Kapitel 10

Unser zweites Jahr in der Neuen Welt

Bahamas, Florida, Ostküste bis St.Marys

Titusville, 11.12.91

 

Liebe Mutti!

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Dank Deiner Briefe sind wir immer gut informiert was so alles im Allgäu und sonstwo vor sich geht. Ich bin froh, daß sich zumindest im Allgäu keine so schwindelerregend schnellen Veränderungen vollziehen wie in so Gegenden wie ehemaliger "Osten". Wenn wir den ganzen Tag mit dem Boot bei laufendem Motor unterwegs sind und oft noch abends Besuch haben, komme ich nicht dazu das ganze Programm der Deutschen Welle zu hören und am nächsten Tag bin ich dann schon wieder überrascht was sich alles getan hat. Jetzt gibt es also die Sowjetunion auch nicht mehr. Das sind natürlich alles Entwicklungen, die mich als ehemaligen Offizier im Admiralsstab mehr als interessieren, denn ich kenne ja so viele Lageanalysen und Grundlagen für die "alte" Militärstrategie. Heute früh habe ich erst mal die Nachrichten über Maastricht gehört. Ich bin so froh, daß es mit Europa gut weiter geht, nur die Engländer scheren schon wieder einmal aus. Sie tun sich einfach schwer über den Schatten ihrer Vergangenheit zu springen. Das Empire ist lange vorbei und heute sind sie halt hinter vielen anderen Ländern, die einen schlechteren Start hatten, aber etwas wacher waren. Das ist der Lauf der Geschichte und ich bin froh, daß die Franzosen da ordentlich am gleichen Strang ziehen und man merkt das auch, wenn man dort im Land ist. Schade nur, daß sich Europa noch nicht so weit entwickelt hatte, wie die Krise in Jugoslawien begann, in einem Jahr wäre Europa vielleicht so weit, daß es in so einem Fall massiv militärisch intervenieren könnte. Manchen Leuten muß man die Pistole auf die Brust setzen damit sie sich vernünftig verhalten. Nur "Friedenstäubchen" glauben an Illusionen. Ich vertraue mehr starken Armeen, solange sie demokratisch kontrolliert sind.

Jetzt ist es mir mal wieder wie Dir gegangen und ich habe mich ins diskutieren locken lassen. Also jetzt genug damit und zu angenehmeren Themen.

Wie Du an meiner neuen Handschrift siehst, hat Deine Beschwerde über meine immer kleiner werdende Schrift bereits etwas genützt. Es ist eine tolle Sache auf einem Computer zu schreiben. Im Moment warten wir auf die Lieferung des Druckers um alle bereits gespeicherten Briefe ausdrucken zu können. Ich schreibe also z.Zt. nur in einen Mikroprozessor hinein und speichere den Text dann vor der Abschaltung auf eine kleine fest eingebaute Speicherplatte oder eine einschiebbare kleine Magnetspeicherplatte. Etwa einige tausend solche Briefe passen in einen winzigen Chip, kleiner als mein kleiner Fingernagel. Und auf die Platte passen 2O mal mehr. Die Kapazität und die Arbeitsgeschwindigkeit unseres Computers ist unvorstellbar. Vor einigen Jahren hätte man einen richtig großen Rechner dafür gebraucht, jetzt ist er gerade 30 x 25 x 5 cm groß, Computer, Bildschirm und Tastatur zusammen. Im nächsten Video werde ich unseren jüngsten elektronischen Sklaven vorführen. Unsere Freunde von "Vilma C" haben vor nur 8 Monaten einen solchen Laptop Computer gekauft, aber unserer ist bereits 7 x leistungfähiger. Die Mädchen werden Dir sicher mehr zu diesem Thema sagen können. Diese Generation wächst ja damit auf. Wir versuchen nur, nicht zu elektronischen Analphabeten zu werden.

Wir haben jetzt nur noch 15O Meilen bis Palm Beach, wo Mike mit Familie an Bord kommen wird und wir haben noch 1O Tage zur Verfügung. Wir werden also reichlich Zeit haben. Eventuell besuchen wir noch einmal Cape Canaveral und dort nicht die NASA im JFK Space Center sondern den südlichen Teil des Geländes wo die militärischen Abschußanlagen sind. Dort fing die ganze Sache an und auch die ersten bemannten Flüge wurden von dort gestartet, Shepard, Glenn, Carpenter usw. . Es gibt dort auch ein Museum und eine geführte Bustour durch das Gelände.

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Rose Island 1.01.92

Liebe Mutti!

Den ersten Brief im neuen Jahr will ich gleich an Dich schreiben. Ich bin gerade alleine an Bord, die anderen 7 sind mit dem Schlauchboot in den Saltpond gefahren und ich habe Ankerwache, nehme Wetterfaxe auf und schreibe nebenher auf dem Computer. Die Arion wird immer technischer und ich weiß nicht wie viele der kleinen schwarzen Mikroprozessoren wir in den einzelnen Geräten jetzt schon an Bord haben.

Wir ankern vor Rose Island, einer kleinen fast unbewohnten Insel, die von lauter Korallenriffen umgeben ist. Zum Schnorcheln ist das natürlich ideal, zum Navigieren etwas weniger. Das Wetter ist leider nicht gerade ideal, wir haben nur 24° C und es ist bedeckt und windig. Wir sind nur 7 Sm von Nassau entfernt und Mikes Freund Siggi mit Frau ist gestern früh gut angekommen. Sie waren zuerst in den USA und haben Verwandte besucht. Gestern abend haben wir bei vollem "Haus" Silvester gefeiert, gleich dreimal: europäisch, Weltzeit und Ortszeit. Das ist bei 6 Std. Zeitunterschied eine lange Feier. Vor uns ankerte eine andere deutsche Yacht.

Das Wasser um uns herum ist glasklar und ganz türkis. An den Riffen sind Fische in allen Größen und Farben. Gestern abend während wir feierten, hörte Dianne Norddeich ab und die ARION war in der Liste. Heinz und Ulli riefen an und auch Paul und Traudl aus München. Soviel zu den neuesten Nachrichten.

Wir hatten in Florida gute Strecke gemacht und schon sehr rechtzeitig den Lake Worth bei Palm Beach erreicht, wo wir Vilma C wieder trafen und nette Tage zusammen verbrachten, bis Mike ankam. Wir kauften im ganz bequem und nahe gelegenen Supermarkt ein und stockten unsere Vorräte für die Bahamas auf. Am 21.12. mieteten wir ein Auto und nutzten es zum Transport der Einkäufe und fuhren zur Wäscherei. Abends fuhr ich dann zum Flughafen und holte Mike mit Familie ab. Am nächsten Tag waren wir dann bei Mikes Schwester eingeladen. Sie hat ja ein Riesenhaus in Palm Beach, wir hatten viel Spaß im Swimmingpool und im Whirlpool. Das Haus war sehr aufwendig und amerikanisch weihnachtlich geschmückt. Michelle, die mit uns in Jugoslawien gesegelt hatte, war auch da und wir lernten ihren Mann kennen. Kurz bevor es dunkel wurde, gingen wir in den Garten und pflückten riesige Mengen Grapefruit, Zitronen, Orangen und Mandarinen. Am nächsten Tag kamen dann alle zu uns an Bord und wir fuhren ein Stück nach Süden. In zwei weiteren Etappen kamen wir nach Miami und das Wetter war gerade ruhig und sicher, um den Golfstrom zu überqueren. Wir kamen erst in der Dunkelheit in Gun Cay an, ankerten in der Nacht etwas unruhig außen und gingen erst am nächsten Tag durch die Passage auf die Innenseite zum Einklarieren. Die Riffpassage ist bei Nacht nicht zu empfehlen. Den Rest des Tages ankerten wir dann wieder bei Gun Cay, schwammen, schnorchelten und surften. Um 3°° Uhr gingen wir Anker auf und liefen über die Great Bahama Bank zur Nordwestpassage und weiter nach Chub Cay, wo wir bei inzwischen etwas rauherer See in der Dunkelheit mit Radarunterstützung durchs Riff gingen und wieder für eine Nacht unruhig ankerten. Der Wind ging langsam herum, der Ankerplatz wurde so zur Mausefalle und wir gingen beim ersten Licht durchs Riff und die Grundseen hinaus ins dort wieder sehr tiefe Wasser und segelten nach Nassau. Dort kamen wir so zeitig an, daß ich mit Mike und Familie gleich noch einen Stadtrundgang machte. Vorgestern spazierten wir nach Paradise Island und Claudia und Gernot machten Fallschirmfliegen im Schlepp eines Motorbootes. Dann planschten wir noch etwas in der Brandung am endlos langen schönen Sandstrand. Auf dem Fischmarkt kauften wir uns zwei Jacks, die uns abends ganz hervorragend schmeckten.

Übermorgen werden Mike und Inge leider schon wieder abreisen. Ihnen werde ich diesen Brief gleich mitgeben.

Weihnachten hatten wir zusammen in Fort Lauderdale gefeiert. Mike hatte uns alle zum Essen in ein schönes Lokal eingeladen, wo wir in einem parkähnlichen Garten unter riesigen Tropenbäumen mit Wasserspielen und Lichterschmuck saßen. An Bord gab es dann eine kleine Weihnachtsfeier mit Bescherung.

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Nassau, 3.1.92

Liebe Eisenberger!

Gerade sind Mike und Inge abgereist und jetzt komme ich dazu auch Euch einen Brief zu schreiben. Mike hat einen Brief für Mutti und Gottfried gleich mitgenommen, aber wir sind sonst nicht mehr zum Schreiben gekommen. Wir liegen in Nassau vor dem Dingisteg bei den BASRA Headquarters (Bahama Air and Sea Rescue) an der East Bay Street vor Anker. Das ist der beste Ankerplatz nahe am Land und normalerweise sind wir da immer. Mit Siggi und Marlene sind wir am Nachmittag in die Stadt gegangen und haben etwas die Sehenswürdigkeiten besichtigt. Es lagen 7 große Cruise - ships im Hafen und in der Nähe der Hafenanlagen drängten sich die meist amerikanischen Touristen. Auf dem Gemüse und Fischmarkt waren dafür keine Touristen zu sehen, glücklicherweise. Wir haben Fisch gekauft und abends gut gekocht.

5.1.92

Am 4.1. nachts um 1.00 Uhr ging der Wind los. Bis 5.00 Uhr ging ich Ankerwache. Hinter uns strandete eine Yacht und mußte von der BASRA abgeschleppt werden, wir konnten nicht helfen, weil wir manövrierunfähig vor drei Ankern lagen. Es war nicht die einzige Yacht die auf Drift ging. Morgens flaute es etwas ab, ging dann aber - nur schlimmer - noch einmal los. Unsere Freunde von KIRTONIA gingen auf Drift, bekamen aber die Situation in Griff. Dann kam über Funk eine Warnung, eine Yacht mit niemand an Bord drifte durch den Hafen. Um wenige Zentimeter kam sie an einem anderen Boot vorbei, driftete auf uns zu. Ich sprang mit Siggi ins Dinghi, nahm unsere Reifenfender gleich mit und schon kamen noch zwei Boote zu Hilfe. Das Boot hatte amerikanisch mit Spielzeugankern über felsigem Grund geankert, keine Chance die Anker zum Halten zu bringen. Zweimal brachten wir sie neu aus, bremsten etwas die Fahrt, kamen an ARION vorbei, bugsierten sie treibend auf einen alten verankerten Schlepper zu. Die Ankerleine rauschte aus der Klüse, war nicht festgebunden, ich sprang hinterher ins gischtende klare 25° warme Wasser. Sig. enterte den Schlepper, ich bekam endlich die Ankerleine klar, Festmacher waren keine da, ein anderer preßte das Boot mit dem Beiboot an den Schlepper und mit der Ankerleine machten wir fest. Gut daß ich die Feder gleich mitgenommen hatte. Alles war gesichert wie der alleine segelnde Amerikaner von Land zurück kam. Der war natürlich froh, er hatte vorher schon Pech genug gehabt, denn ein Auto hatte ihn vom Fahrrad gefahren, er war gerade im Krankenhaus gewesen und hatte das Fahrrad zur Reparatur gebracht. So begann der Tag mit Action und für den Rest des Tages konnte man überall Boote mit Ankern manövrieren sehen. Erst spät abends flaute es ab und heute nacht schlief ich ganz hervorragend und vor allem in einem Stück durch! Jetzt sind Siggi und Marlene in die Stadt gegangen, wir holen Wasser mit den Kanistern und Dianne wäscht. Gerade habe ich auch wieder eine Wetterkarte aufgenommen. Für morgen wird es gut werden und wir können nach Eleuthera fahren. Eine Insel die sehr früh von Sektierern aus Bermuda und England besiedelt wurde. Später kamen dann auch Schwarze dazu und heute wohnt dort eine Mischbevölkerung von wirklich netten Menschen.

9.1.92

Wir haben inzwischen einige dieser netten Menschen kennengelernt, wir kamen in Hatchet Bay an und sind am nächsten Tag an Land gegangen, um die Insel etwas zu erkunden. Zunächst spazierten wir lange und weit nach Norden, bis wir zu einem See kamen der wie Hatchet Bay entstanden ist. Nur Hatchet Bay wurde später durch einen Durchstich mit dem Meer verbunden. So entstand ein völlig geschützter Hafen. Der Ort ist ein kleines verschlafenes Nest, wir bekamen aber im "Yachtclub" ein prima Mittagessen und die Leute waren mehr als freundlich. Danach spazierten wir durch den Ort zur Südbucht mit türkisfarbenem Wasser und kauften im örtlichen Geschäft etwas ein. Dann gingen wir quer über die Insel zum Shark hole, eine Aushöhlung der Küste mit unterirdischer Verbindung zum Meer wo bei Hochwasser Haie herum schwimmen. Wir waren leider bei Niedrigwasser da. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einer verfallenden Riesenfarm vorbei. Dort wurde einmal zu britischen Zeiten im großen Stil Milchwirtschaft und Geflügelzucht für Eier und Fleisch betrieben. Wenn ich solche Dinge sehe kommen mir immer sehr ärgerliche Gedanken. Mit den Devisen aus dem Tourismus werden Produkte aus USA gekauft, die Einheimischen haben keine Arbeit und die Amerikaner machen das Geschäft.

Gestern segelten wir hierher nach Governors Harbour; eine wunderbare Bucht mit einem kleinen Ort mit allen Geschäften. Gestern Abend lud uns Siggi zum Essen ein und wir waren in einem Lokal auf Cupid Cay, wo vor mehr als 300 Jahren die ersten Siedler sich niederließen. Auf dem Heimweg spielten die Fische mit uns Schabernack. Wir haben immer Schleppleinen draußen gehabt und nichts gefangen. Wie wir gestern abend zur Pier zum Dinghi gingen, sahen wir Scharen von 1 m großen Barrakudas im Wasser. Sie waren absolut nicht scheu und wir konnten sie im Licht des Handscheinwerfers gut beobachten. Aber was nützt einem alle Mordlust, wenn man nicht das richtige Werkzeug dabei hat. So gibt es heute abend Lammkotelett. Gestern abend haben wir im Lokal Conch gegessen, die waren auch sehr schmackhaft.

Da zum Wochenende eine Kaltfront angesagt ist, werde ich nach Nassau fliegen und Heinz und Ulli per Flug nach Eleuthera holen. So sparen wir Zeit und Probleme und können hier die Zeit besser nützen. Außerdem kann ich dann beim Überfliegen der Bank von oben filmen und das fehlt noch fürs Video.

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Diese Insel gefällt uns recht gut. Sie macht einen scharfen Kontrast zu den kargen Exumas-inseln. Wie ich heute mit Siggi und Marlene über die Insel zum Riff marschierte, ging es zuerst steil bergauf. Von oben hatten wir zurück auf die Bank und voraus aufs tiefe Meer schöne Ausblicke. Aber wie wir zum Strand kamen, war der Blick postkartenreif. Zwischen den Casuarinas sahen wir zuerst weiß-rosa Sandstrand, dahinter helltürkises Wasser, das meerseitig vom Riff eingegrenzt war, wo die Brandung gischte. Dahinter war das tiefe Meer dunkelblau, und eine kleine Insel am Riff hatte Büsche und einen einzelnen Baum. Hier schnorchelten wir und obwohl nicht vielerlei an Korallen da war, waren alle bunte Fische aus dem Bestimmungsbuch da. Es war herrlich und ich freue mich richtig darauf, Euch das alles zu zeigen.

10.1.92

Wir sind heute wieder nach Hatchet Bay und morgen werde ich nach Nassau fliegen und Heinz und Ulli abholen. Da morgen eine Kaltfront durchgehen wird ist das so einfacher und wir können die Zeit besser nützen. Außerdem ist es hier wunderschön. Wir sind gerade vom Sundowner zurück und haben da einen tollen Barkeeper kennengelernt. Thomas Butterfield ist ein echtes Original und schon 81 Jahre alt. Er hat uns eine Menge über die Insel und sein Leben erzählt. Er hat uns einen Rum Punsch gemixt, das war eine richtige Betonmischung und schmeckte recht gut. Für Sonntag haben wir schon ein Fischessen bestellt. Kürzlich haben wir dort im Hatchet Bay Yachtclub schon hervorragende Cracked Conch gegessen.

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Governors Harbour, Eleuthera, 15.1.92

Lieber Gottfried und Familie!

Wir haben es nur sehr kurz geschafft auf der ARION weihnachtliche Stimmung und Gefühle zu erzeugen, aber unter Palmen und in Badehosen gelingt das nur für Momente, man ist halt zu sehr von deutscher Weihnacht geprägt und Ihr habt ja wohl endlich mal wieder eine schöne weiße Weihnacht gehabt. Heinz und Ulli haben so viel Post mitgebracht, daß ich es heute erst geschafft habe die letzten Briefe und Karten zu lesen. Vor allem die englischsprachigen dauern immer etwas länger. Dieser Brief wird Euch recht schnell erreichen, weil Siggi und Marlene morgen zurückfliegen und die Post mitnehmen.

Heinz und Ulli sind am Samstag schon einen Flug früher als erwartet in Nassau angekommen. Ich habe sie dort abgeholt, bin mit einer kleinen 48-sitzigen 2 Mot Turboprop rübergeflogen, wir haben in einem Hotel übernachtet und flogen am Sonntag in der Dämmerung ab. Wir waren schon 2000 m hoch wie über den Wolken die Sonne aufging. Das war ein wirklich prächtiger Anblick wie sie rötlich in die Kabine schien und dann später auch unten auf die Erde, bzw. besser gesagt auf das Wasser. Das Wasser über den Bänken und um die Inseln ist recht flach und der weiße Sand scheint durch das klare Wasser durch. Die Videokamera hatte hohe Einschaltquoten und so werdet Ihr bald diesen Flug auch sehen können. Zur Zeit hänge ich mit dem Filme schneiden etwas zurück, viele Leute an Bord sind nicht gut fürs "Tonstudio", es hat dann zu leicht zuviel Ton! Also bitte noch etwas Geduld, wir haben seit New York viel gefilmt.

In Brigittes Brief habe ich schon geschrieben was wir so in der letzten Zeit gemacht haben und so gibt es nicht mehr so viel zu berichten. Aufregend war nur gleich am ersten Tag von Heinz und Ulli das Krebse fangen am Sweeting See. Wir haben einen 30 l Eimer und ein Einkaufsnetz voll in nur einer Stunde gefangen. Die Biester sehen aus wie eine Kreuzung von Seespinne und Hummer. Scheren wie ein Hummer und Körper wie eine Seespinne, Geschmack übertrifft beide!! Wir schnorchelten einfach im flachen Wasser an der Felsenkante entlang und stocherten mit einem Stock unter den Überhängen herum bis so ein großer Bursche sichtbar wurde. Mit dem Stock und der Hand wurde er dann schnell ans Ufer geworfen, liegt er erst mal auf dem Rücken bleibt er ganz ruhig liegen und zappelt erst im Eimer wieder. Wir haben so viele gegessen, daß wir den letzten nicht mehr kochten und freiließen.

Heute nacht ging schon wieder eine Kaltfront durch und ich hatte eine etwas unruhige Nacht, weil ich immer wieder aufstand und nach dem Wetter schaute. Um 5.30 Uhr war dann der Wind so weit nach NW herum gegangen, daß die Hafenmole keinen Schutz mehr bot und wir liefen in der Dunkelheit aus um hinter einer ganz nahe gelegenen kleinen Insel Schutz zu suchen. Da liegen wir auch jetzt noch. Siggi war schon wieder beim Schnorcheln und fand sehr schöne Korallen. Die Unterwasserwelt ist hier überaus reichhaltig. So große Papageienfische wie hier haben wir noch nie vorher gesehen. Wir haben auch noch nie vorher einen pinkfarbenen Sandstrand gesehen. Von den Wellen zermahlene rote Korallen haben sich mit dem weißen Sand vermischt.

Gestern ankerten wir vor einem menschenleeren langen weißen Sandstrand, aber leider drehte der Wind auflandig und wurde stärker, so mußten wir schon nach kurzem Schwimmen wieder zu sicheren Platz zurücksegeln. Dafür machten wir schnelle Fahrt unter Segeln.

Jetzt ist Zeit für den Landgang und ich will Schluß machen.

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Rock Sound, 18.1.92

Liebe Allgäuer!

Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich mal wieder einen Brief an Euch alle schreiben. Die letzten Informationen stehen wohl im Brief an Gottfried und an den will ich anknüpfen. Siggi und Marlene waren noch an Bord und sollten am Donnerstag von Governors Harbour abfliegen. Am Mittwoch früh kam aber Wind aus der falschen Richtung auf und wir mußten um 5.30 Uhr den Ankerplatz wechseln. Ab 3.30 war ich bereits Ankerwache gegangen um den Wind zu beobachten. Wir wußten, daß in der Nacht eine Kaltfront mit Winddrehung durchgehen würde, aber man weiß nie genau um wieviel Uhr. Wir hatten nicht weit zu einem absolut geschützten Ankerplatz, sonst wäre ich gar nicht erst in der Gegend geblieben und wollten am Donnerstag früh wieder in die Hafenbucht um Siggi und Marlene um 5.45 zu Taxi zu bringen. Nachts um zwei ging der Wind aber noch mal stärker los und wir mußten die Pläne ändern. Dianne brachte sie mit dem Dinghi an Land, Siggi lief 20 Minuten zum wartenden Taxi, holte es zum Landeplatz und Dianne kam wieder mit dem Dinghi zurück. Es hat ihnen gut an Bord gefallen und da sie beide Wasserratten sind, konnten sie vom Schwimmen nie genug bekommen. Jeden Morgen sprangen sie schon vor dem Frühstück hinein, ich konnte mich zu solch nachtschlafender Zeit sehr gut bremsen.

Gestern segelten wir dann bei Bilderbuchwetter und Wind nicht nur von der richtigen, nein von der idealen Seite unter Vollzeug die Küsten herunter nach Rock Sound. So genannt weil diese weite Bucht ein versunkenes Korallenriff ist. Es ist überall tief genug nur nicht über den Korallenköpfen und so muß sehr aufmerksam gefahren werden. Wir ankern jetzt direkt vor dem Ort, der alles andere als Hektik ausstrahlt.

Cape Eleuthera, 19.1.92

Wir sind gerade hier in dem schönen gut gebauten Hafen eingelaufen, aber dazu später noch mehr. Erst muß ich mal von unseren Landgängen in Rock Sound erzählen. Es ist der größte Ort auf der Insel und so ist zumindest die Versorgungslage zum Einkaufen gut und wir konnten auch mit Kanistern Wasser und Diesel bunkern. Nachdem alle "Arbeiten" gemacht waren, gingen wir quer über die Insel zum Strand auf der anderen Seite. Auf dem Weg dahin kamen wir an einer Besonderheit vorbei. Das Hole of the Ocean. Ein etwa 200 m großer kreisrunder bodenloser See mit steilen Felsufern und unterirdischer Verbindung mit dem Meer. Der See ist voll von riesigen Fischen, es wimmelt nur so. Der folgende Weg über die Insel führte durch Wildnis, die leider voller wilder Müllablagerungen war. Alles fliegt neben der Straße in die Büsche. So nett und freundlich die Einheimischen sind, aber diese faule gedankenlose Schlampigkeit überall, kann einen nur ärgern. Der Strand war dann wieder herrlich. Eine Wasserfarbe und und ...!

Jetzt bin ich wieder nicht sehr weit gekommen, erst kam unser Bootsnachbar mit Langusten, dann telefonierte Brigitte über Kurzwellenfunk und jetzt wollen wir wieder an Land. Streß!!

Dianne hatte heute früh die Traffic-List gehört, da waren wir nicht dabei, jetzt funkten wir mit Bumble Bee in Mexiko und Marianne sagte, daß wir auf der neuesten Liste wären, dann war bei Brigitte besetzt aber dann ging es. Also gleich mehr, falls ich heute noch Zeit habe, denn wir wollen grillen und das ist wieder Beschäftigung. Die Spareribs sind schon seit gestern eingelegt.

20.1.92

Also gestern haben wir einen ausgedehnten Spaziergang durch das riesige Gelände der Marina und Sporthotel Bungalowanlage gemacht. Seit 10 Jahren ist nichts mehr in Betrieb und alles verfällt langsam. Wir haben einige Leute kennengelernt, u.a. den Innsbrucker Manager für die Vorbereitung des Wiederaufbaus und so kennen wir jetzt die ganze Geschichte. Araber haben in diesen Komplex 32 Millionen Dollar investiert, sie wurden aber von der Regierung geleimt. Sie durften keine eigenen Leute oder Ausländer beschäftigen und die Einheimischen bedienten sich in erster Linie selbst und nach dem 5. Managerwechsel hatten die Investoren die Nase voll und sperrten einfach zu. Da waren die Betten noch bezogen und alles noch da. Jetzt lag das Ganze 10 Jahre brach und eine amerikanische Firma Landquest will alles abreißen, ein 250 Betten Hotel bauen und die Marina auf 150 Plätze ändern. Mit dem Bau wollen sie nur noch die Wahlen abwarten, denn es wird ein Regierungswechsel erwartet, die alte Regierung hat zuviel Mißwirtschaft betrieben und wenn nicht Reagan und Bush soviel Druck ausgeübt hätten, wäre wohl alles bezahlt und in den Händen der Drogenmafia. Als britische Kolonie waren die Bahamas blühend und selbstversorgend, aber jetzt!? Wir profitieren aber zumindest im Moment von der Situation, haben eine Marina für 10 $ pro Woche und das ganze Gelände zum rumschnüffeln und anschauen. In den Büros liegen noch die Papiere auf dem Boden und wir fanden "druckfrische" Prospekte. Im Gerätepark stehen noch die ganzen Golfautos herum. Für die 10 $ gibt es nur die Müllabfuhr, aber das ist auch das einzige was wir wirklich brauchen. Jetzt muß ich schon wieder abbrechen, Dianne will Brot backen und Mehl ist nicht gut für Computertastaturen.

Jetzt waren wir beim Schwimmen, haben zwei neuankommende Boote festgemacht und die Unterwasserwelt beobachtet. Das eine Boot gehört einem 1959 ausgewanderten Deutschen und er hat einen großen Mutton Snaper gefangen. Wie er ihn ausnahm kamen zwei große Rochen und ein Schiffshalterfisch (Echeneidae). Im absolut klaren Wasser waren sie so gut zu sehen, daß Heinz vom Steg aus filmte. Gestern abend grillten wir große Mengen Spareribs und da in der Einlegesoße Honig war kamen sofort große Mengen von den schönen großen Nachtschmetterlingen. Wir wurden oft von mehr als 10 der 15 cm großen Schmetterlingen umflattert. Sie sind nicht scheu und setzen sich einem überall hin, man kann sie sogar mit der Hand wegheben. Da wir für heute wieder eine Kaltfront erwarten wurde der Wind gestern schwach südlich. Das bedeutete hohe Temperaturen und Stechinsekten. Zum Glück mögen sie mich nicht solange sie jemanden mit süßerem Blut als Lockspeise haben. Die Noseums sind so klein, daß sie durchs Moskitonetz gehen. Der Name kommt vom englischen "No see them". Die anderen behaupten aber, daß man sie sehr spürt und salben sich schon den ganzen Morgen. Wir hatten seit langem das Moskitonetz nicht mehr heraus. Wenn heute am Spätnachmittag die Front durchgeht und der Wind auf Nord umspringt wird die Temperatur nachts wieder auf 19 ° C fallen. Bei Euch wird es heute schneien wie ich meinen Wetterinformationen entnahm. Bei uns ist Ski und Rodel nicht gut, dafür das Wasser mit 26 ° C gerade recht. Ich war heute schon 2 mal drin. Wir schwimmen gleich vom Boot aus, denn Wasser im Hafen ist so sauber wie draußen. Ulli und Dianne badeten im Ozean und waren erstaunt im Boden riesige Löcher zu finden. So wie das Hole of the Ocean, nur eben im Ozean. Auch im sonst etwa 4 m tiefen Hafen sind zwei "Löcher", hoffentlich zieht da keiner den Stöpsel raus!

Im Hafen sind wir z.Zt. nur 12 Boote, einige sind schon lange da, denn es ist ein schöner Platz, es gibt Fische und Langusten gleich außerhalb des Hafens und auch reichlich Conch Schnecken, also fast ein Schlaraffenland.

Jetzt muß ich den Tisch decken, also später weiter.

Es ist schon dunkel und wir kamen gerade vom letzten Abendspaziergang die Pier hinunter zurück. Wir kamen nicht weit bis wir die Frau von Jake dem Australier trafen, die gerade eine besonders hübsche kleinere Conchart in der Hand hatte. So kamen wir ins Gespräch und sie zeigte uns noch ihre Muschelsammlung. Es ist phantastisch welche Formen, Farben, Muster und Schönheiten die Natur hervorbringt. Jake und Cynthia haben eine Zeitlang hier gelebt und kennen sich daher aus. Sie gaben uns einige gute Tips wo man schnorcheln kann und wo gute Muschelgründe sind. Jetzt hoffen wir, daß morgen nicht zuviel Wind ist damit wir mit dem Dinghi zum Schnorcheln fahren können. Aber zum Teil muß man gar nicht Tauchen, man kann die Fische von oben betrachten. Gleich bei uns am Steg waren die schönsten bunten Fische. Kurz bevor es dunkel wurde kam noch ein großer Reiher (yellow crowned night Heron) auf den Steg, stand einfach so da und schaute, etwa 10 m entfernt. Von den Palmen fallen die reifen Kokosnüsse, wir brauchen sie nur zu sammeln, mit der Machete zu öffnen und schon haben wir ein erfrischendes Getränk und gutes nährstoffreiches Kokosfleisch. An Deck steht eine ganze Kiste davon, von grün bis getrocknet braun. Sie sind geschmacklich etwas unterschiedlich.

Morgen werde ich versuchen die ganzen bereits geschriebenen Briefe dem Wächter Leon mitzugeben, denn in einem aufgelassenen Ferienzentrum gibt es leider keine Briefkästen. Aber Leon kassiert nicht nur die 10 $, er bringt einem auch Sachen mit und ist sonst behilflich. So bekamen wir heute Paprika, Tomaten und Limonen für wenig Geld. Limonen mit Wasser sind vitaminreich und durstlöschend. In einem Gin Tonic machen sie sich auch gut.

Das waren jetzt die neuesten Nachrichten aus den Bahamas.

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Exuma National Park, 24.1.92

Liebe Allgäuer!

Nach einer brause-sause-Fahrt sind wir hier in den Exumas angekommen. Wir hatten richtig guten Wind von der richtigen Richtung und machten immer 6 bis 7 Knoten Fahrt. Der Seegang war dabei noch recht annehmbar und wir fingen dann auch noch eine ca. 1 m lange Dorade. Das waren wieder zwei Mahlzeiten Frischfleisch vom Feinsten. Heinz hat das Tierchen mit dem Gaff gefangen und dann war das Spiel schnell vorbei. Ulli musste nur noch filmen und ich durfte den Rest mit dem kleinen Messerchen machen. Das war dann gerade die richtige Übung für das große Messerchen, meine Machete. Hier auf der Insel gibt es eine ganze Reihe von Pfaden, um die Insel zu erkunden. Unser Freund Wes hat auch einen angelegt und wie wir Peggy, die Leiterin des Nationalparks nach Arbeit fragten, gab es einen Pfad im Süden der Insel auszuhauen und neu zu markieren. Das war erst einmal eine gute Stunde Anmarsch über schwüle Dschungelpfade und dann Arbeit mit Säge und Machete. Die Natur ist so üppig, daß alles bald wieder überwachsen ist. Wir haben auch unsere alte Ankerkette für Moorings gestiftet. Der Nationalpark wird von einer Stiftung getragen und ist immer dankbar für jede Hilfe und Unterstützung. Gestern zog wieder eine Kaltfront durch und damit begann es zu blasen. Wir hatten drei Anker draußen und so konnten wir ein großes Boot mit einer Familie an Bord längseits nehmen, da sie Probleme hatten. Heute gingen wir auf den höchsten "Berg" der Insel. Man kann mit dem Schlauchboot fast bis zum Gipfel fahren aber trotzdem hat man einen einfach herrlichen Blick auf den Ankerplatz mit seinem Farbenspiel der verschiedenen Wassertiefen. Es gibt Gelbgrün, Graugrün, Beige, Türkis und Tiefblau mit den jeweiligen Abstufungen. Auf der Oceanseite steht heute eine starke Brandung auf die Küste. Diese Brandung höhlt die Ufer aus und es gibt eine ganze Reihe von "Blowholes". Die Brandung drückt in eine Unterwasserhöhle mit Luftraum und presst die Luft durch ein kleines Loch im Felsen nach oben. Steht man neben so einem Loch hört es sich an wie das Schnauben eines Drachen und die Luft kommt mit feinster Gischt wie Dampf herausgeschossen. Wenn man die Hand über das Loch hält, wird sie richtig nach oben gedrückt.

Wie ich heute früh mit FRADILIRA über Kurzwelle sprach, kam ein Bananaquit in die Achterkajüte geflogen. Sie sind etwas größer als ein Kolibri und haben eine bananengelbe Brust. Sie sind hier im Nationalpark wie alle Tiere nicht scheu. Nur die Boas sind scheu und so haben wir noch keine gesehen. Die Einheimischen nennen diese Schlangen Chickensnakes, weil sie in den Hühnerfarmen gerne Küken holen. Sie sind aber wie alle Würgeschlangen nicht giftig, was mich ungeheuer beruhigt. Wir haben bis jetzt nur überfahrene kleine tote Schlangen gesehen. Aber wie ist mein Wahlspruch, "Nur eine tote Schlange ist eine gute Schlange"!

Peggy geht dieses Jahr in den Ruhestand. Sie hat den Park jetzt 7 Jahre geführt, war aber vom normalen Beruf bereits im Ruhestand. Ihr Hund wird langsam auch richtig alt und schleicht nur noch müde ums Haus. Peggy, sie ist Irin, ist aber sehr tatkräftig und auch mutig. Gestern kam ein Bericht, daß auf einer Insel im Süden Wilderer sind. Da setzte sie sich alleine ins schnelle kleine Motorboot mit 70 PS und brauste dahin. Sie konnte die Burschen nicht stellen, aber beobachten und Fotografieren, den Rest muß jetzt die Polizei machen. Es gibt hier sogar Touristen mit schnellen Motorbooten, die geben auch noch damit an, daß sie im Nationalpark Hummer, Langusten und Grouper gefangen haben. Die Fangchancen sind im Nationalpark natürlich größer. Einheimische fischen wegen der guten Gewinne, denn Fisch ist teuer. Dabei ist es so schön zu sehen wie artenreich die Natur ist, wenn man sie in Ruhe läßt. Hier gibt es aber schon wieder das Problem, daß die Besucher, die ja nur mit dem eigenen Boot kommen können, zu viele sind und mit ihren Abwässern zur Algenbildung beitragen. Diese Algen setzen sich an den Korallen ab und stören deren empfindlichen Lichtbedarf. Ist das Gleichgewicht erst einmal gekippt, ist das das Ende vom Korallenriff und den Fischen und Lebewesen, die es bewohnen.

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Nassau, 9.2.92

Liebe Mutti!

Gestern früh sind Brigitte, Marita und Elke gut in Nassau angekommen. Ich habe Heinz und Ulli zum Flughafen gebracht und gleichzeitig die Drei abgeholt. Wir hatten uns einen kleinen Mietwagen genommen und waren so mobil. Sie hatten von Miami herüber ideales Flugwetter und konnten bereits einen Eindruck von den klaren Gewässern gewinnen.

Für Deinen Brief recht herzlichen Dank. Entschuldige bitte, daß die Post in letzter Zeit trotz Botendienste nach Deutschland nicht so gut geklappt hat. Ich habe eigentlich regelmäßig eine ganze Menge geschrieben.

Bis hierher kam ich heute früh, dann ging ich mit all den Damen zum Shopping in die Stadt. Wir kamen gerade noch vor einem Regenguß an Bord und jetzt ist alles beim Schreiben. Gestern kam natürlich vor dem Schreiben erst das große Lesen. Brigitte brachte Berge von Post mit und die mußte erst mal gelesen werden. Wie immer will ich Deinen Brief gleich zuerst beantworten.

Wir haben mehrere Interviews mit Drevermann in der deutschen Welle gehört, natürlich hat sich die Kirche seit Gallilei nicht geändert. Totalitäre Systeme ändern sich nicht, sie brechen höchstens zusammen, wenn die Leute genug davon haben. Die Sowjetunion war recht schnell erledigt, die Nazi brauchten auch nur 12 Jahre, die Kirche hält sich länger, denn sie hat die besseren und subtileren Methoden zur Ausübung von Macht, aber genau darum geht es ihr auch. Wenn das genügend Leute erkannt haben, ist auch dieses System erledigt. Das hat nichts mit der Religion zu tun! Denn über den rechten Weg kann man trotzdem reden und verschiedener Meinung sein. Drevermann bezeichnet sich ja selbst nicht als Atheisten, ganz im Gegenteil, aber mit der Amtskirche muß er natürlich in Konflikt geraten, denn er zweifelt Postulate an, die mit Grundlage für die Macht und Autorität der Kirche sind. Mike hat einen SPIEGEL mitgebracht, wo mehrere Artikel um ihn gingen und er gab auch eine lange Erklärung seiner Gedanken.(Zum Teil keine schlechten)

Wir wollten Brigitte einen Auftrag für ein Geburtstagsgeschenk geben und ich hatte bereits an die KLERIKER gedacht. Ich fände es also für eine gute Idee, nachdem Du Dich jetzt für dieses Buch selbst interessierst, daß wir es Dir zum Geburtstag schenken. Wir haben das nicht im voraus angeleiert, weil sich das ja mit Brigitte persönlich besser besprechen läßt. Brigitte wird sich also bei Rückkehr darum kümmern. Wir wünschen Dir viele gute Stunden damit, möchte es bei Gelegenheit irgendwann einmal auch gerne lesen.

Ich wollte Dich an Deinem Geburtstag anrufen, aber Rassmus wollte es anders, schickte starken Wind und ich hatte den ganzen Tag Ankerwache. Ich hoffe Diannes Anruf freute Dich auch.

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Palm Beach, 21.3.92

Liebe Mutti!

Nach einem Ortswechsel von schnellen 2OO Meilen sind wir heute in Palm Beach Florida angekommen. Der Ausfall von unserer 220 V Versorgung hat uns schnell deutlich gemacht, wie wir heute von solchen Dingen abhängen. Wir hatten zwar keinerlei Probleme, aber der Komfort und die Möglichkeiten waren eingeschränkt. So blieben wir nach der Abreise von Wolfgang und Biggi nur so lange in Nassau bis das Wetter gerade passend war. Und es wurde nach einigen Tagen gerade passend, aber nur so lange bis wir da waren und wir fuhren von Nassau aus non stop durch, 160 Sm. Wir verließen Nassau morgens um 8°° und segelten bei einer guten Brise mit nicht ganz passendem Seegang an Chub Cay vorbei in den Northwestchannel auf die Great Bahama Bank. Dort wurde es langsam dunkel und wir sahen im Mondlicht den hellen Sandgrund ständig unter der Arion. Wir nahmen einen etwas südlicheren - sichereren - Kurs und hatten bis zum Ende der Bank bei Gun Cay immer wenigstens 4 m Wasser. Dort wurde es zwischen zwei Sandbänken, morgens um 4°° recht flach, denn wir hatten gerade Niedrigwasser auf der Bank und so tasteten wir uns mit Radar und Echolot durch und ankerten kurz für eine Mütze Schlaf, bevor wir beim ersten Tageslicht zwischen den Inseln durchs Riff gingen und dem Golfstrom zustrebten. Dieser zeigte sich trotz Wind und Strom in einigermaßen gleicher Richtung nicht von der netten Seite und wir hatten recht viel Bewegung im Schiff. Aber um 16.30 waren wir in Port Everglades (Ft. Lauderdale) in einer Marina fest und konnten mit dem Einklarieren beginnen. Die Amis haben da ein großes Werk, schlimmer als jede Bananenrepublik und für genauso wenig gut. Angeblich geht es um die Kontrolle des Drogenschmuggels, aber ich sage knallhart es geht um den eigenen Job und der Drogenschmuggel blüht deswegen hervorragend. Wir hätten jedenfalls bei jeder Einreise locker Tonnen mitbringen können und so essen wir zumindest immer noch die einfuhrverbotenen Bananen, Paprika und Tomaten auf. Hoch lebe die Bürokratie, gute Arbeit zu leisten ist eben schwieriger, aber diese Erfahrung habe ich mit deutschen Bürokraten auch schon hinter mir. In Fort Lauderdale blieben wir noch einen Tag in der Marina, sie war nicht sehr teuer und wir konnten so einfach an Land zu den Behörden und zum Einkaufen. Wir haben ein Sonderangebot für einen Spannungsinverter gefunden und gleich zugeschlagen. Ich habe das Gerät inzwischen eingebaut und angeschlossen. Völlig lautlos macht es auf elektronischem Wege aus 12 V Gleichspannung 115 V Wechselspannung und über unseren Trenntrafo - Spezialanfertigung der Fa. Riedel - 220 V. Jetzt müssen wir nur noch den Videorecorder ausprobieren, dann ist wieder alles mit Strom versorgt. Daß der Drucker wieder geht, siehst Du an diesem Brief. Der einzige Nachteil ist, daß wir jetzt 60 Hz im Netz haben, statt 50 Hz. So laufen Mixer und Staubsauger etwas schneller. Wir könnten hier auch einen Inverter für 24 V auf 220 V mit 50 Hz bekommen, aber da sind etwa 3 Wochen Wartezeit und eventuell ist ja unser alter Feingenerator, der 10 Jahre lang so gut lief, wieder reparierbar und wir können uns die Ausgabe sparen. Jetzt haben wir jedenfalls für 299 Dollar wieder Hochspannung an Bord.

Vergangenen Sonntag haben wir übrigens in Nassau noch ein richtiges Schauspiel erlebt. Wir waren am Nachmittag zum Spazieren in die Stadt gegangen, hatten uns durch die ärmeren Viertel vorgearbeitet, was sehr interessant war, und landeten schließlich an der Küste in der Hafengegend. Dort fiel uns auf, daß so viele Leute ausgesprochen schick angezogen waren und auf etwas warteten. Wie wir weitergingen füllte sich die Strandpromenade immer mehr mit Menschen und an einem Platz war auf einem Lastwagen eine geschmückte Tribüne aufgebaut und aus Lautsprechern dröhnte laute Musik. Wir sahen dann auch schnell den Grund der ganzen Veranstaltung. Die Church of the God of Prophecy machten einen Umzug und anschließende Taufe von Jugendlichen und Erwachsenen im Meer, denn sie sind ein Baptistenableger. Über den religiösen Hintergrund könnte man wie über eine Fronleichnamsprozession oder einen Flurumgang mit Weihwasser in die Felder spritzen endlos diskutieren, aber die frohe Ausgelassenheit der Prozession war herrlich. Drei große Blechmusikkapellen mit vielen Menschen dahinter marschierten die Straße herunter und der Rythmus war völlig anders als bei uns. Alles sehr leicht und schwingend. Die Leute marschierten auch nicht, oder schritten, nein sie tanzten oder tänzelten die Straße entlang und die Musiker waren ebenso in Stimmung. Die Musiker spielten hervorragend und selbst schwierige Passagen wurden locker genommen, da die Leute einfach ein Gefühl für Rythmus haben. In einer Pause, wo nur die Schlagzeuger weiterspielten, hatten diese offensichtlich ein Streitgespräch, die Musik lief aber ganz nebenbei völlig richtig weiter. Dann kam eine Predigt eines verkniffenen Pfaffen, der so aussah wie er redete, wo man nicht hinhören durfte, zumindest im Ton oder Klang kann man da bei einem kath. oder ev. Pfarrer eher zuhören, aber im Inhalt (leider nicht gleich Gehalt) ist alles das Gleiche.

Dann kam die Taufe. Die ganzen Täuflinge waren in weiße Kleider gehüllt und der Bischof und sein Handlanger tauchten im Wasser stehend die Kandidaten unter. Ich lese gerade Mitcheners HAWAI, da machten die Ureinwohner so allerlei Hokuspokus und dann kamen die so "vortrefflichen" amerikanischen Missionare, nur hat sich der Hokuspokus geändert??? Na, ja lassen wir das.

Habe gestern in der deutschen Welle über die neue Runde zwischen Drevermann und der Kirche gehört. - Seit dem Mittelalter im Prinzip nichts geändert, nur verbrannt werden die Leute nicht mehr. Das liegt aber an der Veränderung der Gesellschaften, nicht an der Fortentwicklung der Kirchen.

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Palm Beach, 22.3.92

Liebe Allgäuer!

Ich habe einmal wieder einige wilde Viecher konserviert und hoffe, daß sie Euch gefallen. Leider können wir den äußerst schmackhaften Inhalt nicht mit rüberschicken. Aber die Spiny Spider Crabs sehen doch recht hübsch und interessant aus und die Kinder können damit noch ein kleines Puzzle machen, denn ich habe nur einige Teile bereits mit 2 Komponenten Epoxydharzkleber zusammengebastelt. Die Schulkinder können die Teile eventuell auch mal für die Schule verwenden, die Bio Lehrer werden auch ihren Spaß daran haben. Ich finde diese Krebstiere immer sehr faszinierend. Sie sind derart kompliziert und perfekt aufgebaut. Die Gelenke so vielseitig, die Scheren so stabil und die Bodensektion wo alles angewachsen ist, so filigran. Von den ganzen gefangenen Tieren - und wir haben in dem See ganz schön gefischt, fragt Brigittte - ist es mir nur gelungen diese beiden Bodengruppen zu konservieren. Betrachtet bitte auch das ganze Quetschwerk der Mundwerkzeuge. Da sind einige Lagen von Beißerchen neben einander. Eine Languste, die ich auch konservieren wollte ging mir leider im Seegang außenbords. Ich wollte sie eigentlich zum Vergleich auch mitschicken. Brigitte, die die Tierchen ja von lebendig bis gegessen gesehen hat, wird einige Details besser erklären können als ich hier im Brief.

Heute habe ich mit dem neuen 12 V/115 V Inverter über den Trafo den Videorekorder auf 220 V betrieben und es funktionierte. Wenn es weiterhin so gut funktioniert, werde ich den versprochenen Videofilm über die USA Ostküste schneiden und im Päckchen mitschicken. Es ist toll was es heute an elektronischen Dingen so alles gibt. Daß Funk mit so wenig Energie über so große Strecken funktioniert, ist für mich immer wieder wie ein kleines Wunder. Gestern hat Dianne mit Freunden zwischen Panama und den Galapagos Inseln gesprochen. Hier in der Karibik quatschen wir sowieso überall herum, ganz ohne Telefongebühren, von den 6 DM Gebühr für die Station einmal abgesehen. Für Segler bedeutet dies außer "Quatschen" vor allem eine Informationsbörse.

Seit etwa einer Stunde wohnen wir in einem "Hammerwerk". In der Bucht, wo wir ankern leben offensichtlich irgendwelche Croaker, d.h. Fische die einen hämmernden Ton erzeugen. Es gibt sehr viele Fische dieser Familie, die alle knurrende, knarrende, klopfende oder schnarrende Laute erzeugen. Stumm wie ein Fisch ist sowieso eine dumme Redensart, stimmt höchstens für einen Goldfisch im Glas!

An der Lautstärke und Richtung können wir etwa 10 Fische mit ihrem "Taktaktaktaktak" wie Morsetakt unterscheiden.

Jetzt werde ich noch eine 36 Std. Wettervorhersagekarte auf Fax mit dem Computer aufnehmen, einige Boote warten schon sehr lange auf das richtige Wetter um über den Golfstrom nach Osten zu gehen. Ihnen möchte ich mit meinen technischen Möglichkeiten etwas helfen.

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Palm Beach,25.3.92

Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deinen Brief, der uns hier in der North Cove Marina erreichte. Wir sind natürlich nicht mit dem Boot in die Marina gegangen, wir ankern davor und sparen das Geld. Der Ankerplatz im North Lake Worth ist sehr geschützt, wir haben Geschäfte , Post und ein Fax Büro gleich in der Nähe und jetzt warten wir auf Antwort von Mike, was mit unserem Feingenerator los ist. Wir haben ihm ein Fax geschickt, gestern war noch keine Antwort da und heute war ich noch nicht dort, weil ich im Beiboot recht naß werden würde, denn seit heute nacht bläst es recht ordentlich. Ich habe im Laufe der Zeit den Eindruck gewonnen, daß zwar die Wetterdurchschnittswerte immer noch stimmen, aber das durchschnittliche Wetter wurde seltener, der Durchschnitt wird aus den Extremen gebildet. Heuer kommt nun noch der el Ninio dazu, eine etwa alle 7 Jahre auftretende Störung des Humboltstromes. Dies führt zu wesentlich mehr warmen Wasser an der Pazifikküste.

Bei Euch ist, wie ich in der Dt. Welle hörte, der Winter auch wieder böse eingebrochen. Besserung wird erst in einigen Tagen eintreten, ich habe mir gerade die neuste Wetterkarte für morgen mittags hereingeholt. Sie liegt ausgedruckt neben mir und zeigt NW-Sturm von Irland bis Norwegen, ein Tief über Jütland und ein Frontensystem bis zu den Alpen. Südlich der Alpen herrscht eine Schirokko-zyklone mit Fronten über YU und GR.

Aber die Jugoslawen dürften "derartige" Fronten inzwischen bereits begrüßen.

Wir hören wie immer viel Deutsche Welle, denn die Zeitungen hier taugen nichts. Der Witz mit der alten Frau in Bayern, die einen Globus von Bayern kaufen wollte, sollte richtigerweise vom Kauf eines Globus der USA handeln, denn aus deren Sicht gibt es nur die USA und einige Gebiete darum herum, von denen aber niemand etwas genaueres weiß. Wir hatten gestern ein Ehepaar zu Besuch an Bord, die wir bereits in den Bahamas in Warderick Wells kennengelernt haben. Brigitte müßte sie zumindest vom Sehen her kennen. Das Boot heißt "Southbound". Wir haben viel über die USA diskutiert, sie sind zumindest Leute mit denen man darüber reden kann. So nett und freundlich die Amerikaner sind, aber Diskussionen über Hintergründiges weichen sie meist sehr schnell aus. Sie lieben das nicht und sind auch sehr oft wissensmäßig auf dünnem Eis, was sie sehr wohl fühlen und nicht zu sehr offenbaren wollen. Schließlich paßt das nicht zu "Proud to be American".

Ich bin aber kein amerikanischer Wähler und kann daher damit leben und genieße das Land als Gast. Für uns ist wichtiger, daß wir Europa aufbauen, das ist trotz aller technischen Fehler gut am Werden und nach dem Ende des kalten Krieges sind die USA mit ihrer Militärmacht nicht mehr so wichtig, wichtiger ist da ein mächtiges Europa, mächtig wegen seines besseren und faireren Systems. Man müßte den Bürgern, vor allem auch den vereinten Deutschen nur öfters eine Gardinenpredigt halten, damit sie wissen wo es eigentlich lang geht und was eigentlich wichtig ist. Unser Präsident findet da oft die passenden Worte. Mich empört z.B. wie die abgeschlagenen Sozialisten, Kommunisten und Gewerkschafter mit unterschiedlichem Maß auf beiden Seiten Öl ins Feuer der Unvernunft schütten. Das sind Rückzugsgefechte nach dem Prinzip der verbrannten Erde, "es nützt mir nichts, aber es schadet sicher den Verantwortlichen". Die ganze "Härte" der Vereinigungslasten trifft die Westler doch auf so hohem Niveau, daß es gar nicht richtig weh tun kann. Wolfgang hat uns von vielen Gesprächen mit Menschen im Osten erzählt, wenn man denen einiges erklärt und einige rechte Fragen stellt, dann sagen sie sofort, daß sie bereits Fortschritte gemacht haben, die sie sich nie hätten träumen lassen. Nur wenn die falschen Propheten predigen, schlagen die Wogen der Ungeduld, des Neides und der Unvernunft gleich hoch. Wolfgang kennt die östlichen Bundesländer seit dem Fall der Mauer recht gut, er ist schon viel dort herumgereist. Sobald wir zurück sind möchte ich das auch nachholen. War mir doch als Offizier der ganze Ostblock total versperrt. Mein alter Kapitän Schmackpfeffer hat mir einen langen Brief geschrieben, er ist zusammen mit einem hohen Marineoffizier mit Ex-DDR Kommandeuren der NVA Marine zusammengetroffen. Die konnten gar nicht glauben wie das bei uns in der Marine lief. Denen waren haarsträubende Geschichten erzählt worden. Mich wundert es nicht mehr, daß die immer gleich mit Maschinenpistolen an Deck standen. Er war auch zu einer Feier eingeladen, wie die gute alte "COBURG" an die Griechen im Rahmen der Nato-Militärhilfe übergeben wurde. Gut zu hören, daß mein Schiff nicht verschrottet wurde. Vielleicht trifft so die ARION einmal die COBURG.

Von Gorbaschows Besuch in Bayern haben wir fast Life gehört, seine Reden, die Alphornbläser in Hohenschwangau etc..

Ihn traf das Wort Schillers, "Der Mohr......".

Aber man darf auch nicht vergessen, alle die jetzt im früheren Warschauer Pakt in veranwortlichen Stellungen sind, sind Kinder des alten Systems. Es gibt keine 2 Garnitur die aus dem Ärmel gezaubert werden kann. Noch für lange Zeit werden wir mit den vom Kommunismus abgefallenen früheren Funktionären leben müssen. Es wird noch lange dauern bis eine neue unabhängige Führungselite nachgewachsen ist. Nicht umsonst wurde auch nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr viel entnazifiziert, man brauchte einfach die Leute die wußten wie es ging. Nur in der EX DDR kann man austauschen, welche aus dem Westen aufpfropfen, von Biedenkopf bis ...... . Das ist ein Sonderweg den andere nicht gehen können. Deutschland ist in vielerlei Beziehung ein Sonderfall. Wir konnten die Reaktoren in Greifswald abschalten, wir haben das Know how, das Geld und genügend Restenergie, trotz rotgrüner Versuche auch da Ausstieg zu fordern. Wenn aber ein Land 30 % oder mehr seines Energiebedarfs aus unsicheren Kernreaktoren gewinnt, dann geht es nicht nur um Sicherheit sondern um den Zusammenbruch der Versorgung mit allen Folgen für die ohnehin angeschlagene Wirtschaft und die Bevölkerung. Unseren rotgrünen Schlaumeiern mußte doch schon immer bekannt gewesen sein, daß im Osten unsichere Kraftwerke liefen, warum haben da die Abschaltung der "Sicheren" Kraftwerke im Westen gefordert? Wohl eher ein ideologisches und nicht so sehr ein technisch erklärbares Verhalten.

Den Vogel schossen die sozialistischen Östereicher ab. Zwentendorf ging nicht ans Netz, dafür wird weiter Strom aus den tschechischen Kraftwerken vom Typ Tschernobyl bezogen!! Dabei wäre Zwentendorf eines der modernsten Kernkraftwerke.

Ich bin nicht blindlings ein Befürworter von Kernkraft, aber wenn man zwischen zwei Übeln zu wählen hat, sollte klar sein was mehr von Übel ist und da dürfen die Kraftwerke des Westens doch nicht als erste abgeschaltet werden. Die deutsche KWU (Kraftwerksunion) hatte einmal eine Entwicklungslinie für Mobile Kleinkernkraftwerke.

Auch die Amerikaner arbeiteten daran. Reaktoren wie sie in Schiffen verwendet werden sind ja sichere Technologie. Viele politische Widerstände haben diese Projekte sterben lassen. Bulgarien und Rumänien mit ihren hoffnungslosen Kraftwerken könnte mit solchen Kraftwerken zumindest kurzfristig geholfen werden. Aber sie sind leider nie gebaut worden!

Dianne schneidet gerade eine englische Videoversion. Ich habe gestern einen Film über die USA geschnitten. Er ist in einem Päckchen an Gottfried. Ich habe einige der roten Spiny Spider Crabs konserviert. Falls niemand daran Interesse haben sollte, werft sie bitte nicht weg, ich hoffe, daß sie zumindest heil ankommen. Da sie nicht viel wiegen, kann man sie schicken, mit unseren Muscheln ist das schwieriger. Wir haben inszwischen eine herrliche Sammlung. Brigitte wird davon erzählt haben.

26.3.92

Gestern abend hatten wir es noch recht spannend. Das Wetterberichtsystem ist hier sehr gut und so ist man ständig bestens informiert. Daß es recht wehte merkten wir ohnehin, aber plötzlich kam eine "Tornado watch" und eine "Severe Thunderstorm Warning" dazu. Genau westlich von uns, über dem südlichen Ende des Lake Ochichobee erfaßte das Wetterradar entsprechende Wolkenformationen. Kurz danach meldete ein Ort dort Hagel in der Größe von Golfbällen und Böen hatten einen Wohnwagen umgestürzt. Es ging nun darum ob die Zugrichtung mehr NO oder O werden würde. Wir machten unseren schweren Zweitanker klar und ich beobachtete in unserem Radar die Wolken. Bei 16 SM Reichweite hätte uns das 1 Std. Vorwarnung gegeben, denn bei solchem Hagel kann man nicht mehr an Deck. Ich sichtete aber nur "normale" Wolkenbrüche, die uns aber nur streiften. Der Wind drehte dann und wurde schwach.

So wurde es eine ruhige Nacht. Wie ich um 4°° Uhr einmal auf war, bot sich mir aber ein Schauspiel. Die Wolken standen über dem Golfstrom und den Bahamas, bei uns war sternenklar und in und hinter den Wolkengebirgen blitzte es andauernd. Donner war auf diese riesigen Entfernungen nicht zu hören. Gerade hörten wir am Funk, daß Brian von "Helgi" in Nassau genau das gleiche Schauspiel sah, nur daß er den Segen noch abbekommen wird.

Gestern hat Dianne über Funk mit Penny von "VILMA C" sprechen können. Sie war auf "Helgi", Brian hatte ihr das Funkgerät zur Verfügung gestellt; sind ja alles Engländer.

Gestern hörte ich einmal wieder in der Dt. Welle, ich höre immer das gesamte Programm, die Sendereihe "Gott und die Welt". Das paßte auch gut zu Micheners "Hawai", wo gerade die Missionare am Wirken (wirrem Werken) sind. Die Katholische Kirche macht wieder ihre Sammlung für Südamerika und da haben sie doch die Stirn und Instinktlosigkeit folgendes Motto, 5OO Jahre nach Kolumbus zu wählen: "500 Jahre Lateinamerika - Die Würde des Menschen ist unteilbar!"

Beide Teile des Mottos halte ich in diesem Zusammenhang für mehr als unverschämt. Erst wird mit dem Schwert ein "Lateinamerika" geschaffen, die Kultur mit allen Zeugnissen vernichtet und ausgelöscht, dann sorgt man für Verhältnisse die zu sozialem Elend führen, sorgt durch Kampagnen gegen Geburtenkontrolle dafür, daß diese Verhältnisse sich auch noch verschlimmern und spricht dann von "Menschenwürde". Dieser Zynismus ist nicht zu überbieten. In der gleichen Sendung wurde auch über die Zunahme der Sekten vor allem in Mittelamerika geklagt. Welche Arroganz erst einmal von anderen Religionen als Sekten zu sprechen (unduldsamer Alleinvertretungsanspruch) und dann zeigte sich,daß es um die Ausübung von Macht geht. Wer mehr Anhänger hat, hat auch mehr Einfluß. Betroffen sind die ärmsten kinderreichen Familien, denn oftmals versprechen die "Sekten" bis zu 300 $ für einen Übertritt. Für einen verzweifelten Familienvater eine ungeheure Summe.

Drevermann, gegenüber dem gerade heute wieder neue "Kirchenstrafen" ausgesprochen wurde, hat kürzlich eine gute Forderung aufgestellt:

Sein Bischof solle das Kirchensteueraufkommen seiner Diözese der dritten Welt zur Verfügung stellen. Aber die Kirche schafft nicht einmal einen gerechten Ausgleich im eigenen Apparat. Elke arbeitet in Oy doch in einer Einrichtung der Kirche. Sie erzählte uns wie die angeblich so mildtätige Sozialarbeit der Kirche aussieht. Die Sozialversicherungsträger und die Sozialämter zahlen mit Beitrags- und Steuergeldern hohe Tagessätze. Das ist nicht Mildtätigkeit, sondern gutes Geschäft. Aber genug damit.

Wir haben nach dem zwar warmen Ölzeugwetter, heute einen strahlenden Tag, angenehme Temperaturen und kaum Wind. Wir werden gleich an Land gehen.

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Dragon Point,30.3.92

Lieber Sepp, liebe Brigitte, liebe Kinder, Hm Erwachsene!

Watzmann 1992: A unheimliche Gegend isch dös do....,es ist hier noch viel unheimlicher als am Watzmann. Das Seeungeheuer von Loch Ness mit allen seinen Kumpanen treibt sich an unserem Ankerplatz herum. Nein, keine Sorge der Onkel hat nicht die Kiste mit dem karibischen Rum heimlich.... .Unser Stahlrumpf wirkt als Resonanzboden für alle Außenbordskameraden, die in den 4 m Wasser unter uns sind. Einige können wir ja im verschwindenden Licht des Tages erkennen, wenn sie auftauchen, aber wer macht ganz laut "Hrhmm...Hrhmm...Hrhmm"? Muscheln und Croaker sind wir ja schon lange gewöhnt, fragt mal Heinz und Ulli, aber das Geräusch heute ist unheimlich und laut. Es treibt sich allerlei unter Wasser herum. Wir sehen ständig Kormorane, die mühselig ihre Fische im Schnabel in die richtige Richtung bringen und dann schnell schlucken, wir sehen Pelikane, die eifrig kleine Schwarmfische in ihre große Klappe bringen und wir sehen viele Delphine, die mit den anderen um die Wette fischen. Nur wer ist Hrhmmm? Wir haben schon alles über die Umber- und Adlerfische nachgelesen, aber keine Spur von lautem Hrhmm. Schade, daß hier das Wasser nicht wie in den Bahamas ist, da könnte ein freiwilliger Taucher Klarheit schaffen. Das Lärmen unter Wasser ist jetzt im Frühjahr besonders schlimm. In der Luft bei den Vögeln ist das einfacher, da sieht man immer was los ist. Der heutige Tag führte uns durch ein riesiges Vogelschutz- und Naturschutzgebiet. Die Vögel, die wir sahen waren so zahlreich, daß wir sie nicht alle nennen können. Es gibt hier im Indianriver, der bestimmt größer als der Bodensee ist, viele kleine Inseln und auf einer waren lauter Geier und Adler. Delphine haben uns fast den ganzen Tag bis zum Ankerplatz begleitet.

In Vero Beach waren wir zwei Tage. Die Ankerbojen sind mit 4 $ recht billig und die Organisation der Municipal Marina ist recht gut. Das Personal ist obendrein recht freundlich. Wir konnten dort waschen und während wir auf die Waschmaschine bzw. den Trockner warteten, gab es viele Eichhörnchen zu beobachten. Sie kamen bis auf 15 cm an den Fuß heran und machten dann ganz putzig Männchen, um zu sehen, ob es Futter gab. Von Scheu keine Spur.

Wie wir in die Stadt gingen, wozu man über die Klappbrücke muß, ein ganz schöner Weg, wurden wir gleich von einem Ehepaar mit Baby angesprochen, sie hielten mit ihrem Auto und nahmen uns gleich mit. Auf dem Rückweg hielt wieder jemand mit dem Auto und nahm uns mit. Das ist Amerika ganz normal. Wer zu Fuß geht, ist gleich (Rucksack) als Boater erkennbar und wird mitgenommen. Das hat mit Anhalterei nichts zu tun! Ein Tramper würde nicht mitgenommen werden.

Jetzt wird unsere Unterwasserkulisse wieder gerade sehr lebhaft.

Es ist, wie wenn wir in einem Kessel mit kochendem Wasser leben würde, in dem kleine Kiesel kullern und der regelmäßig wie eine Baßgeige angezupft wird.

New Smyrna Beach, 3.4.92

Von unserem "unheimlichen" Ankerplatz in Dragon Pt. fuhren wir nach Titusville und trafen dort "HELGI" wieder, die uns gleich zum Sundowner einluden. Brian mischte Betonmischungen und so war für mich bald Bettruhe angesagt. Am nächsten Tag brachen wir früh auf um mit einem Taxi zum Kennedy Space Center zu kommen. Aber wie das in den USA oft ist, wir brauchten etwas länger als geplant und der neue Fahrer der Firma war hoffnungslos blind. Er kannte nicht einmal den Space Port, so haben wir ihn auf die Idee gebracht, das Gelände am Wochenende zusammen mit seiner Frau zu besuchen. Dort angekommen stellten wir fest, daß die Besichtigungstour für den militärischen Geländeteil nicht stattfand. Eine Delta Rakete wurde gerade für einen Start für heute Freitag klargemacht. Da wurde das Gelände für Besucher gesperrt. Flüssigtreibstoff ist eine gefährliche Sache. Wir konnten aber auch so einige interessante Sachen anschauen. Wir kauften auch einige Videos, die könnt Ihr eventuell mit einem VHS Recorder auf Video 8 überspielen und uns dann über Mike schicken. Wenn Ihr kopiert, macht dann bitte gleich mehrere Kopien. Direkt am Raketengelände sahen wir auch eine ganze Reihe von Alligatoren in verschiedenen Größen. Einer lag ganz ruhg im Wasser, aber irgendwann kam ich ihm wohl zu nahe und er machte mit einem großen Splasch einen Riesensatz auf die andere Seite des Tümpels. Ich schaute durch den Sucher und sah es so nicht, sondern hörte es nur. Ich machte instinktiv einen Riesensatz rückwärts, so trennten sich instinktiv unsere Wege, denn ohne Zaun dazwischen machen einen Alligatoren in freier Wildbahn doch etwas schreckhafter. Dianne stand weiter weg, sah alles bestens und lachte schadenfroh.

Abends waren dann Wes und Sandy ("Wings"), die wir seit den frz. Kanälen kennen, zu Besuch. Da sie jetzt arbeiten, konnten wir nicht so lange machen und so entschlossen wir uns noch einen Tag zu bleiben und sie kamen gestern abend noch einmal zum Videos anschauen und ratschen. Da es etwas windig für den Ankerplatz war, gingen wir für den Tag und die Nacht in die schöne städtische Marina. Dort begann gleich nach dem Einlaufen um 9°° Uhr der Tag der wilden Tiere. Zuerst sahen wir lange 5 bis 7 Manatees zu und gaben ihnen mit einem Schlauch viel Süßwasser, das sie sehr lieben. Es war auch eine Kuh mit ihrem Jungen dabei, die einen Sender trug. Ich habe dann im Manatee Reporting Center angerufen und die Nummer des Senders und den Ort durchgegeben. Ich hatte einmal davon gehört, daß sie darüber sehr froh sind. Dianne war ganz begeistert, daß sie jetzt auch Manatees gesehen hat.

Nachmittags gingen wir zu Fuß den weiten Weg zum Merrit Island National Park. Das ist ein Teil des nördlichen Testgeländes (nicht immer zugänglich) und alle Inseln und Wasserflächen der Mosquito Lagoon. Ein Riesengelände. Der Landkreis Füssen würde da leicht reinpassen. Wir gingen nur in einem ganz kleinen Eckchen herum, aber das war schon schön genug. Vom Fischadler über viele Reiherarten bis zu den Alligatoren war viel zu beobachten. Wie wir zurückgingen, sahen wir bei einigen Anglern einen der schönen großen weißen Reiher mit den seidigen langen Zierfedern. Er war alles andere als scheu und bettelte die unterfängigen Fische. Dabei wußte er, daß er schön ist und stolzierte vor der Kamera herum wie ein Pfau.

Das wildeste, aber dümmste Vieh war dann die neurotische Bord-Siamkatze unseres Bootsnachbarn, die sich durch ein Bullauge ins Boot geschlichen hatte und in der Sonne auf dem Kartentisch lag, wie wir zurückkamen. Das blöde Vieh fauchte und knurrte und war nicht aus dem Boot zu scheuchen. Ständig verkroch sie sich irgendwo anders in einer Ecke, ging in die Kojen, schiß auf die Handbücher usw. Ich wollte sie nicht packen, weil ich keine Blutvergiftung von einer bescheuerten Bordkatze wollte. Dianne packte sie schließlich mit einem Küchenhandschuh beim Genick, wie sie in meinem Schrank in der Achterkajüte verkrochen war und beförderte sie auf die Pier, wo sie stocksauer weiterknurrte bis die Besitzer kamen.

Jetzt haben wir gerade hier in einem Nebenarm im Ort geankert und die BBC sendet gerade von der Trinidad Steelband "Yellow Bird"...Uhh!

New Smyrna wurde wohl von kleinasiatischen Griechen gegründet, die die Türkei nach dem Überfall Griechenlands auf die Türkei 1923 verlassen mußten. Sogar in Nassau haben wir ein Griechenviertel gefunden mit entsprechenden Bauten in griechischem Stil.

Heute fuhr auch plötzlich Hans von "Applesauce" vor uns her. Er ankerte aber nicht hier. Einige Leute trifft man immer wieder.

Palm Coast Marina, 4.4.92

Wir hatten heute nacht einen schönen und ruhigen Ankerplatz und heute früh weckte uns strahlender Sonnenschein von wolkenlosem Himmel. Es war aber nachts mit 7° C recht kalt. Heute wurde es aber 25° C warm, ein strahlender Tag. Schon beim Ankerauf kamen große Delphine und unter der ersten Klappbrücke begleiteten uns schon 5 Delphine, die ab und zu mit der Fluke platt aufs Wasser klatschten, machte ihnen wohl Spaß. Wir haben die Strecke bis St. Augustin dieses Mal in 3 Strecken geteilt, weil es mit der Tide gerade nicht paßt um in zwei Strecken durchzufahren. Die Inlets mit ihren wechselnden und wandernden Sandbänken sind mir bei Hochwasser lieber. Vor einer Stunde haben wir in der Palmcoast Marina fest gemacht, letztes Jahr waren wir hier von Wolkenbrüchen eingedeckt. Es gibt hier leider keinen Ankerplatz, die Wasserflächen sind meist sehr flach und nur das Fahrwasser ist tief. Heute haben wir am Funk schon wieder eine Yacht gehört, die wir von unserer Fahrt nach Süden seit der Chesapeake Bay her kennen.

Die letzten fünf Meilen führte der ICW durch einen künstlichen Kanal der durch Felsen geschlagen war. Die einige Meter hohen Ufer sind dicht mit Palmen und Bäumen bestanden. Da wir Wochende haben, waren überall Angler. Nur Füchse sahen wir im "FOX-CUT" nicht, wenn auch Fuchsi, Siggi und Teddy scharf Ausguck gegangen sind.

Von einem deutschen Boot haben wir z.T. sehr alte Ausgaben des Spiegel bekommen. Es ist sehr interessant so einige Dinge mit einem Jahr Abstand zu lesen. Der Wahrheitsgehalt läßt sich so viel besser beurteilen. Im Sportjournal der deutschen Welle habe ich gerade über die Verhandlung des dt. Leichtathletikverbandes gehört. Es ist fast schon widerlich, wenn Dopingkontrollen durch verabreichtes Fremdurin ad absurdum geführt werden. Wer so etwas mit sich machen läßt ist kein Sportler. Ich halte es für leicht möglich,daß Sportler irgendwelche Aufbaumittel bekommen und nicht einmal wissen was da abläuft, sie sind schließlich Sportler und nicht Chemiker oder Ärzte. Wenn man aber Fremdurin bekommt, damit man es sich von einer Ärztin unter spezieller Kontrolle abnehmen lassen kann, dann kann das ohne Mitwirkung der Sportlerin wohl kaum passieren, oder.

Die DDR hat auch auf diesem Gebiet mit Menschenverachtung "technische Meisterleistungen" vollbracht. Dabei halte ich die Funktionäre im Westen moralisch nicht für überlegener, nur die Kontrolle durch die Öffentlichkeit war besser. Leider sind die Menschen nur selten von sich aus gut. Man muß ihnen immer scharf auf die Finger schauen. Deswegen halte ich Politik auch für so wichtig. Bin gespannt was morgen im Norden und Süden unserer Republik geschieht. Im Rundfunk sprechen sie von nachlassender Wahlbereitschaft. Wahlenthaltung ist das Ende einer Demokratie, das sieht man hier in den USA sehr deutlich.

Morgen gibt es drei Stunden Sondersendung, da wird das Radio durchlaufen.

Ich werde jetzt aber schnell ausdrucken und zum Briefkasten laufen.

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Fernandina Beach, 8.4.92

Liebe Mutti!

Wir machen gute Fortschritte nach Norden und das Wetter ist zwar nicht überwältigend, aber auch nicht hinderlich. Die USA haben auch im Frühjahr ungewöhnlich kaltes Wetter, ich habe schon mehrmals davon geschrieben, daß das Wetter vom normalen Plan abweicht und so ist es ganz interessant, die Wetternachrichten für Farmer zu hören. Die nächsten Tage sollen allerdings dazu geeignet sein, die Rückstände der letzten Wochen aufzuholen. Wir machen jedenfallls gute Fortschritte und nach den netten Tagen mit unseren Freunden in Titusville waren wir erst einmal alleine unterwegs, aber nicht lange. Wir kennen einfach inzwischen zuviele Segler in diesem Land und so bekamen wir immer wieder Besuch. Jetzt hat gerade schon wieder ein Boot neben uns geankert, wo wir die Eigner kennen.

Wie wir hier ankerten und in der Marina an Land gingen, wurden wir sofort in Deutsch angesprochen, ein deutscher Langzeiturlauber mit Wohnmobil hatte unsere Unterhaltung gehört und sprach uns sofort an. Er spricht nicht sehr gut englisch und war richtig froh mal wieder deutsch zu sprechen. Wir sind heute nicht sehr weit gekommen, wir ankerten letzte Nacht im Fort George River und da es heute fast windstill war, entschlossen wir uns hier auf dem etwas offenen Ankerplatz vor der Stadt zu ankern. Das Städtchen ist ganz nett und auf dem Weg zum Museum fanden wir eine Holzhandlung gleich beim Hafen und konnten so endlich wasserfest verleimtes Sperrholz in der richtigen Stärke für unseren Schlauchbootboden kaufen. Es hat lange gebraucht, bis wir das Richtige fanden und die Leute waren auch noch sehr nett und der Neger, der die Kreissäge bediente, fuhr uns mit den zugeschnittenen Teilen bis zum Hafen.

Drei Tage Nachrichten in der Dt. Welle zeigen, daß die Wahlen im Norden und Süden die "großen" Parteien wohl sehr geschockt haben. Für mich kein Wunder, dieser Denkzettel gehört sowohl CDU als auch SPD, wobei ich die Schuld mehr bei der Weigerung (wider besseres Wissen) von SPD und FDP sehe, Grundgesetzänderungen und neuen Gesetzen zuzustimmen. Da schweben Leute in theoretischen weltpolitischen Höhen und haben darüber völlig vergessen, daß der "normale" Bürger solche Höhenflüge aufgrund seiner eigenen Lebenserfahrungen nicht mehr nachvollziehen kann (und will).

Ich bin der letzte der gegen Ausländer ist, oder Gewährung von Asyl, aber man kann doch nicht einfach die Augen verschließen und vergessen, wieviel Mißbrauch getrieben wird. Meine Lebensphilosophie geht sowieso dahin, den normalen Bürger aus der bürokratischen Gängelung völlig zu entlassen und dafür die Strafverfolgung derjenigen zu verfeinern, die die "Spielregeln" verletzen. Dazu gehören auch Methoden, wo unser liberaler "Super - HIRSCH" schon seit Jahren gequält aufstöhnt. Orwell 1984 wird dadurch für den Bürger nicht entstehen, höchstens für bestimmte Kreise und für die sollte es ja auch zugeschnitten sein.

Bayern hatte immer schon eine Sonderstellung im Bund, ich hoffe, daß wir lange nicht, oder besser gar nicht den Irrweg anderer Bundesländer gehen. (Wobei dem CSU Filz und anderen Erscheinungen deutlich Paroli geboten werden muß).

Manchmal könnte ich bei den Nachrichten explodieren. Z.B. Freispruch für Krabbe und Co., da ging es doch wohl um viel Geld für den Verband und die Funktionäre, da könnte man Doping genauso gut freigeben, es wäre zumindest ehrlicher.

Die zweite Nachricht,die dem Faß den Boden ins Gesicht schlug, war die Kaution der Katholischen Kirche für den armen Menschenfreund Vogel der wohl ungerechtfertigt in Haft saß. Ich habe die Kirchenführung immer schon für zynisch und in übelste Machenschaften verstrickt gehalten, aber 100 000 DM Kaution für so jemanden zu stellen, ist schon ein starkes Stück. Ich wünsche der Kirche dafür viele Kirchenaustritte, damit nur noch der Rest für diese Gelder aufkommen muß. Ich nehme an, daß es Vernünftigeres und Notwendigeres gäbe, das man mit 100 000 DM bezahlen kann. Aber Schweigegeld war noch nie billig (alter Mafia Grundsatz).

Gestern wurde Noriega, Exdiktator von Panama in Miami in 8 von 10 Anklagepunkten wegen Rauschgiftgeschäften schuldig gesprochen. Man sollte sich daran erinnern, daß er beim katholischen Nuntius in Panama zunächst Asyl bekommen hatte, erst nach seiner Flucht aus der Vatikanbotschaft konnten ihn die Amerikaner fangen.

10.4.92

Wir sind mitten in der Wildnis von Georgia. Es ist eine unübersehbare Vielfalt von Flüssen, Wasserwegen, gebaggerte Verbindungen, Sümpfe, Marschlandschaften und höher gelegene baumbestandene Landesteile. Hier in den Wasser- und Marschlandschaften der Südstaaten ist das Beobachten der Vogelwelt besonders interessant. Das fing mit dem Merrit Island Naturpark an. Es gibt hier so viele Tiere in freier Wildbahn, daß man als Europäer immer wieder verblüfft ist. Nur das Filmen ist manchnmal nicht einfach. Vor einigen Tagen sah ich morgens einige "Kardinale" im ersten Morgenlicht singen, wie ich aber mit der Kamera kam, waren alle weg. Dabei hat der Kardinal jetzt in Frühjahr sein farbenintensivstes Gefieder. Na ja ich werde schon noch einige filmen können. Genauso schwer ist es mit den zahlreichen Eisvögeln. Die vielen Fischadler fangen jetzt gerade das Brüten an, bin gespannt, wann wir die ersten Jungvögel sehen.

Die letzte Nacht war absolut windstill und wir waren nur 2 Boote an diesem einsamen Platz, meilenweit kein Haus. Nur Fort Frederica am Parallelarm, wo wir auf dem weg in den Süden ankerten, ist etwa 6 Km entfernt.

Wie wir aber heute früh hinausschauten, trieb in der nachlassenden Ebbströmung ein etwa 4 m langer Alligator träge vorbei. Also Schwimmen in dieser Gegend nicht zu empfehlen.

Heute früh haben wir natürlich erst einmal Nachrichten gehört. Wegen des etwas altmodischen Wahlsystems in Großbritannien war gestern noch kein Ergebnis bekannt und wegen des anderen Systems lagen die Hochrechnungen gründlich daneben. Nun haben also die Konservativen gewonnen, das ist sicher besser als ein Wahlsieg der Linken, aber so wird es beim alten Wahlsystem bleiben. Ich hätte eine Koalition der Konservativen mit den Liberalen gerne gesehen, denn die Liberalen hätten die Einführung des Verhältniswahlrechts zu Koalitionsbedingung gemacht.

Ich schreibe heute am frühen Morgen, denn wir wollen noch etwas höheren Wasserstand abwarten. Etwa 10 Meilen von hier ist ein künstlicher Verbindungswasserweg, der Mud Creek. Wie der Name schon sagt, ist er schlammig flach, es wird dort gerade gebaggert und da wir hier 2 m Tidenhub haben, machen 3 Stunden schon viel aus. Bis Savannah sind es ohnehin zwei Tagesreisen und das schaffen wir auch an 2 halben Tagen, aber dann bei mehr Wasser. Die ca. 80 Meilen an einem Tag, wäre schlecht machbar und würde die Gefahr des Auflaufens bergen. So füllen sich mit der Tide auch diese Seiten.

Wir hatten heute früh nicht wie gestern dichten Nebel sondern gleich schönen Sonnenschein und es wird warm werden. Gestern abend wollten uns auch bereits die ersten Schwärme von Noseeums auffressen. Aber unsere giftgetränkten Mosquitonetze hielten sie draußen. Wie wir heute früh den Alligator filmten, standen sie vor dem Netz immer noch Schlange und stürzten sich gleich auf uns. So mußten wir uns erst mit Mückenabwehrmittel einreiben. Zum Frühstück zogen wir uns dann wieder hinter Gitter zurück. Mit steigendem Sonnenstand verschwinden sie dann, bis sie abends wieder aus den Marschen aufsteigen.

11.4.92

Abends stiegen sie nicht sonderlich auf. Wir hatten einen langen Tag und ankerten erst kurz vor Sonnenuntergang im Kilkenny Creek.

Aber heute früh beim Anker Auf waren Tausende der kleinen, eigentlich winzigen Noseeums unterwegs. Sie beißen sofort, vor man merkt, daß der Winzling da ist. Mir machen sie gar nichts, Dianne nicht viel, aber Heinz kann seit Cape Eleuthera ein Lied davon singen. Noseeums kommt von der Verballhornung "No see them", sollte heißen "But feel them".

Wir sind heute gerade noch vor dem Gewitter angekommen. Da wir gestern so weit kamen, hatten wir heute nur noch 23 Meilen und waren mittags schon da. Jetzt schüttet es draußen abwechselnd mal mehr oder weniger und der Donner grollt immer irgendwo. Einige Blitze waren etwas näher, so steckte ich alle Antennen aus, aber es war nie gefährlich nahe. Gefährlich wäre es ohnehin nur für die elektronischen Sklaven, da wir in einem faradayischen Käfig leben.(Gewitterbunker).

Wir sind jetzt in Isle Of Hope, bei Savannah, wo wir Mike erwarten.

Nach Savannah selbst wollten wir nicht hinein, weil man dort im Fluß bei 3 m Tidenhub schlecht liegt und der Fluß gerade Hochwasser führt, da sind die Dalben obendrein etwas kurz. Es ist schlecht wenn bei Hochwasser die Fender und Leinen aufschwimmen. Wenn es morgen wieder sonnig und warm ist, werde ich mit dem neuen Schlauchbootboden beginnen. Bin richtig froh, wenn der lapperige alte Boden aus Puerto Rico überflüssig ist. Dabei hat es soviel Mühe gekostet, dieses dünne Stück Sperrholz schlechter Qualität zu besorgen.

Nicht weit weg von der Holzhandlung in Fernandina Beach war ein Seafood Geschäft. Da bekamen wir frisch gefangene große Shrimps. Hier in den großen Sunden sind viele Shrimper unterwegs. Die Boote mit den breiten Auslegern für die beiden Schleppnetze sehen auf große Entfernung wie Pagoden auf dem Wasser aus, wenn sie die Netze und Bäume oben haben. Sie warten immer auf ablaufend Wasser und schleppen dann mit der Strömung gegen die hereinkommenden Shrimpschwärme. Sie schwimmen gegen das ablaufende nährstofreiche Wasser in die Sunde herein. Jetzt ist nicht gerade Hochsaison und so sind große Shrimps ohne Köpfe mit ca.6 $ /Pfund relativ teuer. Wenn die Schwärme größer werden, geht der Preis etwa 2 $ runter. Bei dieser Größe kommen etwa 50 Shrimpschwänze auf das Pfund. Christian wird sich sicher für diese Details interessieren. Wir haben in dem Geschäft auch das Filet eines großen Grouper (Barschart) gesehen, das Tierchen hatte 50 Pfund. Diejenigen, die wir in den Bahamas gegessen haben, hatten immer so 5 bis 6 Pfund. Brigitte kann dann vergleichen. Ihr Törn war ja der Super Fisch - Krebs - Hummer - Törn. Nicht zu vergessen die Conch.

Heute hätte uns schon der Teufel holen können, wenn er gewollt hätte. Wir kamen zwischen Ogeechee River und dem Little Ogeechee River durch einen künstlichen Cut, der Hell Gate heißt. Es war auch noch genau Niedrigwasser und so wurde das Wasser schon etwas dünn, aber es reichte. Es gibt hier bei den vielen Gezeitenströmungen leicht Ablagerungen in den Ecken des Fahrwassers, es kann allerdings auch zu sehr tiefen Rinnen mit steilen Unterwasserufern führen. Wir können inzwischen schon aus der Struktur der Wellenoberfläche lesen und so sind wir bis jetzt noch nicht aufgelaufen. Kritische Stücke fahre ich aber lieber bei Hochwasser. Z.T. sind aber die lieben Lobster-bzw. Crabpots eine gute Hilfe. Diese Fallen dürfen nur am Rand des Fahrwassers ausgelegt werden und die Schwimmer sind so eine gute Markierung, wenn sich der Fischer an die Spielregeln gehalten hat. Wie die Eisenberger wissen, tun sie das nicht immer, schließlich haben wir in Onslow Bay bei Cape Cod so ein Ding mitten im Fahrwasser mit der Schraube gefangen.

Heute nachmittags lief die BERLIN SENATOR nach Savannah ein. Wir hörten den Funkverkehr mit dem Lotsen. Das Schiff ist aber scheinbar ausgeflaggt, denn der Offizier am Funk war garantiert kein Deutscher. Soviel ich weiß, ist das Schiff ein großes neues Containerschiff. Der Tiefgang war heute 8,6 m, das ist für ein Containerschiff sehr viel. Wenn mich nicht alles täuscht, gehört sie der Hapag Lloyd.

Damit genug der Schiffahrtnachrichten von der Gegenküste,

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Isle of Hope, Savannah, Georgia, 14.4.92

Liebe Mutti!

Bevor ich die Eindrücke im Detail vergesse, will ich einen Brief anfangen. Wir waren gestern in der Stadt und haben dort das Heimatmuseeum besucht. Es gab wie in jedem Museum viele interessante Dinge, aber zwei Sachen fanden wir besonders interessant und überraschend. Wir standen plötzlich vor Listen in deutscher altmodischer Sprache und stellten fest, es waren "Ladelisten" für Passagiere. 1740, also kurz nach Gründung von Georgia und Savannah durch General Ogelthorpe wanderten insgesamt 300 Lutherische aus dem Salzburgischen aus. Auf dieser Liste waren 48 Erwachsene zuzüglich Kinder aufgeführt. Die Liste nannte Männer mit Beruf und alle mit Geburtsort und letztem Aufenthalt. Die Packstücke waren beschrieben und mit Gewicht angegeben. Nach Verfolgung durch die kath. Bischöfe hatten schließlich 300 die Ausreiseerlaubnis erhalten. Sie stammten aus Memmingen, Lindau und und aus dem Salzburgischen. Es waren überwiegend Bauern, dann Zimmerer, Brauer, Schmied, Bäcker und ein Chirurgus. Das Alter war Mitte 20 bis 30. Eine Frau mit 19 jährigem Sohn und 28 jährigem Mann war bereits 48. Eine weitere Frau mit ebenfalls jüngerem Mann war bereits 38, wohl Witwen. Ogelthorpe, ein Idealist hatte ursprünglich eine britische Kolonie gründen wollen, da er aber keinerlei Vorurteile hatte, bekam er nicht nur freundschaftlichen lebenslangen Kontakt zu Tomochichi dem Oberhäuptling der Gegend sondern nahm auch andersgläubige in seine Kolonie auf; darunter Juden, Deutsche der Augsburger Lutherischen Kirche und sogar katholische Iren. Er war auch Gegner der Sklaverei, leider konnte er seine Ideale nicht überleben lassen.

Das Zweite waren prähistorische Funde und Stiche zweier früher Kolonisatoren mit Beschreibungen. Es wurde sehr gut das Leben der Ureinwohner dargestellt. Die Originalstiche sind übrigens in Augsburg!!! Der Künstler hieß von Reck.

Der Freiheitskrieg und der Bürgerkrieg nahmen dann wie überall in den USA breiten Raum ein, kein Wunder sie haben beide noch nicht gelöst, nur die militärischen Operationen der Kriege sind vorbei.

(Das ist wie im Irak).

Jetzt sind wir gerade von einem langen Sundowner von dem Boot "Southbound" zurück, wir haben uns nett unterhalten, wir kennen uns jetzt schon seit Warderick Wells in den Bahamas. Dianne und Denise waren heute nachmittag auch zusammen zum Einkaufen. An der Kasse wurden sie angesprochen, "are you from a boat?" und die Dame nahm die beiden gleich mit. Es stellte sich heraus, es ist die Mutter des Bootseigners neben uns. Alles kleine Welt!.

Wir hatten heute einen absoluten Supertag. Kein Hauch einer Wolke weit und breit und 22 bis 25° C bei leichtem Wind. Ich habe die Holzplatten für den Dinghiboden zugeschnitten und lackiert, morgen wird er eingebaut und Dianne entrostete und grundierte den achteren Kettenkasten. Daneben habe ich noch mit neuen Computerprogrammen gearbeitet.

Heute früh gab es Fischadler zu beobachten, gleich nach dem Aufstehen wurden wir durch ihr Geschrei aufmerksam. Sie paaren sich gerade und es war Männerüberschuß. Ein Männchen hatte einen Fisch in den Klauen und schwebte über dem Weibchen, dabei zeigte er den Fisch her. Es ist ganz auffallend wenn ein Adler auf der Stelle flattert wie ein Rüttelfalke. Wenn man so etwas sieht, schaut man auf die Reiher und Pelikane nicht mehr hin. Hier ist so auffallend Frühling und die ganzen Vögel verhalten sich dementsprechend. Jeder versucht noch schöner zu singen, nur einigen gelingt es nicht, wie einem unermüdlichen Raben mit seinem "Gesang" den ganzen Tag über.

Aber es gibt auch Könner wie die Mocking Birds. Morgen wollen wir eine nahe gelegene große Plantage aus der alten Zeit besichtigen. Wir haben bisher von der Warmslow Plantation nur das große schmiedeeiserne Straßentor und die endlose Auffahrtsallee vom Bus aus gesehen. Mehr darüber morgen, es ist schon spät und ich möchte im Bette noch ein wenig "Karibik" lesen.

15.4.92

Heute gleich nach dem Mittagessen marschierten wir los. Morgens hatte Dianne Waschtag und ich schliff und lackierte den neuen Schlauchbootboden, er ist jetzt fertig und wird morgen eingebaut.

Wir gingen etwa 1 Meile die Hauptstraße entlang zum Eingang der Plantation. Auf dem Weg sahen wir bereits sehr hübsche Spechte mit feuerroten Häubchen und ebenso rote Kardinale. Die Auffahrtallee führte uns 3 Km lang durch eine endlose Reihe riesiger Eichen, die mit Efeu, Farnen und Spanisch Moos bewachsen waren. Von den alten Gebäuden aus 1736 sind nur noch einige Mauern und Grundmauern erhalten, das seitlich von der Allee mit 4OO Eichen gebaute neue Herrenhaus von 1828 wird von der Familie in neunter Generation noch bewohnt und kann nicht besichtigt werden. Dieses Haus wurde aber mehrmals umgebaut und geändert, die heutige Fassung datiert von 1902.

Noble Jones war Gefährte von Ogelthorpe und leistet die Vermessungsarbeiten für Savannah. Er muß ein Alleskönner gewesen sein, denn er war auch Friedensrichter, Zimmerer, Arzt etc. In einer neuen Kolonie mußte man eben alles machen, auch das was man nicht unbedingt gelernt hatte. Für seine treuen Dienste bekam er 500 Acres ungerodetes Land. Man hatte den Siedlern fruchtbares land versprochen und hatte ihnen verschwiegen, daß der Krone mehr an einem Bollwerk gegen die Spanier in Florida und Franzosen in Lousiana gelegen war. Jedenfalls gab es bald mehr Übersiedler zu anderen Kolonien als Neusiedler nach Georgia, der 13. Kolonie der Engländer in Amerika. Die Situation wurde erst besser wie die Sklaverei erlaubt wurde. Damit konnte das Land urbar gemacht werden und man konnte Reis und Indigo anbauen. Noble Jones hatte ursprünglich von seinen 500 Acres nur 20 gerodet, pflanzte Maulbeerbäume für die Seidengewinnung und betrieb Rinderzucht und Milchwirtschaft. Mit Milchwirtschaft wurde es von 1910 bis 1940 noch einmal versucht. Heute wuchert wieder der Wald wie zu Indianerzeiten. Es gab einen Pfad durch den Urwald und wir sahen viele Vögel, Schmetterlinge und Weißwedelhirsche. Schlangen und Alligatoren, die es hier natürlich auch gibt, sahen wir nicht.

Auf dem Rückweg gingen wir mehr durch den Ort, ein kleiner aber hübscher Umweg. Ein Paar sprach uns an und gab uns gleich Ratschläge zum Wandern. Wir hatten das Gebiet für Privatgelände gehalten, ist es auch, aber die Leute sagten, das macht nichts, wenn ordentliche Leute durchgehen. Die Amerikaner sind nur sehr eigen wenn sie "Bad Neighbourhood" fürchten. Es gibt viele Verbote, um die sich niemand kümmert, solange die Leute nach der Nase sind, wenn nicht, hat man einen Grund sofort den Sherriff zu rufen. Wir brauchen hier unser Boot auch nicht bei stundenlanger Abwesenheit absperren, das ist recht angenehm. Eine alte Dame sprach uns auf der Straße an und bot uns sofort an, uns mit ihrem Auto zum Einkaufen zu fahren, wenn wir etwas benötigen. Dianne war gestern mit Denise ja schon mitgenommen worden.

Gestern abend waren wir zu einem Drink auf "Southbound" eingeladen. Wir blieben länger als vorgesehen und haben uns gut unterhalten.

Morgen nachmittag werden wir uns ein Mietauto für 2 Tage nehmen. Wir werden dann an meinem Geburtstag einen Ausflug machen und abends Mike am Flughafen abholen. Am Samstag können wir dann mit Mike noch etwas anschauen und am Sonntag werden wir wohl mit dem Boot nach Beaufort S.C. gehen. Wir hatten heute wie gestern nur blauen Himmel und etwas wärmere Temperaturen von 25 - 30° C, gerade so richtig angenehm. Nachts ist es mit 15 - 20° C gut zum Schlafen.

Schade ist nur, daß die Azaleen bereits fast überall am Verblühen sind. Georgia hieß auch einmal Azilea, ob das von den Blumen herrührt, wissen wir nicht. Wir sahen heute auch viele Kamelienbüsche mit roten bzw. rosa Blüten.

Inzwischen werden unsere verschiedenen Videokassetten angekommen sein, ich werde gerade daran erinnert, weil ich gerade ein Programm in Radio Voice of America über den letzten Shuttle Flug gehört habe.

Wie haben Euch die Filme gefallen, vor allem der Blaue Planet? Konnte Brigitte mit dem Videorecorder von Heinz oder einem Nachbarn auf Video 8 überspielen? Wir haben den Film und einige andere auf einer 5 Stockwerke 3 D Leinwand gesehen und waren überwältigt.

Gerade fuhr die "Nantucket Clipper" mit einem Riesenscheinwerfer vorbei. Das ist ein kleines exclusives Passagierschiff, das den Intra Coastal Waterway bis in die Bahamas fährt und im Sommer zu den Walen auf die Stellwagenbank fährt, wo wir mit Sepp und Brigitte waren. Wir sind ihr schon mehrmals begegnet, aber noch nie nachts. Sie fuhr so nahe vorbei, daß wir in die Kabinen schauen konnten und fast die Speisekarte im Salon lesen konnten. Nur ein Passagier lag im Bett und las ein Buch, die anderen waren an Deck oder in den Salons.

Dianne ist auch schon ins Bett und liest Karibik, ich lauere schon bis sie es weglegt, habe es angefangen und es gefiel mir gut, nur zu zweit können wir schlecht lesen. Hawai habe ich gerade zum zweiten Mal ausgelesen. Die Geschichte Amerikas liest sich ganz anders wenn man die Orte und die Lebensverhältnisse kennt, vieles ist einfach besser verständlich, oder wird überhaupt erst verständlich.

16.4.92

Der Tag beginnt wieder mit wolkenlos blauem Himmel und wir haben jetzt um 8.°° Uhr schon 20° C. Dianne "telefoniert" gerade die Küste und die Inseln rauf und runter. So kommt der neueste Klatsch ins Haus, das ist notwendig für das soziale Element im segelnden Dorf, wo es ja keinen Marktplatz gibt. Wir werden jetzt erst mal unseren Schlauchbootboden einbauen und dann wollen wir in die Wildnis spazieren. Heute nachmittag muß das Boot aufgeklart werden, nach einigen Arbeitstagen vor Anker sammeln sich überall Haufen von allerlei, das eigentlich irgendwo in einem Schapp einen Platz hätte.

Am Spätnachmittag holen wir dann das Auto ab, wir können mit einem Bus bis vor die Firma fahren. Die Buslinie heißt CAT und hat in ihrem Logo, den Schriftzug in einem Oval und einen springenden Panther durch das T und A. Die Panther-katze heißt aber Chatham-County-Transport. Es fahren fast nur Schwarze mit dem Bus und Weiße Bootstouristen. Wir sind froh, daß es hier einen Local Transport gibt, denn das ist in den meisten Städten in den USA nicht der Fall.

Meist nur in Städten mit hohem schwarzen Bevölkerungsanteil, die oft nicht pro Person ein Auto haben und daher wird der Bus überhaupt erst in Anspruch genommen. Die Buslinien werden von der Regierung als Teil der Sozialpolitik subventioniert. Nur auf die Idee ein faires für ALLE gleiches (gleich gutes) Bildungssystem endlich aufzubauen sind sie noch nicht gekommen. Sie machen eher Rückschritte. So hat der Staat Florida gerade erst die Anforderungen an den Highschool-Abschluß herabgesetzt. Dabei ist ein Highschool-Abschluß bei weitem kein Abitur (alter Art schon 2 x nicht). Wir haben vor einigen Tagen einen Report im Radio gehört über eine "University" wo Leute nachträglich neben dem Beruf einen Bachelor of Arts in 2 Jahren machen können. Was die genau lernen und welche genauen Studienrichtungen wurde nicht gesagt. Nach unseren Erfahrungen in YALE bin ich fast versucht zu sagen, sie wissen es selbst nicht. Aber es kommt ein schönes Degree heraus und da sind die Amerikaner wie die Österreicher: Hauptsache ein Titel und ein schönes Diplom zum an die Wand hängen. Wir treffen daher wenige Amerikaner, die in unserem Sinne gebildet und ausgebildet sind, obwohl sie gerade unter den Yachteignern wegen der Einkommensklasse doch noch häufiger sein müßten. Relativ gut schneiden die ehemaligen Offiziere ab, die hier oft schon mit 40 mit einer Teilrente in Ruhestand gehen (ich war wohl im falschen Staatsdienst). Jedenfalls mit diesen EX-Militärs kann man sich recht gut unterhalten, sie haben auch alle Erfahrungen, die über die amerikanischen Kirchtürme hinausgehen.

 

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Georgetown, 30.4.92

Liebe Eisenberger!

Erst einmal vielen herzlichen Dank für die Geburtstagsgrüße und den dicken Schmöker. Brigitte auch vielen Dank für die übrige Post und die diversen Erledigungen. Mitcheners "Alaska" ist bereits in Arbeit, nachdem ich schnell zwischendurch Alistair MacLeans "PARTISANEN" gelesen habe.

Nach "Hawai" brauchte ich etwas leichteres, hielt nur einen Tag und Nacht. "Alaska" wird etwas dauern. Mike wird nicht allzuviel am Telefon erzählen, er wird wieder voll in seiner Firma stecken, d.h. einer seiner Firmen, denn es sind jetzt 5 GmbH's. Einige haben nur wenig Personal, wie z.B. die Michael Riedel Engineering Gmbh, aber so 230 sind es zusammen schon. 2 Firmen sind in der Ex DDR. Da Mike aus der Lausitz stammt, hat er ein Herz für den Osten. Seine Stammfirma hat im letzten Jahr den Umsatz um 20 % steigern können. Mit soviel um die Ohren taten ihm 10 Tage Urlaub gut. Wir haben viel Spaß gehabt.

Diese 10 Tage sind natürlich bei Euch als Postlücke erschienen. Wir hatten manchmal so wenig Zeit, daß wir bis 4 Uhr aufbleiben mußten, so war zum Schreiben wirklich keine Zeit mehr. Nach 4°° wären die Briefe in jedem Fall unleserlich geworden. Auf dem Computer wegen falscher Tasten, handschriftlich sowieso!

Wir hatten für zwei Tage ein Mietauto, für 23$ pro Tag einen schönen "großen" Chevy mit Aircondition und Automatik. Nagelneu, wir waren Erstmieter, richtig gediegen, nicht wie Lord Byrons Kiste mit Wasser und Krebsen im Kofferraum (Mietauto in Hatchet Bay, Bahamas). An meinem Geburtstag fuhren wir zum Fort Pulaski National Park und zum Tybee Island. Es war sehr interessant. Das Fort wurde im frühen 19. Jhrh. als Artilleriefestung wie Fort Sumter in Charleston gebaut. Da die Insel an der Mündung des Savannah Rivers flaches Marschland war und ist, wurde das Bauwerk eine Meisterleistung der Erbauer, Offiziere des Corps of Engineers. Man mußte alles auf Pfählen gründen und ein System von Deichen und Schleusen schaffen. Die Festung selbst wurde aus 15 Millionen Ziegelsteinen erbaut. Im nächsten Video werde ich mehr Details zeigen. Im Bürgerkrieg wurde erbittert um die Festung gekämpft, die Einschläge der Granaten sind noch zu sehen. Wir haben dann einen langen Spaziergang über die Deiche gemacht und konnten dabei einen großen dicken Waschbären beobachten und filmen. Nur Alligatoren haben wir im Sumpf leider nicht gesehen. Die Soldaten des Forts hatten die 'Gator Steaks immer gerne gegessen.

Tybee Island war vor allem in den 30 er Jahren ein beliebtes Seebad für die Bürger von Savannah gewesen. Am Ende des 19. Jhrh. enstanden einige häßliche neue Betonfestungen für die "moderne" Küstenartillerie vor allem gegen Sperrbrecher, die die fernzündbaren Seeminen ev. räumen könnten. In einem Bunker ist jetzt eine Disco in der anderen ein Kuddelmuddelmuseum. Wir stiegen dann noch auf den Leuchtturm, 180 Stufen eiserne Wendeltreppe. Er ist noch in Betrieb und auch die Häuschen de Wärters stehen noch. Er arbeitet heute aber automatisch als Oberfeuer für die Ansteuerung. Das erste Paar Feuer in Linie des Savannah Schiffahrtsweges. Im Wärterhaus war auch ein kleines Museum mit einem lustigen Bild. Als Strafe für Trunkenheit wurde den Artilleristen der Leuchtturm "verschrieben". Mit einem Sack Sand auf der Schulter mußten etliche Runden um den Turm gedreht werden. Die Ernüchterung war dann proportional zu den Runden.

Abends holten wir Mike ab und am nächsten Tag besuchten wir Savannah. Sonntags fuhren wir dann bei herrlichem Wetter nach Beaufort S.C. Am Dienstag blieben wir noch vor Anker, denn es schüttete mehr als aus Kübeln. Wir lernten auch zum ersten Mal einen richtigen Amerikaner kennen, eine bildhübsche Indianerin vom Stamm der Cherokee. Am Mittwoch war dann der Himmel wieder mehr als blau und wir machten die erste Etappe auf dem Weg nach Charleston. Unser Ankerplatz lag recht hübsch und einsam und wir fingen schnell Blue Crabs und sammelten Austern. Wir hatten soviele Krabben, daß es am nächsten Tag noch Krabbenfleischsalat gab, soviel daß wir es kaum schafften. Blue Crab schmecken gut und sind leicht mit einer Schnur mit Hühnerbein zu fangen. Die Indianer der Chesapeake Bay legten schon Knochenschnüre aus und fingen die gierigen "Klammeraffen". Charleston erlebten wir dann bei schönstem Frühlingswetter und wir lernten auch eine Menge nette Leute kennen. Von einer jungen Studentin, die mit ihren Freundinnen in der Hafenbar war, wurden wir zum Frühschoppen eingeladen. So kamen wir zu Drinks auf der Veranda im dritten Stock eines herrlichen Hauses an der Südspitze von Charleston mit Blick auf die Bucht und auf den Battery Park. Das Haus mit großen Säulen steht als Eckhaus direkt am Wasser. Die Palmen reichten gerade bis zur 3. Veranda herauf. Auch nach der Einrichtung des Hauses warteten wir ständig auf das Erscheinen von Scarlett O'Hara. Na ja Dousie und Katie waren auch recht nett. Außer uns lag noch ein deutsches Boot da. Wir lernten die Leute kennen und freundeten uns richtig an. Wir hatten viel Spaß zusammen. Hein der Hamburger Eigner mit Freundin und noch ein Paar aus München. Die beiden Frauen sind Ärztinnen in Harlaching, Hein ist schon im Ruhestand, hat bereits Spitzbergen umrundet und Klaus ist Ingenieur bei Krauß Maffei. Die BRITT ist auf dem Weg nach Grönland, wir werden uns aber wohl in der Chesapeake wieder sehen.

Jetzt mußte ich gerade die Bullaugen schließen, Regen mit Hagel und Gewitter, soll aber bis Mitternacht wieder aufklaren.

Von Charleston flog Mike wieder ab und nachdem wir eine Nacht richtig ausgeschlafen hatten, wollten wir am Dienstag mit dem 2. Hochwasser auslaufen. Es fing aber so zu blasen an, daß wir noch blieben und dafür um 4.45 Uhr aufstanden und das 1. Hochwasser nahmen. Noch in der großen Hafenbucht von Charleston ging um 6.15 Uhr die Sonne auf. Noch in der Dunkelheit waren wir einem riesigen Schubverband begegnet. Während des Niedrigwassers ankerten wir in einem Seitenarm, fingen Krabben und beobachteten Delphine, Pelikane und anderes Getier. Mit dem 2. Hochwasser gings dann weiter bis zu einem schönen geschützten Ankerplatz in der Wildnis und heute Mittag waren wir dann schon in Georgetown. Es sind gerade 7 Boote vor Anker. Wir ankern nur etwa 100 m von der Hauptstraße weg. Nach Hurrikan Hugo, der auch hier sehr wütete, wurde die Wasserfront der Stadt nett angelegt und wir können an den Schwimmstegen mit dem Beiboot gut festmachen. Der Flußarm vor der Stadt ist nicht breit und so liegt man recht geschützt und verkehrsgünstig. Wir gingen zu Fuß zum Einkaufen und wurden vom Supermarkt zum Boot gefahren. Service für Boote. Der Mann, der uns fuhr, erzählte uns, daß er durch Hugo sein Haus verlor und Katie hatte ihr Haus in Charleston ebenfalls zerstört vorgefunden. Hugo war Cat. V, Bob war Cat. III.

Jetzt schlägt der Uhrenturm des nahen Reismuseums 23.°° Uhr, Zeit fürs Bett und ein wenig ALASKA.

1.Mai

Wir sind erst um 9.°° Uhr aufgestanden,viel zu spät für so einen herrlichen strahlenden Tag.

Habe gerade weitere Nachrichten über die Streiks im öffentlichen Dienst gehört. Streiks der Leute mit dem sichersten Arbeitsplatz im ganzen Land sind wohl das falscheste in der heutigen Zeit. Hier geht es um politische Macht, um Druck auf die Regierung um jeden Preis. Die Gewerkschaften, die ewig alten Linken wollen bestimmte Dinge einfach nicht einsehen und die Gewerkschaften waren immer schon eine Art fünfte Kolonne der SPD. Das ist aber nur die Betrachtung aus der Sicht der Wirtschaftsnation Deutschland. Betrachtet man die Einkommen der Betroffenen, sieht man sofort, daß die Masse der Beschäftigten wirklich zu den untersten Verdienern gehören, nur wenig über der Sozialhilfe. (Briefträger, Postsortierer, Rangierer, Arbeiter der Kommunen, Krankenschwestern, Altenpfleger etc.) Denen sind 5% echt zu wenig, eben nur die berühmten 25 oder 30 Mark, einem angestellten Architekten, einem Ingenieur der Bauverwaltung bringt es schon einige hundert Mark. Wollte man wirklich das Machbare gerecht verteilen, müßten die Gewerkschaften Sockelbeträge fordern. Das würde den kleinen helfen und volkswirtschaftlich die Summe niedrig halten. Davon war aber nie die Rede, also doch politischer Kampf! Die einen wollen einen Sündenbock für Löcher in der Kasse, die anderen mehr Macht für sich und Probleme für die anderen. Die einen wollen weiterhin Geld an Scheinasylanten verteilen, bei vollem Rechtsschutz und Unterhalt, alles aus der Steuerkasse, die anderen sind nicht in der Lage wirklich Großsubventionen zu streichen, sind da Streiks wegen läppischen 30 Mark nicht lächerlich, wen wundert da noch ein Abwandern der Wähler zu Parteien, die die Sprache des Volkes sprechen, wenn auch deren Programme wenig ausgereift sind. Unsere hohen Herren sind schon weit von ihren Wählern entfernt, Dilemma der Demokratie! Man muß nur einmal die Zusammensetzung der vielen Parlamente in Bund Land und Kommunen betrachten. Also ist letztlich der Wähler selbst schuld?

Es ist wirklich verflixt, daß gerechte Forderungen einfach schlecht passen, andererseits es den Deutschen auf hohem Niveau so gut geht, daß sie auch dieses Jahr wieder 80 Milliarden im Ausland für Urlaub ausgeben können. Teilen ja, aber mit Vertrauen in eine gerechte Verteilung der Lasten, genau da hapert es!! Es ist nur nicht hilfreich, wenn immer Neid geschürt wird und von Unternehmergewinnen geredet wird. Es hat sich ja gerade erst deutlich herausgestellt, daß die Verteilung des Besitzes an den Produktionsmitteln im Sozialismus, gerade den kleinen Leuten noch weniger bringt. Gut dran sind in beiden Systemen nur die "immer" privilegierten Funktionäre von Harry Tisch bis Monika Wulff Mathies.

Aber weiter mit den letzten Tagen. In Charleston besuchten wir das Marinemuseum mit einem richtigen Flugzeugträger, im Vergleich zu den neuen Trägern aber ein kleines Ding. Der Träger wurde oft umgebaut und modernisiert. Er hat viel gesehen und erlebt. Es war sehr interessant. Den letzten Abend verbrachten wir in großer Runde in einem netten Lokal, anschließend ging es auf der BRITT weiter bis Dianne und Elisabeth einnickten.

Schon in Savannah hatten wir unsere Wellenanode verloren. So etwas passiert nie in klarem Wasser, so wußten wir nicht einmal, ob sie wirklich weg war, wir hatten nur einen Bäng am Rumpf gehört und so gedeutet. Einige junge Leute von benachbarten Booten, die in Charleston leben, tauchten an einem Wrack im Ankerplatz, wo sich 2 gute Anker anderer Boot verfangen hatten. Diese Boot hatten sie einfach abgeschnitten und aufgegeben. Da die Ersatzanode nicht metrisch war, machte ich mich schnell ans Feilen und Dianne fuhr zu den Tauchern hinüber. Sie kamen dann zu uns und schnell war der Schaden behoben. Sie wollten nicht einmal etwas verlangen. Wir haben schon oft über ein eigenes Tauchgerät nachgedacht. Aber bis jetzt haben wir wesentlich weniger für Taucher ausgegeben als ein Gerät kosten würde.

Damit genug für heute ab geht die Post.

Viele liebe Grüße

 

P.S. Habe oben vergessen zu schreiben, daß die beiden Studentinnen, Dousie und Katie für 3 Monate nach Europa reisen. Mit Eurorail können sie für $ 600 2 Monate reisen. Ich habe ihnen die Telefonnummer gegeben, es könnte also sein, daß sie einmal anrufen, wenn sie irgendeinen Rat im fremden Land brauchen.

P.S. Hallo Mutti, hier ist Dianne (schließlich kannst Du den Wechsel nicht an der Schrift sehen!) Ich lese zur Zeit "Karibik" und es gefällt mir recht gut. Im Moment bin ich bei der Zeit der Bukaniere und Freibeuter. Hoffentlich konntest Du es vorher noch lesen, bevor Du das Buch auf den Weg schicktest. Wenn nicht, werden wir es irgendeinem Gast mitgeben, sobald wir es beide gelesen haben, denn es gefällt Dir bestimmt auch. Wir kommen jetzt wieder viel zum Lesen, denn das Aprilwetter verlockt nicht zum Leben im Freien, und wenn es warm und windstill wird, fallen die Mücken in diesen Sumpfgegenden sofort ein. Das ist ein großer Nachteil dieser unberührten Natur. Zwei Tage lang war meine linke Hand wegen Stiche dick geschwollen. Jetzt passen wir auf, daß abends bis morgens die Moskitonetze auf allen Bullaugen und Luken sind.

Von Bekannten haben wir eine Rose geschenkt bekommen, die die Kajüte mit schwerer Duft füllt. In Savannah werden bestimmt jetzt die Azaleen in der Parkanlage vor dem Factor's Walk blühen. Wir haben Postkarten davon gesehen und hoffen es jetzt selbst erleben zu können.

 

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Wrightsville Beach, 6.5.92

Liebe Mutti!

Fast einen Monat früher als im letzten Jahr sind wir hier angekommen. Das merken wir bei den Temperaturen recht deutlich. Alle nördlichen Winde sind für unsere Begriffe eisig kalt. Gestern habe ich bereits mit Richard vom TO-Stützpunkt telefoniert und er wird heute die Post vorbeibringen, leider ist von Euch diesmal keine Post dabei. Wir werden einige Tage hier bleiben, denn es herrscht Sturmwarnung und da kann es selbst im ICW mit seinen doch recht weiten Wasserflächen recht ungemütlich werden. Hier liegen wir aber recht gut, günstig und geschützt. Wir hatten auch einige recht schöne Ankerplätze in der freien Natur in den letzten Tagen. An einem konnten wir ein nahe vorbeiziehendes Riesengewitter mit mächtigen Blitzentladungen beobachten. Zum Glück zog es ganz dicht vorbei, denn die Elektronik mag keine Blitze im Mast.

Gestern nach dem Ankern konnten wir an Land unsere ganze Wäsche waschen, der Waschsalon liegt gleich neben dem Dinghianleger, das ist sehr praktisch. Zu einem kleinen Supermarkt sind es auch nur 2 Minuten. In den USA sind solche Entfernungen selten.

Gestern Abend hatten wir noch Besuch an Bord, wir waren bei denen am Vortag zum Drink eingeladen. Wenn man so etwa gleiche Tagesetappen macht lernt man immer Leute kennen. Wir liegen mit 6 Booten am Ankerplatz, 4 weitere Boote haben sich wegen des Wetterberichts heute früh in nahe Marinas verkrochen. Das bringt mehr Komfort mit an Land gehen und es gibt auch Strom zum Heizen, denn alles ist auf warm eingerichtet und die meisten amerikanischen Boote haben keine Bordheizung. Wir sind ja völlig autark.

Ich lese mit großem Interesse "ALASKA", es ist nur entsetzlich wie erbarmungslos die Pelztiere samt den Ureinwohnern erschlagen und erschossen wurden.

Dianne hat eben den gerüstlosen Drachen, den ich als Geburtagsgeschenk versprochen bekam, fertig genäht. Er ist sehr bunt hat 4 Kammern, die sich im Wind wie ein Flugzeugflügel aufblasen und er kann sogar von Bord aus gestartet werden, da er richtigen Auftrieb bekommt. Man lässt einfach die Schnur raus. Dianne hatte erst in Charleston den Stoff gekauft. Christian hat ein Buch über Drachen, da ist er herauskopiert. Den ersten richtigen Flug werden wir an historischer Stelle machen. Dort wo Orville und Wilbur Wright den ersten Motorflug gemacht haben. Leider ist das Wetter im Moment nicht sehr verlockend und Sturmflutwarnung ist auch noch für den Strand.

Von Barefoot Landing aus gingen wir bei Niedrigwasser an den Strand bei Windy Hill in Myrthle Beach, das war ein ganz fester Sand, sehr flach und endlos lang. Man konnte dort spezielle Tretdreiräder mieten und damit am Strand herumrasen, die Räder sanken überhaupt nicht ein. So rieselte mir beim gehen auch kein Sand in die Schuhe.

Die Fahrt außen im Atlantik nach Cape Fear war letztes Jahr zwar recht schnell, es wäre aber schade gewesen, wenn wir die Gewässer von Georgia und Carolina im Frühling nicht gesehen hätten. Der Kontrast zwischen Herbst und Frühling könnte nicht größer sein. Alles ist jetzt so üppig grün und alle Vögel nisten und singen in allen Tonlagen. Viele Fischadler sind jetzt mit dem Nestbau fertig und brüten bereits. In Savannah sahen wir sie noch bei der Paarung.

Mit Interesse lasen wir, daß Du Bekannte von Dagmars Eltern kennengelernt hast. Es ist wirklich eine kleine Welt. Dagmar und Alex hatten ihr Boot damals am Starnberger See gebaut und wir haben die beiden während der Bauzeit besucht. Nachdem sie das Boot verkauft hatten und sich in Chile niedergelassen hatten, haben wir direkt keinen Kontakt mehr, hören aber noch über TO oder über Karl und Monika ( SY"Koala") deren Neuigkeiten. Die Werft, die sie dort aufgebaut haben, scheint recht erfolgreich zu sein.

Ja, wir ziehen wieder Richtung Norden statt nach Venezuela. Es ist zwar alles bekannt, nur hier und da können wir etwas Neues besichtigen oder mal einen anderen Ankerplatz wählen. Wenn es so kalt ist wie heute und wir mit "Fradilira" funken, die inzwischen bis Bonaire und Curacao waren und jetzt in Jamaica sind, dann träume ich vom warmen klaren Wasser und zehre noch von den 3 Monaten Bahamas.

Dieses Jahr in den USA ist ein Wahljahr. Ganz interessant, die Nachrichten dabei zu beobachten. Vom Besuch des Herrn von Weizsäcker hörten wir in amerikanischen Nachrichten nichts, aber wegen der Unruhen in Los Angeles und anderswo waren die Journalisten wohl zu sehr beschäftigt. Das Urteil, das zu den Unruhen führte, hat uns auch entsetzt. Plündern und Morden ist nie eine Antwort, aber für ungebildete Leute, die keine andere Ausdrucksweise kennen, eine logische Äußerung. Es hat auch früher Fälle gegeben, wo Brutalität von Weißen gegen Schwarze ungesühnt blieb, und damals gab es auch solche Unruhen. Für uns unverständlich wie die Geschworenen zu dem Freispruch gelangen konnten.

Vielen Dank für die Weitergabe von Erikas Zeitungsausschnitt über den Delphin Jojo und die Arion-Geschichte. Wir haben ihr gleich eine Postkarte dazu geschrieben, denn auch Jojo war uns ein Begriff und wir hatten über ihn damals in den Turks und Caicos-Inseln lustige Geschichten gehört.

Wir beabsichtigen nach Washington zu fahren, sobald wir die Chesapeake Bay erreichen. In Mai sollen die Kirschbäume in der Stadt schön blühen, vielleicht erleben wir das noch. Wahrscheinlich aber werden wir die Blüte gerade verpassen, genau wie wir die Azaleen in Savannah verpassten. Man kann es nicht immer genau zeitlich hinkriegen. Wir werden dort wieder die Museen abklappern und uns dieses Mal ein bißchen mehr Zeit dort gönnen. Dann haben wir an der Ostküste der Chesapeake noch einige Seitenbuchten vor, die wir noch nicht kennen, vor allem Micheners Choptank, denn obwohl seine Stadt, sein Turlock-Moor und die Insel Devon seine Erfindung sind, werden die Ortschaften Oxford und Cambridge wohl die Vorbilder geliefert haben. Die Ostküste war auch so lange weit ab vom Schuß, daß viele alte Dialekte (angeblich ein fast elizabethanisches Englisch) erhalten blieben. Die Westküstler halten sie immer noch für hinter dem Mond, aber mit dem überall empfangbaren gleichmachenden Fernsehen, wird das wohl nicht mehr so ausgeprägt sein!

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Wrightsville Beach, 7.5.92

Liebe Oberdeuscher!

In letzter Zeit kam wohl etwas weniger Post an. Einmal haben wir während Mikes Besuch nicht geschrieben und dann habt ihr ja jetzt den Streik wo alles liegenbleibt. Habe gerade mit Brigitte telefoniert und gehört, daß alles in Ordnung ist. Hier bei uns auch, bis auf das Wetter. Wir hatten so schöne Tage aber jetzt hat sich ein böses Tief vor Florida gebildet und zieht die Küste entlang nach Norden. Von Kanada drückt ein Hoch herunter und in der Düse dazwischen ankern wir und das bedeutet Wind, viel Wind und Regen mit Gewittern. Heute vormittag war es trocken und ich benützte die Zeit zum Einkaufen. Wir haben zwar einen kleinen Supermarkt gleich hier, aber da wir ein Auto haben, ist es kein Problem zu einem der nahen Shopping Center zu fahren. Ich habe noch die Frau von einem anderen Boot mitgenommen. Gestern nachmittags kam Richard vom Trans-Ocean Stützpunkt vorbei und brachte gleich seinen Pick-Up Truck mit. Ich habe ihn dann nach Hause gefahren, noch kurz Dorothea gesprochen und das Auto wieder mitgenommen. Sie haben noch zwei andere Autos und den Truck nimmt Richard für Gartentransporte. Sein Garten ist auch etwas größer, deswegen hat er dort eine Planierraupe für die gröberen Arbeiten. Die beiden sind so herzlich und hilfsbereit, daß man als Europäer immer wieder erstaunt ist. Für viele Amerikaner ist es normal, das ist noch der alte Pioniergeist, wo jeder jedem selbstlos half.

Wie ich heute früh mit dem Auto wegfahren wollte, brauchte ich auch gleich Hilfe. Richard hatte gestern das Radio an, es dann leise gedreht und ich hatte es vergessen auszuschalten. So war die Batterie leeeeer! Aber es waren zwei Angler da, sie hatten zwar einen Südstaatendialekt, daß ich sie kaum verstand, aber sie legten sofort die Angeln weg und schoben die schwere Kiste, die zum Glück kein Automatikgetriebe hatte, 3 mal den Parkplatz entlang bis der Motor lief. Der eine wollte sogar gleich nach Hause gehen und sein Auto mit einem Starthilfekabel holen, denn er dachte natürlich an ein Automatikgetreiebe und da geht nichts mit schieben.

Aber das ist heute keine schweißtreibende Arbeit, denn wir haben nur 15° C und seit einer Stunde Regen und Gewitter. Das Gewitter grummelt aber nur so rum und es blitzt etwas. Vor einigen Tagen sahen wir aber Blitze von einer Länge und Intensität, daß es einem anders wurde. Hier ist eben alles etwas größer.

Ich habe seit Eurer Osterpost außer Karten nicht mehr geschrieben. Möchte mich daher noch einmal ordentlich für die Geburttags- und Osterwünsche bedanken und auch für das Geburtstagsgeschenk recht herzlich danken. Vielen Dank auch an Margit und Cornelia für ihre Kartengrüße. Warum hat Dir, Conny das Landschulheim nicht so gut gefallen? War das Heim nicht besonders gut, waren es die Kameraden, oder stehst Du nicht so auf Reisen?

Was machen die beiden GROßEN? Wir hören nur immer so von tausend Unternehmungen und Aktivitäten, total freizeitgestreßte Jugend, neben dem Beruf natürlich. Auto, Disco, Freunde ect. das sind natürlich Prioritäten, klar, war ja auch nicht immer ein "alter" Onkel, aber wir freuen uns immer sehr über direkte Berichte. Also Zündschlüssel an den Haken und Bleistift raus!! Martina und Christian sind die Gleichen, denen könnt Ihr auch gleich einen Stift mit entsprechendem Anstoß geben.

Bei einem Wetter wie heute sind wir sehr mit Lesen beschäftigt. Dianne hat in Georgetown S.C. ein Buch gefunden mit 15 Berichten von Siedlern, die in die Hände von Indianern gefallen waren. Viele dieser z.T. sehr alten Augenzeugenberichte sind verlorengegangen, einige der besonders typischen wurden in diesem Buch gesammelt. Es gab Leute die Jahre mit den Indianern lebten. Es gab weiße Kinder, die adoptiert wurden. Es ist leider in englisch, so macht das Lesen etwas Mühe. Werde mich durchbeißen. Es gibt hier zwar viele Bücher über Indianer, aber eigentlich weniger als erwartet. Das schlechte Gewissen drückt und so wird in Museen oder Filmberichten über eine Stadt oder eine Gegend zwar immer etwas über Indianer und Schwarze gebracht, aber immer nur soviel, daß man nicht den Vorwurf machen kann, man hätte sie übergangen. Die echte Auseinandersetzung mit der Last der Geschichte unterbleibt. Aber gerade die Schwarzen setzen sich mit ihrer eigenen Problematik auch nicht auseinander. Sie leben in einer selbst gewählten "Apartheid" grenzen sich gegen Weiße ab, sprechen einen eigenen üblen Slang und streben oft nicht einmal danach aus dem Kreis auszubrechen. Andere rassische Gruppen haben sich von Anfang an immer stark integriert und waren nach 2 Generationen aus dem Dreck heraus. Asiaten und Latinos sind da viel erfolgreicher als die Schwarzen. Einzelne bringen es ja auch weit, aber vielen fehlt der Antrieb und so werden Vorurteile geschaffen und man braucht sich dann nicht zu wundern, wenn nach so einem Unrechtsurteil wie in Californien, der Mob explodiert. Es ist ihre einzige Ausdrucksweise. Aber beide Seiten haben es lange versäumt die Ursachen zu beseitigen. Die Indianerin, die ich kürzlich in einem Lokal kennenlernte war da völlig anders. Sie war einfach eine selbstbewusste Amerikanerin und nur ihr hübsches indianisches Gesicht zeigte, daß sie einen anderen Ursprung hatte.

Wenn man aber seine eigene Identität waren möchte, gerät man in einen Wettbewerb zur übrigen Gesellschaft und dann ist man entweder leistungsfähig genug sich den eigenen Weg leisten zu können, man ist besser oder schlechter. Böses Blut gibt es aber immer dann, wenn andere einem den eigenen Weg zahlen sollen. Da liegt ein Großteil der Probleme zwischen 1. und 3. Welt, zwischen Alteinwohnern und Ausländern, Asylanten etc. begründet. Es geht halt nicht zu sagen, es ist meine Art, die zu tolerieren ist. Ich möchte in der Sonne sitzen, wenn ich dann hungere ist es Eure Pflicht für mich zu sorgen, sonst verstößt es gegen die Menschenwürde. Es ist natürlich nicht so einfach, aber das ist der Kern. Ich bin für faire Chancen, aber dann muß jeder selbst schauen wie er aus dem "Sumpf" herauskommt und das ist halt erst mal mit Arbeit verbunden. (Ihr dürft jetzt ruhig lachen, wenn ausgerechnet der Dauerurlauber von Arbeit redet.)

 

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Zwischen Beaufort N.C. und Norfolk VA, 12.5.92

Liebe Mutti!

Heute früh haben wir zunächst gezögert, Ankerauf zu gehen, drehten uns noch mal in der Koje um und liefen dann doch aus. Der Wind war nicht wie der Wetterbericht, sondern ging bis auf 7 Windstärken rauf und wir mußten auch noch meist gegenan. Der Neuse River ist der westliche lange Zipfel des Pamlico Sounds und der ist bei NO-Wind eben voll dem Seegang ausgesetzt. Aber jetzt liegen wir hier gut und absolut ruhig vor Anker. Wenn der Wind etwas weniger gewesen wäre, hätten wir noch bis Belhaven gehen können, was eigentlich für heute geplant war. Wir hatten bis jetzt grauen Himmel, aber gerade kommt langsam die Sonne raus. Wir ankern wie letzte Nacht in einem Creek, der auch von Fischern benützt wird. Gestern ankerten wir mit 4 Booten, bis jetzt sind wir hier alleine.

Gestern abend wurden wir von unserem Nachbarboot zu einem Drink eingeladen. Nettes Ehepaar, er segelt trotz gelähmter Beine. Wir treffen immer wieder nette Leute beim Segeln. Vergangenen Freitag hatten wir Kanadier zu Besuch an Bord. Er ursprünglich Amerikaner, Wirtschaftswissenschaftler und Professor der Stanford University, sie ursprünglich Engländerin und auch Dr. der Wirtschafts-wissenschaften. Wir haben bis nach Mitternacht debattiert und uns sehr gut unterhalten und verstanden. Sie waren beide für die kanadische Regierung als Berater für Trudeau tätig gewesen und kannten so die Verhältnisse da oben sehr gut. Man muß echt mit dem Auseinanderbrechen Kanadas rechnen. Spalten sich erst einmal die Franco-Kanadier ab, werden sich auch andere abspalten bzw. den Anschluß an die USA suchen. Nordamerika hat Probleme wie ein Vulkan!!

Ich lese gerade sehr eifrig in ALASKA und Dianne in ihrem Buch über Gefangene der Indianer (Augenzeugenberichte). Ich hatte schon in New York ein Buch über Indianische Geschichte gekauft. Das dient uns mehr als Nachschlagwerk, wenn der Überblick verloren geht. Heute hatten wir beide in unseren Büchern mit den Stämmen, Sprachgebieten und Siedlungsgebieten zu tun. Es ist teilweise recht verwirrend, denn es gibt viele gleichsprachige Sprachinseln auf dem Kontinent verteilt. Die ersten Siedler (Indianer!) sind teilweise sehr weit herumgekommen und haben die riesigen freien Räume besiedelt. Wir kennen aus unseren Indianererzählungen immer nur einige Stämme oder Völker. Dabei gibt es in Nord- (und Mittel-) Amerika alleine 21 Sprachgruppen und 17 Obergruppen von Völkern, die in zahlreiche Untergruppen und diese wieder in Stämme aufgeteilt sind. Ein Beispiel:

Die ALGOQUIN RITWAN KUTENAI unterteilen sich in

A) Algonquin

Cree Montagnais, Naskipi in der Arktik in Kanada.

Abnaki, Chichahominy, Delaware, Lumbee, Malecite, Massachuset, Mattopony, Micmac, Mohikaner, Nanticoke, Narraganset, Nipmuc, Pamlico, Pamunkey, Passamaquoddy, Pennacook, Penobscot, Pequot, Powhatan, Shawnee, Wampanoag, Wappinger, in den östlichen Wäldern von Neuschottland bis nach den Carolinas.

Illinois, Kickapoo, Menominee, Miami, Ojibwa = Chippewa, Ottawa, Peoria, Patowatomi, Sauk und Fox im mittleren Westen und an den Großen Seen.

Arapaho, Atsina, Blackfoot, Cheyenne, Flachland Cree in den "Great Plains"

B) Ritwan

Wiyot, Yurok in Nordkalifornien

C) Kutenai

Kutenai an der kanadischen Grenze bei Idaho und Montana.

Gerade die unterstrichenen Stämme sind uns allgemein bekannt, aber die Liste zeigt wie groß die Gruppe ist. Bei anderen Stämmen, die wir kennen, wie die Irokesen, Huronen, Sioux, Cherokee, Kiowa und natürlich den Apatchen ist das genauso. Die Vielfalt ist am Anfang erst einmal verwirrend. So sind wir manchmal das "Fliegende (schwimmende) Klassenzimmer". Leider haben viele Stämme nur ihren Namen auf der Landkarte hinterlassen, na ja wenigstens das, denn wir fahren immer wieder durch Gebiete und Flüsse mit indianischen Namen.

Aber Stichwort Fliegen: Gestern habe ich zum ersten mal den neuen Drachen am Ankerplatz gestartet. Als Leine habe ich die große Angel genommen. Die große Seiltrommel war ideal. Der Drache stieg mindestens 200 m in den blauen Himmel, so sehr der Sonne entgegen, daß mir das Wasser aus den Augen lief, vom ins Licht schauen. Aber es machte Spaß. Das Ding fliegt sehr stabil. Nebenher haben wir versucht Blue Crab zu fangen, aber kein Erfolg. Wir sind noch nicht hinter das Geheimnis gekommen, warum sie einmal so gierig auf unsere Köder sind und dann wieder absolut wegbleiben.

Am Samstag hatten wir Richard und Dorothea zum Abendessen eingeladen und es wurde ein netter Abend. Am Sonntag früh gab es dann erst einmal harte Arbeit die Anker herauszubrechen, denn bei 45 Kn Wind gehen sie ganz schön in den Dreck rein. Aber es war kein Problem und wir waren pünktlich fertig, denn die Brücke in Wrightsville öffnet nur zur vollen Stunde. In Swan Point an der Tankstelle, das ist beim New River Inlet, haben wir ca. 400 l Diesel getankt. Der Preis ist mit 32 Pennigen pro Liter der niedrigste der Ostküste und dürfte für Eure Ohren unglaublich klingen. Danach fuhren wir durch einen Teil des Schießgebietes der Marines. Ab morgen ist die Durchfahrt wegen Manövern gesperrt. Am Mittwoch werden an diesem Abschnitt der Küste (Onslow Beach) 30 000 Mann Truppen amphibisch angelandet. Wir hörten viele Marine und Coastguard Fahrzeuge am Funk und die Luft war voller Flugzeuge und Hubschrauber.

In zwei Tagen werden wir bei gutem Wetter in Elizabeth City sein. Mal sehen was wir dieses Mal im Great Dismal Swamp für Tiere sehen. Ich möchte einfach noch einen Bären sehen. An den vielen Schlangen bin ich weniger interessiert.

13.5.92

Es hat gestern abend noch ein Boot neben uns geankert wir kennen es seit Beaufort N.C. und alle waren wir abends mehr als ruhig und konnten so beim Sonnenuntergang die vielen Stimmen der Natur belauschen.

Heute haben wir bei Bear Point im Alligator River geankert und wieder waren viele Stimmen in den Wäldern zu hören. Häuser sind hier weit und breit keine, nur richtiger Urwald. Ein Fischadler horstet gleich hinter uns am Ufer auf einer abgestorbenen Sumpfzypresse. Die Adler rufen unentwegt, während einer brütet. Einige Spechte haben einen "lachenden" Ruf und es müssen mindestens drei sein, die sich antworten. Besonders hübsch sind die Seeschwalben, die sich mit einem Klatsch ins Wasser stürzen und die Kormorane sind die alten Clowns, sie sitzen auf Baumstümpfen, trocknen sich und langweilen sich dabei. Wohl aus Langeweile betrachten sie dann ihre Füße, drehen den Kopf, schaukeln auf den Füßen und zupfen immer irgendwo an sich herum. Es ist wie Däumchendrehen.

Habe gerade eine sehr interessante Sendung in der deutschen Welle gehört. Es ging um den Fernsehkonsum der Kinder. Amerika ist uns da ja auch voraus und alleine die Zahlen sind schon ohne Wertung bedenklich genug. Psychisch deformierte Analphabeten sind der Horrorausblick bei unkontrolliertem Fernsehkonsum!!

Wer jedoch bereits viel weiß, viel liest und sich mit dem Gesehenen intensiv auseinandersetzt, wird zusätzlich noch mehr durch Fernsehen lernen können. Ganz entschieden wurde gegen Fernsehkonsum im Vorschulalter zu Felde gezogen. Es gibt da Untersuchungen, daß Kinder in diesem Alter viele Dinge, wie z.B. Perspektivische Darstellungen, Retroperspektiven, Zeitsprünge usw. einfach noch nicht richtig wahrnehmen können. Das Gesehene führt also zu nicht zu verarbeitenden Verwirrungen. Die so "sinnlos" verschleuderte Zeit fehlt den Kindern beim Einüben notwendiger Verhaltensweisen und beim Einüben von praktischen manuellen Kenntnissen.

Gerade in den Slums von Amerika lassen sich die Auswirkungen bereits heute in der Praxis studieren. Unvermögen und Agression gehen Hand in Hand, diese Leute sind in der modernen Erwerbsgesellschaft nicht oder kaum sinnvoll verwendbar. Siehe Verlauf der Unruhen in den USA. (Ursache oder Auslöser ist eine andere Sache).

Wie wir heute über den Pamlico Sound und in den Pungo River fuhren hatten wir bei totaler Flaute Zeit, Geschichtsbücher zu wälzen und Ereignisse in der europäischen Geschichte mit den Ereignissen in Amerika parallel zu betrachten. Eigentlich muß man bei Amerika auch die Karibik mit einbeziehen. Siege in den Kolonien hatten Auswirkungen auf Europa und Friedensverträge in Europa hatten Auswirkungen auf die Kolonien. Die Kolonialkriege, Indianerkriege und der Siebenjährige Krieg sind eng miteinander verbunden. Ich habe einen interessanten Ausspruch gefunden. "Quebec wird in Schlesien gewonnen!" In Diannes Buch geht es gerade sehr um das Verhältnis englischer und französischer Siedler. Nur die Franzosen wurden von den Indianern Kanadier genannt. Wen wundert da noch das Verhalten der Franco- Kanadier. Die Geschichte ist so oft der Schlüssel zum Verständnis, wenn nicht mit propagandistischen Mitteln die Geschichte im Bewußtsein der Bevölkerung verfälscht wird. Das ist gerade bei den Deutschen mit den Franzosen, Polen, Russen usw. nicht nur bei den NAZIS geschehen. Engländer und Franzosen leiden heute noch an einem gewissen "Mißverstehen", wie wir es oft bei Gesprächen haben anklingen hören.

Jetzt wollte ich gerade an Deck duschen, hatte mir schon das Wasser eingefüllt, Dianne hatte bereits vorher geduscht, da kam plötzlich mehr Wind auf und ich verlor schlagartig die Lust am Wasser plantschen an Deck. Mit Wärme komme ich viel besser zurecht. Und wir haben ja auch eine schöne Dusche unter Deck. Schade ist es nur um das bereits eingefüllte warme Süßwasser.

Heute sind wir sehr vielen Schubverbänden begegnet. So viele haben wir noch nie gesehen und im vergangenen Jahr haben wir oft tagelang keine gesehen. Über Funk haben wir einen Schlepperkapitän über Zielorte und Frachten ausgefragt. Sie verteilen allerlei Fracht von Hochseeschiffen entlang der Küste. Die Leichter, spezielle große Schwimm-"Container" enhalten von Schrauben bis zu Autos und militärischen Gütern alles und werden zu "Schiffen" zusammengekoppelt und von einem "Pusher" (Schubschlepper) geschoben. Etwa 8 Leichter ergeben einen Schubverband. Andere Pusher schieben einen einzigen Tanker, eine typische "Barge", es können aber auch doppelte und Dreifachschuber vorkommen. Das sind riesige Dinger denen man da begegnet. Diese Schwimmcontainer werden auf Spezialschiffen (LASH-Carriern) direkt verladen, der Westen hat nur wenige dieser L eighter A board SH ips, die Russen hatten aus militärischen Gründen viel mehr davon und auch RORO - Frachter(Roll on Roll of). Die München die vor Jahren im Atlantik sank, war so ein Spezialschiff gewesen. Wir sind schon öfters solchen Schiffen begegnet. Ohne Hafenanlagen können so Waren in Binnensysteme weitertransportiert werden.

Gerade habe ich in der deutschen Welle "WISO" gehört, mit Zahlen des Automobilkonzerns Audi. Sie haben 15 Milliarden Umsatz gemacht, den Absatz um 6 % gesteigert, und haben nach Abzug der Steuern lächerliche 370 Millionen Gewinn gemacht. Das entspricht einer Steigerung von 30 % , da könnte doch ein "Metaller" denken 10 % mehr Lohn wären im Vergleich zu 30 % leicht drin, oder ? Aber erstens sind das nur 2,47 % Gewinn und dann müsste man einmal die Lohnsummen vergleichen. Die Gewerkschaften handeln manchmal mit ihren Forderungen wirklich unverantwortlich und wohl auch gegen besseres Wissen. Ich glaube nicht, daß ein Gewerkschafter sein Kapital mit nur 2,47 % Verzinsung anlegen würde.

Jetzt höre ich von der Seligsprechung des Gründers der Organisation "Opus Dei". Da soll ein Erzreaktionär auch noch selig gesprochen werden. Die Katholiken sind nicht mehr zu retten. Erst vor kurzem habe ich einen Artikel über die apokalyptische Entwicklung von AIDS in Afrika gelesen. Ein afrikanischer ERZBISCHOF meinte zu Aufklärungsbemühungen der Regierung bemerken zu müssen: "Wenn sie Euch Kondome anbieten, dann werft sie ihnen ins Gesicht."

Hoffentlich erwischt es ihn und seine Gesinnungsgenossen beim heimlichen Puffbesuch ohne Kondom, dann kann er noch einige Zeit über seine Ansichten vernünftig nachdenken und eventuell zu Einsichten gelangen. Der Mann ist angesichts eines Durchseuchungsgrades von 20 - 30 % ein gemeingefährlicher Verbrecher. Ein Bankräuber ist im Vergleich dazu für eine Gesellschaft harmloser als ein Kropf und betrifft wesentlich weniger Menschen, er schadet "fast" nicht. Nur muslimische Fundamentalisten und der Papst selbst können bei solchen Gedankengängen zu Zeitproblemen mithalten.

Der World Wildlife Fund brachte hier eine gute Reklame: Der nächste bewohnbare "Ort" ist Lichtjahre entfernt und wir verhalten uns als ob wir morgen umziehen könnten!!!!!!!

Das paßt zu so Vielem.

14.5.92

Wir nähern uns Elisabeth City. Es wurde ein strahlender Tag mit blauem Himmel und es ist mehr als angenehm warm. Dabei hatte es mit Nebel angefangen. Wie wir morgens um 6.°° Uhr aufstanden, war dichter Nebel um uns herum. Nur den nahen Urwaldrand sahen wir schemenhaft und wir hörten die Vogelstimmen in der sonst absoluten Stille. Wir frühstückten erst einmal gemütlich, was das auch immer bei mir so heißt und dann hörte ich einen Motor. Wir holten gleich den Anker kurzstag und lauerten auf den kleinen Schlepper der da durch den Nebel kam. Er fuhr mit Radar, wie wir dann auch, aber es ist viel einfacher einen Vordermann als Anhaltspunkt zum Steuern zu haben. Es ging nur um die ersten paar Meilen bis das Wasser auch außerhalb der Fahrrinne genügend tief war, dann ist es "einfach" nach Kompaß und Radar zu steuern. Zwei Marker weiter ankerten auch Boote in einer kleinen tiefen Ausbuchtung neben dem Fahrwasser und ein Boot machte es sofort so wie ich mit dem Schlepper, der für uns schon im Nebel verschwunden war, denn er fuhr schneller als wir. Dann kam die Sonne raus und die Sicht wurde immer besser. Nur der versprochene Wind aus der richtigen Richtung kam nicht auf. Na ja dafür war er vor einigen Tagen aus der falschen Richtung mit 7 Windstärken um so fleißiger. Die Natur foppt die Seeleute schließlich schon seit Jahrtausenden.

Gestern abend vor der Nebel aufkam sahen wir noch ein Ungetüm den Waterway entlangkommen. Zwischen Pamlico und Abermarle Sound ist der Alligator River- Pungo River Kanal. Ein breiter Wasserweg durch Zedern- und Zypressensümpfe. Wir sahen den Widerschein der großen Scheinwerfer schon von weitem und vom Funk wußten wir, daß es ein Saugbagger war. Es war dann aber nicht nur der Bagger, sondern das gesamte weitere schwimmende Gerät, Kräne, Pontons mit Rohren und auf Pontons fest verlegte Rohre, alles war zusammengekuppelt, Schlepper immer wieder dazwischen und freie Schlepper daneben um das Ungetüm um die Ecken zu bugsieren. Die Nacht brummte von den Motoren und es dauerte ganz schön lange bis dieser gut 1 Km lange Lindwurm vorbeigezogen war. Er mußte nachts durch den Kanal gehen, weil gestern soviel Verkehr nach Süden war. Da wir jetzt durch den Dismal Swamp gehen, wo kein kommerzieller Verkehr mehr ist, werden wir dem Ding nicht mehr begegnen, ist auch gut so.

Dianne hat gerade in einigen Zeitschriften geblättert und die Daten für die Großseglerparade in New York gefunden. Die Caravellen werden zum Andenken an Kolumbus auch dort sein. Auch die Gorch Fock ist bereits auf dem Weg dorthin. Wenn wir es schaffen, wollen wir zum 4.Juli auch dort sein. Das ist auch noch der amerikanische Nationalfeiertag, da wird schwer was los sein. Ein ähnliches Zusammentreffen in Norfolk haben wir gerade verpasst, aber alle Termine lassen sich eben nicht halten. Immer wieder kommt etwas dazwischen und dann pfeift der Wind wieder aus allen Knopflöchern und sorgt für weitere Verzögerungen.

Jetzt müsste der Hafen langsam auftauchen und ich werde wohl besser auf die Brücke gehen.

Damit genug für heute, der Brief soll gleich auf die Post, er wird hoffentlich ohne weiteren Streik schnell ankommen. Die Idioten haben doch glatt gegen den Abschluß gestimmt. Die Gewerkschaften sind auf dem besten Wege die vorhandenen Arbeitsplätze wegzustreiken. Unternehmer können auch im Ausland produzieren, umgekehrt geht es nicht. Streiks passen heute ohnehin nicht mehr und im öffentlichen Dienst schon zweimal nicht, denn da ist der Arbeitgeber die Allgemeinheit und die wird auch noch als Geisel für die Erpressung genommen. Für Arbeitgeber besteht das Verbot der Kartellbildung, Preisabsprachen sind verboten und das Bundeskartellamt wacht darüber. Was sind dann abgesprochene Lohnforderungen und auch noch Streiks für ihre Durchsetzung??

Jetzt muß ich aber wirklich Schluß machen,

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Poquoson River, 16.5.92

Liebe Eisenberger!

Vor etwa einer Stunde haben wir hier in diesem Teil der Chesapeake Bay geankert. Es ist wieder ein indianischer Name. Ich habe in meinem letzten Brief an Mutti über die indianischen Namen geschrieben. Bis Elizabeth City werdet Ihr ja den Reiseablauf in Muttis Brief gelesen haben. Wir blieben dieses Mal nur eine Nacht dort, denn der Wetterbericht war günstig und das überwog die Gastfreundlichkeit dieser Stadt. Wir legten morgens um 6.45 Uhr ab und fuhren dann den Pasquotank River hinauf bis zum Great Dismal Swamp. Der Fluß ist zunächst riesig breit, wird dann aber recht schmal und die grünen Baumriesen am Ufer scheinen den Mast zu streifen. Aber das ist nur der Eindruck. Mehrmals saß ein Fischadler hoch über uns in den Bäumen und beobachtete argwöhnisch unseren Kurs. Reiher verschiedener Art konnten wir ebenso oft beobachten. Die vielen Vögel, deren Stimmen wir hörten, konnten wir im Vorbeifahren nicht sehen. Es war wieder eine richtige schöne Urwaldfahrt. In South Mills gingen wir durch die Schleuse, fuhren etwa 2 m hinauf und dann tuckerten wir den Kanal entlang. Am anderen Ende in Deep Creek machten wir vor der Brücke fest, es gibt dort einen guten Kai und konnten im nahen Supermarkt einkaufen. Wir hatten nur etwa 200 m zu gehen. Die Kneipe direkt am Anleger war leider gerade vor 2 Monaten ausgebrannt. Wir haben uns aber etwas anderes Gutes getan. Wir waren ja in Virginia und da gibt es Virginiaschinken. Eine ganze Schweinekeule wäre uns zuviel gewesen, aber es gab auch Teile davon. So kauften wir für nur 12 Dollar den ganzen oberen Hinterschenkel. Fast ohne Fett unter der Schwarte lauter schöner Schinken. Jetzt wird dauernd daran geschnipselt und die Rühreier zum Frühstück haben ordentlich Schinken drin! Der Preis von etwa 4,50 DM pro Kilo ist das Vergnügen doppelt wert.

In Elizabeth City lernten wir Leute vom Nachbarboot kennen, die Frau macht ehrenamtlich Unterricht für Analphabeten in West Virginia. Die USA haben wegen ihres sonderbaren Bildungssystems mehr Analphabeten als manches sogenannte Entwicklungsland. Aber das Schulsystem hat es auch oft nicht ganz einfach. Gestern abend spazierten wir zu einer Recycling Sammelstelle bei einer Schule um unseren diversen Müll loszuwerden und sahen dort große Mobil-"Häuser" auf dem Schulgelände. Ich schaute mir das genauer an und das fiel dem Hausmeister, einem Schwarzen auf. So kamen wir ins Gespräch und wir bekamen von ihm verschiedene dieser mobilen Klassenzimmer gezeigt. Die Schule übernahm wegen eines Programmwechsels viele Sonderschüler und so reichten die normalen Klassenzimmer nicht mehr aus. Die Verwaltung leaste also mobile Klassenzimmer. Jedes "Gebäude" besteht aus 2 Fahrgestellen, die nebeneinander aufgebockt und verschraubt werden. Der entstehende Raum ist so groß, daß er sogar für zwei kleine Klassen unterteilt werden kann. Jede Einheit hat natürlich eine elektrische Klimaanlage. Wir haben uns mit dem Herrn richtig nett unterhalten. Er erzählte viel über das Schulsystem und die Probleme. Disziplin ist offensichtlich ein Hauptproblem und der Einfluß des Fernsehens macht die Schüler zu aggressiv. Sie können zwischen der Fiktion der Fernsehwelt und der realen Umwelt nicht unterscheiden. Autoritäre Eingriffe der Lehrer sind seit der gemischtrassigen Unterrichtung kaum mehr möglich, denn dann würde es heißen, der schwarze Lehrer hat mein Kind, oder die weiße Lehrerin hat mein Kind.......... .

Der Hausmeister erzählte von seiner Schulzeit, wo nur Schwarze auf eine Schwarze Schule und nur Weiße auf eine Weiße Schule gehen durften. Da hat es bei Fehlverhalten einfach einmal gekracht. Und zu Hause noch einmal, das gibt es jetzt nicht mehr, die Schüler bleiben orientierungslos und wenn es grob kommt, wird die Polizei in die Schule geholt. So wird zumindest auf dem Papier der Weg zum Knast vorgezeichnet. Fehlentwicklung einer Gesellschaft!!!

W i r wollen uns bei unangenehmen Dingen nicht mehr selbst und unmittelbar damit auseinander setzen. Wir schieben derartige Dinge ab, oder verdrängen sie. Man hat ja so seine "Heloten". Erst wenn alles sich bis zum unentwirrbaren Ende entwickelt hat, dann wachsen - zu spät - die Einsichten.

An der Schleuse in Deep Creek lernten wir dann einen netten Schleusenwärter kennen. Wir waren das einzige Boot und so wurde unser Plaudern erst durch leichten Regen unterbrochen. Er erzählte unter anderem vom Dismal Swamp und den Tieren darin. Besonders lustig war die Geschichte, wie er im Herbst mit seinem Truck beim Farmer XY am Maisfeld vorbeifuhr und einen "Schwarzen" sah, der Maiskolben auf seine Arme lud, zum Feldrand ging, sich dort hinsetzte und anfing die Kolben zu öffnen und zu essen. Da merkte er erst beim Näherkommen, daß es ein Schwarzbär war, der sich so menschlich verhielt. Ja, ja was den "Schwarzen" so alles in die Schuhe geschoben wird!

Er erzählte uns auch, daß die Walfänger früher bis zum Lake Drummond ruderten, um Frischwasser für die langen Reisen zu holen. Das erstaunte uns sehr, denn das ist alles Moorwasser. Aber ich kann mir vorstellen, daß das Moorwasser länger frisch blieb und vom Geschmack her waren die Seeleute damals sowieso nicht verwöhnt.

Wie wir heute Norfolk verließen und in die dunstige Chesapeake Bay hinausfuhren, kam uns ein Boot entgegen und rief uns am Funk. So wurden wir als Lotsen einfach adoptiert. Wir hatten morgens etwas Regen, es war dunstig und stellenweise wohl auch richtig nebelig. Der Skipper dieses Bootes aus Florida hatte jedenfalls völlig seine Orientierung verloren. Er hatten nicht einmal eine Vorstellung in welche Richtung er fuhr. Wir "nordeten" ihn also erst einmal ein und er beschloß daraufhin uns zu folgen. Er drehte also um 180° herum und ankert jetzt neben uns. Wir haben uns noch nicht gesprochen, er sagte nur etwas von 20 Meilen auf den Ozean hinaus und müde und keine Orientierung und SCHLAFEN nach dem Ankern. Wird wohl morgen nach dem Frühstück alles besser aussehen. 20 Meilen folgte er uns jedenfalls im Kielwasser und ich sagte ihm immer vorher, was wir beabsichtigen, wo wir sind und wo wir hinfahren.

Auf der Fahrt durch den großen Hafen von Norfolk haben wir wieder viele große und kleine Schiffe der "Grauen Dampferlinie" gesehen. Vom Minensucher bis zu Flugzeugträger war alles da. Auch viele Atom U - Boote lagen an den Piers. Die Wirtschaft von Norfolk hängt sehr stark vom Militär ab, da wird es in Zukunft starke Einschnitte geben(müssen).

 

St. Marys City, 18.5.92

Vor 2 Std. haben wir hier an der Steganlage des St. Marys College festgemacht. Es gab einmal eine kleine Stadt hier und es war auch seit der Gründung von Maryland die Hauptstadt des Landes. Da die Hauptstadt aber zu nahe am wilden Virginia lag, wurde bald Annapolis als Hauptstadt am grünen Tisch geplant. Am 25.3.1634 kam Governor Leonhard Calvert mit seiner Gruppe von Kolonisten hier an, kaufte Land von den Yeocomicos, die auf der anderen Seite des Rivers lebten und gründeten eine Siedlung auf der Basis religiöser Toleranz und Freiheit. Nach der Gründung von Annapolis (1695) verging der Ort, obwohl er herrlich liegt und einen guten Hafen abgibt. Aber das gilt für Annapolis auch. Im Jahr 1839 begann das heutige College als "höhere Töchter Schule". Das College liegt einfach Herrlich an den Hohen Ufern des St. Marys River, der 8 Sm lang vom POTOMAC nach Norden abzweigt. Der Fluß macht eine Hufeisenbiegung und genau auf dem Kap steht die kleine Kirche inmitten des alten Friedhofs. Wir sind ein wenig herum spaziert, haben alte Inschriften gelesen und die Tierwelt beobachtet. Es gibt hier ausgesprochen hübsche bunte Vögel, die Namen würden nicht helfen, da wir sie nur in englisch kennen. Sie sind jedenfalls sehr farbenprächtig und nicht sonderlich scheu. Genausowenig scheu waren natürlich die Eichhörnchen, aber auch nicht die Hasen und einige Murmeltiere, an die wir bis auf 5 m herankamen, vor sie sich von der saftigen Uferwiese unter die großen Steine der Uferanschüttung verzogen. Wir wollten eigentlich morgen weiter Richtung Washington, aber es ist so schön hier, daß wir noch einen Tag bleiben. Um die Ecke herum liegt ein Nachbau der "DOVE", die Calvert hierherbrachte. Das zweite Schiff das die Dove begleitete war die "ARK". Am anderen Ufer liegen zwei Herrensitze, typisch englischer Stil und einfach schön von der Lage und Architektur her. Die Gräber derer von Cross Manor haben wir auf dem Friedhof gesehen. Cross Manor liegt auf dieser Seite. Die Herrensitze gegenüber heißen "Carthagena" und "Porto Bello".

Auf unserem kleinen ersten Rundgang haben wir auch das kleine College Postamt gefunden, dort werden wir morgen diesen Brief aufgeben.

Gerade fällt mir noch ein, daß unser "Mitsegler" am ersten Tag neben uns ankerte und mit uns Anker auf ging und im noch leichten Nebel auslief. Er fragte nicht einmal wo wir hinfuhren sondern folgte uns nur vertrauensselig bis zum Ankerplatz in Deltaville, wo er wieder neben uns ankerte. Heute lief er aber schon vor uns aus, weil wir etwas länger liegenblieben. In Deltaville einem netten Bootsbauerort in einer kleinen Seitenbucht mit sehr enger Einfahrt machten wir einen schönen Spaziergang und fanden dabei einen Busch in voller Blüte. Die Blüten sind erst geschlossene Blütenkapseln, die dann nach und nach aufgehen. An einem Blütendolden findet man alle Stadien der zarten weißen Blüten mit rosa Rand. Einige stehen jetzt in einer Vase auf dem Tisch, ein Foto folgt.

Weiter Kapitel 11

 
 
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