Kapitel 15

Sardinien bis Aquilea

Cabo Carbonara, Sardinien, 13.10.93

Wir bekamen noch genug Regen und noch mehr Wind bis wir hier auf Sardinien ankamen. Wie Marianne und Michael abreisten, wurde erst einmal das Auslaufen verschoben. Sturmwarnung und Gewitter waren angesagt. Erst am Montag den 4.10. war der Wetterbericht wieder einigermaßen tragbar. Wir holten schweißtriefend unsere beiden Anker herauf und liefen schon früh aus. Es wurde eine ausgesprochen windige und bewegte Überfahrt nach Mahon, Menorca, wo wir im Morgengrauen mit dem ersten Licht einliefen.

Wir wollten nur kurz zum Tanken und dann gleich wieder auslaufen. Am 8.10. sollten wir in Palermo sein, wo Mike und Freunde an Bord kommen wollten. Nach einigen Meilen kamen wir aus dem Lee der Insel und der Wind kam immer vorlicher. Der Wetterbericht war auch nicht vielversprechend und so kehrten wir erst mal wieder um. Am Donnerstag sah es zwar überall grau und windig aus, aber es blies aus Südwest und wir liefen erneut aus. Es war recht rauh draußen, aber abends schlief der Wind ein und wir motorten durch die Nacht. Der Seegang wurde auch immer flacher und es war ausgesprochen angenehm. Am nächsten Morgen fing es um 7.00 Uhr mit einer leichten Brise an und eine halbe Stunde später waren es schon 7 Windstärken. Um 8.00 Uhr hatten wir immer wieder 8 Beaufort und so blieb es den ganzen Tag. Der Seegang baute sich immer mehr auf und bald hatten wir so hohen Seegang, wie wir ihn im Mittelmeer noch nicht erlebt hatten. Aber freier Fetch von Gibraltar bis Sardinien baut eben Seegang auf.

Wir mußten von Hand steuern und waren froh wie es abends etwas abflaute und der Seegang regelmäßiger wurde. Unser Autopilot schaffte es wieder und die Nachtwachen waren so entschieden einfacher. Um Mitternacht kamen die ersten Leuchtfeuer von Sardinien in Sicht und am Samstag um 13.00 Uhr machten wir in Cagliari fest. Mike, Rolf und Martin kamen am Sonntag früh an, reisten aber schon am Dienstag wieder ab.

Wir liefen gleich danach aus und hofften, daß aus der Flaute Südwestwind werden sollte. Leider kam immer mehr Schwell aus Südost auf und wie wir einem anderen deutschen Boot begegneten, das von Messina kam, wurde es zur Gewißheit. Weiter draußen lief der Wind aus Südost und zwar mit 20 bis 25 Knoten. Eine Stunde später kam die erste Sturmwarnung der italienischen Küstenfunkstellen dazu und nachdem wir die Weiterfahrt in Villasimius am Kap unterbrochen hatten, bekamen wir weitere schlechte Wetternachrichten. Jetzt ankern wir hier im Hafen, der neu ausgebaut wird und noch keine Liegeplätze bietet. Die schützende Außenmole ist schon fertig, aber der zukünftige Innenhafen ist noch ein großes ausgebaggertes Loch hinter der Innenmole und hat noch keinen Durchstich zum Meer.

Hier hinter dem schützenden Kap bekommen wir nicht so viel vom Wetter mit und es ist interessant, den Fortgang der Bauarbeiten im Hafen zu beobachten.

Gerade wurden unsere beschaulichen Beobachtungen schroff aufgestört. Im trockenen Baggerbecken des zukünftigen Innenhafens wurden die Felsen am Boden gesprengt. Für einige Zeit donnerten die Detonationen und wir sahen die Steinbrocken in die Luft fliegen. Zum Glück kamen sie nicht allzu dicht bei der ARION wieder herunter. Ein kleines Motorboot wurde aber schnell während der Spengungen verlegt.

Porto Corallo, 17.10.93

Unser ruhiger Tag hinter der Mole hatte nur kurzen Bestand. Nachts kam Wind auf und die See lief gerade noch nicht hinter die neue Mole, so waren wir fürs erste in Sicherheit, aber eben nur begrenzt und daher entschlossen wir uns zu dem vor drei Jahren im Bau befindlichen Porto Corallo zu gehen. Der Seegang am Kap war noch nicht allzu stark und wir waren aber erstaunt nach der Durchfahrt zwischen Capo Carbonara und der Insel Dünung aus Südost vorzufinden. Na ja noch kümmerte uns das nicht, wir wollten ja nur fürs erste in einen rundum geschützten Hafen kommen. In Porto Corallo sahen wir erstaunt, daß der Hafen noch immer Baustelle war. Es hatte sich zwar einiges an den Ufern verändert, aber fertig war der Hafen noch lange nicht. Wir fanden aber eine gute Anlegestelle an einer der neuen Molen zusammen mit zwei italienischen Boten.

Die Wetterlage war auch zwischen den verschiedenen Wetterdiensten zwischen Monaco, Norddeich, ORF, Dt. Welle und italienischen Küstenfunkstellen nicht einheitlich beurteilt und auch wir waren getrennter Meinung. Eigentlich wider besseres Wissen liefen wir am 15.10. dennoch früh morgens aus. Erst Flaute, dann SW 4 - 5 Bft, dann wieder Flaute bis schließlich der befürchtete Südost abends langsam aufkam und immer stärker wurde. Morgens um 3.00 Uhr machten wir unter Maschine nur noch 2 Kn gegenan und der Seegang wurde zunehmend höher. Wir hatten etwa die Hälfte der Strecke nach Sizilien zurückgelegt, aber die Kurse zum Kreuzen wären zu ungünstig gewesen, zumal auch noch Sturmwarnung angesagt war. So gab es nur noch den Weg zurück, oder nach Tunesien, wo wir aber keine Detailkarten hatten.

Mit etwa 6 Bft von achtern segelten wir schnell zurück bis dann der Wind einschlief, der hohe Seegang aber erhalten blieb. Da wir eine Sturmmeldung (Burrasca in Corso) für das Seegebiet südlich Sardinien hatten, waren wir schon um diese Tatsache froh. Wie es uns dann gerade beim letzten Tageslicht gelang, ohne zuviel Grundseen in den Hafen zurückzukehren, waren wir mehr als froh.

Nach einer Nacht bei Windstille längseits, haben wir heute den Anker ausgebracht und gingen mit dem Heck an die Pier. Der Wasserstand stieg inzwischen durch die vom Wind getriebenen Wassermassen und die Brandung donnert draußen an die Molen und an den Strand, ab und zu geht sogar ein Brecher über die Mole herüber, oder es steigt zumindest die Gischt über die hohen Mauern der Mole hinauf.

Wir hören Wetterberichte, nehmen Wetterfaxe auf und rahmen Dias. Da der Hafen an Land noch keinerlei Infrastruktur hat, ein Campingplatz mit Minimarkt bereits geschlossen hat und Dianne die Natur in der Umgebung bereits erkundet hat, haben wir keinen Grund an Land zu gehen und vergnügen uns eben an Bord. Wir sind schließlich autark.

Wir werden wohl noch einige Tage warten müssen, hoffen aber bald auf günstige Winde für die Weiterfahrt.

Porto Corallo, 19.10.

Die Großwetterlage hat sich immer noch nicht geändert. Die grobe See und Dünung aus SO ist zwar weg, aber es herrscht immer noch eine Ostlage. Ein Höhentief über Spanien und eine wellende Kaltfront vom Ural !! über den Golf von Genua, die Balearen bis nach Gibraltar sind fast stationär und bei hohem Luftdruck ist es wechselnd wolkig und sonnig. Wir haben schwüle warme instabile Luft und eben leider östliche Winde. Das erfordert wieder einmal Geduld, viel Geduld.

Den gestrigen Tag haben wir zum Einkaufen verwendet. Das ist hier nicht so einfach. Der nächste Ort Villaputzu ist 6 Km entfernt. Mit unserern Rucksäcken machten wir uns auf den Weg. Wir brauchten auch noch Diesel und das war auch nicht einfach zu organisieren, denn die Tankstelle ist auch in Villaputzu.

Mühselig fragten wir uns durch und fanden schließlich einen Geschäftsinhaber der bereit war mit einem Faß in seinem Auto 100 Liter Diesel zu liefern. Dann hatte die Tankstelle im Ort keinen Diesel mehr und er mußte zum nächsten Ort, aber für 50 Mark war er dazu bereit. Unsere letzte Ausfahrt hatte ungeplant Diesel verbraucht und bei unsicherem Wetter habe ich lieber Reserven an Bord.

Mit unseren schweren Rucksäcken und Taschen über der Schulter machten wir uns auf den Rückweg. Unseren roten erhitzten Köpfen muß man es angesehen haben, denn nach etwa 2 Kilometern hielt ein Sarde mit dem Motorroller und deutete auf einen gehauenen Stein im Gebüsch, Aqua, Aqua, meinte er, da sahen wir, daß am Stein ein Wasserhahn war. Kaum war das Wasser im Gesicht getrocknet, hielt ein Auto neben uns. Es war ein junger Mann der im Hafen bei der Baufirma arbeitet. Seinem Vater gehört eines der Boote im Hafen, so wußte er genau wer wir waren, denn mit seinem Vater hatten wir schon verschiedentlich geradebrecht.

Gerade haben wir die letzten Wetterkarten hereingeholt. Es sieht nicht gut aus. Wir überlegen, ob wir nicht besser um das Tyrrhenische Meer herumfahren sollen, doppelter Weg, aber wesentlich bessere Chancen zum Weiterkommen, denn für die nächsten 4 Tage gibt es keine Winddrehung und dann entwickeln sich 2 Tiefkerne, von denen niemand sagen kann wie sie sich auswirken.

Wir haben uns entschieden, es geht bei schönstem ruhigem Herbstwetter nach Norden. Wir haben leichte Brisen, nachts auch ein wenig vorlich, aber soweit kein Problem. Nur die Maschine beginnt plötzlich mit unregelmäßiger Drehzahl. Ich kenne das Problem schon. Es ist nur der Feinfilter an der Einspritzpumpe, der die hydraulische Drehzahlregelung beeinflußt. Früh morgens laufen wir kurz in den Fischereihafen von Aranci ein. Nach einer Stunde Arbeit, beim Perkins Diesel muß hinterher alles mühselig entlüftet werden, sind wir wieder auf See. In der Straße von Bonifacio frischt es etwas auf, aber dann schläft der Wind fast ein. Am Himmel sind bereits dunkle Wolken und wir sehen Wetterleuchten. Der Wetterbericht bringt dann nachts die erste Sturmwarnung. Wir entschließen uns bereits kurz südlich von Bastia in Campoloro einzulaufen. Beim ersten Tageslicht machen wir fest.Dunkle Wolkenberge wälzen sich über die Berge Korsikas, der Sturm bleibt aber zunächst aus, wir werden nur auf dem langen Weg zurück vom Einkaufen (4 Km zum Ort) fürchterlich naß. Ein mitleidiger Pole, der vorbeifuhr, nahm uns dann durchnäßt die letzten 3 Km mit.

In der Nacht kam dann der Sturm, der sonst bereits herrschte auch zum besonders geschützten Campoloro.

Weiter als Bericht aus verschiedenen Briefen.

Am nächsten Morgen laufen wir bei Flaute aus. Es steht noch alte Dünung und der Himmel ist voller dunkler Wolken, es sieht eigentlich nicht sehr vielversprechend aus, aber wir müssen weiter.

Der Blick zurück auf die Insel ist beeindruckend. Der kalte Mistralsturm hat die hohen Berge verzuckert. Durch einige Lücken in den Wolken scheint etwas Sonne auf die verschneiten 2.600 er.

Nach einer Stunde kommt Wind aus Südsüdost auf und wird ständig stärker. Der Seegang ist sehr unregelmäßig und grob. Am nordwestlichen Kap von Elba laufen wir wieder in eine Flaute. Zum Einlaufen in Portoferraio weht es wieder und wir müssen uns vorsichtig am Anker zwischen die anderen Boote an der Pier sacken lassen. Zum Glück hält der Anker sofort und andere Segler nehmen unsere Leinen an. Für ein 13 t Schiff sind zwei Mann/Frau bei ungünstigen Verhältnissen nicht zuviel Besatzung. Die Stadt sah schon beim Einlaufen trotz der dunklen Wolken beeindruckend aus und beim Auslaufen am Sonntagmorgen, 24.10. zeigt sie sich im ersten Sonnenlicht besonders schön. Abends gelang es uns noch, bei einem Schiffsausrüster alle fehlenden Seekarten zu kaufen. Elba hat sich also trotz der Kürze der Zeit sehr gelohnt.

Wir liefen zwar bereits morgens um 7.00 Uhr aus, aber wir kamen nicht weit. Sturmwarnung aus Südwest, aber wir kämpfen uns erst einmal gegen eine kurze steile See und frischen Nordostwind voran.

Nach 2 Stunden wird ein Schalter umgelegt. Plötzlich ist der Südwestwind da. Leider spielt er sich dann auf Südsüdost ein und wir können nur noch Punta Ala anliegen. Ein Wolkenbruch glättet etwas die See, aber da wir inzwischen 7 Windstärken und hohe Dünung zur Windsee haben, geben wir Porto Stefano als Ziel auf und laufen in die teuerste Marina ein, in der wir je lagen. (62.500 Lit/Nacht)

Am Spätnachmittag schläft der Wind ein und wir reden bereits über ein Auslaufen. Zum Glück reden wir nur, denn nach dem ausgiebigen Duschen zieht sich der Himmel zu und ein Riesengewitter zieht von See herein Richtung Piombino. Seit 2 Stunden zucken die Blitze und ab und zu regnet es kräftig bis wolkenbruchartig.

Am nächsten morgen ist alles noch grau verhangen und wir hören ab 6.40 Uhr die verschiedenen Wetterberichte, die alle nicht übereinstimmen, auf die man sich aber dann doch einen Reim machen kann, bzw. machen muß. Wir tanken noch einmal Diesel und laufen aus. Der Himmel wird immer freundlicher und der Wind weht leicht aus Nordost. Relativ schnell sind wir in Porto Stefano, aber im Innenhafen ist kein Platz, eigentlich ist genug Platz aber wir werden von der Mole verjagt, angeblich alles nur für Fischer. Der alte Hafen hat noch mehr Platz als der Innenhafen, aber er ist uns zu weit nach Osten offen. Wir wollen Porto Ercole auf der Südseite der Halbinsel versuchen und dort gibt es auch noch eine Marina als letzte Möglichkeit. Es ist schon spät und wir haben Zweifel, ob wir es noch im hellen Tageslicht schaffen werden. Nach etwa zwei Meilen höre ich Motorengeräusch und schaue mich um. Ein Schnellboot der Guardia di Finanza hat sich von Steuerbord achtern herangeschoben. Sie bedeuten uns zu stoppen. Trotz Schwell gehen sie an uns längsseits und wollen die Pässe und Schiffspapiere sehen. Nach einer Viertelstunde Fender aneinander reiben legen sie wieder ab. Alles in Ordnung, mit freundlichen Grüßen verschwinden sie nach Westen. Dieser Aufenthalt hat uns noch ein wenig vom Tageslicht gekostet und es ist klar, daß wir nachts einlaufen werden.

Kurz vor dem Hafen kommt eine nette Brise aus Nordost auf und wir entschließen uns, gleich weiterzusegeln bis Civitavecchia. Es finden gerade Manöver der Marine statt und der Flugzeugträger Garibaldi muß uns bei 1,2 Sm Abstand ausweichen. Es ist zwar nur ein kleiner Träger, aber in der Nacht bildet er eine imposante Silhouette gegen den Horizont. Später brist es ordentlich auf und wir machen gute Fahrt, während Gischt über das Deck sprüht. So kommen wir schnell vor die Hafeneinfahrt, müssen aber erst noch etwas auf der Stelle treten, denn es läuft gerade eine große Fähre aus. Beim Yachtclub finden wir gerade noch einen Liegeplatz an einem wackeligen Schwimmsteg und kurz nach Mitternacht liegen wir in der Koje.

Die Leinen waren kaum fest, da begann der erste gewittrige Wolkenbruch.

Der Morgen beginnt mit einem weiteren Wolkenbruch. Danach gehen wir erst einmal zum Einkaufen in die Markthalle und zu den Ständen darum herum. Diese Märkte sind einfach herrlich im Süden. Alles ist frisch und ohne Verpackungsmüll.

Am Spätnachmittag laufen wir noch aus, damit wir für den nächsten Tag einen besseren Absprungpunkt haben. Der kleine Hafen südlich des Kaps ist völlig überfüllt. Wir ankern und machen in dritter Reihe an der Pier fest. Bereits die zweite Reihe ist so voll wie die erste. Aber für eine Nacht liegen wir gut und sicher. Um 4.00 Uhr geht es weiter. Ablandiger Wind, ideale Verhältnisse. Wir kommen schnell nach Anzio. Der Hafen dort ist ebenfalls überfüllt und wir müssen in die Marina Nettuno, gleich daneben. Da kostet es zwar Geld, aber die Anlage ist sehr schön und sicher.

Am nächsten Morgen weht der Wind wieder aus der richtigen Richtung, trotz gegenteiliger Meinung des Wetterberichts, aber es läuft bereits eine leichte Dünung aus Südost, wie am Vorabend. Wir laufen bereits vor Sonnenaufgang mit dem ersten Licht aus.

Nach 15 Sm wird es bei immer noch günstigem Wind grob. Wir drehen um und laufen zurück. Weiter unter Land versuchen wir es noch einmal in Lee der Küste, denn im dortigen Schießgebiet wird gerade nicht geschossen. Wir kommen bis zum Kap Circeo, aber der Wind dreht immer mehr auf die Nase und der Seegang wird auch dort immer gröber. Mühsam kreuzen wir am Kap auf. Ein Kreuzschlag von einer Meile bringt uns nur etwa 200 m weiter, wie wir an einer Netzboje sehen können. Bis auf 1,5 Sm kämpfen wir uns an den Hafen hinter dem Kap heran. Da die See immer höher wird und der Hafen eine Sandbank in der Einfahrt hat, da stehen dann Grundseen, geben wir so dicht vor dem Ziel auf. Acht Stunden dauerte es bis dorthin, vor dem Wind mit etwa 6 Bft sind wir in nur 4 Stunden zurück in Nettuno. Hier in der Bucht von Anzio und Nettuno fand Ende Januar 1944 eine alliierte Landungsoperation statt. Es dauerte bis zum Mai, bis die Verbindung zu den bereits vorher bei Salerno gelandeten Truppen hergestellt werden konnte. Wegen des Starrsinns von Churchill hatten vor allem die Engländer hier große Verluste. Während wir auf Nettuno zusegelten, konnte ich in meinem dicken Wälzer "Seemacht" die Geschichte auf historischem Boden nachlesen.

Heute ist unser 25-jähriges Crewfest und ich bin leider nicht dabei. Ich bin wohl der einzige der Crew X/68 (mein Offiziersjahrgang), der heute an Bord eines Schiffes ist.

Hätte ich gewußt, daß das Wetter sich gerade bei einem sicheren Hafen so entwickelt, wäre ich mit der Bahn schnell nach Kiel gefahren.

Die Wetterlage verspricht weiter Südostwind. Die Wellen klatschen draußen an die Außenmole. Wir wollen morgen die Zeit zu einem Abstecher nach Rom nützen. Mit der Bahn sind es von hier nur eine Stunde für etwa 7,50 DM hin und zurück.

Nettuno, 1.11.93

Lieber Heinz, liebe Ulli,

Wir waren gestern in Rom. Wir standen schon früh auf und sahen auch die Besatzungen der anderen Transityachten bereits an Deck. Wir waren etwas verwundert, denn sie mußten ja eigentlich den gleichen Wetterbericht haben. Auf dem Bahnsteig war dann alles klar, die anderen fuhren auch nur nach Rom. An Auslaufen dachte niemand, aber man ist immer etwas unrund und schaut auf die Entscheidungen der Nachbarn. (Meist kein guter Ratgeber)

Um 9.30 Uhr waren wir in Roma-Termini. Die Crew eines englischen Bootes kannte sich schon etwas aus und zeigte uns den richtigen Bus zum Vatikan. Am letzten Sonntag im Monat sind die Sixtinische Kapelle und die Vatikanischen Museen bis 13.45 Uhr zur Besichtung offen. Wie wir ankamen ging die Schlange der Wartenden bereits um den halben Vatikan herum. Wir beobachteten den Fortschritt der Wartenden und kamen schnell zu dem Schluß, daß wir gerade noch zur Schließung zum Eingang kommen würden. Wir gaben also zugunsten der vielen anderen Sehenswürdigkeiten auf.

Zunächst besichtigten wir den Petersdom. Es wurde zwar gerade am vordersten Hauptaltar eine Messe gefeiert, aber man konnte trotzdem den gesamten Dom besichtigen. Neben dem Hauptaltar saß im Chorgestühl die ganze Kurie. Soviele Kardinäle habe ich noch nie auf einem Fleck gesehen.

Nach der ausgiebigen Besichtigung des Domes kamen wir wieder auf den Petersplatz und sahen, daß vor dem Fenster des Papstpalstes bereits ein violettes Flaggentuch ausgehängt war. Wir warteten also zusammen mit etwa 30.000 Menschen einige Minuten auf den Papst. Er erschien vom Volk beklatscht am Fenster, hielt eine kurze Predigt, betete dann und gab den päpstlichen Segen. Nach einigen Ansprachen in verschiedenen Sprachen verschwand er wieder in seinen Gemächern, wo ich vor 25 Jahren in einer Privataudienz zusammen mit 30 anderen Kadetten bei Papst Paul VI war. Ich treffe scheinbar immer nur die reaktionären Päpste, nun ja andere gibt es nicht, oder sie werden schnell ermordet.

Nicht nur im Vatikan, in ganz Rom wimmelt es von Menschen in allerlei Kutten, Soutanen und Ordenstrachten. So einige Gestalten ließen ungute Erinnerungen an die Internatszeit aufkommen. Wir fanden den ganzen kirchlichen und lithurgischen Rummel abstoßend. Bei den protestantischen Religionen wird etwas mehr auf den Glauben geschaut, aber bei den Katholiken stehen die Kirche, der Apparat und das äußere Gepränge im Vordergrund.

Zwei Männer hatten eine große Reisetasche zwischen sich stehen. Kurz vor dem Erscheinen des Papstes wurde sie geöffnet. In einem "vergoldeten" Kasten mit Glasfront war eine kitschige etwa 40 cm große Madonnenfigur. Die sollte wohl etwas vom päpstlichen Segen ab bekommen. Angehörige von Naturreligionen wissen es nicht besser, aber im aufgeklärten Mitteleuropa....?

Aber Ihr wart ja gerade selbst in Rom. Was waren Eure Eindrücke?

Das wäre vielleicht ein Spaß gewesen, wenn wir auf dem Petersplatz aneinender gerannt wären. Schließlich haben wir uns nur knapp verpasst.

Bei warmem herbstlichem Sonnenschein spazierten wir dann am Tiber entlang zur Engelsburg und zur Engelsbrücke. Leider wird die Brücke, die zum Grab von Kaiser Hadrian führt, gerade renoviert, nach fast 2000 Jahren bestimmt nicht zu früh.

Für den weiten Weg zur Piazza Venezia und dem Denkmal Vittorio Emanuel II nahmen wir einen Bus. Auch dieser Bus war wieder völlig überfüllt. Das sind ideale "Arbeitsbedingungen" für Taschendiebe und nicht ohne Grund wird auf Plakaten im Bus in allen Sprachen davor gewarnt. Tatsächlich erwischte ich zweimal sich scheu zurückziehende Hände in meiner Hosentasche, aber ich war eben mit meinen Händen auch aufmerksam. Zwei Zigeunerinnen mit Kleinkindern in Tüchern vor dem dem Bauch, drängten sich durch den überfüllten Bus von hinten nach vorne und stiegen dann vorne aus. Der Bus hat aber hinten, in der Mitte und vorne große Türen. Sie drängten sich nur durch, um unter der Abdeckung der Babies mit ihren Händen auf die Suche gehen zu können. Wo die zweite Hand im anderen Bus herkam, konnte ich nicht feststellen.

Die Piazza Venezia hat zwei große symmetrische Paläste auf beiden Seiten, einer aus dem 15.Jahrhundert, der andere relativ neu und das enorme Denkmal auf der Südseite. Der Palast war im 15.Jhrh. Papstresidenz und dann auch Residenz Mussolinis. Die riesige Denkmalanlage mit Säulenhalle, Standbildern, Terrassen und Freitreppen wurde zur Verherrlichung der Staatsgründung von 1870 und zum Gedenken an den Tod des Königs 1878 erbaut.

Gleich gegenüber des Nationalmonuments sind die Ausgrabungen der Foren aus der Zeit vor dem römischen Kaiserreich und daran anschließend die ausgedehnten Anlagen des Forum Romanum mit den verschiedenen Siegestoren, die z.T. erstaunlich gut erhalten sind. Auch die Trajanssäule ist sehr gut erhalten. Vom Kapitol hat man zwar einen guten Ausblick aber sonst ist dort für den Laien nicht zuviel zu sehen. Auch das Colosseum besticht mehr wegen der enormen Ausmaße, nicht aber wegen des guten Zustandes oder wegen sorgfältiger Restaurierungsarbeiten. Wir haben jedenfalls schönere Anlagen gesehen.

Zu Fuß marschierten wir weiter durch die Innenstadt zum Quirinalspalast, dem Trevibrunnen, dem Parlament und zur Spanischen Treppe. Damit hatten wir für einen Tag mehr als genug besichtigt und waren auch schon etwas geschafft. Aber zu unserer Entspannung marschierte eine große Militärkapelle in Traditionsuniformen auf und gab auf der 1. Terrasse der Spanischen Treppe ein Konzert. Es war optisch und musikalisch ein Genuß.

Die anschließende Fahrt mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof war weniger ein Genuß. Es gibt keinerlei Hinweisschilder, keine Streckenpläne, nichts, nicht einmal in italienisch. Da sind die komplizierten Hinweise in vier Sprachen an jeder Haltestelle in München besser.

Nicht nur in Rom fielen uns die vielen Uniformierten in Italien auf. Alle Soldaten, Jungpolizisten der Carabinieri und Kadetten der Militärakademien sind nur in Uniform unterwegs. Teilweise tragen sie sehr schöne Traditionsuniformen. So korrekt wie sie aussehen, so verhalten sie sich auch. Wenn ich da an die in grenzenloser Liberalität losgelassenen "Urlauber" der Bundeswehr denke....!

Selbst wenn sie nicht besoffen sind, kann man kaum hinschauen und das Auftreten wirkt meist mehr als peinlich.

Inneminister Kanter hat kürzlich im Parlament Adressaten für die Fehlentwicklungen in Deutschland genannt, er wurde sofort von einigen Kreisen dafür gescholten, ich bin aber der Meinung er hatte völlig recht. Wenn Prinzipien und Autoritäten in einer Gesellschaft einmal zerschlagen und zuviel hinterfragt sind, dann gelten sie eben auch nicht mehr für Rechtsradikale, falls gerade dieser Trend bei einem Teil des Volkes "in" ist.

Beim Verlassen des Bahnhofes wurde es leider schon dunkel. So konnte ich die langen Aquädukte entlang der Bahnlinie nicht mehr filmen. Morgens tauchten sie so überraschend auf, daß ich sie nicht aufnehmen konnte und dann sie lagen auch im Gegenlicht der Morgensonne. Im leise und ruhig dahinrollenden modernen zweistöckigen Zug schliefen wir immer wieder ein und bald war Nettuno erreicht.

Am Montag lautete der Wetterbericht wieder auf Südost 7 mit Gewittern und die Wetterstation von der Insel Ponza, 35 Sm weiter südlich, meldete um 6.OO Uhr 26 Knoten aus Ostsüdost. Wir können den Wetterbericht schon fast nicht mehr hören:

"Avisi, Temporali in corso, Burasca previsti, Vento da Sudeste forca 7, con locali reinforci, Tendenza Venta da Sudeste forca 7. Mare molto mosso, locale agitato, con molto ondoso in aumento."

Unsere Hochstimmung vom Vortag verging damit recht schnell.

Wir erkundigten uns vorsichtshalber schon mal wegen einem Winterliegeplatz.

Der Mittwoch begann mit schweren Gewittern und weiteren schlechten Wetternachrichten. Der Tag verging mit Liegeplatzverhandlungen, Überlegungen hin und her und immer wieder kummervollen Blicken hinaus aufs Meer und an den Himmel, der kurzfristig leuchtend blau wurde, gerade lange genug um uns die Entscheidung noch schwerer zu machen. Zwei andere Boote, die auch tagelang mit uns gewartet hatten, liefen aus. Das Segelboot ging allerdings nach Norden und die große Verdränger-Motoryacht wollte nur bis Neapel. Beide nützen das Nachlassen des Windes nach dem Gewitter und die ruhigere See, die vom schweren Regen niedergebügelt war. Auch wenn deren Verhältnisse mit unseren Bedingungen nicht vergleichbar waren, ist es immer ein doppelt ungutes Gefühl, wenn man alleine zurückbleibt.

Aber das eine der typischen Situationen im Seglerleben, die vom Landleben so unterschiedlich sind. Man muß seine Entscheidungen für seine eigene kleine Welt treffen und verantworten. Liegt man mit einer Entscheidung falsch, das gilt vor allem für Auslaufentscheidungen, büßt man für diesen Fehler sofort und unbarmherzig. In einer alten TO-Zeitung haben wir den Bericht eines Clubkameraden über eine Winterreise von Lignano nach Südfrankreich gelesen. Er beklagte sich sehr über die lange Reisezeit und das schlechte Wetter. Er schrieb auch von 4 untergegangenen Kunststoffyachten die auf Überführung unterwegs waren und deshalb längere Schläge im freien Seeraum machten. Dabei haben sie wohl das winterliche Mittelmeer unterschätzt. Das kurze Abflauen des Windes nützten auch zwei Plastikboote auf Überführungstörn. Ein Boot kam nur zum Tanken herein und lief danach gleich wieder aus. Sie motorten nur gegenan und hatten nicht einmal die Wetterberichte abgehört. Ein weiteres nagelneues Jeanneau Boot kam für die Nacht herein und kann jetzt wegen der Grundseen in der Einfahrt nicht mehr auslaufen. Dieses Boot hat nur 2 Festmacher und drei kleine Fender. Sie benützen 5 Feststoffschwimmwesten als zusätzliche Fender und zwei Kevlarfallen als Springs. Überflüssig zu sagen, daß das Boot keine Rettungsinsel hat und auch sonst nur minimal ausgerüstet ist. Der Autopilot ist nur mit Schlauchschellen an der Steuersäule befestigt und die Navigationslichter sind von der nicht zugelassenen kleinsten Bauart. Leider zahlen wir derartig provozierte Schiffsverluste über unsere Versicherungsprämien mit.

In der Antike wurde aus gutem Grund die Seefahrt im Winter verboten.

Gerade mit dem letzten Licht verholten wir auf unseren Winterliegeplatz. Um uns die getroffene Entscheidung doch leichter erscheinen zu lassen, regnete es fast die ganze Nacht und immer wieder klapperten die Fallen in den Böen. Es regnet jetzt schon fast 12 Std. ohne Pause und der Wetterbericht steht weiterhin auf Südost 7 und Gewitterböen. Die tatsächlichen Windstärken liegen weit darüber und ständig weht Gischt über alle Molen. Damit können wir nicht einmal die Segel wegstauen, aber es gibt auch so genügend Arbeit unter Deck um das Boot winterfest zu machen. In Istrien wollten wir mit dem über die Jahre angesammelten Gepäck von Bord ziehen, das ist jetzt erst einmal aufgeschoben, denn wir werden mit dem Zug nach Deutschland fahren.

*****

Ausblick

 

Da wir nach der Rückkehr zur Familie keine weiteren Briefe mehr schrieben, sind die beiden Weihnachtbrife an unseren Freundeskreis die letzten Erzählungen über das Ende der Reise.

 

 

 

 

87637 neu

Weihnachten, 1993

Lieber

Europa hat uns wieder. Die große Reise ist leider zu Ende. Fünfeinhalb schöne, interessante, abwechlungsreiche und manchmal abenteuerliche Jahre liegen hinter uns. Das vergangene Jahr brachte noch einmal eine Reihe von Höhepunkten und Abenteuern.

Wir verbrachten ja den letzten Winter in Deutschland und arbeiteten auch beide wieder. Im April flogen wir in die USA zurück und bereiteten die ARION für die lange Reise über den Nordatlantik vor. Nachdem der Schnee in Maine vergangen war und die Flüsse und Buchten wieder eisfrei waren, verwendeten wir unsere Zeit nicht nur für Werftarbeiten. Zusammen mit unseren amerikanischen Freunden unternahmen wir auch viele Ausflüge und lernten mehr von Maine und der Wildnis im Norden kennen.

An Pfingsten holten wir unsere beiden Mitsegler, Heike und Pit in Boston ab und nach einer netten Abschiedsparty liefen wir zu unserer Warteposition aus. An unserem Ankerplatz bei der Insel Vinalhaven kamen uns fast Zweifel, ob wir einigermaßen rechtzeitig in den Atlantik starten können. Es stürmte und regnete fast andauernd. Zumindest für den North-East-Channel durch die flachen Gewässer des Golfs von Maine, der Georges- und Browns-Bank brauchten wir verläßliche Windrichtungen. Nach telefonischer Wetterberatung vom Seewetteramt in Hamburg, liefen wir am 2.6. bei starkem Nordwestwind aus. Das war gerade der richtige Einstieg für die dann oft rauhe Überfahrt zu den Azoren.

Die Tiefs jagten uns in schneller Folge. Wir machten zwar gute Etmale, wurden aber weiter als gewünscht nach Süden abgedrängt. Der Golfstrom war ein weiteres Hindernis. Er strömt in vielen Wirbeln, wird durch den Labradorstrom gestört und bescherte uns unerwartet viel Gegenstrom und groben Seegang. Auch mit dem Fischfang hatten wir Pech. Ständig rissen große Raubfische unsere teuren Kunstköder ab. Ein 3 m Hai sprang 100 m hinter dem Boot viermal senkrecht aus dem Wasser hoch. Das Leben an Bord verlief aber angenehm, nur die Tage im völlig geschlossenen Boot waren etwas belastend. Trotz stickiger, feuchter Luft unter Deck, waren wir einmal mehr froh, die ARION mit einem geschlossenen Steuerhaus gebaut zu haben.

An nur drei Tagen hatten wir 5 Bft oder weniger. Wir erlebten viele Tiefs mit stürmischen Kaltfronten und heftigen ausgedehnten Gewittern. Nach 22 Tagen auf See kam die Insel Faial in Sicht und das üppige Grün der Azoren sorgte für willkommene Abwechslung. Ab den Azoren wurde es an Bord dann mit ständigen Crew-wechseln bis zu den Balearen recht abwechslungsreich. Das Segeln in den Azoren war mit leichten Winden eine richtige Erholung und auch der letzte Sprung über den Atlantik nach Portugal fing erst einmal sehr gut an. Wir konnten viel mit Vollzeug segeln und einen Tag hatten wir sogar den Blister oben. Erst einen Tag vor der Küste legte der Wind ständig zu und beim Einlaufen in Sesimbra hatten wir 9 Bft.

Nach den uns bekannten Häfen Portugals begann wieder seglerisches Neuland. Die Häfen Tanger und Gibraltar, sowie Ausflüge nach Sevilla und Granada waren touristisch, wie geschichtlich mehr als interessante Höhepunkte. Nach einigen herrlichen Tagen in Mallorca verließ uns das gute Wetter. Das Ende des Sommers kündigte sich plötzlich mit wolkenbruchartigen Gewittern an. Das vorher so angenehme Segeln wurde ausgesprochen ruppig. Auf der Überfahrt nach Sardininien erlebten wir so hohen Seegang, wie nie zuvor im Mittelmeer.

Die nächste Überfahrt nach Sizilien mußten wir nachts wegen starkem Gegenwind abbrechen und wegen der andauernd schlechten und unbeständigen Wetterlage entschlossen wir uns zu dem langen Weg um das Tyrrhenische Meer. Unser Liegeplatz in Kroatien war bereits gebucht und die Zeit drängte langsam. Bei Kap Circeo stampften wir uns nur 1 1/2 Meilen vor dem Hafen kreuzend fest und die Grundseen über den Sandbänken ließen uns umkehren. Wir liefen in die Marina Nettuno ein und nach 11 Tagen mit ständigem Südost 7, Gewittern und Sturmwarnungen gaben wir für diesen Herbst Kroatien als Ziel auf. Wir buchten einen der letzten Winterliegeplätze und nützen die Gelegenheit zu einem Besuch im nahen Rom.

Das von Deutschland leichter erreichbare Istrien wäre uns als Liegeplatz wesentlich lieber gewesen, aber als Segler hat man gelernt sich dem Wetter zu fügen. Die ARION wurde winterfest gemacht und mit einem Berg von Gepäck fuhren wir mit der Bahn nach Deutschland.

Jetzt steht die Wiedereingliederung ins normale Leben auf dem Programm. Wohnungs-und Arbeitssuche sind heutzutage nicht allzu einfach in Deutschland, zu Vieles hat sich in den letzten Jahren unerwartet verändert.

Das große Abenteuer hat sich aber dennoch gelohnt. Unvergeßliche Erinnerungen werden uns immer bleiben. Dreißigtausend Seemeilen haben wir mit der ARION seit 1988 zurückgelegt und es liegen hoffentlich noch einige vor uns. Wir besuchten über 500 verschiedene Häfen und Ankerplätze in 32 Ländern und lernten viele nette Menschen an Land und an Bord anderer Yachten kennen. Ein Berg von 4000 Dias, 1000 Fabbildern und 150 Stunden Video Originalaufnahmen warten auf die Bearbeitung. Nur ein kleiner Teil ist bereits für Vorträge an der Volkshochschule sortiert. Für die Familie habe ich schon unterwegs immer Filme geschnitten und nachvertont, sie waren eine willkommene Ergänzung zu den vielen Briefen.

Wir werden jetzt bald in die Gegend von Schwäbisch Hall ziehen, wo ich in der Firmengruppe von Mike arbeiten werde. Die Arion wollen wir möglichst viel selbst oder zusammen mit Freunden und Bekannten nutzen, bzw. ev. auch Freunden überlassen, damit sie nicht nur Rost und Muscheln ansetzt. Irgendwann wollen wir aber wieder auf große Fahrt gehen.

Wolpertshausen

Weihnachten, 1994

Liebe Freunde,

das vergangene Jahr hat uns fest in den Griff bekommen und wir haben am Jahresende weniger Zeit zur Verfügung als während des Jahres. So kamen wir auch wenig zum Schreiben, aber ich will zum Jahresende doch einmal von uns hören lassen. Am ersten Advent waren wir noch einmal bei ruhigem Herbstwetter an Bord und haben alles winterfest gemacht. An Bord beschleichen einen dann immer so Gefühle und die Gedanken ziehen wieder hinaus....

Wenn ich aber Viedeos schneide, kehren so viele schöne Erinnerungen wieder. Die Und was gibt es sonst von uns zu berichten? - Wir sind jetzt seit 12 Monaten in unserer neuen Wohnung und ich will den Jahresbrief erzählen lassen:

Nach unserem Umzug aus dem "Segelnden Dorf" in ein richtiges Dorf, siehe oben, haben wir uns wieder recht gut an Land eingelebt.

In unserem letzten Weihnachtsbrief hatten wir schon berichtet, daß wir das letzte Etappenziel, die Adria, wegen schlechtem Wetter in 1993 nicht mehr erreicht hatten und die ARION in der Marina Nettuno bei Rom lassen mußten.

Unsere Bahnfahrt nach Deutschland war mit Riesengepäck ein eigenes Abenteuer. In der Familie meiner Schwester wurden wir gut aufgenommen und für uns begann der "Alltag" von Heimkehrern, die wieder seßhaft werden wollen. Mit Pendeln zwischen Ilshofen, wo wir bei meinem Freund und Crew-Kamerad Mike wohnten und Eisenberg begann das Abarbeiten unserer Arbeitsliste. Mein erstes Geld verdiente ich mit einer Serie von Dia-Vorträgen an der Volkshochschule und ein Auto war die erste große Ausgabe. Ab Mitte Dezember begann sich alles zu konsolidieren. Ohne Freunde und Verwandte hätten wir es wohl nur sehr schwer geschafft, aber seit dem 1. Januar führen wir beide wieder ein ordentliches bürgerliches Leben, oder das was wir jetzt mit neuen Lebenserfahrungen versehen, darunter verstehen.

Da ich außer Seemann immer auch ein überzeugter Landmann war, zogen wir richtig aufs Land. Das Haus, wo wir eine hübsche Dachgeschoßwohnung haben, liegt am Ortsrand und wir haben ungehinderten Blick auf Wiesen, Äcker und den dahinter liegenden Mischwald. Zur Arbeit haben wir nur 5 bzw. 10 Minuten, garantiert ohne Staus und wenn Dianne manchmal mit dem fast leeren Bus fährt und mit dem Fahrer plaudert, ist die überfüllte Münchner S-Bahn nur noch böse Erinnerung.

Wenn wir unsere Dias und Filme bearbeiten, überkommen uns allerdings schönere Erinnerungen. Wir haben unsere technische Ausstattung weiter vervollständigt und bekommen den reichen Schatz von Material langsam in den Griff. Im Flur steht ein hoher Glasschrank mit unserer Muschelsammlung, an der Wand daneben hängen Seekarten und Bilder und im Schlafzimmer steht "Onkel Marcos' Seekiste" mit Tausend Klamotten. (Wer Isabel Allendes Buch "Das Geisterhaus" gelesen hat, wird wissen, was ich damit meine.)

Aber jetzt wieder zur Chronologie des Jahres.

Im Frühjahr fuhren wir noch einmal mit der Bahn nach Nettuno - Bahnfahren ist in Italien fast geschenkt billig - und schauten auf der ARION nach dem Rechten. Dabei wurde weiterer angesammelter Bordballast nach Deutschland geschafft.

An Ostern hatte ich zusammen mit meinem Schwager 3 Wochen Urlaub genommen und nachdem wir eine Woche mit Gästen in den Pontinischen Inseln bei feinstem Wetter gesegelt waren, wollten wir in den restlichen 2 Wochen um den Stiefel düsen. Wir kamen bis Maratea, dem letzten Hafen ca. 120 Meilen vor Messina und da düste es nur noch mit Gewittern aus Süden. Nach 10 Tagen in dem netten, kleinen und neuerdings sehr sicher gebauten Hafen gaben wir auf und stiegen wieder in die Eisenbahn.

An Pfingsten starteten Dianne und ich den zweiten Versuch. Raus aus dem Zug, rauf aufs Boot und gleich um 22.00 Uhr los. In Reggio di Calabria dann mit dem Festmachen Regen und steifen Südost. Nach einem Hafenliegetag beruhigte sich das Wetter wieder und die Großwetterlage hatte von nördlichen Winden auf Süd umgestellt und so sollte es dann bis Aquilea bleiben. Nur ein Zwangsaufenthalt wegen Sturm, ansonsten immer leichte, günstige Winde. Wir besuchten unter anderem auch die Insel Lastovo, die aus dem Dornröschenschlaf des ehemaligen militärischen Sperrgebietes immer noch nicht aufgewacht ist und uns ausgesprochen gut gefallen hat. Zu Fuß mit kiloschweren Kamerataschen, legten wir viele Kilometer bergauf und bergab zurück.

Mit vielen uns gut bekannten Orten gab es ein Wiedersehen, nur die anderen Segler fehlten immer. Erst in Istrien wurde es etwas belebter. Auf der Überfahrt von Piran nach Grado begann es zu regnen, wir liefen unter Autopilot und ein sturer Entgegenkommer wohl auch. Im letzten Moment wurde der Kurs etwas geändert und dann kam uns der Kopf hinter der Sprayhood bekannt vor. Es war Peter von der "Pegepewi" mit Familie auf Wochenendtörn. Sie waren die letzten Segelfreunde von Trans-Ocean gewesen, denen wir 1988 im damaligen Jugoslawien bei der Abfahrt ebenfalls zufällig bei Korcula begegnet waren. So hatte sich der Kreis für uns nach fast genau sechs Jahren geschlossen.

In der Zwischenzeit war ich des öfteren an Bord, schaute nur nach dem Boot oder segelte für jeweils eine Woche ein wenig mit Freunden und Crew-kameraden. Während Dianne's 2 Wochen Betriebsurlaub war ihre Mutter aus England zu Besuch, leider war es der an England gewöhnten alten Dame im Hitze flimmernden Kontinentaleuropa zu heiß, so daß viele geplante Aktivitäten gestrichen wurden.

Spät neigte sich der Sommer auch hier wieder dem Ende zu, wir erfreuten uns aber an den Herbstfarben der vielen Laub- und Mischwälder in der Gegend, die wir schon oft zusammen mit unseren Freunden mit den Fahrrädern durchstreift haben. Zusätzlich sah ich die Herbstfarben von oben, aus dem Copckpit einer Cessna mit Claudia, der Tocher von Mike am Steuerknüppel. Die Kinder werden eben groß und wir älter.

Im nächsten Frühjahr soll die ARION aus dem Wasser und nach einem reinigenden Sandsturm frisch gestrichen werden. Bei einigen Segeln mußten wir nachnähen und nach 30.000 Meilen werden sie wohl so langsam ersetzt werden müssen.

So ist die Seefahrerei nach wie vor unser Dreh- und Angelpunkt, wir fühlen uns aber trotzdem im Schwabenländle ausgesprochen wohl, auch wenn es hier nie nach Seeluft, oft aber nach "Land"-Luft riecht.

Der Großstadt mit ihrem Getriebe weinen wir nicht im Geringsten nach und unsere neuen Tätigkeiten machen uns beiden Spaß. Dianne arbeitet jetzt ja zum ersten Mal ausschließlich als Übersetzerin.

Dianne hat auch bereits nebenher ein Buch geschrieben, das gerade bei einem Verleger in Maine ist und hoffentlich in Druck geht. Mein Buch ist noch nicht so weit, es ist zwar zu 99 % bereits geschrieben und zu 80 % bereits auf der Festplatte, aber sonst gibt es da für den Winter noch viel zu tun. Korregieren, überarbeiten, Bilder aussuchen, Graphiken und Karten fertigen usw. ....

Trotz 8 Wochen Segeln an Bord, habe ich noch etwa 6 Wochen Überstunden gut und ständig kommen neue dazu, so ist uns die Zeit immer zu kurz. Das ist auch der Grund warum wir uns noch nicht extra gemeldet haben. Für ein Wochenende hatten wir eigentlich vor, eine Rundreise Pfalz und Hessen zu machen, da hätten wir drei Besuche zusammenfassen können, aber dann verletzte ich mir bös den Daumen und lasse das gequetschte Ding lieber in Ruhe ausheilen.

Dianne hat an den letzten sonnigen Tagen unsere Balkonblumen abgeräumt, so sieht es wieder ein Stück winterlicher aus. Wir hatten den ganzen Sommer über etwa 10 m Geranien usw. am Balkon entlang. Die Tomaten sind nach einer Ernte von 14 Kg bereits seit den ersten Frösten abgeräumt. Wir haben auch wieder ein Schwein und ein Lamm geschlachtet und Schinken gepökelt und geräuchert. In einem Seemann steckt eben auch immer ein Bauer, zumindest was das Schaffen von Vorräten anbelangt. Wer uns besucht, ist immer gerne gesehen und kann den

"Bier-schinken" mit uns teilen.

Mit einem wehenden Flaggengruß wünschen wir Euch ein fröhliches Weihnachtfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Die wehenden Flaggen der besuchten Gastländer sind ein Brauch bei glücklicher Heimkehr in den Ausgangshafen.

 

Viele liebe Grüße

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