden. Ich habe in der letzten Zeit viel gefilmt, bin jetzt bei den Originalbändern bei Nummer 72, das ist eine Menge Bildmaterial. Ihr bekommt ja immer nur die geschnittenen Teile und oft läßt sich vom Thema her schon nicht alles verwenden.

Wie wir in New York waren, haben wir auch wieder einmal eine richtige gute Zeitung bekommen. "The European" ist eine sehr gute relativ junge englischsprachige Wochenzeitung, die sehr gut aus allen europäischen Ländern und der Welt berichtet. Ein großer Bericht handelt von einem Landwirt Werner Radtke. Er kaufte vor 12 Monaten von einer kommunistischen LPG nördlich Berlins 380 Hektar und baute Getreide an. Der Kauf war mit Staatskrediten ermöglicht worden. Nach der schlimmen Trockenheit mußte er einen Monat zu früh ernten, um zumindest noch Viehfutter zu erzeugen. Er befürchtet jetzt den Bankrott, der mit jedem Tag weiterer Trockenheit näherrückt.

Ich habe ja schon geschrieben, daß wir in Pennsylvania waren. Es ist eine sehr schöne Landschaft, sehr fruchtbares Farmland auf weiten rollenden Hügeln. Die ersten Siedler konnten sich die Gegend aussuchen und so siedelten sie immer in einer Gegend, die der Heimat glich. So gibt es auch Auswanderer aus dem Hunsrück, die hier wieder ihren Hunsrück fanden. Die Bilder von dieser Landschaft werden Euch gefallen. Mir gefielen sie auch sehr. Die Farmen, nicht nur die der Amish und anderer Menoniten, sind alle sehr sauber und aufgeräumt. Ställe, Scheunen, Silos, Schuppen und Wohnhaus sind alle getrennt gebaut. Weite Wiesen und große Äcker werden durch Wälder und Waldstreifen getrennt. Die Farmen sind alle etwa 70 bis 100 Hektar groß. Sie werden alle als Familienbetriebe bewirtschaftet. Entweder mit modernen Maschinen von wenigen Arbeitskräften, oder nach Altvätersitte von Großfamilien. Die Familien der Amish sind sehr groß, denn ohne elektrisches Licht und ohne Fernsehen ..... sind die Abende im Winter sehr lang!

Wir waren bei unserem Ausflug in die Gegend von Lancaster PA noch in einen botanischen Garten gegangen. Zwei Dinge haben mich da vor allem beeindruckt. Eine riesige Vielfalt von herrlichen Orchideen und die Bonsai-Bäumchen. Alleine von Orchideen wie dem Frauenschuh waren schon viele Arten da. Andere in Farben und Formen wie man sie sich kaum vorstellen kann. Bei den Bonsai-Bäumchen war ein 180 Jahre alter Baum. D.h. der wurde 180 Jahre lang regelmäßig gepflegt und trainiert. Marianne wird viel mehr darüber wissen, wie das im einzelnen gemacht wird. Es ist jedenfalls viel kunstvolle Mühe notwendig, solche Miniaturen zu züchten, denn es sind keine speziellen Pflanzen. Würde man mit dem Training aufhören, könnte wieder ein normaler Baum entstehen. Es ist also nicht wie Rosenzüchten, wo aus einer einmal gezüchteten gelben Rose immer wieder gelbe Rosen werden. Die Äste werden geschnitten und vorsichtig mit weichem Kupfer oder Aluminiumdraht umwickelt um ihnen die knorrige Form eines verkeinerten Originalbaumes zu geben. Nach und nach werden die Äste im Position gebogen bis der Draht weg genommen werden kann.

Brigitte hat uns geschrieben, daß Ihr "auf den Hund gekommen seid".

Ihr werdet bestimmt viel Spaß mit dem Dackel haben. Hoffentlich wird er gut erzogen und wird kein Lackel der Euch seinen Willen aufzwingt. Was haben die Katzen dazu gesagt? Dem alten Katzenpeter blieb es ja erspart "auf den Hund zu kommen". Wäre für den alten Knaben wohl ein Schock gewesen.

13.7.92

Jetzt habe ich gerade endlich das Videoband fertig gemacht. Insgesamt bin ich wohl 30 Std. daran gesessen, denn ich habe aus sehr vielen Bändern zusammengeschnitten. Einige Holperer sind schon drin, aber da ich Bild und Ton gleichzeitig schneide, scheue ich Dinge zu löschen und neu zu machen. Es ist zuviel Aufwand. Wenn das Abspielen auch mit unserem Gerät wäre, könnte ich die beiden Vorgänge trennen und es wäre viel einfacher. Aber ich hoffe Ihr habt trotzdem etwas Freude daran.

Beide Video Recorder zeigen auch einige Mucken beim Abspielen. Der Fehler ist ohne jegliches System und ich muß einfach solange herumspielen bis es paßt. Haben sie erst mal ihren Trott gefunden, geht es tadellos. Heute morgen streikte auch plötzlich der Computer.

Die ganze Elektronik ist ganz toll wenn sie läuft, aber schlimmer als ein störrischer Esel wenn sie streikt. Aber wie ein Esel kommt sie plötzlich wieder aus dem Gebüsch hervor und arbeitet wieder wie wild und ohne müde zu werden!

Am Donnerstag wird unser Kühlschrank eine neue Druckleitung bekommen,....... heißt es zumindest, mal sehen ob es stimmt!

Mit der Zeit werde ich auch noch Kältetechniker, wenn es das Ozonloch nicht gäbe, hätte ich die Sache bereits selbst gemacht.

Heute früh hatten wir sehr stürmischen Wind, aber ich war so unter Deck beschäftigt, daß ich erst nach dem Videostudio am Abend gemerkt habe, daß sich das Wetter wunderbar gerichtet hat. Wir haben immer noch 28° C und es ist kurz vor Sonnenuntergang fast windstill. Dafür ist es sehr durstig.

Genug für heute, morgen geht alles zur Post,

viele liebe Grüße

 

P.S. Die Jugend ist wohl sehr beschäftigt, aber Zeit für einen kurzen Brief könnte schon sein!!! Oder????????????????????????

*****

Gloucester MA , 31.7.92

Liebe Mutti!

Vielen herzlichen Dank für Deine großen Erzählbriefe, die wir in Plymouth vorfanden. Wir machten mit dem Beiboot am Steg des Yachtclubs fest und der Angestellte sah den Bootsnamen und sagte uns gleich, daß viel Post da sei.

Du hast ja eine schwere Zeit voller Sorgen um Tante Ännchen und wir denken immer ganz fest und mit guten Wünschen an Euch. Ich hoffe aber, daß ich Dich mit dem Brief ein wenig ablenken kann.

Erst einmal will ich von der letzten Zeit erzählen und dann noch auf Deine Briefe genauer eingehen.

Unsere letzte Post kam wohl aus Oyster Bay, wo für viel Geld der Kühlschrank gerichtet wurde. Glen meinte die Rechnungstellung sei auch nach amerikanischem Recht nicht korrekt und zumindest für den zweiten Mann nicht gerechtfertigt. Das ist ärgerlich, aber hier muß man schon froh sein, wenn so ein Mechaniker überhaupt kommt.

Am Freitag war dann herrliches Wetter, aber Ruth hatte erst am Samstag Zeit und da war alles wieder grau in grau, aber trocken. Es tat Ruth aber gut mal wieder deutsch zu sprechen und so richtig zu ratschen. Sonntags ging es dann weiter nach Port Jefferson, das ist der Fährhafen, wo Sepp & Co. letztes Jahr von Glen abgeholt worden war. Der Ankerplatz war sehr voll, aber immer noch genug Platz für uns. Montags ging es früh schon los und wir wollten eigentlich mit der Tide gleich in einem Rutsch um den "Fishtail" von Long Island nach Dering Harbour gehen. Aber in Muttituck muß ein Magnet für die Arion liegen, denn etwa 5 Meilen vorher fing plötzlich die Öldruckwarnlampe an, leicht zu leuchten. Das ist normalerweise eine sehr ernste Warnung, aber meine Diagnose war eher ein elektrischer Anzeigefehler - nur das weiß man halt nicht sicher und so liefen wir erst mal in Mattituck ein. Am nächsten Tag ging ich erst mal los eine Firma zu suchen, die Druckmesser verkauft. In Mattituck gibt es keine technischen Geschäfte und so fuhr ich mit dem Zug nach Riverhead, nahm dort ein Taxi und bekam genau was ich wollte. Statt des Druckschalters der Warnlampe wurde ein Geber eingebaut und ins Instrumentenbrett wurde das Anzeige-Zeigerinstrument eingebaut. Es war sehr heiß und so begrüßten wir die nur in Mattituck vorhandene Duschanlage für Gastlieger, gratis natürlich.

Ein zweiter Tag ging mit der Fehlersuche der elektrischen Fehler drauf, denn auch die 220 V Verkabelung zeigte einen Kurzschluß.

Ich dachte an einen ernsthaften Fehler und schaltete Kreis für Kreis und ging alles mit dem digitalen Meßgerät durch. Leider dachte ich zu kompliziert und auf Fehler fixiert. Es dauerte ein Weilchen bis ich bemerkte, daß nur der Boiler eingeschaltet war, der für den Generator einen Kurzschluß darstellt, da er nur mit Landstrom genug Leistung bekommt. Die kleine Vanessa hatte Schalterchen gespielt, man kann nämlich nicht vesehentlich schalten, weil zwei Schalter gleichzeitig gedrückt werden müssen, aber sie schaffte das - spielend!

Dann hatten wir nach dem Auslaufen aus dem so perfekt geschützten Hafen kräftigen Gegenwind. Die Tide war zwar mit, aber gegen den Wind und das baut sehr unangenehme Wellen auf. Wir dachten schon über andere Häfen nach, aber dann waren wir durch Plum Gut durch und es wurde völlig ruhig, der Wind drehte aber auch mit und so liefen wir bei Traumwetter Sag Harbour an. Der Wetterbericht war für Tage auf Gegenwind programmiert und so machten wir mit Ruth ein weiteres Treffen aus. Leider konnten sie nicht schon am Samstag kommen, da machten wir einen kleinen Bootausflug zu einem Wildlife Refuge in der Nähe in der Peconic Bay hinter Shelter Island. Abends ankerten wir in der ruhigen Smith Cove und segelten erst morgens zum Abholen von Glen und Ruth nach Sag Hbr. Sie kamen später als geplant an und so war es zu spät, um noch mit der Tide um Shelter Island zu segeln. Wir segelten unter Vollzeug wieder nach Smith Cove, machten dort Mittag und gingen dann dort an Land. Hinter dem Sandstrand ist ein See, der bei Niedrigwasser als kleiner Bach ins Meer abfließt und ganz flach wird. Wir explorierten barfuß die Gegend und fanden viel Leben im Wasser, an Land und in der Luft. Die Kinder waren ganz begeistert. Wieder an Bord tranken wir ein paar Gläschen unter Deck während Verena mit unserer Krebsfalle Seespinnen fing. Sie holte manchmal bis zu 6 Stück in einem Hol herein. Dann sichtete sie ein treibendes Dinghi und ich fuhr schnell mit ihr hin und wir fingen das schöne Schlauchboot ein.

Die Frage war jetzt, gibt es einen Eigner dazu, oder ist es Treibgut und geht an den Finder Verena. Leider fanden wir den Eigentümer weiter oben am Ankerplatz. Er hatte den Verlust nicht einmal bemerkt. Wir brachten ihm das Boot und er war zwar recht freundlich, aber sein Dank fiel etwas müde aus. Eine Flasche oder so, wäre bei einem neuen Dinghi im Wert von locker über 1.000 $ schon drin gewesen.

Die ganze Familie blieb dann über Nacht und nach ihrer Abfahrt liefen wir um 8.00 Uhr aus und waren abends schon in Newport. Allerding war es wieder zur Hälfte eine Nebelfahrt, dann wurde es aber herrlich.

In Newport hörten wir morgens deutsche Rufe draußen und stürzten an Deck. Dianne noch im Schlafanzug. Egon und Jutta vom TO Stützpunkt Long Island waren es. Sepp und Brigitte kennen sie auch. Wir treffen uns immer per Zufall. Wir hatten bei ihnen angerufen, denn sie wohnen nicht weit von Sag Hbr. entfernt, aber niemanden erreicht. Unter den Tausenden von Booten in Newport trafen wir uns dann. Wir wollten an diesem Tag eigentlich bis zum Cape Cod Canal, änderten aber unter diesen Umständen die Pläne und segelten auch nach Hadley Hbr. , das ist zwei Inseln weiter als Cuttihunk, in den Elizabeth Islands. Egon und Jutta segelten in Gesellschaft mit einem anderen Boot und wir luden alle auf einen Drink nach dem Ankern ein. Am Ankerplatz angekommen wurden die Pläne geändert, Vicky und Howard hatten einen Bluefish gefangen und machten Fischsuppe für alle. So kamen Egon und Jutta nur auf einen Drink bis das Essen auf dem anderen Boot fertig war. Außer dem Bluefish waren noch Muscheln und Garneelen in der Suppe und es war die mit Abstand beste Fischsuppe, die ich je gessen habe. Es wurde ein herrlicher Abend unter immer noch wolkenlosem Himmel. Am nächsten Tag mußten wir erst die Tide abwarten, damit wir nicht gegen den Strom auf den Kanal zulaufen. Wir machten einen Schlauchbootausflug um Bull Island, das in der Ankerbucht liegt und einen kleinen Teich im dichten Wald hat. Die Natur war traumhaft schön und wir sahen auch eine Schar Kanada Gänse. Auf jedem Ankerplatz bekomme ich sofort Besuch von Gänsen, Enten und Schwänen. In Mattituck kam ein Schwanenpaar mit 8 wuscheligen hungrigen Jungen.

Mittags segelten wir dann mit über 7 Knoten auf den Kanal zu, wo bei dem Wind und bei 3-4 Kn Strom fürchterliche Grundseen standen, aber nach 2 Meilen waren wir durch und bogen vor dem eigentlichen Kanal nach Onset ab. Am nächsten Morgen war dann die Strömung schon um 6 Uhr mitlaufend und im ersten Sonnenlicht liefen wir in den Kanal hinein und schossen mit bis zu 10,2 Knoten über Grund hindurch und kamen schon kurz nach 10.00 Uhr in Plymouth an.

Dort holten wir erst die Post ab, kauften dann zur Feier des "Jahrestages" von Hurrikan Bob Hummer und als Nachspeise zu den Hummern gab es Stone Crabs, die wir in Onset gefangen hatten.

Nachmittags gingen wir an den Strand von Plymouth Beach, dort wo wir im Auge des Hurrikans die gigantischen Brecher gesehen hatten. Wir sahen auch noch Sturmschäden, aber das schönste war das Herumsuchen am Strand. Man findet immer interessante Steine, Muscheln oder Getier. Auf der Buchtseite "fingen" wir dann Miesmuscheln. Riesige Muscheln im Überfluß gerade an der Niedrigwassermarke. Es gibt hier 3 m Tidenhub. Man könnte einen Zentner Muscheln leicht in einer Stunde einsammeln.

Heute früh brachen wir wieder um 6 Uhr auf, bei totaler Flaute motorten wir bis hierher und ankerten gerade mit den ersten Tropfen. Morgen soll es aber schon wieder so schön sein wie die ganzen letzten Tage. Gloucester ist eine geschäftige kleine Fischerstadt. Die Küsten sind felsig und geben bereits einen Vorgeschmack auf Maine. Die Stadt sieht vom Wasser aus sehr europäisch aus. Dicht auf die hohen Ufer gebaut, viele Kirchtürme dazwischen. John Smith war schon 1614 hier gewesen und hat vermessen. Der Mann ist unwahrscheinlich herumgekommen und überall tragen Inseln und Buchten seinen Namen, z.B. Smith Island in der Chesapeake Bay. Morgen werden wir an Land gehen, dann kann ich die Stadt besser beschreiben und den Brief fertig schreiben.

Jetzt werde ich erst einmal Muscheln kochen, sie sind noch in einem Eimer Seewasser an Deck.

Das große Muschelessen ist jetzt um 22.00 Uhr beendet. Die Muscheln waren so groß, daß eine für einen Bissen eigentlich schon zu groß war. Sie schmeckten hervorragend und wir haben 40 Stück verputzt. So gestärkt kann ich noch ein wenig weiterschreiben, draußen prasselt jetzt wieder eine Schauer herunter aber hier drinnen ist es bei guter Musik recht gemütlich, die ARION ist ein so bequemes und angenehmes Zuhause. Wir hören Radio und die Radiostationen sind besser als die Fernsehstationen, wobei hier natürlich Kabel-TV eine große Rolle spielt, das können wir aber nicht sehen.

Wenn Du von Gewalt in den Schulen schreibst, dann geht es jetzt also in Deutschland schon so los wie in den USA. Es ist ein Erziehungsproblem - natürlich, zu verantworten von den Eltern, uns allen und vom Fernsehen. Hier wird ständig soviel Gewalt gezeigt, daß sich die Grenzen der Wahrnehmung verschieben müssen. Die Werteordnung ist ja bei jungen Menschen noch nicht fest installiert und durch reale Lebenserfahrung untermauert. Und selbst bei den wenig bewußt lebenden Erwachsenen erodieren die Werte unter diesem ständigen Bombardement von geistigem Schrott.

Leider sind die "traditionellen" Kräfte teilweise auch wenig weise und stoßen die Menschen direkt vor den Kopf. Nicht nur die katholische Kirche ist da Weltmeister.

Gut, daß Du den Drevermann endlich konsumiert hast, .... ist er auch schon verdaut? Mich wundert sein detailliertes Eingehen auf die von Dir genannten Themen und die Nennung von Schriftstellern nicht im Geringsten. Ich habe ja einige Jahre mit Ordensleuten gelebt und so unglaublich viele Verbiegungen selbst aus erster Hand mitbekommen.

Schön, daß Dir die Bilder des Kalenders so gut gefallen haben. Jetzt kannst Du wohl besser verstehen, wie herrlich dieses Land hier ist. Solche Kalenderbilder sehen wir immer wieder, man fängt sie nur nicht immer gleich mit der Kamera ein. Man kann eigentlich viele Eindrücke nur mit dem eigenen Gedächtnis einfangen und nur so begabte Menschen wie Mitchener oder A.E. Johann können es auch an andere Menschen weitergeben.

Ich habe jetzt gerade "Karibik" fertig gelesen und Dianne hat heute "Alaska" begonnen. Ich möchte Karibik als Taschenbuch hier kaufen und Ruth schicken, sie kennt es noch nicht und für sie und Glen muß es doppelt interessant sein, denn sie sind Betroffene. Für mich wird jetzt deutschsprachige Lektüre knapp, muß wohl doch in den sauren Apfel beißen und englisch lesen. Es macht mir absolut nichts aus, einen Abend in englisch zu diskutieren, aber das Lesen geht mir zu langsam für ein Buch. Bei Zeitschriften ist es kein Problem.

Es freut mich auch sehr, daß sich die Eiche endlich berappelt hat und wächst und richtig Laub hat. Wir haben damals extra diese "Pappel"-Form gewählt, weil sie etwas schneller wächst und schneller buschig aussieht. Andere Eichen sind immer etwas für die andere Generation. Hier gibt es so unglaublich viele riesige Bäume. Ich bin immer wieder begeistert von diesen alten grünen Riesen.

Der Amerikaner und seine Frau, von dem ich in Oxford schrieb, waren übrigens erst in den letzten Jahren in Deiner Geburtsstadt Zweibrücken, also nicht gleich nach dem Kriege. Sie war so begeistert vom Rosengarten. Sie nannten auch noch den Namen einer alten Dame die sie kennen, Tochter eines Bürgermeisters oder so, ich habe leider den Namen vergessen weil nicht gleich aufgeschrieben, aber er kam mir bekannt vor, Du kennst sie sicher und würdest Dich bei Namensnennung gleich erinnern.

 

*****

Gloucester, August 1st 92

Liebe Eisenberger!

Von diesem Besuch habe ich schon im Brief an Mutti erzählt, den ich heute zur Post brachte. Wir haben zwar heute schon telefoniert, aber der Anlaß war ja ein trauriger und so kam es nicht zum Erzählen. Wir haben schon die ganzen Tage immer am Funk und beim Telefonieren gebangt, aber das Unabänderliche tritt eben einmal ein und ich bin nur froh, daß Mutti am Telefon so gut klang. Ich bin Euch auch sehr dankbar für Eure ganze Mühe und Sorge.

Vielen herzlichen Dank auch für die ganze Post. Martina werden wir noch extra schreiben. Wir haben uns wie immer riesig über den Posttag gefreut, das ist immer ein besonderer Tag, denn bei uns kommt halt leider der "Briefträger" nicht jeden Tag und geschrieben wird uns schon zweimal nicht jeden Tag, die ganze Allgäuer Jugend (Martina mal ausgenommen) könnte da aber etwas ändern!!!

(Gebt eine Zeitungsanzeige auf: "Tausche Fernseher gegen Bleistift.")

Nach kräftigem Regen war es heute früh schnell aufklarend und die wenigen hundert Meter Sicht gestern abend, wichen totaler Fernsicht. Der herrliche tiefeingeschnittene Naturhafen mit hohen Felsufern liegt eigentlich auf einer Insel, denn Cape Ann wird durch einen kurzen künstlichen Kanal und einen natürlichen Tidal River vom Festland abgetrennt. Schon bevor die Stadt und die Gegend englische Kolonie wurden, haben englische Fischer hier ihre Fänge getrocknet oder gesalzen. John Smith war 1614 auch hier und eine Ecke des Hafens ist nach ihm benannt. Gloucester war immer ein Fischereizentrum und ist es auch heute noch. So waren wir nicht erstaunt Boote mit portugiesischer Flagge neben der amerikanischen zu sehen und auch italienische Spuren gibt es. Die Portugiesen haben sogar eine eigene katholische Kirche mit Flaggenmast und portugiesischem Gemeindehaus. Sie kamen als Walfänger hierher und die Italiener brachten die Boote mit den langen Auslegern. So gibt es hier Boote mit langem Bugspriet für den Harpunier und hohem Mast mit Steuerstand für den Captain. Fast wie in der Straße von Messina. Sie jagen hier den Bluefin Tuna. Vor einigen Tagen harpunierte einer einen mit 500 Pfund und erlöste 10.000 $ dafür.

Ich glaube ich werde Harpunier, aber vorher gibt es jetzt erst einmal Abendessen.

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Die Stadt sieht nicht so ganz amerikanisch aus, es ist eben Neuengland und so spazierten wir heute lange und viel herum. In einer der Hafenbuchten lag ein großer Neuenglandschoner zur Reparatur und wir kamen mit den Leuten ins Gespräch. Die "PILOT" wurde 1924 als Lotsenkutter für Boston gebaut. Wir durften sogar unter Deck gehen und lernten dann auch noch den Eigner kennen. Das war schon ein sehr nobles Schiff. Das Schiff von etwa 50 m Länge hatte zwar von Anfang an 2 Dieselmotoren, aber da die Lotsen oft eine Woche und länger auf See waren - bis alle an einlaufende Schiffe verteilt waren - war das Leben auf einem ruhigen Segelschiff eben wesentlich bequemer. Bis November soll das Schiff fertig sein und auf Reise gehen. Die "L. A. Dunton" in Mystic ist ein sehr ähnliches Schiff nur eben für den Fischfang eingerichtet. Der Eigner rechnet damit, daß er 12 Mann Crew braucht. Der Großbaum hat alleine 21 m und alle Segel haben ca. 1.100 qm Segelfläche. Diese herrlichen Schoner konnten fast fliegen.

Hier im Hafen ist ein ständiges Kommen und Gehen. Es gibt zwar auch viele Yachten aber noch mehr Fischer und große Verarbeitungs-unternehmen an Land. An den unterschiedlichen Riggs der Fanggeräte erkennt man was wohl in den Kisten angelandet wird. Es ist hier auch auffallend, daß die Fischdampfer schön bunt gestrichen sind. Das ist das europäische Erbe. Richtige "Nur-amerikaner" fahren mit den primitivsten ältesten ungepflegtesten Booten hinaus. Der schwimmende Untersatz soll wenig kosten und viel Dollar machen. Mit Liebe zum Beruf, zur See oder zum Detail hat das nichts mehr zu tun. Kalter Materialismus, die Amis sind als Gesellschaft auf dem Holzweg und wenn sie nicht noch die Kurve kratzen, werden sie bös enden. Wir Europäer sollten uns vieles hier als Warnung dienen lassen und bremsen V O R wir aus der Kurve fliegen. Ich sehe bestimmt viele Dinge nicht eng, aber in einigen Dingen bin ich aus gutem Grund stockkonservativ, alles andere ist Mist und geht in den Graben. (Dies war das Wort zum Sonntag für die nicht schreibende aber hoffentlich lesende Jugend und ist wirklich ernst gemeint!!)

Draußen schläft jetzt langsam der tagsüber sehr frische Wind ein und der Sonnenuntergang war gerade mit den letzten abziehenden Wolken. Es sollte morgen einen herrlichen Tag geben und wenn die Windrichtung der Metereolügen stimmen sollte, könnten wir bis Maine kommen und damit ganz New Hampshire überspringen. Die haben aber auch wirklich kaum Küste von den Nachbarn bekommen.

Geologisch ist die ganze Gegend nördlich von Long Island recht interessant. Im Gegensatz zu den "abgelagerten" , "ausgeschwemmten" und "abgesoffenen" Landschaften des Südens, hat hier das Eis massives Land geformt. Nur zwischendrin gibt es Ablagerungen wie Cape Cod, Plymouth Beach oder die Gegend gleich nördlich Cape Ann. Ansonsten sind hier aber die Felsküsten aus vom Eis gehobelten Granitfelsen. Alleine die Einfahrt nach Gloucester war schon sehenswert. Da die vorgelagerte See relativ flach ist, gibt es hier auch viel Tidenhub. So kommen selbst hier im Hafen bei Niedrigwasser Felsen ans Licht auf die man besser nicht aufläuft, vor allem nicht bei fallender Tide. In der Bay of Fundy hinter Neuschottland erreichen die Tiden mehr als 10 m, d.h. man muß in mindestens 12 m Wasser Ankern um nicht trocken zu fallen. Da gibt es Inseln die nur stundenweise solche sind. Mit unserem GPS ist allerdings die Navigation so genau geworden, daß ich auf den in der Karte gedachten Linien metergenau entlang fahren kann und jede Abweichung wird mir wie auf einem künstlichen Horizont durch Linien angezeigt. Es empfielt sich daher Tonnen nicht genau mit ihrer Position, sondern mit der Vorbeifahrseite zu speichern. Bei Nebel ist sonst die Gefahr tatsächlich gegeben, daß man sie "trifft".

Vielen dank auch für die Photos von der Hochzeit. Sie sind ja sehr gelungen. Wir werden den beiden noch schreiben. Uli sieht unwahrscheinlich damenhaft und elegant aus, nicht, daß sie das nicht immer wäre, aber ich meine sie sah einfach gut aus!

Eine Braut muß einfach eine schöne Braut sein. Heinz hat offensichtlich den Tag gut überstanden und wird sich an die schönen Stunden gern erinnern und die "nervigen" vergessen. Aber das ist eigentlich immer und überall im Leben so. Auch auf der ARION.

Unsere Zeit läuft ja langsam ab und das könnte schon mal nerven.

Doch damit zu Deinen Fragen: Wir sind uns selbst noch nicht ganz schlüssig. Es gibt Wünsche, Möglichkeiten und Sachzwänge, denn eine große Yacht ist nicht wie ein Auto, das man schnell wohin lenken kann und auch abstellen kann.

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Portland Maine, 3.8.92

Liebe Eisenberger!

Wir sind gerade hier vor Anker gegangen und haben bereits den Eigner des Bootes vor uns kennengelernt. Er ist Ire und Berufsfischer, leider brannte sein eigenes Fischerboot aus und so fährt er als Kapitän auf einem anderen. Seine Segelyacht hat eine der ARION ähnliche Form und wurde in Südafrika aus tropischen Hölzern sehr solide gebaut. Heute abend wird er mit seiner Freundin bei uns zum Abendessen sein, weil wir sehr viel Fisch zum Essen haben.

Wir liefen gestern aus Gloucester aus und gleich nördlich von Cape Ann schnurrte die Angel. Es muß ein sehr großer Fisch an der großen Angel gewesen sein, denn er riß das gesamte Vorfach einfach ab. Aber kaum hatte Dianne die Angel wieder draußen, schnurrte sie schon wieder und wir holten einen 77 cm langen Bluefish mit 4,5 Kg an Deck. Er kämpfte ganz schön und kam nicht freiwillig. Aber er hatte gut gebissen und hatte so keine Chance bis er am Gaff hing und mit der Machete erledigt wurde.Er war gerade erst mit dem Schwanz fest gebunden wie die andere Angel schnurrte. Dieser Fisch, auch wieder ein Blue, war noch größer und so konnte Dianne nicht kurbeln sondern gaffte ihn. Er war 85 cm und 5 Kg. Beim Schuppen habe ich sie hinter den Kiemendeckeln festgehalten. Sie haben so kräftige Backenmuskeln, daß sie mir die Finger schmerzhaft klemmten. Ins Maul darf man schon zweimal nicht fassen, denn sie haben scharfe Zähne und beißen selbst mit durchtrenntem Genick und nach harten Hieben mit der Machete auf den Kopf. Das Deck sah richtig nach Metzgerei aus. Schade, daß Christian nicht dabei war, aber Sepp, Du hast noch eine Chance!!

Kaum waren die Fische verstaut, kam ganz dicht ein Minke Whale vorbei. Er war aber nur etwa 7 m, nicht wie der 20 m Buckelwal kürzlich. Südlich von Cape Cod sahen wir auch eine ganze Reihe große Schildkröten. Die mindestens 1 m großen Tiere schwammen jeweils auf den Rücken, wedelten mit den Flossen/Beinen aus dem Wasser und wärmten sich den harten Bauch in der Sonne.

Südlich von Cape Cod hatten wir 24° C Wassertemperatur, aber gestern merkte ich wie saukalt das Wasser plötzlich geworden ist. Wir liefen in Cape Porpoise ein und der Hafen war mehr als voller Lobsterpots. Ich glaube die Möwen können trocken über den Hafen gehen. Beim Einfahren des Ankers zog es einen Pot in die Schraube. Das Wasser war so klar, daß ich mit dem Guckeimer und einem Messer am Boothaken die Leinen so oft zerschneiden konnte, daß alles von der Welle abging. Leider stach ich das Messer bei diesem Manöver auch ins Dinghi. So mußte Dianne das Dinghi am Boot halten und einen Daumen aufs Loch pressen, während ich weitersäbelte. Dabei wurde ich nicht nur naß, sondern fühlte auch die eisige Kälte des Labradorstromes. Das Dinghi liegt jetzt vergnügt an Deck und der Flicken trocknet bereits. Die Stelle wird fester sein als vorher.

Wir ankern hier aber vor einem Yachtclub und die haben ein harbour launch, so sind wir auf das Beiboot nicht angewiesen, außerdem bin ich sicher, daß uns Cornelius der Ire bei Tag und bei Nacht an Land bringen würde. Iren sind so!

Lustig übrigens, daß er Cornelius heißt, denn die schweizer TO- Yacht "Aquataurus", die wir in Annapolis trafen liegt auch hier und er heißt auch Cornelius. Es gibt einfach so viele unmöglichen Zufälle - nur keine Richtigen im Lotto, warum eigentlich?

In Gloucester gab es einen Thriftshop der Heilsarmee, dort werden gebrauchte Sachen verkauft. Ich erstand dort 4 Hefte von National Geographic für nur 84 Cent, normal kostet ein Heft etwa 4 $. Wir waren in Annapolis schon in so einem Geschäft gewesen. Von der Größe her so wie Woolworth in Füssen. Dort kauften wir den kleinen Fernseher (neu) 40 $ und 2 Jeans, 2 Hosen, ein Hemd, eine Shorts, eine Briefwaage und ein Buch, alles wie neu für 10 $ zusammen.

Der Fernseher geht recht gut und ich habe eine Rundumempfangsantenne selbst gebaut. Da das Boot sich ja immer dreht sind normale Richtantennen nicht verwendbar. Das Fernsehen gibt uns einen guten Einblick in verschiedenste Aspekte des amerikanischen Lebens. Der Blick in gesellschaftlichen Müll ist eben auch interessant. Seit Oysterbay haben wir aber z.B. kein Fernsehen mehr geschaut. Wieviel kostet jetzt eine Fernsehschüssel für die Satellitensender in Deutschland? Vielleicht interessiert sich Mutti für das Programm des Dt. Welle-Fernsehens. Bestimmt eine eher auf ihren Geschmack zugeschnittene Auswahl.

Dafür schauten wir jetzt gerade anders in die Ferne. Ein großer Tanker kam herein und ging durch die Klappbrücke in den Innnenhafen. Das sind echte Zentimetermanöver mit einigen tausend Tonnen Öl. Im Vorhafen ist auch noch eine Tankermole, dort liegt ein Tanker aus Stavanger, der der gerade einlief hat Heimathafen Nassau, wohl ein Steuerflüchtling.

Portland ist mit 66.000 Einwohnern die größte Stadt in Maine, auf der Landkarte sieht man schon an der mangelnde Dichte von Straßen, daß das Land dünn besiedelt ist. Das Land ist zwar mit 86026 qKm riesengroß, aber es hat nur etwas über 1 Million Einwohner. Es gibt hier viele unbewohnte Inseln und bei einer gibt es einen guten Ankerplatz und da wollen wir in den nächsten Tagen hin. 80 % des Landes sind Wald und die Wirtschaft besteht hauptsächlich aus Holz, Fischerei und Kartoffelanbau. Die Kartoffel sind wirklich gut, Brigitte, Du hast schon welche in den Bahamas gegessen, Fisch ist auch OK, Holz brauche ich nicht, bin selber Holzkopf.

Es sind zur Zeit mehrere Boote hier, die wir kennen und mit einigen haben wir ständige Funkverbindung. Ein weiteres Boot wird noch kommen und von Cornelius dem Iren haben wir erfahren, daß die "Tarzan" ein deutsches Boot in einer Woche kommt. Von diesem Boot haben wir schon überall gehört, aber sie waren immer gerade vor uns weg, so kennen wir sie noch nicht persönlich.

Jetzt mache ich es wie die Kinder, es fällt mir nichts mehr ein und ich beende den Brief.

 

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Jewell Island, 5.8.92

 

Liebe Allgäuer!

 

Heute muß ich unbedingt ans Allgäu schreiben, denn zum ersten Mal seit langen war ich in einem Wald der wie Schrofeneck duftete. Wir kamen erst sehr spät auf den Ankerplatz und die Sonne stand schon recht tief. Wir machten trotzdem gleich das Beiboot klar und fuhren an Land. Es war noch Hochwasser und so war das Anlanden an den hohen Felsufern einfach. Direkt am Wasser begann der Wald. Dichter Fichtenwald mit Farnen und Unterholz. Dazwischen aber typisch für den Norden viele Birken. Es ist hier sehr nördlich obwohl wir auf der Breite von Genua sind. Das macht der kalte Labradorstrom. Wir spazierten durch den Wald auf die andere Seite der Insel und krochen durch ein dichtes Gestrüpp von wilden Rosen zu einer Bucht, die bei Niedrigwasser völlig vom Meer getrennt ist. Bei diesem Waldspaziergang fielen mir die vielen Weißtannen auf. Sie sahen genau wie zuhause aus und an einem Stamm lief Harz heraus, da ging ich mit dem Finger daran und er riecht jetzt immer noch soooo gut. Im Wald hatte ich spontan die Idee Dir, Gottfried eine kleine Weißtanne von hier zu schicken. Überall wachsen so herrliche winzige Bäumchen, die so frisch und lebendig ausschauen. Ich will mal sehen ob sich das machen läßt. Manchmal habe ich so landwirtschaftliche Anwandlungen, niemand schüttelt seine Herkunft ab. Wir haben übrigens heute von einem deutsch sprechenden Amerikaner erfahren, daß die meisten Bauern hier in der Gegend aus Norddeutschland stammen.

Wir waren jetzt zwei Tage in Portland einer geschäftigen kleinen Stadt mit langer Geschichte. Es ist ein idealer geschützter Naturhafen. Gestern brauchten wir den guten Schutz auch, denn Gewitter zogen durch und es gab mal wieder eine Tornado Warnung. Wir waren abends bei unserem irischen Nachbarn eingeladen und wir hatten einen angenehmen interessanten Abend während draußen der Regen den Nebel ins Meer spülte. Heute Früh war der Himmel absolut wolkenlos und wir gingen nachmittags in die Stadt zum Filmen und Fotografieren. Wir kauften auch noch neue Angelhaken, denn der jüngste Erfolg machte uns gierig. Erst um 16.50 Uhr liefen wir bei steifer Brise aus. Der Wind ließ aber schnell nach und jetzt nach Sonnenuntergang ist es absolut ruhig. Wir segelten die kurzen 10 Meilen hier zur Juwel - Insel, so genannt weil hier Piratenschätze vergraben sein sollen. Ob das stimmt?????? Jedenfalls ist die Insel selbst ein Juwel und morgen früh werden wir gleich wieder auf die Insel gehen vor wir weitersegeln. Die Insel ist nur etwa 1 Km lang und hat am Nordende einen Finger mit der kleinen vorgelagerten Insel Little Jewell, zusammen sieht es aus wie zwei Finger und dazwischen ist der geschützte Ankerplatz vor hohen bewaldeten Felsufern. Inseln gibt es hier mehr als man je besuchen könnte. Von den 3000 Inseln sind nur 12 ständig bewohnt, Ferienhäuschen gibt es auf mehreren. Das sind Verhältnisse, die für einen Europäer fast unvorstellbar sind. Aber hier gibt es noch richtige Weite.

Mich zieht es jetzt nicht in die Weite, sondern in meine Koje.

Love Cove bei Booth Bay, 6.6.92

Am besten erzähle ich den heutigen Tag genau der Reihe nach. Wir hatten eine kühle Nacht und schliefen lang und gut (wie immer).

Wie ich so gegen 8.00 Uhr herausschaute , liefen die ersten Boote aus. Den Frauen von einer Crew waren wir gestern schon im Wald begegnet und wie sie heute früh an uns vorbeisegelten rief die Indianerin in bestem Deutsch ein " Guten Morgen" herüber. Wir wollten aber nicht auslaufen sondern auf Erkundung gehen. Wir fuhren bei halbem Niedrigwasser an Land und landeten unser Dinghi gerade unterhalb der hohen Felsen. Wir spazierten zunächst wieder zu der Bucht auf der anderen Seite mit dem Teich. Das Wasser stand jetzt erheblich niedriger und der "Teich" hatte keine Verbindung mehr zum Meer. Ein "Bach" floß ständig zum Meer hin ab. Auf den Felsen standen Pfützen mit Wasser, alles voll Leben, Muscheln Krebse, Schnecken und viele Sorten Seetang. Am Ufer sahen wir im Sand frische Spuren von Hirschen, leider haben wir die Hirsche selbst nicht gesehen. Sie schwimmen aber oft weite Strecken zwischen den Inseln und kürzlich schwamm so ein Depp zum Halfway Rock hinaus, wo nur Robben sind und die Coast Guard mußte ihn an ein Boot binden und zurück schwimmen lassen.

Wir gingen aber nicht schwimmen, sondern wanderten auf der Insel nach Süden wo es Aussichtstürme gibt, seit die Amerikaner Angst vor den deutschen U-Booten hatten. Die Türme und einige Bauten aus Beton stehen noch, die Holzunterkunftsbaracken sind nur noch Ruinen.

Die Amerikaner bauten diese Türme um optisch gesichtete Periskope von U-Booten orten zu können und Artilleriestellungen sollten sie unter Feuer nehmen. Ich denke sie waren militärisch unsinnig, aber wirtschaftlich sehr profitabel für den Erbauer. Die Soldaten, die da Dienst machten, werden auch einen schlauen Posten gehabt haben. Beim Militär sind leider Unsinnigkeiten und absolute Notwendigkeiten oft sehr nahe beieinander und nur der Fachmann, der nicht mit verdient, kann den Unterschied erkennnen. Leider werfen die Weltanschaulichen (ewig Linken) das alles in einen Topf. Na ja hier war es schon längst Geschichte und wir nützten die Meßtürme nur als guten Ausguck. Lustig genug fanden wir in einem Turm eine Schrift an der Wand von Fred und Denise, wir kennen sie seit Florida, sie wohnen hier im Inland von New Hampshire.

Wie wir zurück zum Dinghi kamen, war ein Boot mit zwei Forest Rangers angekommen. Wir haben uns mit ihnen über das Wild unterhalten und sie haben uns die Geschichte mit dem dummen Hirsch erzählt. Sie sagten uns auch, daß wir weiter östlich mit Elchen und Schwarzbären bei Spaziergängen rechnen können.

Wieder zurück an Bord machten wir gleich seeklar und liefen aus. Wie wir gerade außerhalb der vielen Lobsterpots (Schwimmer der Hummerfallen) waren, machten wir unsere Angeln klar. Wir hatten sie gerade eine halbe Stunde draußen, da schnurrte schon die große Angel und es war wieder ein großer Bluefish dran. Ich hatte richtig zu tun, ihn ans Boot zu kurbeln. Dianne gaffte ihn und der Rest war eine Frage der langen Messer. Der Fisch war 83 cm und etwa 5 Kg.

Es sieht so aus, daß wir hier kein Fleisch kaufen müssen; höchstens einmal einen Hummer.

Wie wir hier in die Bucht einliefen wurden wir gleich vom ersten Neugierigen begrüßt. Es war diesmal ein Seehund mit großen blanken Augen. Wir sind nach dem Ankern mit dem Dinghi herumgefahren und haben noch weitere Seehunde gesehen. Außerdem gibt es hier zwei Fischadlerpärchen, Graureiher und Nachtreiher. Es gibt hier eine große Vielfalt von Vögeln und sie sind nicht immer leicht zu unterscheiden. Wir gehen daher immer mit Fernglas los und wieder zuück an Bord werden die Handbücher gewältzt, man lernt halt leider nie aus, oder Gott sei dank, denn das macht das Leben interessant.

Es ist schon dunkel und Dianne wollte gerade unsere Krebsfalle aufräumen. Wir hatten nur zu kleine Krebse drin, aber jetzt hatte sich ein unvorsichtiger Hummer darin verfangen. Ich glaube wir werden langsam Selbstversorger. Nur sollte jetzt noch ein zweiter in die Falle gehen. Gekaufte Hummer sind hier schon billig, aber selbst gefangene noch viel mehr.

Schlaft recht gut, d. h. bei Euch geht es schon bald ans Auftstehen, ich werde noch ein wenig "Fallenstellen". (Jagdfieber)

Long Bay, Tennant Harbour, 7.8.92

Wir liefen heute um 8.00 Uhr aus und das Meer war völlig glatt. Das war eigentlich sehr günstig, wenn wir auch gerne gesegelt wären. Wir sahen heute unendlich viele Seehunde, die neugierig mit großen blanken Augen uns beobachteten und dann kurz vor dem Bug tauchten.

Wie wir endlich aus den Lobsterpots raus waren, wurden die Angeln ausgebracht. Nur eine halbe Stunde später schnurrte die Angel. Es war wieder ein Bluefisch mit 85 cm und etwa 5 Kg.

Aber wir trafen nicht nur Fische. In der engen Durchfahrt von Fishermans Island trafen wir das schöne alte Segelschiff "Heart`s Desire", wir kennen Pam und Dave seit Beaufort S.C. auf dem Weg nach Süden und haben sie zuletzt in Palm Beach FL getroffen. Wir kommen uns langsam vor wie Einheimische, weil wir immer wieder Leute treffen und diese wieder Bekannte kennen.

Wir waren gerade nach dem Ankern an Land gefahren um Brigitte zum Geburtstag zu gratulieren, aber es war niemand da, auch eine Stunde später noch nicht. Wir müssen nur immer genau auf die Zeit achten, denn bei 6 Std. Zeitunterschied könnte sonst leicht ein Anruf zur Unzeit kommen.

Wir haben heute wieder einen von den herrlichen warmen Sonnentagen und nicht nur die vielen Seehunde kamen an die Sonne. Wir sichteten heute auch einen Schwarm Delphine. Einige Seevögel, die wir noch nicht kennen sind noch nicht eindeutig in den Büchern bestimmt. Am Funk hörten wir heute von einer Seeschildkröte, die sich im Netz eines Fischers verfangen hatte und die Marine Patrol fuhr mit Tauchern raus um sie zu befreien.

Morgen wollen wir nach Rockland um nach Post zu schauen. Vom Datum her könnte schon etwas da sein. Wenn nicht schauen wir uns erst ein wenig in den Fox Islands um, die sind vor der Haustüre, haben "tausend" Ankerplätze und sind wie alles hier einfach schön. Wenn Ihr in den Atlas schaut findet Ihr diese Gegend unter Penobscot Bay.

Es ist erstaunlich wie früh die ganze Gegend von Engländern, Franzosen, Spaniern, Italienern und Portugiesen befahren wurde. Jedenfalls lange vor Siedlungen entstanden. Meist waren sie Fischer, die ihre guten Fischgründe nicht verrieten, die Positionen waren sowieso nur dem Kapitän und Navigator bekannt. In 1583 waren hier in der Gegend 36 Schiffe, die vor Maine und Neufundland fischten. Es gab aber auch schon Forschungsreisende. Darunter sind berühmte Namen wie Cabot Engländer 1497, Verrazzano Florentiner 1524, Esteban Gomez Portugiese 1524 - 1525, Cartier Franzose 1534, Champlain Franzose gründete z. B. 1604 Quebec, John Smith, der bereits vielgenannte Engländer war 1614 hier. 1607 wurde an der Mündung des Kennebec River die erste Siedlung gegründet, im gleichen Jahr wie Jamestown in Virginia, aber sie mußte wieder aufgegeben werden, während Jamestown bis heute durchhielt.

Nach Verrazzano sind einige Dinge benannt, darunter die riesige Hängebrücke über die Bay in New York, Ihr habt sie auf den Videos schon gesehen.

Die Gegend hier ist so einmalig schön, daß wir wieder sehr viel filmen und photographieren. Es wird also in absehbarer Zeit wieder einmal einen Videofilm geben, der dann alles besser zeigt, als es Worte beschreiben können.

Im Moment ist unser größtes Problem das Rezeptbuch. Wie macht man Fisch immer wieder anders. Soviel frischen Fisch haben wir nicht einmal auf dem Atlantik gehabt, da waren wir aber wenigstens 4 Esser. Leider können wir Euch keinen Fisch und keinen Hummer schicken, denn langsam wie die Post ist, müßte der Postbote eine Wäscheklammer in der Nase haben.

Viele liebe Grüße

 

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Somes Harbour, Mount Desert Island, 13.8.92

 

Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deinen Brief vom 3.8.92. Er erreichte uns in Rekordzeit bereits am 8.8. in Rockland, am gleichen Tag wo wir telefonierten. An diesem Tag hatten wir morgens Funkkontakt mit einem britischen Boot, sie waren noch weit draußen auf See, aber sie wollten in den gleichen Hafen kommen und wir hatten eigentlich schon vor, uns mit ihnen zu treffen. Ein Anruf bei Knights Marine in Rockland kündete jedoch von Deinem Brief und so liefen wir aus und holten die Post gleich ab. Auf dem Ankerplatz in Rockland kam ein junger Mann zu uns ans Boot gerudert und es stellte sich heraus, daß wir uns in den französischen Kanälen schon begegnet waren. Aber damit noch nicht genug der kleinen Welt. Das britische Boot, das am 8.8. hereinkam, ist uns lange bekannt, meist hatten wir nur Funkkontakt (Madeira, Kanaren, Bahamas etc.), denn persönlich sahen wir uns zuletzt in Xhania in Kreta. Er studierte das gleiche Fach auf der gleichen Universität wie Dianne und sie war in der gleichen Schule wie Dianne. Aber damit immer noch nicht genug. An diesem Tag segelten wir an einer Insel vorbei, wo einige Yachten ankerten. Es stellte sich später am Funk heraus, daß 6 Weltumsegler in der Bucht waren und einer davon ist ein Australier, mit dem wir oft am Funk sprechen, wir haben uns letzten Herbst zuletzt in Annapolis bei der Geburtstagsparty des Sohnes von anderen Freunden auf deren Boot gesehen. Wie wir gestern hierhersegelten, hielt plötzlich ein Boot direkt auf uns zu, volle Fahrt unter Maschine. Ich blies bereits das Signalhorn, denn genau von vorn konnten wir weder Flagge noch Leute sehen. Es stellte sich heraus, daß sie absichtlich auf uns zuhielten, es waren unsere britischen Freunde von "Helgi". Wir haben uns seit den Kanarischen Inseln immer wieder oft getroffen und nie verabredet. Wir wußten allerdings über Funk immer wo sie ungefähr waren, aber das Meer ist recht groß und da sind viele Boote unterwegs, trotzdem trifft man sich.

Wir sind gestern durch ein Gewirr von Inseln, Untiefen und Felsen gesegelt. Das Wetter war ideal. So hatten wir alle Segel oben und rauschten nur so dahin. Es waren Hunderte von Inseln, meist unbewohnt und eine schöner als die andere. Wir segelten dicht entlang des malerischen Fischerortes Stonington und waren sehr überrascht in diesem Ort ohne geteerte Straßen ein Opera house zu sehen. Leider fingen wir nicht wieder einen Fisch, aber in den engen Gewässern waren soviele Lobsterpots, daß wir um unsere Leinen fürchteten, bzw. um die Köder und in den beiden freien Strecken waren offensichtlich gerade keine Fische. Aber wir hatten ja noch einen Eimer mit Muscheln und jetzt haben wir schon wieder Muscheln. Ich habe sie heute abend gleich neben den Boot am Ufer in 5 Minuten gesammelt. Man landet einfach, bleibt stehen, sammelt eine Mahlzeit und steigt wieder ins Dinghi. Es muß nur Niedrigwasser sein, sonst stünde man in 3 m tiefem Wasser.

Heute früh war wieder strahlender Sonnenschein und der Wetterbericht versprach kaum Wind und den aus der falschen Richtung. Was tut ein Segler an so einem Tag?

Er segelt nicht, er holt die Bergschuhe heraus und geht in die Berge. Maine wurde von Gletschern geformt und so gibt es nicht nur Fjorde und Seen hier auf der Insel, sondern auch Berge. Sie sind so vom Eis rundpoliert, daß die Kuppen der Berge aus glattem Fels keine Bedeckung haben. Das brachte die Franzosen, die ersten Siedler hier dazu die Berge "Mont Desert" zu nennen. Daraus wurde Mount Desert Island. Die Hänge der Berge und die ganzen Inseln sind aber dicht bewaldet. Ein großer Teil der Insel gehört zum Acadia National Park. Wir sind den Giant Slide Trail hinauf und einen anderen Weg wieder herunter. Giant Slide heißt Riesenrutsche und das war es auch zum Teil. Es ging durch eine Felsverwerfung hinauf in der ein Bach herunterkam. Zweimal ging die Route durch ein Felstor bzw. gar einen natürlichen Tunnel. Ein Weg war es nicht. Dann kam wieder ein Waldpfad, besser gangbar und dort sahen wir viele rote Eichhörnchen.

Oben auf dem Gipfel trafen wir ein junges polnisches Ehepaar, sie sind vor vier Jahren emigriert und leben in New York. Sie gingen dann einen ganz anderen Weg und wir waren deshalb überrascht sie unten an der Hauptstraße wieder zu treffen, wie sie gerade zu ihrem Auto gingen. Wir hatten dann noch einmal eine nette Unterhaltung.

Auf dem Weg vom Gipfel herunter trafen wir ein Ehepaar mit Enkeltochter in einem Feld von Blaubeeren sitzend. Sie hatten einen netten Hund dabei der sich gerne schmusen ließ und so kamen wir ins Gespräch. Sie sammelten Blaubeeren und während des Gesprächs taten auch wir uns gütlich. Wir hatten schon den ganzen Tag überall Blaubeeren gegessen, sie sind hier in Überfülle vorhanden.

Im Verlauf des Gesprächs stellte sich heraus, daß der Mann, der da vor uns auf dem Boden saß und Beeren pflückte, ein weitgereister ehemaliger Marineoffizier war. So sprachen wir viel von Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Familie hat einen englischen Schwiegersohn, der aus der gleichen Gegend wie Dianne kommt.

Wieder zurück an Bord tauschten wir die Bergschuhe mit den Bordschuhen und fuhren mit dem Beiboot um die Ecke herum in den Ort. Wir kauften in einem General Store etwas ein, das Geschäft war ein wenig wie die Sophie in Zell, aber wir bekamen, was wir brauchten und wir gingen auch noch zur Post, um den Brief und die Postkarten an Euch alle wegzubringen.

Auf dem Weg zum Hafen kam uns ein Paar entgegen, wir grüßten uns freundlich und kamen uns bekannt vor, aber jeder ging weiter, dann ging uns erst das Licht auf. Wir hatten ihr Beiboot in Nassau treibend gefunden, eingefangen und über Funk nach den Besitzern gefragt. So kamen wir damals zu einem Abendessen bei ihnen an Bord. Jetzt ankern sie nicht weit von uns in der gleichen Bucht, zweitausend Meilen vom ersten Treffpunkt entfernt. Kleine Welt!

Damit genug für heute, Dianne liegt schon in der Koje.

Viele liebe Grüße

 

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Winter Hbr., 18.8.92

Liebe Mutti!

Regnerisches Wetter gibt uns genügend Zeit wieder einmal zu schreiben. Wir sind jetzt schon den dritten Tag hier und der Regen hört kaum auf. Eine riesige Front mit 4 eingebetteten Tiefs reicht von der Mitte vom Golf von Mexiko bis nach Neuschottland. Das gut ausgebildete Hoch über den Bermudas läßt die wolkige instabile Luft nicht abfließen. Aber wir haben hier nette Gesellschaft und an Bord gibt es auch immer genug zu tun.

Aber wie immer erst einmal der Reihe nach:

Wir hatten ja in Somes Hbr. John und Beverly, die wir aus den Bahamas kennen, zufällig wieder getroffen. Sie liefen aus und wir waren wegen des Wetterberichts etwas unentschlossen, denn wir wollten ja weiter nach Osten. So wurde es mittags bis klar wurde, daß der Wetterbericht falsch lag, weil das Tief wesentlich langsamer als erwartet zog. So gingen wir Anker auf und motorten nur 3 Sm den langen Fjord hinunter, denn wir hatten inzwischen von John erfahren, daß die beiden großen Mooringtonnen von der Coast Guard sind und gratis benützt werden dürfen. Man kann zwar auch ankern, aber es ist sehr tief bis ans Ufer und die Amerikaner ankern immer nur mit Leine und schwimmen dann überall herum, das liebe ich nicht so sehr. Wir hatten aber Glück und eine Tonne war frei. Wir machten fest und fuhren gleich mit dem Beiboot vor die Arion, um sie vor dem Hintergrund der über 200 m senkrechten Felswand filmen zu können. Es kam dann noch ein anderes Boot herein und wollte zuerst ankern. Sie fragten dann aber, ob sie zumindest für einige Stunden an uns längsseits gehen könnten. Wir boten ihnen natürlich an, auch über Nacht längseits bleiben zu können. Es stellte sich heraus, daß es ein Boot der US Marine war. 3 Leutnants und 4 Kadetten. Sie machen Segeltraining wie in allen Marinen. Wir verstanden uns recht gut und sie waren froh eine sichere Boje zu haben, denn das sparte ihnen die Ankerwachen, die sie normalerweise und korrekterweise gehen. Wir machen das mit Elektronik, was machbar aber nicht korrekt ist. Die Sonne stand noch so hoch, daß die Boote in der Sonne vor der Felswand in der von Höhen umgebenen Seitenbucht des Fjords lagen. Wir machten schnell die Bergschuhe klar und hechelten schnell den steilen Anstieg hinauf auf die Höhe, um schneller als die sinkende Sonne zu sein. Naßgeschwitzt schafften wir es sogar noch vor der Marine, die vor uns schon an Land gegangen war. Die Bayern sind eben von der Gebirgsmarine, das macht den Unterschied auch bei doppeltem Alter.

Die Ausblicke von den Höhen waren atemberaubend und das Wetter wurde sogar noch immer besser. Wie dann gerade der Schatten in die Bucht zog, kam aus dem hellen Sonnenschein noch ein alter Schoner herein. Die Bilder müßten ganz gut werden. Ich werde bald ein Video schicken.

Abends waren die Offiziere noch bei uns an Bord und wir hatten einen netten Abend. Am nächsten Morgen schenkten sie uns Polohemden mit Aufschrift und wir legten danach ab. Es war grau und absolut kein Wind. Wir schaukelten in der leichten Dünung und liefen deshalb im nahen Winter Harbour ein und gingen beim Yachtclub der vornehmen (reichen) Bewohner von Grindstone Neck vor Anker. Es gibt noch eine kleine Hafenbucht für Fischer, aber die ist etwas eng und man muß wissen, welche Fischermooring frei ist. Abends nahmen wir wie verabredet mit John und Beverly Funkkontakt auf und erfuhren so, daß sie bei den Fischern eine Mooring bekommen hatten und dort mit einem befreundeten Boot längsseits lagen. Sie luden uns auf einen Sundowner ein und wir lernten auch Leo und Phyllis kennen. Es wurde dann nicht nur eine Einladung zu einem Drink sondern ein festliches Abendessen im Kerzenschein. Beverly ist Musikerin und musische Menschen machen auch alltägliche Dinge nicht gerne einfach prosaisch.

Am nächsten Tag regnete es bis in den Nachmittag bis wir zum Einkaufen an Land gingen und bei den beiden Booten vorbeikamen. Es war "saukalt" und die Heizung bei Leo und Phyllis, eine deutsche WEBASTO arbeitete nicht. So machte ich mich an die Reparatur, fand mehrere Fehler, beseitigte sie, konnte aber letztlich das Ding nur zum Laufen aber nicht zum Zünden bringen, weil die Glüh-Zündkerze zwar nach Reinigung glühte aber keinen Zündfunken gab. Wir hatten dann noch einen netten Abend zusammen, denn es stellte sich heraus, daß die beiden unwahrscheinlich warmherzige nette Menschen sind. Leo ist Franzose, wuchs 2-sprachig flämisch französisch auf und sprach bis zu seinem 7. Lebensjahr englisch. Gestern waren sie bei uns zum Mittagessen, John und Beverly waren ausgelaufen und Leo wriggte sein selbst gebautes Beiboot trotz Herzschrittmacher die ganze Strecke von Hand. Im Gespräch stellte sich heraus, daß er 78 Jahre alt ist. Er hat hier in der Gegend im Hurrikan Gloria sein altes Boot, mit dem er von Frankreich gesegelt war, verloren und kaufte in Arzachena in Sardinien sein jetziges Boot und segelte es mit Phyllis über den Atlantik. Ihr Boot heißt auch "ARZACHENA".

Phyllis ist ein gutes Stück jünger, Amerikanerin und Witwe.

Leo hat noch ein Haus in Burgund und Phyllis hat eines hier in Maine. Sie wohnen mal da, mal dort, oder an Bord. Leo hat einen griechischen und einen deutschen Schwiegersohn. Im Krieg war er 5 Jahre in deutscher Gefangenschaft bei Königsberg, wurde von den Russen befreit, bei denen er viel schlechter behandelt wurde. Er kann auch noch etwas deutsch und versteht viel.

Wie die beiden bei uns waren, klopfte es draußen am Rumpf und es waren unsere Bootsnachbarn Paula und Sidney, die gerade geankert hatten. Sie sagten nur guten Tag und gaben uns einen großen Becher voll selbst gepflückten Blaubeeren sowie Zucchini und Gurken aus dem eigenen Garten. Er ist Polizist in Maine und sie wollen auch nach Kanada. Kanada ist ihr erstes Ausland, Du kannst Dir vorstellen wie sie unsere Sammlung von Gastlandflaggen bestaunt haben. Dianne hat gerade eine sehr schöne kanadische Flagge genäht, wieder 12 $ gespart. Sie waren gestern abend auf ein Bier bei uns an Bord.

So ist es recht kurzweilig und das Wetter ist garnicht so störend, es gehört auch zu Maine und wir waren bisher zu sehr verwöhnt worden. Gestern war es den ganzen Tag trocken, aber seit gestern abend schüttet es dauernd. Dianne war gestern sogar in den Blaubeeren. Hier spaziert immer eine Frau mit einem weißen Hund durch. Er ist fast so groß wie ein Eisbär und noch am wachsen. Dianne machte mit der Dame den "doggy walk" und bekam von ihr die besten Blaubeerenplätze gezeigt.

Wie wir vorgestern abend in der Dunkelheit vom Innenhafen zurückfuhren wunderte ich mich über die vielen Boote in der Bucht. Sie leuchteten mit Scheinwerfern auf uns und es dauerte bis wir kapierten. Aus dem Handbuch war uns bekannt, daß hier Heringe gefangen werden und daß die Fischer dazu die Bucht mit einem Netz absperren, um den Schwarm in die Reuse zu treiben. Wir hatten schon einige Aktivitäten gesehen, konnten sie aber noch nicht deuten. Uns waren vor allem die vielen Seehunde aufgefallen, die abends in der Bucht waren. Wesentlich mehr als sonst. Kormorane lungerten auch in riesigen Mengen herum.

Ein Netztwächter gab uns Anweisungen und wir gingen über das Netz hinweg zur Arion. Seit gestern können wir nun die ganze Aktion beobachten. Seit 2 Jahren kam der Hering zum ersten Mal wieder herein. Die Züge sind nicht vorhersagbar, man muß geduldig warten bis die reiche Beute kommt. Heute früh kam ein Fischdampfer herein und jetzt sind sie beschäftigt, die Tonnen von Fisch aus der Reuse zu nehmen. Von Cornelius, dem irischen Fischer, den wir in Portland trafen, wissen wir, daß solche Fischschwärme vereint solche Kräfte entwickeln, daß selbst schwere Netze platzen können. Man muß also genau wissen was man macht, damit nicht der Schwarm durchbricht. Es geht um Kräfte in der Größenordnung von Tonnen.

Jetzt hat der Fischdampfer gerade tief im Wasser liegend die Bucht verlassen und direkt neben uns beginnen die Fischer mit dem Aufräumen der Netze. Vom trockenen Steuerhaus aus können wir sie bei der Arbeit beobachten. Der Schwarm bringt bestimmt Zehntausende von Dollars, aber das ist auch hart verdientes Geld. Etwas von dem Geld werden die Netzwächter in den regnerischen nebeligen Nächten schon in Whiskey umgesetzt haben.

Bei unserem Ankerplatz auf der schmalen Halbinsel zwischen Fischereihafen und Ankerbucht (siehe Karte an Sepp) ist eine große "Millionärsvilla". Dort fand am Abend unseres Einlaufens eine Lobsterparty statt. Unterhalb der Terrasse ist ein gemauerter Grillplatz, umsäumt von wilden Heckenrosen und da wurde mit dicken Scheiten ein tolles Feuer entfacht. Auf dem Grillrost standen zwei große Töpfe für die Hummer und die Hausfrau brachte zwei Kühltaschen mit Hummern zum Feuer. Die Hummer werden zunächst kurz im kochenden Wasser gebrüht und dann auf dem Rost gegrillt. Nur kleine Skampi, oder Garneelen kann man gleich auf den Grill legen. Ein Hummer würde mit einem Schwanzschlag verschwinden, wenn es warm wird.

Bei uns gibt es heute Rinderbraten, Reste von gestern. Von den vielen Muscheln können wir hier leider keine holen. Die Rote Tide ist zwar schon wieder weg, aber das Saxitoxin kann noch in den Muscheln sein. Sie filtern schließlich täglich 50 l Wasser durch und nehmen mit dem Futter das Gift in den Körper auf. Ein Milligramm Saxitoxin kann für den Menschen bereits tödlich sein, geringere Mengen führen zu paralytischen Nervenstörungen. Wir haben ein extra Buch über Lebensmittel-, Pflanzen-, Luft- und Kontaktgifte mit Gegenmaßnamen etc.. Es gibt in fremden Ländern eine Fülle von gefährlichen Dingen und es ist notwendig sich zuerst schlau zu machen, man kann nicht überall wie zuhause durch den Wald brechen. Schlangen, die ich so fürchte, stellen real keine Gefahr da. Erstens weil sie scheu sind und dann sind von 2.000 Arten nur 400 giftig. Fernreisende Touristen, die ohne Wissen etc. für 3 Wochen in die Ferne fahren, haben sich schon oft fürs Leben ruiniert. Sextouristen nach Thailand und Afrika (Männer und Frauen) sollten noch am ehesten wissen, was sie erwartet und verdienen kein Mitleid, ganz im Gegenteil. Aber ich habe auch andere Touristen aus den Tropen in jämmerlichem Zustand zurückkehren sehen, das war meist Leichtsinn und Unwissenheit. In den Wäldern und Buschlandschaften Neuenglands gibt es z. B. eine Zecke die "Lyme Disease" übertragen kann. Vor allem Hunde aber auch Menschen können befallen werden. Wenn man es weiß, kann man sich leicht schützen und bei erkannten Symptomen behandeln. Deshalb ist eine gute Bibliothek an Bord wichtig und an regnerischen Tagen hat man auch Zeit genug sich schlau zu machen, interessant ist es obendrein noch.

Damit genug für heute, wenn es aufhört zu regnen, gehe ich noch zur Post.

Viele liebe Grüße

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North Head, Canada, 22.8.92

Liebe Eisenberger!

Heute war einer der herrlichsten strahlenden Sonnentage. Wir sind gestern am späten Nachmittag hier in Canada eingelaufen und machten zum Einklarieren zunächst am Fischereischutzboot fest. Laut Handbuch sollte das Büro noch 35 Minuten offen haben, aber ein Seemann des Schutzbootes sagte uns, daß sie schon um 16.30 Uhr schließen. Wie ich zum Büro kam war schon zu. Im Handbuch stand von teuren Gebühren außerhalb der Amtsstunden, aber wir waren auf einer Insel, einer kleinen Insel und Inseln sind immer anders, immer netter. Zoll und Post sind im gleichen Gebäude und so ging ich zur Post um überhaubt einen Einheimischen fragen zu können. Vor ich lange etwas erklärte, sagte sie schon sie werde ihn anrufen. Ich wartete also draußen vor dem Gebäude in der warmen Nachmittagssonne und die Crew eines anderen Bootes gesellte sich zu mir. Dann kam der Beamte. Freundlicher Typ in jeans und Turnschuhen, packte seine Papiere und den Stempel aus und setzte sich in der Sonne auf die Stufen. Das Büro wurde garnicht aufgesperrt. Wir kamen ins Reden und er erzählte von einer anderen deutschen Yacht, "Feng Shui" Roman Scholl-Latour........

So schnell und so freundlich wurde ich noch nie einklariert. Die andere Crew erkannte er sofort wieder. Andy, Madeleine und Sumi haben wir dann auch noch kennen gelernt. Madeleine ist Japanerin und Sumi die zutrauliche immer nett erzählende 4 jährige Tochter.

Aber vor ich jetzt mehr Details von unseren "kanadischen Abenteuern" erzähle muß ich etwas weiter ausholen, denn im letzten Brief an Mutti waren wir ja erst in Winter Harbour, bei einem Wetter wie im Winter.

Wir waren nicht die einzigen dort und so hatten wir nette Gesellschaft durch Leo und Phyllis und Paula und Sidney. Letztere ankerten direkt neben uns und wir lernten sie durch ihre nette Selbstvorstellung kennen. Sie kamen mit einem Topf Blaubeeren und mit Gurken und Zucchini aus dem eigenen Garten vorbei. Durch gegenseitige Besuche und gemeinsame Landgänge - wenn es gerade nicht regnete - ging die zeit angenehm vorbei. Außerdem gibt es an Bord auch immer genug zu tun. Um uns herum ging auch der ganze Heringsfang vor sich und das war interessant zu beobachten, wir waren schließlich auch im Netz drin. An dem Morgen, wo die ersten Fische vom Fischdampfer abgeholt werden sollten kam dieser Twister und sie verloren einigen Fisch, es waren dennoch 64 Hogshead, das ist ein Faßmaß mit 2.000 Pfund Fisch, also fast eine Tonne. Früher ar es auf den Dampfern einfacher Volumina zu messen als zu wiegen.

Insgesamt wurden drei Fischdampferladungen abgeholt. Heute haben wir mehr über dieses Geschäft gelernt, aber so weit sind wir noch nicht.

Am letzten Tag in Winter Hbr. machten wir einen schönen Spaziergang den Rücken von Grindstone Neck hinunter bis ans Meer und dann in den Ort zur Post. Es gab da einige sehr schöne Häuser und Villen. Fast jeder hatte einen alten Schleifstein - so wie der ganz alte in der Werkstatt - im Vorgarten und die Clubflagge des Yachtclubs mit darüber gemaltem Namen in Sperrholz an der Zufahrt. Viele Häuser sind nur kurze Zeit im Sommer bewohnt. Der Yachtclub ist aber sehr gastfreundlich und die Räumlichkeiten sind sehr vornehm und gediegen ausgestattet.

Der Fischereihafen ist genau das Gegenteil. Von der Natur als absolut sicherer Hafen konstruiert, sahen die Amis über Jahrhunderte keinen Grund Geld zu investieren. Wie überall hängen die Boote an Moorings und die Piers sind einige billige Holzkonstruktionen. Im Mittelmeer macht man oft an Molen fest, die die Römer für Generationen bauten. Die Amerikaner lieben den "Instant Dollar" und investieren nicht einmal in die Schulen ihrer eigenen Kinder. Sieht aber alles trotzdem sehr malerisch aus. Ihr werdet es ja bald sehen. Der nächste Regen macht das Video.

Nach so viel Regen musste es ja schön werden. Wir haben das Dinghi immer um Hunderte von Litern erleichtern müssen. Am Donnerstag weckte uns die strahlende Sonne früher als der Wecker, nachdem wir beim Spaziergang am Vortag noch sehr dichten Nebel bekommen hatten und fast unser Boot nicht sahen, wie wir abends beim Nachbarn waren.

Alles lief früh aus und die 45 Meilen nach Cutler waren herrlich. Leider waren soviele Lobsterpots draußen, daß wir nicht immer die Angeln schleppten und so fingen wir keinen Fisch. Aber wir waren auch so zufrieden und liefen in den versteckt liegenden Hafen von Cutler ein. Die Gegend ist eigentlich sehr leicht zu finden, auch ohne GPS/LORAN/TRANSIT, denn auf der Cutler Halbinsel sind viele 300 m hohe Funkmasten für den U-Boot Funk auf Längstwelle (VLF).

Der Hafen ist aber nach der Halbinsel und dort sieht man die Masten wegen der hohen Ufer schon nicht mehr. In der Einfahrt zur Bucht liegt noch eine Insel wie ein Korken im Flaschenhals und ist man erst einmal drinnen, ist man völlig geschützt. Wäre der Leuchtturm auf der Insel nicht, man könnte die Einfahrt zwischen den hohen Ufern und Klippen nicht erkennen. Erst wenn man munter auf die Felsen zufährt wird das Wasser plötzlich ruhig und die Einfahrt wurde sichtbar. Der Ort mit 400 Einwohnern stellte sich als ein hübsches kleines Nest heraus. Leider wurde unser Landgang am nächsten Morgen etwas kurz, denn es lag noch ein britisches Boot vor Anker und da kamen wir nicht ohne Kaffetrinken dran vorbei.

Sie kannten wieder ein Boot, das wir schon seit Kreta kennen und wir gaben über Kurzwelle Nachrichten weiter. Es war gerade Niedrigwasser wie wir an Land kamen und wir mussten 4 m oder mehr hinaufklettern. Wir hatten nicht mehr viel Zeit und machten nur einige Aufnahmen und meldeten uns beim Zoll, denn die sind hier in Maine wesentlich bürokratischer als im Süden. Dann wurde es Zeit zum Auslaufen, denn in der Bay of Fundy gibt es sehr starke Gezeiten und gegenan ist kaum möglich. Man segelt mit dem Tidenkalender.

Ich bin jetzt gerade eine Stunde zu spät aus der Koje gesegelt, ich habe mich noch nicht umgestellt. Hier haben wir eine Std. später als in den USA.

Wir hatten am Freitag einen herrlichen Segeltag und es war richtig spektakulär wie wir uns den hohen Klippen der Küste von näherten. Wir runden das nördliche Kap und den Swallow Tail mit dem Leuchtturm recht dicht unter Land. Wir hatten starke Gezeitenströme von beiden Seiten der Insel nach Norden gehend. Beim Zusammenfluß gab das Effekte wie in der Waschmaschine.

Vom Einklarieren erzählte ich schon, wir gingen nur noch kurz an Land und spät abends kam Andy, der mit uns einklariert hatte noch vorbei und wir versorgten ihn mit Informationen über die französischen Kanäle. Er hat gerade den Vetrag für ein neues größeres Boot unterschrieben, auch ein Holzboot wie sein altes, ein kleiner 24 Fuß "Cornish Crabber". Ein sehr hübsches Boot mit rotem Gaffelsegel und wir hatten Fotos gemacht wie er unter den Klippen segelte, wir wollen ihnen die Bilder schicken.

Gestern wanderten wir dann zuerst zum Leuchtturm hinaus, der ganz toll auf wilden Klippen steht. Es ist eine Holzkonstruktion, achteckig, wie eine Windmühle und mit starken Drahtseilen nach den Seiten verspannt, denn die Stürme hier oben können heftig sein. Von dort wanderten wir entlang der Klippen durch dichten naturbelassenen Wald mit allen Sorten Beeren, die uns gleich die Brotzeit lieferten. Man kann sich richtig vorstellen, daß sich die Schwarzbären in die Büsche setzen und sich gütlich tun - wie wir.

Wir kamen an einer Felsformation vorbei, die Hole in the wall heißt. Eine Felsrippe geht aus den Klippen heraus und hat ein riesiges Loch darin. Man kann über diese Brücke gehen, nur nicht zu weit, sonst ....

Wir erreichten dann Whaling Bay, eine weite Bucht, die flach in den Strand ausläuft. Es sieht wie Sandstrand aus aber der Sand ist eher wie Lechkies, lauter runde Steine. Von dort führte dann ein Fahrweg in den Ort zurück, den wir bei der Kirche erreichten. An der Ecke ist ein Monument zum Gedenken an 21 Seeleute die im Januar 1859 vor der Küste ertranken. Gleich unterhalb der Kirche war der Samstagsmarkt noch zu Gange und wir kauften frisches Gemüse ein. Und ebenfalls eine Besonderheit, wir kauften es beim Zollbeamten der uns einklariert hatte. So lernten wir auch seine Frau kennen und hatten ein nettes Schwätzchen.

Auf dem Weg zum Boot sprachen wir auf der Pier einen alten Fischer an und fragten nach den Möglichkeiten zum Anlegen hinter der Mole, denn es ist Winddrehung und mehr Wind angesagt. So erfuhren wir viel über den fischfang und ratschten recht lange. Er war Kapitän eines großen Hochseefangschiffes und ist jetzt im Ruhestand. Jetzt wissen wir, daß die Hogsheads ca. 1 Tonne sind, wie die Fangquoten aussehen und daß es hier auf den kleinen Inseln so viele Muscheln gibt, daß sich die Clams gegenseitig vom Boden hochschieben. Man reißt ein solches Bündel ab und hat eine Mahlzeit. Die Miesmuscheln sind handteller groß. Richtiger Überfluß und kein Wunder, daß es hier viele Fische gibt, Seehunde und Wale. Hier um die Insel werden viele Reusen gebaut. Die Netze hängen an 22 m langen Holzpfählen. Der Bau kostet bis zu 30.000 $ und eine Tonne bringt 100 $ bei Heringen. Viel Geld wurde auch mit dem Verkauf von Grundstücken und Häusern an Amerikaner gemacht. Ein 20 jähriger fing an Liquidationsgrundstücke billigst aufzukaufen und verkaufte sie teuer in New York. In 7 Monaten war er Millionär. Das ist natürlich nur ein Beispiel für die Geschäfte. Die meisten Amis, vor allem die Besitzer der größeren Häuser sind aber kaum oder nicht hier. Könnte mir vorstellen, daß da auch schwarzes Geld ins Ausland geht.

Nach neuestem Wetterbericht werden wir heute nach Campobello gehen, über den Bahamas ist Hurrikan "Andrew" und morgen läuft die Tide erst nachmittags mit und da brist es bereits aus SW.

Damit genug für heute, der Brief geht gleich noch zur Post,

Viele liebe Grüße

Weiter Kapitel 12

 
 
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