Kapitel9
Unser erstes Jahr in der Neuen Welt


 

An Bord Barbados, 31.12.1990

Lieber Sepp, liebe Brigitte,

erst mal recht vielen Dank für Euer Weihnachtspäckchen und die lieben Zeilen. Ich hoffe, Ihr habt inzwischen den großen Brief an Mutti entziffert und Werner wird auch schon da gewesen sein, so seid Ihr also über das Neueste bis zum Einlaufen informiert. Es gefällt uns hier sehr gut. Barbados macht einen gepflegten und guten Eindruck. Alles ist zu haben oder zu bekommen, die Leute sind ein wildes Rassengemisch, nicht unattraktiv - sehr freundlich - und so scheint es uns, auch ehrlich, also keine Probleme - null problemo, würde ALF sagen!

Wir genießen im "Boat Yard" aus einer Werkstatt eines englischen Schweißers entstanden - Rumpunsch unter Palmen und Bananen, die in der Kneipe wachsen. Es gibt dort auch gutes Essen und heute abend werden wir mit Freunden dort feiern. Es gibt ein großes Buffet. In diesem Strandrestaurant treffen sich alles Yachties, die hier liegen, jetzt etwa 60 bis 70. Etwa die Hälfte der Ankerlieger kennen wir, haben sie bereits drüben gekannt oder hier kennengelernt, das geht ja schnell, direkt und problemlos. Gestern habe ich zwei Stunden Videofilm fertiggemacht, jetzt kommt noch etwas Barbados dazu und dann geht's in die Post. Das Wetter ist seit Ankunft etwas unruhig, Boote nach uns hatten auch böses Wetter mit Gewitter und Wind bis 60 Knoten. Gestern haben wir einen Iren aus Arklow, Einhandsegler, kennengelernt. Es war wieder einmal die kleine segelnde Welt. Wir trafen uns an der Bar und er erzählte von seinem Motorproblem. Er habe einen Faryman Motor, den kenne niemand und da sei ein Problem mit dem.... . Ich fragte ihn ob er den liegenden oder den stehenden Zylinder habe, da war er sehr überrascht, daß ich den Motor kannte. Jedenfalls reparierte ich ihn und wir luden den Segler zu uns an Bord zum Abendessen ein. Dort stellte sich dann heraus, daß er der frühere Besitzer vom Bridge Hotel in Arlkow/Irland war, wo immer der Seglerstammtisch war und er brachte auch dem Taucher, der unseren Propeller tauchte, das Tauchen bei. Dann war er noch Crewmitglied des Arklow - Lifeboat gewesen und wie wir unsere Kassette vom Lifeboatchor mit Phil Coulter spielten, musste er heulen, denn es waren seine Kameraden vom Lifeboat, das war mal wieder die kleine große Welt.

Wir wünschen Euch ein gutes Neues Jahr und viel Glück. Der nächste Brief dann im nächsten Jahr.
 
 

(Postkarte Bridgetown) Barbados 01.01.1991

Liebe Mutti,

wir wünschen Dir zum neuen Jahr alles Gute, viel Glück und weiterhin gute Gesundheit. Wir haben gut ins neue Jahr der alten Welt (19.00 Uhr) und der neuen Welt (24.00 Uhr) gefeiert. Von der Insel haben wir noch nicht viel gesehen, denn die ersten Tage vergingen mit Ausruhen, andere Yachten besuchen und waschen. Wir werden uns jetzt aber mit Freunden zusammen ein Auto mieten und die Zucker- und Rum-Insel erkunden. Die Leute sind hier alle sehr freundlich und den Preisen nach, geht es den Leuten auch recht gut.
 
 

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Barbados

Lieber Christian,

vielen Dank für Deine Zeilen. Ja, es stimmt schon, daß wir die gleiche Klaue haben, aber meine ist mehr abgenützt! Comprende?!

Die Fischerei auf dem Atlantik wäre so richtig was für Dich gewesen, deshalb gibt es im Video auch viele Bilder vom Fischfang. Hier sind fast jeden Tag Wasserschildkröten neben dem Boot; so etwa 70 cm bis 1 Meter. Wie geht‘s in der Schule, alles klar, halt nur die Ohren steif, ich hatte in dem Alter auch so meine Phase, ging aber gut zu Ende. Habt Ihr noch Schnee zum Skifahren? Daß Du auch für den DEV (Deutscher Eishockey-Verband) spielst, finde ich toll, bist Du immer noch Nummmer 3, wie Dein Vater?
 
 



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Barbados, 06.01.91

Liebe Allgäuer,

da hier am Samstag und Sonntag keine Post abgeht, habe ich noch Zeit für einen kurzen Brief an Euch alle.

Das Video wird zwar so einiges erzählen, aber manche Sachen kann man nicht filmen, sondern nur erzählen. Die Tage gehen hier schnell vorbei und ständig sind wir beschäftigt, nicht zuletzt mit Bergen von Briefen und Postkarten. Diese Woche habe ich auch einem Iren aus Arklow seinen Motor repariert. Das war eine Überraschung, wie sich herausstellte, daß er zur Crew des Seenotrettungskreuzers dort gehörte und dem Taucher, der damals unseren Propeller heraus holte, das Tauchen gelehrt hatte. So gab es viele gemeinsame Bekannte aus unserer Zeit in Arklow. Aber wir trafen noch mehr Leute per Zufall. Einen Abend machte der Ire - natürlich !! - mit Cliff dem Schweden und anderen Musik im Lokal "Boatyard", da sah ich an der Bar ein Paar, das mir gleich bekannt vorkam. Nachdem mir eingefallen war wer es war, gingen wir hin, es waren Holländer aus Surinam gebürtig, er farbig, sie weiß, die wir zuletzt in Sidi Busaid am Golf von Tunis getroffen hatten. Sie hatten uns ihren Tidenatlas und Seekarten für den englischen Kanal geschenkt. Einmal klopfte es am Boot, es waren Manfred von der Mindedal, den wir in Santa Cruz kennengelernt hatten und sein Mitsegler Ronald . Den hatten wir mit Frau 1986 mal kurz kennengelernt, er war damals am Mitsegeln mit uns interessiert, jetzt war er mit der TO-Yacht "Mindedal" gesegelt. Zur Zeit sind hier 27 Yachten wo wir die Leute kennen. Unter zwei Bier kommt man da nicht durch das Gelände des "Boatyard" hindurch.

Inzwischen kennen wir uns hier schon gut aus und wissen genau wo es was gibt. Barbados ist die am weitesten entwickelte Insel der Karibik und es gibt praktisch alles. So haben wir jetzt auch den "East Caribean Pilot" in drei Bänden gekauft, das sind die beauftragten Weihnachtsgeschenke, vielen herzlichen Dank. Wir werden ihn brauchen können, denn hier gibt es viele Korallenriffe vor der Küste. Barbados ist die einzige Insel, die nicht vulkanischen Ursprungs ist, sie wurde als riesiges Korallenriff auf den atlantischen Rücken hochgehoben. So ist hier alles Kalkgestein, aber zusammengebackenes. Es gibt auch eine Zementfabrik und eine Ziegelei auf der Insel, deshalb ist Bauen relativ billig. Nächste Woche geht die Zuckerrohrernte los. Das wird heute hauptsächlich maschinell gemacht, aber im Radio werden noch Arbeiter für die Ernte gesucht. Wir sahen Pflücker in den Baumwollplantagen, Bilder und Gesichter wie aus "Onkel Toms Hütte". Heute Mittag gab es zum Hähnchen Süßkartoffeln, die schmecken sehr gut, wir werden jetzt dann auch noch Yamswurzeln versuchen. Auf der Insel wächst außer Ananas und Äpfeln praktisch alles. Die Leute haben alle kleine Gärten für den Eigenbedarf, daneben gibt es kleine Höfe und riesige Plantagen mit bis zu mehreren hundert fest angestellten Arbeitern. Es gibt hier einige sehr reiche Familien, aber es scheint auch niemandem schlecht zu gehen. In der Stadt sind alle sehr gut und modisch angezogen und viele sind ausgesprochen hübsch. Unser Taxifahrer hat uns viel Wissenswertes erzählt, er wußte sehr gut über seine Insel Bescheid. Hier gibt es Schulpflicht vom 5. bis 18. Lebensjahr. 98% können Lesen und Schreiben, daß ist wesentlich mehr als in den USA. Es gibt freie Gesundheitsfürsorge und viele, auch kleine Polikliniken sind über die ganze Insel verstreut.

Dianne hatte sich böse die Hand mit Spiritus verbrannt und war im Queen Elisabeth Second Hospital. Sie bekam eine Salbe aufgeschrieben und mußte auf Rat des Arztes viel im Meerwasser schwimmen gehen. Jetzt ist alles schon wieder verheilt und neue Haut darüber. Es war die linke Hand, so war sie nicht sehr gehindert. Nur Waschen und Spülen geht nicht. Es brannte ein wenig in der Kombüse, denn die Spiritusflasche war in der Hand explodiert, ich habe es aber so schnell gelöscht, daß kein Schaden entstand. Dianne sprang außenbords, wenn sie den Topf mit kaltem Wasser vor dem Ofen über die Hand geschüttet hätte, wäre es besser gewesen. Na ja, jetzt ist alles wieder o.k. . Man muß halt vorsichtig sein.

Aber hier auf der Insel hatten mehrere Pech. Bill aus Australien sprang vom Anlegesteg, da unten sein Boot, sein Beiboot kenterte, das seine Frau an Land zu ziehen versuchte und er brach sich dabei den Fuß. Die Frau eines anderen australischen Bootes verletzte sich den Rücken in der Brandung am Steg und am Neujahrstag waren wenigstens vier Skipper mit dem Zerlegen und Reinigen der Außenborder beschäftigt, nachdem ihre Dingis in der Brandung gekentert waren. Der feine Sand geht sofort bis in die Zylinder hinein. Wir haben deshalb Sylvester in nassen Kleidern gefeiert, aber das war kein Problem, bis Mitternacht waren wir trocken und wie wir wieder an Bord kamen, wieder naß. Wenn man nicht den richtigen Moment und eine kleine Welle erwischt, wird man eben naß. Man kann auch außen am Steg festmachen, aber dann haken die Dingis ineinander und das geht nur für kurze Zeit gut. Besser ist es, durch die Brandung an Land. Die Welle sieht zwar nicht hoch aus, aber bis man das Boot durch hat, steht man bis zum Bauch im Wasser. So oft wie ich meinen Geldbeutel gewaschen habe, da darf er nie wieder leer werden. Da gibt es doch in München den Brauch am Marienbrunnen, vielleicht geht das mit Seewasser auch. Aber ich glaube der gute Dollarkurs hilft besser! Hier ist jetzt ja normalerweise Trockenzeit, aber weiß das Wetter was es eigentlich tun soll? Wir haben jeden Tag etwas Regen, meistens nur einen 1-5 Minutenschauer und dann wieder Sonne. Die Schlafsäcke habe ich heute zum Lüften ständig hin und her getragen, oft rentiert es sich gar nicht die Luken zu schließen oder unter Deck zu gehen. Da es warm ist, stört es nicht. Man hat sowieso nicht viel an, was naß werden könnte.

In die Bar kann man auch in der Badehose gehen und barfuß sowieso. Ich glaube bei Eurem Wetter werdet Ihr nicht barfuß auf eine Halbe Bier gehen. Dafür gibt es hier keine Halbe. Nur im Kühlschrank ist eine Halbe Weißbier, bis ich es nicht mehr aushalte, ich meine den Anblick der vollen Dose!

Jetzt habe ich mich gerade mit Wolfgang Kirsten aus Dachau unterhalten, er ist mit seinem Boot in Montevideo in Argentinien, er ist auch TO-Mitglied und wir kennen uns von München her. Auch mit Jochen in Mallorca konnte ich auf der anderen Frequenz sprechen.

Jetzt ist es langsam Zeit ins Beiboot zu steigen um im Boat Yard einen Sundowner zu trinken. Bei Euch ist es schon Zeit ins Bett zu gehen. ......

Sind gerade von Land zurück,(19.30 Uhr), jetzt wird gekocht. Haben noch zwei Boote kennengelernt, das heißt natürlich die Leute darauf.
 
  Bayern aus München, ein Ehepaar und eine Familie mit zwei Kindern. Es gibt auch noch ein anderes deutsches Boot mit drei Kindern an Bord. Ansonsten segeln meistens nur Franzosen mit Kindern. Schweden gibt es hier auch jede Menge. Einer sagte:" Die Regierung ist verrückt und nimmt unser Geld, da nehmen wir lieber unser Geld und sind so verrückt zu Segeln!"

Schweden hat halt den Sozialstaat etwas übertrieben, das lassen sich nicht alle gefallen.

"Bumble Bee" geht morgen nach Sant Lucia, deswegen müssen wir nach dem Essen noch einmal los - nur um die Ecke weiter, nächster Ankerplatz 150 Meter im segelnden Dorf.

Mir fallen auch noch einige Daten ein:

In Barbados leben 696 Menschen pro Quadratkilometer, 1627 erste britische Siedler, Mitte 17. Jahrhundert holländische Zuckerpflanzer aus Brasilien, seit 1966 unabhängig.

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(Karte) Marigo-Bay 13.01.91

Liebe Eisenberger,

letzte Nacht haben wir bei den Pitons in Sufriere geankert.

Der Anker lag noch bei 17 Meter Tiefe, das Boot auf 5-4 Meter und die Leinen waren an den Palmen am Strand fest, unbeschreiblich schön. Die Einheimischen versuchen mit Allem Geld zu verdienen; Festmacherleinen an Land bringen, Müll an Land, Obst und Gemüse ans Boot, Kokosnüsse frisch von der Palme etc. .

Wir haben jeden Tag kräftige Regenschauer, die sind kühler als das Meer, aber die Sonne kommt gleich wieder, so stören sie nicht, ganz im Gegenteil. Heute haben sie das Salz von der Gischt abgewaschen und gestern den feinen Sand vom Strand, den der Wind an Deck geweht hatte. Saint Lucia ist so richtig tropisch, gefällt uns ganz gut, ist aber ärmer als Barbados. Wir bekommen aber alles zu kaufen und auch zu normalen Preisen.

Viele liebe Grüße.

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Postkarte Rodney Bay 17.01.91

Liebe Mutti,

Morgen werden wir von Sant Lucia nach Martinique hinüberfahren. Wir liegen hier in einer Lagune, die nur durch einen Kanal mit dem Meer verbunden ist. Es gibt hier auch eine Marina mit allem Drum und Dran, wir liegen aber vor Anker. Wir haben viele Freunde hier getroffen, die wir zum Teil seit 2 Jahren nicht mehr gesehen haben. So zum Beispiel Fernando und Georgia aus der Dominikanischen Republik, die wir 1988 in Lutra auf Kythnos in Griechenland trafen und die wieder gute Freunde von dem Boot "Taurian" sind, mit denen wir Weihnachtspäckchen im Atlantik tauschten. Sie sind auch hier und so hatten wir gestern einen lustigen Abend, die Familie von "Quick Sticks" dem englischen Katamaran aus Santa Cruz Teneriffa, sind auch hier.

Viele liebe Grüße.

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Postkarte Rodney Bay 17.01.91

Lieber Sepp und Familie,

eigentlich wollten wir schon heute nach Martinique, aber wir treffen zu viele Freunde hier. Außerdem gab es gestern dunkle Wolken mit viel Regen und heute ist auch noch alles voller Wolken. Aber da es warm ist stört das nicht. Wir hatten die letzten Tage auch sehr viel Wind. Wir kreuzten bei sieben Windstärken hierher. Die Lagune von Rodney Bay ist ganz toll, hinter dem Strand rechts im Bild gelegen. Sie ist recht groß, hat eine Marina mit viel Platz zum Ankern auf 2,5 bis 3 Meter Wasser. Die Ankerplätze sind hier alle so eindrucksvoll und schön. Wir haben auch schon direkt an Palmen festgemacht. Heute hören wir dauernd Nachrichten vom Golf. Es mußte ja so kommen, Diktatoren kann man nicht anders stoppen, bei Hitler wurde zu lange gezögert.(Münchener Abkommen!). Man muß den Amerikanern für ihren Mut und ihr Eintreten dankbar sein.

Viele liebe Grüße.

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Martinique 20.01.91

Liebe Eisenberger,

vielen Dank für Euren Brief und die viele Post nach Martinique. Wir kamen vorgestern abend nach einer sehr angenehmen Segelreise hier an. Wir waren erst um 09.30 Uhr von Rodney Bay in Sant Lucia ausgelaufen und hatten dann leichten Wind und auch nur leichten Seegang zwischen den Inseln. Martinique hat aber wegen seiner Größe wesentlich mehr Regen so fuhren wir gleich nach dem Cut in einen dicken Schauer und die Sonne zauberte einen ganz tollen Regenbogen über die Insel, fast ein voller Halbkreis. Wir kamen an einer ganzen Menge von wunderbaren Ankerbuchten vorbei, aber wir mußten ja zuerst nach Fort de France zum Einklarieren. Fort de France liegt in einer ausgedehnten Bucht ca. 5 Seemeilen breit und 8 Seemeilen tief mit unzähligen Seitenbuchten und -armen, die zum Teil so geschützt sind, das sie als Hurrikan sicher gelten. Saint Lucia hatte uns auch sehr gut gefallen. Wir waren ja zuerst unten im Süden in Vieuxfort gelandet, dort baut eine japanische Firma gerade den Hafen neu. Ca. 10 Millionen US-Dollar soll der Neubau kosten. Bisher gab es nur eine einzige lange Pier in der Bucht wo die Bananenjäger anlegen. Wie wir dort waren, kam ein holländisches Kühlschiff herein und lud Bananen. Bereits an den beiden Tagen vorher waren die Farmer, der zum Teil auch kleinen Plantagen, mit 50-100 Kartons Bananen auf einen Pick-Up Car zum Hafen gekommen. Sie fuhren über die Waage in eine an den Seiten offene Halle wo die Kartons dann alle palettiert wurden. Traktoren zogen dann kleine Wägelchen mit den Paletten auf die Pier hinaus wo die grünen Bananen mit den hydraulischen Kränen des Bananenjägers in die Luken geladen wurden. Das Schiff wurde davon nicht voll, es klappert einige solcher Orte ab, bis es nach Europa geht, wo dann erst im Kühlhaus an Land die Temperatur kontrolliert ansteigt und die Banane reift, damit sie gerade gelb auf den Ladentisch kommt. "Onkel Tuca" läßt grüßen.

Einen Tag mieteten wir zusammen mit "Bumble Bee" einen Taxi-Kleinbus. Wir waren 6 Personen und fuhren den ganzen Tag für weniger als 20 DM pro Person. Die Straßen sind auf dieser Insel wegen des vulkanischen Ursprungs sehr steil und gewunden. Wir fuhren an der Westseite der Insel entlang bis zum Vulkan Suffriere und besuchten dort den Drive-In-Krater mit heißen Schwefelquellen. Das Wasser, das aus den Löchern abfließt, ist wegen der vielen Mineralien völlig schwarz und heiß. Der westliche Teil des Kraters fehlt, da floß einmal alles zur Küste hinab, wo der Vulkan die beiden 800-900 Meter hohem, sehr steilen Bergpegel der Pitons stehen ließ. Im Krater wo man zum Teil herumlaufen kann, stinkt es fürchterlich und überall blubbert das heiße Zeug heraus; 80-178°C. Vor zwei Jahren wollte ein Einheimischer einigeTouristen ganz nahe an einen Krater heranführen, da brach er plötzlich durch die brüchige Felsdecke durch und fiel in ein heißes Loch. Die Touristen zogen ihn sofort heraus und er konnte gerade noch gerettet werden. Ein Kraterloch ist trocken, da raucht es einige hundert Grad heiß heraus und tief unten befindet sich flüssiges Lava. Bereits vor Jahren wurden Rohre in die Erde hinunter gebohrt und oben darauf sitzen große Ventile. Man wollte die geothermische Energie nützen. Die Leistung wäre aber nur 5 Megawatt gewesen, so wurde die Turbine nicht installiert. Die Rohre sind jetzt abgerostet und das heiße Wasser läuft so heraus. Würde man ein Ei mitnehmen und es kurz in dieses heiße Wasser hineinhalten wäre es sofort gar. Jetzt werden neue Rohre etwas näher am Meer auf 1200 Meter Tiefe hinuntergebohrt, das soll 20 Megawatt Leistung bringen. Bisher machen sie den Strom mit Dieselgeneratoren. Wir besuchten dann noch einen Tropengarten, wo wir viele schöne Pflanzen und Blüten sahen und auch die ersten Kolibris. Herrliche kleine bunte Vögelchen. Auf dem Rückweg fuhren wir dann eine abenteuerliche Abkürzung über die Berge. So kamen wir durch die kleinen Dörfer der Einheimischen wo noch alles seinen ursprünglichen Gang geht. Da war es dann ein großer Kontrast wie wir in Vieuxfort am Flugplatz rauskamen und dort plötzlich Jumbo-Jets landeten. Zwei Tage später segelten wir dann nach Suffriere-Bay bei den Pitons. Das Ufer fiel unheimlich schnell steil ab und wir warfen den Anker auf 17 Meter Tiefe und machten mit dem Heck an den Palmen fest. Für 5 Caribean-Dollars (1 Caribean-Dollar = 0,57 DM) fuhren die Einheimischen die Leinen an Land zur Palme. So kann man sie auch etwas verdienen lassen und es gibt ja eine praktische Gegenleistung. Aber man muß aufpassen, daß man nicht übers Ohr gehauen wird. Die Amis sind da einfach zu blöd, die rechnen immer in US-Dollar da zahlen sie auch überall damit. Die Einheimischen lassen sich das mit Grinsen natürlich gefallen. So muß man immer deutlich machen East-Caribean-Dollar oder Barbados-Dollar oder US-Dollar und auch in dieser Währung bezahlen, dann wird es billiger. Ich bekam Kokosnüsse zum Trinken frisch von der Palme geholt. Mit der Machete schlägt man die Spitze ab und stößt den Trinkhalm durch die verbleibende dünne Schicht in den mit Saft gefüllten Innenraum. Es gibt natürlich verschiedene Sorten Kokos. Die es bei uns gibt, sind immer völlig hart und haben Fruchtfleisch (Kopra), das ist eine andere Sorte und ein anderer Reifezustand. Wenn man die Nuß kühlt und dem Saft noch einige Spritzer Zutaten und Rum zusetzt, schmeckt er köstlich und gar nicht mehr nach Wasser.

Aber weil wir gerade bei den leiblichen Genüssen sind, heute gab es Kaninchen aus Rotchina und Jamswurzeln. Auch Süßkartoffeln haben wir bereits gegessen und Papaya etc. (z.B. Christophins). Wir werden diese Früchte im nächsten Video vorführen, nur den Geschmack können wir nicht rüberschicken.

Jetzt ist es einige Stunden später und wir haben einen stundenlangen Marsch auf dem Hügel westlich der Stadt hinter uns. Es war glühend heiß und wir gerieten in eine Reihe von Sackgassen, aber wir waren auf der Suche nach den besten Blicken auf die Stadt und die Bucht. Danach haben wir erstmal den Kühlschrank auf minus 20°C Grad gebracht und eine große Flasche Rumpunsch gemixt und kühl gestellt. Zum Sundowner kamen dann Wes und Sandy an Bord, sie sind von dem amerikanischen Boot "Wings", das wir zuletzt im Longres/ Frankreich vor dem Tunnel an der Wasserscheide auf Gegenkurs getroffen hatten. Wir hatten aber zwischenzeitlich über Funk Kontakt. So treffen wir immer wieder Bekannte und Freunde. In Rodneybay trafen Fernando und Georgia, die wir seit Kythnos/GR nicht mehr gesehen hatten und sie waren wieder Freunde von Maria und Josè von "Taurian" die wir mitten auf dem Atlantik trafen. Beim Einlaufen in Rodneybay wurde gerade das Boot "Majoe" gekrant, die hatten wir in Dunmore Irland kennengelernt. Es ist fast unglaublich wie viele Leute wir ständig wieder treffen. Wenn man sich mit Einladungen und Gegeneinladungen aufhalten würde, kämen wir nirgendwo weiter.

Heute früh wollten wir eigentlich auf die andere Seite der Bucht segeln zum Baden und Schnorcheln. Aber der Tag begann mit viel Regen und grauen Wolken. So entschieden wir uns für Briefe schreiben und mittags groß kochen. Das war aber falsch, der heutige Tag wurde schöner als viele andere zuvor. So kam es, daß wir statt Schwimmen, schweißtreibend an Land spazierten. Das war allerdings auch recht schön, denn wir sahen die unterschiedlichsten Dinge. Zuerst wanderten wir entlang der Uferstraße und sahen von der Festung unter Palmen eine Gruppe Menschen und immer drei Personen in Weiß gekleidet im Wasser. Es stellte sich heraus, es waren Tauffeiern von Baptisten.

Sie sangen dazu und es war ein recht buntes grelles Bild. Dann spazierten wir durch den Stadtpark und filmten alle Sorten von Palmen. Es gibt ja derart viele Arten und Formen. Die Wohngebiete, die wir dann sahen, sind auch so verschieden. Tollste Villen mit Blick auf die weite Bucht oder zur Karibik hin und schlichte kleine Häuser nach Osten hin am Steilhang. Dort pulsierte aber das meiste Leben, wo heute aber generell nichts passierte, denn am Sonntag ist alles total ausgestorben. Morgen wird alles wieder richtig tropisch pulsieren.

Zur Zeit hören wir natürlich viel Nachrichten und es regt mich auf, wie die Deutschen wieder tüchtig demonstrieren. Zu viel Leute sind von den Realitäten einfach zu weit weg und haben keinerlei historisches oder militärisches Wissen. Ganz schlimm wird es, wenn auch noch politisch agiert wird und das Problem nur als Vehikel gilt. Da stören die dritte militärische Besetzung Litauens oder die Greuel in Kuwait nicht, Hauptsache man kann gegen die USA demonstrieren. Es sind einfach immer noch viele Leute am Werk, die früher direkt oder indirekt vom MfS aus Ostberlin gesteuert wurden. Ich empfinde gegen die Linken (Sozialisten, Kommunisten, Pazifisten etc.) immer mehr Zorn. Wieviel Leid und Probleme haben diese Leute zu verantworten, aber sie gelten bei manchen immer noch als hoffähig. Jahrzehnte lang garantierten Natosoldaten aus vielen Ländern unsere Sicherheit und jetzt, wo die Völkergemeinschaft sich einmal beweisen sollte oder kann, da finden gerade die Deutschen ständig ein Haar in der Suppe. Es ging ihnen scheinbar zu lange zu gut, das verstellt den Blick auf die Realitäten. Ich kann mit einigen Leuten und ihren Argumenten einfach nicht mehr zurechtkommen. Wir haben in letzter Zeit natürlich viel und auch kontrovers diskutiert. Habe vor lauter Wut gestern Briefe an die Deutsche Welle und die US-Botschaft in Bonn geschrieben. Den Menschen am Golf gilt jedenfalls im Moment mein ganzes Mitgefühl. Dabei Hut ab vor den Alliierten Truppen. Es gäbe noch viel dazu zu sagen, aber was soll ich per Brief Euch den Kopf davon vollmachen.

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Karte 20.01.91

Liebe Mutti,

vielen Dank für Deine beiden Briefe, die wir hier erhalten haben. In nächster Zeit werde ich wieder mehr Karten schreiben, das geht schneller so zwischendurch, denn seit Barbados erledigen wir Berge von Post. Gestern haben wir einen großen Spaziergang durch Fort de France gemacht. Hier ist echt Frankreich! Alles tadellos und gut organisiert. Schöne Geschäfte mit gutem Angebot. Unabhängigkeit lohnt sich nicht immer, zumal die lokalen Dinge ja hier entschieden werden. (Louis Delgree) war im letzten Jahrhundert französischer Kabinettminister und er setzte die Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien durch. Vor dem Justizpalast steht sein großes Standbild. Im Stadtpark steht ein Standbild von Josefine und heute wollen wir auf die andere Seite der Bucht, wo sie geboren wurde. Man kann Napoleon schon verstehen, denn es gibt hier ausgesprochen hübsche bis schöne Frauen! Sie sind hier auch alle sehr elegant gekleidet, da hier halt mehr Wohlstand ist. Wegen der vielen Erdbeben und Großfeuer gibt es nur sehr wenige sehr alte Bauten. Die Kirchen sind hier meist Stahlkonstruktionen aus dem vorigen Jahrhundert, ganz anders gebaut. Nur die Türme sehen hier aus wie in Europa. Heute früh auch großes Glockengeläute vom Dom.

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Anse de Arlan 22.01.91

Lieber Sepp, liebe Brigitte,

wir sind heute von Fort de France in die einsame gegenüberliegende Bucht gesegelt. Dies ist ein herrlicher kleiner Fleck hier und eigentlich könnten wir hier unter Palmen glücklich sein: Wenn nicht die Nachrichten wären, und wir haben hier zum erstenmal seit zwei bis drei Monaten eine deutsche Zeitung bekommen. Das was darin zu lesen ist, kann mich nur im höchsten Maße aufregen. Zur Zeit ist kein Grund, als Deutscher stolz zu sein, das war ich eigentlich immer gerne. Die Vorstellung, daß Soldaten anderer europäischen Nationen ihr Leben aufs Spiel setzen und in Deutschland demonstrieren dumme fehlgeleitete Kinder (fehlgeleitet von linkslastigen Lehrern), Friedensgruppen und andere Aktivisten, die stets ein gebrochenes Verhältnis zum Staat hatten, gegen den Krieg am Golf, macht mich fertig. Meine Vorstellung über Staat, Gesellschaft, Verantwortung dafür, Solidarität und Loyalität, ist grundsätzlich anders. Seit 1945 haben andere Nationen unsere Sicherheit und unser Wohlergehen garantiert und nicht wenige Menschen haben dafür viel Erschwernisse in Kauf genommen oder nehmen müssen und jetzt könnten wir uns einmal dessen würdig zeigen, aber nein wir demonstrieren. Den Deutschen oder zumindest sehr vielen ist wohl der Realitätssinn gründlich abhanden gekommen oder einige hatten ihn nie bzw. andere handelten immer gegen besseres Wissen und wollten eigentlich ganz andere Ziele erreichen. Die alten Seilschaften der Linken, gesteuert vom MfS. Was ich immer schon dienstlich wußte, wird so langsam für jeden klar erkennbar. Wir sind so weit weg, aber was jeder dringend erkennen müßte ist, daß jeder von derartigen Dingen betroffen ist. Wenn solche Diktatoren der Welt ihren Willen und ihre Verbrechen aufzwingen wollen, gibt es niemanden, der sich mit Worten und schönen Reden raushalten kann. Dann ist man betroffen und zwar wegen des Handelns des Verbrechers und nicht wegen der Reaktion darauf. Man darf nie Ursache und Wirkung verwechseln. Man soll stets friedliche Mittel zur Konfliktlösung verwenden, aber das geht nur, wenn der Partner die gleichen Prinzipien anerkennt. Ist das nicht so, kann man den Teufel nur mit Beelzebub austreiben. Das ist eine Lehre der Geschichte. Die Deutschen als Nachfahren Hitlerdeutschlands müßten das vor allen anderen begreifen. Leider tun sie es nicht. Ich hoffe, daß ich mit diesem Brief Euch nicht auf den Wecker falle, aber das Problem trifft mich nun einmal. Wir diskutieren hier viel über dieses Thema und unsere Freunde von der Bumble Bee sind Pazifisten, da geht die Diskussion natürlich recht scharf ran. Aber die meisten Leute haben zu viel Meinung und zu wenig Kenntnis über Fachprobleme und Geschichte. Oft und oft nehme ich zu Diskussionen die alten Damals Zeitschriften von Mutti zu Hilfe. Es gibt kein Problem, das nicht schon einmal in der Geschichte gewesen wäre. Man muß nur die Parallelen erkennen.

Da heutzutage vor allem viele Kinder in Schulen demonstrieren, habe ich eine Bitte an Euch. Erklärt bitte den Kindern, auch in Oberdeusch, warum so eine Reaktion am Golf absolut nötig ist. Sicher gab es in der Geschichte der UNO auch viele Ungereimtheiten, aber das lag an der Paralysierung der Welt durch die Welt des real existierenden Sozialismus. Marx und alle seine Jünger inklusive der noch in Deutschland und sonstwo lebenden, haben unglaublich viel Schuld am Leid in der Welt auf sich geladen. Es gibt viele schöne Träume von einer Gewalt- und konfliktfrei funktionierenden Welt, leider sind die Realitäten anderen Mechanismen unterworfen und folgen nicht den Träumen. Man kann also nur versuchen Realist zu sein und persönlich fair und gerecht zu bleiben. Ein demokratischer Staat ist nur die Summe der demokratischen Einstellung seiner Bürger. Und die Politiker sind nur die Repräsentanten zu denen wir sie machen. Setzt Euch bitte mit den Kindern darüber auseinander, denn in den Schulen sind sie vielen nicht geraden staatstragenden Einflüssen ausgesetzt.

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Postkarte Fort de France, 28.01.91

Liebe Mutti,

zu Deinem Geburtstag wünschen wir Dir alles Gute, viel Glück und Gesundheit. Symbolisch dazu diesen Früchtekorb tropischer Köstlichkeiten. Da Du da aber nicht hineinbeißen kannst, möge Dir Brigitte bitte Das Buch von Thor Heyerdal besorgen "Wege über das Meer" Goldmann Nr. 8977. Dianne liest das Buch gerade mit viel Interesse. Morgen werden wir nach Dominica segeln. Heute waren wir in Saint Piere, wo 1902 der Mont Pelé die Stadt mit allen dreißigtausend Bewohnern zerstörte. Nur ein Gefangener in einer Zelle überlebte. Damals wurden Gefängnisse auch noch ordentlich gebaut.

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Karte aus Antigua

Liebe Mutti,

Da Du erst einen Brief bekommen hast, und ich die Karte links nicht beschreiben möchte, nur eine kurze Karte. Wir haben heute einen Filmstreifzug über Nelsons Dockyard gemacht. Es ist eine historisch sehr interessante Marinewerft und jetzt schön restauriert und gut benützt. Habe mir heute ein kleines Büchlein über die lokale Geschichte gekauft. Es gibt hier sehr auf den Inseln viele lokale Geschichte zu sehen. Zum Teil gut erhalten, zum Teil vom Dschungel überwuchert. Einige Bücher von Hornblower spielen ja hier. Muß mir jetzt auch einmal die Bücher von Käpt’n Bolito besorgen, die sind so ähnlich, hier kann man sich die Geschichte beim Lesen aber besser vorstellen. Hier ist ein Stelldichein von Millionärsyachten, eine größer als die andere, bis zu 350 Tonnen. Da sind wir mit unseren 16 Tonnen so richtig klein.

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Karte Dominica
Boiling Lake
1.2.91

Liebe Mutti,

Nach einer recht rauhen Überfahrt kamen wir hierher in Dominica an. Am Ankerplatz waren noch Schweden und Japaner und mit diesen zusammen mieteten wir einen Kleinbus für eine Inselrundfahrt. Die Insel ist voller Naturschönheiten und auch sehr ursprünglich. die hohen Berge sind voll Regenwald und wir hatten ein vorbereitetes Lunch mit Drinks dabei und machten Picknick im tropischen Urwald. Es gibt hier viele Wasserfälle und auch vulkanische Aktivitäten wie diesen kochenden See. Gestern fuhren wir einen Dschungelfluß hinauf und sahen viele Kolibris. Morgen wollen wir zu den Isles des Saintes vor Guadelupe segeln. Wir könnten überall länger bleiben, weil es überall so schön ist. Dabei ist jede Insel wieder anders.

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Postkarte
Port Smith, 1.2.91

Lieber Sepp und Familie,

wir sitzen gerade am langen Strand aus dunklem Sand unter Palmen im "purple turtle" - der rosa Schildkröte, genau vor dem Ankerplatz. Vor zwei Tagen waren wir oben in den Bergen im Regenwald bei diesem Wasserfall. Die Urwälder hier sind sehr sehenswert. Gestern fuhren wir mit einem Einheimischen in einem Ruderboot den Indian River hinauf. Ein richtiger Urwaldfluß, oben völlig zugewachsen, so gibt die Sonne, wo sie durchkommt, schöne Lichterspiele. Die Überfahrt von Martinique nach Dominica war sehr rauh. Ständig 20 bis 30 Knoten und mehr. Das viele Salz wurde in Dominica aber schnell abgewaschen, denn wegen der hohen Berge gibt es in Lee sehr viel Regen. Das Klima ist aber trotzdem sehr angenehm. Wasser in den kristallklaren Buchten heute früh 27 ° Celsius. Ich war so früh aber noch nicht drin, dafür sitzen wir jetzt schon zweieinhalb Stunden hier unter dem Baum des Müßiggangs, haben den Bruder der Besitzerin eben getroffen und uns nett über die Insel und die Welt unterhalten. Der Bruder lebt normalerweise in London und kommt nur zu Besuch auf seine Heimatinsel zurück. Die Einheimischen sind immer wieder sehr nett, freundlich und kontaktfreudig und so saßen wir zusammen bis seine Schwester ihn zum Essen rief. Jetzt werden wir noch zur Festung auf der Halbinsel westlich vom Ankerplatz gehen und dann zum ausklarieren. Heute abend werden wir hier am Strand im Restaurant zu Abend essen.

Iles des Saintes, 2.1.91

Liebe Mutti,

eigentlich wollte ich gestern noch aus Dominica schreiben, aber es ging dann zeitlich mit zur-Post-gehen etc. nicht mehr aus und so gab es nur eine Karte. Aus Dominica wollte ich schreiben, weil es uns dort so gut gefallen hat. Die Insel wurde auch bereits von Kolumbus 1493 entdeckt, wo er an einem Sonntag (= Dominica) an der Insel entlangsegelte. Da die Insel überall sehr steil ist, es gibt nur im Norden zwei durch eine Halbinsel getrennt Buchten, wo es flach genug zum Ankern ist, landete er damals noch nicht. Nach vielen Besitzwechseln und heftigen Kämpfen mit den eingeborenen Kariben, kamen England und Frankreich 1748 überein, die Insel zu neutralisieren und den Kariben zu überlassen. Der Vertrag wurde aber bereits 1795 gebrochen und so blieb die Insel bis 1967 britisch. Bereits 1903 wurde aber ein Teil der Insel den überlebenden Kariben als Reservat überlassen. Dort leben zur Zeit etwa 2.000 Kariben, die aber nur zum Teil noch reinrassig sind, denn nur Frauen müssen das Reservat verlassen, wenn sie einen Fremden heiraten, Männer können auch andere Rassen zur Frau nehmen und ins Reservat bringen. Es sprechen auch nur noch wenige Kariben die Ursprache Arawak. Die Insel ist relativ arm, hat kaum Industrie und die Infrastruktur für den Export der Früchte aus der Landwirtschaft ist nicht sehr gut entwickelt. Einmalig ist aber die Natur dieser hohen, vom Regenwald bedeckten Insel. Flüsse, Wasserfälle, heiße und kalte Kraterseen, Schwefelquellen, kurzum jede Menge reiche Fauna und Flora. So gibt es hier einige Tiere, die sonst selten sind oder nicht vorkommen. Boa Constrictor, kleine grüne Schlangen, eine lief ausgerechnet mir über den Weg (fast über die Füße), Lizzards genannte kleine Iguane bis 10 cm, die den roten Kehlsack aufblasen, Mr. Crapaud - ein 40 cm großer Riesenfrosch (er wird gegessen und ist sehr delikat = Mountain Chicken), Agouti, Manicous (beide etwa hasengroß), Riesenkrabben im Süßwasser, Wildschweine, Kolibris, Fregattvögel, und so weiter und so weiter, gegessen wird alles und die Küche Dominicas, die auch viele Früchte und Gemüse zum Kochen verwendet, ist äußerst wohlschmeckend. Brigitte hätte natürlich an den "Berghühnchen" und Iguanen keinen Geschmack. Es gibt auch Einsiedlerkrebse, die durch die Wälder laufen, jeweils ein Schneckenhaus bis faustgroß als Hütte auf dem Rücken. Wir streiften viel herum und waren einfach begeistert. Gestern spazierten wir noch durch den Cabrits- Nationalpark. Das ist ein Trockenwald auf der Halbinsel bei der Prince-Ruppert-Bay, wo wir ankerten. Dort war einmal eine sehr große Festungsanlage, die jetzt fast völlig vom Urwald überwuchert ist. Aber es gibt noch viel zu sehen und das Hauptfort Fort Shirley ist noch recht gut erhalten und ist vom Rasen auf und um die Wälle umgeben. Von einer Bastion sieht man heute gar nicht mehr bis aufs Meer hinaus, so sind die Kanonen und Wälle überwuchert. Zu einem Ausguck über die Klippen mußten wir uns richtig durch die Büsche schlagen.

Abends saßen wir dann in einem netten kleinen Restaurant am Strand, wo wir zum Abendessen die einzigen Gäste waren. Außer uns wurden die Kinder der Hausfrau an je einen Tisch separat gesetzt, damit sie beim Essen keinen Unfug machten (ein Bub, 2 Mädchen 5-7 Jahre) dazwischen zwei Hunde, die von Tisch zu Tisch bettelnd pendelten und jeden von uns fünf treuherzig in die Augen (auf den Mund) schauten. Danach schoben wir unser Beiboot unter den Palmen über den schwarzen Vulkansand ins Wasser und fuhren im Mondschein zum Ankerplatz zurück.

Heute früh vor dem Auslaufen bekamen wir dann überraschend von einem deutsch-amerikanischen Paar von einer anderen Yacht (USA) Besuch. Wir hatten uns zuletzt in der Türkei getroffen. So klein ist die Welt. Schweizer, mit denen wir in Porto Santo (Madeira) waren, und ein Engländer, den wir aus Irland kennen, trafen wir auch wieder. Wie wir hier in den Iles einliefen - fünf Seemeilen südlich Guadelupe - wurde uns gleich von einem vorbeirudernden Beiboot aus zugewunken und wir wurden mit Vornamen begrüßt. Wir mußten erst schauen, zu welchem Boot sie ruderten, damit wir sie wieder richtig einordnen konnten. Wir kennen langsam so viele Leute, daß wir schon durcheinander kommen. Hier die Iles sind wieder ganz anders. Nur Weiße, keine Landwirtschaft, nur Fischer und Touristen. Letztere gab es früher nicht und ohne Plantagen gab es auch keine Sklaven hier, daher nur Weiße, die höchstens eine Idee brauner sind als die bretonischen Fischer, von denen sie abstammen. Auf zwei der Inseln sind große Forts. Fort Napoléon, das wir morgen besichtigen werden, und Fort Josefine auf der Insel gegenüber von der Bucht. 1.600 Einwohner auf allen Inselchen.

Westküste Guadelupe, 4.2.91

Lieber Sepp, liebe Brigitte, liebe Kinder,

so, jetzt habe ich Euch so viel geschrieben, daß mein heißgeliebter schwarzer Stift seinen Geist aufgab. Aber es gibt noch mehr schwarze Kulis an Bord. Also weiter im Text. Heute ist ein ganz traumhafter Tag, das war nach dem wolkenverhangenen regnerischen Tagen auch notwendig. Heute nacht hat es am Ankerplatz in Bastierre so geblasen, daß ich um drei Uhr Kette gesteckt habe, aber das blies die Wolken nach Panama, und "da haben wir kein Heu" Anm.*). Wir sind von Dominica, dieser herrlichen Naturinsel, erst zu den Isles des Saintes gesegelt und haben uns da etwas vollregnen lassen. Aber das klingt in der Karibik schlimmer als es ist, die Schauer sind kurz und heftig, aber der Himmel war halt nicht blau und das sollte er in der Karibik eben sein, denkt der durchfrorene Mitteleuropäer. Wir sind nach unserer Ankunft nur kurz durch den Ort der Hauptinsel spaziert und gingen erst gestern richtig an Land zum Sightseeing. Die Inseln sind alle sehr klein, es leben dort nur 1.600 Menschen und so führte uns der kurze Spaziergang zum Fort Napoléon. Das heutige Fort war erst 1864 gebaut worden und ist daher noch gut erhalten. Nicht so wie Fort Shirley auf den Cabrit Hights in der Prince Ruppert Bay in Dominica, dort zerstört der Dschungel die Festungsanlagen und wir haben so richtig Entdecker gespielt und die Bastion im Wald aufgespürt. In den Wäldern des Cabrits Nationalparks gibt es auch die Boa Constrictor, die wir aber nicht zu sehen bekamen nur jede Menge andere Tiere. Aber ich wollte ja von Fort Napoléon erzählen. Bis 1945 war dort noch ein Gefängnis für "Politische". Jetzt hat eine Gruppe junger Franzosen das Fort übernommen, es etwas restauriert, auf den Wällen einen Kakteengarten angelegt, eine Ausstellung für moderne Kunst eingerichtet und im ersten Stock der Festungsräume ein Museum eingerichtet. Ganz nett und interessant gemacht und man hat einen ganz einmaligen Blick auf die Bucht herunter, wo gerade der Fünfmaster Club Med 1 ankerte. Wir haben die Führung in der Festung mit einer Gruppe der Passagiere gemacht. Die Gruppenführerin war nett und attraktiv, aber die Leute einfach schrecklich. Tattrige dicke oder wacklige dünne Männer und goldbehangene halbausgezogene oder schlechtangezogene ordinäre reiche Weiber, da sind mir die Mischlinge in den Straßen von Bastierre schon lieber, da müßte man den Kopf oft drehbar auf Kugellager haben. Nach dem historischen Teil der Insel kam das Mittagessen, Geburtstagsessen für Dianne und dann liefen wir mit gutem Wind aus nach Basterre, wo wir bei der Marina vor dem Fort Charles aus dem 17. Jahrhundert ankerten. Heute früh spazierten wir dann los, um dieses Fort zu besuchen. Fort Charles, das nach seinem Kommandanten Louis Delgree benannt ist, der einen Aufruf gegen die Sklaverei startete, wechselte oft den Besitzer (englisch/französisch) wurde öfters zerstört und unter verschiedenen Namen wieder aufgebaut. Am 27.1.1667 wurde jedenfalls das erste Fort an dieser Stelle gebaut. Von 1810 bis 1816 war das Fort zunächst britisch und hieß Fort Mathilde. Die Besichtigung des Fort wurde zur doppelt Überraschung. Schon auf dem Weg dorthin sahen wir von der Brücke über die Schlucht vor der Festung einen Iguan im Baum in der Sonne, ca.1 m lang. In der Festung, auf den Wällen, Mauern und Bäumen wimmelte es dann aber nur so von grauen und grünen Iguanas. Richtige kleine Drachen wie auf den Galapagos nur nicht so zahm, denn sie werden wie auf Dominica gerne gejagt und gegessen. Sie sind tolle Kletterer in den Mauern und den Bäumen, nur einige sind beim Sprung von Ast zu Ast etwas tiefer als geplant gefallen - sah zumindest so aus. Habe jedenfalls aus nächster Nähe jede Menge gefilmt. Das Fort war recht groß, sehr interessant, toll gelegen aber die zweite Überraschung war in der alten Pulverkammer mit meterdicken Wänden. Dort ist eine seismologische Station zur Überwachung des Vulkans Sufriere (gleich hinter Basterre 1.400 m). Er ist am 14.9.1976 zuletzt ausgebrochen. Er ist immer noch ein wenig aktiv. Wir gingen in die ehemalige Pulverkammer hinein und unterhielten uns mit einem Geologen, wir durften aber wegen der gegenwärtigen Sicherheitsauflagen nicht filmen und bekamen mit Bedauern auch nichts gezeigt. So sahen wir nur die Kurven aus den Computern kommen wo alle Erschütterungen genau aufgezeichnet und gemessen werden. Sah sehr interessant aus die hochmoderne Technik in der alten Pulverkammer. Wie wir anschließend in die Stadt gingen, war im Gymnasium gerade Schulschluß. Es ging zu wie überall auf der Welt, nur etwas lauter und bunter. Nach unserer Rückkehr an Bord gingen wir Anker auf und sind jetzt gerade zu den ???? -Islands unterwegs, dort gibt es den Cousteau-Unterwassernationalpark, wo wir in der nahen Bucht auf Guadelupe ankern wollen und mit dem Dingi zu den Tauchgründen um die beiden winzigen Inseln fahren wollen. Dianne hat zum Geburtstag eine neue Taucherbrille bekommen und die muß jetzt ausprobiert werden. Wir sind jetzt gleich da, am Horizont ist auch schon die hohe Insel Montserat zu sehen und ich muß auf die "Brücke". Zur Zeit sitze ich im schattigen Salon bei Cola und Rum aus Martinique.

Anm.*) Auspruch meines Vaters: Meine Mutter wollte ihn bei der Heuernte zur Eile treiben und sagte:"Schau am Breitenberg regnet es bereits." Die ruhige Antwort: "Dort haben wir kein Heu."

Mont Bay, 5.3.1991

Postkarte mit Motiv Sandy Island

Reif für die Insel?

Liebe Eisenberger,

wir haben unsere Insel gleich vor dem Ankerplatz gefunden. Das Wasser ist hier so klar, daß es alles übertrifft, was wir bisher gesehen haben. Wir sind gerade von einem Spaziergang über die sehr flache Insel zurückgekommen. Anguilla ist ein längliches flaches Plateau mit Steilküsten, sandigen geschützten Buchten und jeder Menge Korallenriffe. Es gibt hier nur 8.000 Menschen, die sehr nett und freundlich sind und jede Menge Ziegen und Schafe, die aber auch aussehen wie Ziegen. Heute früh haben wir lang mit Werner über Funk telefoniert. Die Bucht hier ist ganz toll. Feinster weißer Sand, wenig Boote, alles ruhig, Pelikane tauchen neben dem Boot, Fregattvögel und fischende Möwen jede Menge. Bunte Fische gleich an den Felsen am Rand der Bucht, einige mit sonderbaren Farben und Formen. Unter den Palmen am Strand einige gemütliche Bars und Restaurants. Die anderen sind gleich nach Rückkehr zum Schwimmen. Ich schreibe erst, trinke ein Bier und stürze mich dann ins kalte Wasser. Seit über einer Woche bläst der Wind recht hart, das ist ungewöhnlich, aber wir haben der Natur vielleicht schon zuviel zugemutet. Wenn’s flauer wird, segeln wir in die Virgin Islands hinüber. Im Moment fehlt uns hier absolut nichts! Morgen werden wir zum Schnorcheln zum Riff bei Sandy Island fahren. Das Wasser ist hier so klar, daß der Grund bei über zehn Meter Tiefe bereits gut zu sehen ist. Wir ankern auf nur drei Meter und es sieht aus, als ob wir in einem smaragdgrünen Sand stecken würden. Die Schwimmer rufen nach mir, sollen die den Rest schreiben...

Dianne schreibt weiter:

Diese Karte wird der Wasserfarbe nicht gerecht, die wirklich türkisblau ist, absolut unglaublich. Hoffentlich kommt es auf dem Video gut heraus. Heinz und Uli haben ihre Winterblässe schon abgelegt. Diese Insel wäre doch was für Martina oder? Viele liebe Grüße an alle von Dianne, Karl, Uli und Heinz

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Postkarte Virgin Corda, 8.3.91

Liebe Mutti,

heute nacht um 5 Uhr sind wir in Virgin Corda angekommen. wir hatten eine schöne Tag/Nachtüberfahrt von 19 Stunden. Die Tage in Anguilla waren mal wieder wunderschön, aber hier scheint es fast noch schöner zu sein. Wir ankern alleine vor einem Sandstrand mit Palmen, eingerahmt von riesigen Findlingen aus einem Vulkanausbruch in grauer Vorzeit. Hatten den ganzen Strand für uns alleine. Jetzt geht gerade die Sonne ganz rotgolden unter. Die karibischen Inseln sind einfach traumhaft schön.

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KarteValley Trunk Bay, Virgin Corda, 8.3.91

Liebe Eisenberger,

gestern und heute nacht sind wir bei schönem Wind und gutem Wetter von Anguilla in die Virgin Islands gesegelt. Um fünf Uhr ankerten wir vor dem Riff, nachdem wir mit Radar durch die vielen Inselchen und Riffe auf die Westseite von Virgin Corda gesegelt waren. Heute einklarieren, einkaufen, essen und dann hierher in unsere Traumbucht, die wir für uns haben. Heinz und Uli waren mit mir gerade am völlig leeren Strand mit Palmen, Sandstrand und riesigen Vulkanfelsen. In Sandy Island haben wir beim Schnorcheln die Fische und Korallen so klar wie auf dem Foto gesehen. Die Vielfalt der Natur ist überwältigend. Fischfang immer noch schlecht. Haben Fisch beim Fischer gekauft. Red Snapper. Heute gibt es Thunfisch aus dem Gefrierfach. Dianne schläft schon den ganzen Nachmittag. Zuviel Wache heute nacht.

P.S. Habe gerade entdeckt, daß direkt unter dem Boot auch jede Menge Korallen wachsen.

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Postkartenbrief vom 8.3.91

Erste Karte

Diese Postkarten sind in der Reihenfolge unserer letzten Ankerplätze, wo wir ein bis zwei Tage verbrachten. Bei diesem Foto ankerten wir etwas weiter links im Bild, wo der Sandstrand länger und palmenbesäumt ist. Ansonsten exakt dem Foto entsprechend. Wir hatten die 500 Meter Strand alleine, da waren zwei Tage schnell mit Tauchen, Schwimmen und Genießen vergangen. Das Wasser war herrlich klar und so machten wir auch Videoaufnahmen unter Wasser. Diese großen Steine liegen zum Teil auch unter Wasser und sind von Korallen überwachsen. Der helle Sand dazwischen gibt reflektierendes Licht und so wirkt die ganze Unterwasserwelt mit sagenhaft bunten Fischen richtig plastisch. Das Wasser ist dabei mit guten 28° so warm, daß selbst ich nicht friere. Man geht zum Schwimmen einfach am Heck die Leiter hinunter ohne Zögern!

Zweite Karte

Von der Valley Trunk Bay segelten wir bei schönstem Wetter, leichter Brise und keinem Seegang, auch kein Atlantikschwell zur Salt Island hinunter. Die Britisch Virgin Islands sind praktisch eine Inselgruppe, die den Sir Francis Drake Channel vom Atlantik abschirmen. Die Britisch Virgin Islands sind immer noch britisch und wir ankerten gerade in Road Bay Tortola direkt vor dem Haus des britischen Gouverneurs. Der rötlich leuchtende Salzsee auf dem Foto gehört immer noch der Queen und jedes Jahr nimmt der Gouverneur einen Sack Salz als Pacht in Empfang. Auf dem schmalen Strand zwischen Salzsee und Strand stehen einige wenige Häuschen und Bretterbuden, es wohnen praktisch immer zwei Familien dort. Einen alten Mann lernten wir kennen und er erzählte uns fast unverständlich von der Salzgewinnung und so weiter. Mit ihm kam eine rote Katze, wie Katzenpeter, die uns um die Beine strich. Sie stammt von einer Yacht und geht nur zu Weißen, Neger kann sie nicht riechen und macht deshalb einen Bogen um sie. Wir lachten alle, wie wir die Katze einen Rassisten nannten. Das Salz aus dem roten See ist körnig und das aus dem kleinen See sind kleine Steinsalzbrocken. Sie werden vom Wind ans Ufer getrieben und gesammelt. Mehr wird nicht gemacht. Auch diesen Ankerplatz hatten wir für uns.

Dritte Postkarte

Bee Island

Von dieser Bucht aus sind wir heute hierher nach Road Bay Tortola gesegelt. Zwischendurch haben wir die Segel geborgen und gingen mit Motor auf Walfang, natürlich nur mit der Kamera. Wir sichteten auf nur 25 Meter tiefem Wasser direkt südlich East Island drei Wale von mindestens 15 Meter Länge. An der gekennzeichneten Stelle auf dem Foto verbrachten wir einen ganzen Tag, weil es morgens wolkenbruchartig schüttete und dann recht windig war. So spielten wir Monopoly und ließen das Wetter toben. Abends schauten wir uns Videos an, davon haben wir ja reichlich an Bord. Jetzt schreibe ich im Steuerhaus und könnte meinen, ich bin im Allgäu. Am Hang hinter dem Gouverneurshaus sind viele Kühe. Eine weiße und viele braune. Ist der Gouverneur etwa der Chef von lauter Rindviechern? Jedenfalls brüllen die Kühe wie im Allgäu. Morgen werden wir ausklarieren und übermorgen nach St. Johns in den US-Virgin Islands segeln. Das ist alles sehr nahe beieinander, ca. 14 Seemeilen von hier. Der größte Teil von St. Johns ist ein Nationalpark und die Insel hat wie St. Thomas unzählige Buchten. Auf der Strecke nach Puerto Rico werden wir dann noch Culebra besuchen.

Karte Vier

Diese Insel liegt jetzt schon wieder lange in unserem Kielwasser. Die Insel gehört wie St. Martin frz. zu den French West Indies und wird vom Departement Guadelupe aus verwaltet. Die Insel war einmal eine Zeitlang schwedisch und es gibt noch Straßenschilder aus dieser Zeit. Die Postkarte hatte ich verlegt und erst jetzt wieder gefunden. Ich bin immer noch so ordentlich wie früher. Die kleine Stadt auf der Insel mit schönem Hafen ist Gustavia. In diesem Hafen waren wir zum erstenmal seit langem wieder mit dem Heck an der Pier, wie im Mittelmeer an der Promenade. Die Hafengebühren waren im Vergleich zu den sonstigen zollfreien Preisen der Insel niedrig.

Karte Fünf

Diese Karte hatte ich wegen der Iguanas ausgesucht. Recht häufig sind auch die Banana Quits, die schön singen und mit ihrer gelben Brust recht hübsch sind. in St. Martin niederländisch war ein Lokal mit Papageien. Da hatte ich einen großen Grünpapagei auf der Schulter. Er war sehr zutraulich, schiß mir gleich aufs Hemd und dann bekam ich ihn nicht mehr los, gefiel ihm wohl bei mir. Ein zahmer Iguana lief im Lokal frei herum. Die ganze Natur ist hier ein Paradies. auf der Insel (Karte 3) ist ein Restaurant, die haben einen grauen netten Esel, der lief immer auf der Insel herum, der hat ein Leben! Davon kann ein Esel in Griechenland nur träumen. So, jetzt muß ich schnell mit großen Buchstaben fertig schreiben, meine Crew ruft nach dem Koch. Krabbencocktail und Steaks.

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Karte Isla de Ramos, 20.3.91

Eine ganze Insel mit Riff und Strand für uns.

Liebe Allgäuer,

Ihr habt wohl gedacht, daß Heinz und Uli den Postsegen auch in die andere Richtung mitbringen, aber was sollen wir Euch schreiben, wenn sie Euch alles erzählen können. Also setzt Euch alle zusammen, trinkt ein bis zwei Salvator auf unser Wohl, wir prosten mit Rum zurück, der ist auch braun und laßt Euch von den schönen vergangenen vier Wochen erzählen. Die Filme dazu sind auf dem Videoband. Die nächste Post gibt es dann wieder irgendwo vom Westen Puerto Ricos oder aus der Dominikanischen Republik. Wo ist Peter Hellenthal, ich frage das bei einem Telefonat mal ab, wenn nicht bekannt, wird die Botschaft wohl wissen, wo er ist, möchte ihn kennenlernen. Bei Euch ist bald Ostern, also laßt den Hasen kräftig legen.

Frohe Ostergrüße

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Boceron, Puerto Rico, 30.3.91

Liebe Mutti,

jetzt sind Heinz und Uli schon wieder über eine Woche von Bord und wir sind ca. 130 Meilen weiter westlich gekommen. Sie werden Euch über die letzten vier Wochen ausführlich erzählt haben. Wir hatten den Eindruck, daß es ihnen gut in der Karibik gefallen hat. Der Abschied fiel richtig schwer und ist jedesmal für einige Tage so ein leeres Gefühl an Bord, wenn niemand aus dem "Gästezimmer" kommt, aber inzwischen sind wir wieder in unserer Zweimannroutine. Wie wir es inzwischen schon gewöhnt sind, haben die beiden das schöne Wetter mitgenommen. Ich weiß nicht, warum unsere Gäste immer wider diesen nutzlosen Versuch machen, denn sie bringen es doch nie heil bis nach Hause. Na ja, jedenfalls fiel unser großer Waschtag erst einmal in Wasser und so mußten wir noch einen Tag in der Isla Marina bleiben, bis alles gewaschen war und vor Anker trockneten wir dann den Rest der Wäsche. Dieser Aufenthalt war aber äußerst kurzweilig, weil dort gerade die internationale Puerto Rico Regatta stattfand und wir waren Gratiszuschauer. Auf unserem Ankerplatz hatten wir einen Logenplatz genau vor der Zielboje. Der erste Regattatag war allerdings total verregnet und mit böigem steifem Wind. Der zweite Tag war immer noch sehr windig und eines der Boote verlor den Mast. Abend gab es im Zelt immer Live-Musik und Tank. Selbst die Kinder übten sich schon in den südlichen Rhythmen. Sonntags gingen wir dann ankerauf und hatten einen herrlichen Segeltag bis zu einer kleinen Bucht, die wir für uns alleine hatten. Wir ankerten ganz ländlich, denn auf dem Hügel weideten Rinderherden. Wir hörten die Kühe und Kälber auch brüllen und von den flachen landwirtschaftlichen Gebäuden unter Palmen am Ufer kam ein leichtes Lüftchen, das uns auf Schweine tippen lies und zur Fütterungszeit schauten einige auch über die halbhohen Wände der offenen Ställe und so war es sicher, wer dort wohnte. Am nächsten Tag segelten wir über 40 Seemeilen zu einer ganz tollen Bucht, die ringsum geschlossen ist, das heißt, der Eingang geht um einige Ecken, ein sogenanntes Hurrican hole. Wir mußten zuerst durch die Riffdurchfahrt auf einer Peilungslinie in die Lagune und von dort in die Bucht. Dir Bucht ist völlig von Mangroven umsäumt und wir fuhren mit dem Schlauchboot in Seitenarme der Mangrovensümpfe hinein, die über doppelt so breit waren wie das Beiboot. Wir sahen zweierlei Reiher und viele Pelikane. Abends waren da dann die Riesenschildkröten in der Bucht am paaren. Das ist vielleicht ein Aufruhr im Wasser. Die Tiere sind riesengroß. Über Ponce, der zweitgrößten Stadt, segelten wir dann hierher. Wir hatten kurz vor dem Kap recht steifen Wind und richtig grobe See, aber genau von achtern. So surften wir richtig vor den Wellen her und ein großer einzelner Delphin hielt uns wohl für Spielkameraden. Ca. eine Stunde lang begleitete er uns und tummelte sich wie toll in den brechenden Wellen. Er tauchte unter der Arion hindurch und sprang neben der Bordwand senkrecht in die Luft, dann folgte er uns wieder gerade getaucht dicht neben uns, schaute uns groß an, setzte sich genau vor den Bug, wendete und schoß gegen den Seegang durch eine brechende Welle hindurch, flog durch die Luft und klatschte lustvoll wieder ins Wasser und so weiter - eine Stunde lang. Das ist spannender und schöner zu beobachten wie jeder Film. Heinz und Uli haben Euch vielleicht von dem Fisch mit dem unheimlich schnarrenden Geräusch nachts erzählt. Seit gestern sind wieder mehrere hier in der Bucht, sie antworten einander wie bei der Hirschbrunft, wird wohl auch ein Revierkampf sein, aber es klingt halt etwas unheimlich. Den "Lärm", den normale Fische und Muscheln machen, sind wir ja schon gewöhnt und da hören wir gar nicht mehr hin. Wir haben hier in der Bucht wieder Wings (wie auch in Frankreich vor dem Tunnel in Langres getroffen und andere schon bekannte Boote. Eine englische Familie mit zwei Kindern aus Südafrika haben wir heute kennengelernt. Morgen werden wir am Strand eine gemeinsame Party mit ca. 7 Booten machen. Osterparty. Jeder macht was zum Essen und bringt Getränke mit. Dianne hat auch Ostereier gefärbt, wir hatten noch Heitmanns Ostereierfarben und sogar Abziehbilder an Bord. So wird es also deutsche Brauchtumseinlage und Ostereier dazu geben. Die Bucht hier ist riesengroß, hat einen kilometerlangen Strand mit Palme, eine Lagune dahinter und ein Riff aus Wellenbrecher vorne quer rüber - allerdings mit zwei ordentlichen Durchlässen. Jetzt zu Ostern haben viele arbeitsfrei und bevölkern diesen herrlichen Sandstrand. Im Moment gibt es ein Rock- und Popkonzert am Strand und wir können uns das Radio sparen. Tagsüber fahren tausend Leute Motorboot und Wetbikes in der Bucht herum, die machen mehr Seegang als der Wind. Was ein Wetbike ist, können Dir die Kinder bestimmt erklären, das ist eine sinnlose Erfindung, die mit viel Lärm sehr schnell über das Wasser rast, Christian würde sicher gerne damit mal fahren. Ich kann mir aber vorstellen, daß all die Mädchen, die jetzt als Sozius zu Ostern mit ihren Freunden über die harten Wellen donnern müssen, von dieser Art Motorsport nicht begeistert sind, denn bei Seegang wird man hart gebeutelt. Aber hier spricht man spanisch und so ist es ein Macholand und die Machos müssen sich produzieren. Ich habe jedenfalls diese Wetbikes heillos dick. Boceron ist ansonsten ein kleiner ruhiger Ferienort. Er ist berühmt wegen seiner Muscheln, speziell wegen der Mangrovenaustern, diese werden überall an Verkaufsständen zum gleich essen angeboten und schmecken sehr gut. Unser Fischfang ist immer noch null und so essen wir mehr Steaks, die sind hier sagenhaft billig und gut. Auch Rum gibt es hier billig, ab 4,5O DM pro Flasche. Leider ist der Dollar zur Zeit wieder kräftig am steigen, aber da wir ja gut Vorräte stauen können, können wir überall das einkaufen, was günstig ist und dann lagern. Man könnte zum Frachtsegler werden, die gibt es in der Karibik immer noch, und gutes Geld mit Schmuggel verdienen, hat hier überall schließlich Tradition.

Ostern 1991

Sind heute nacht mit lautem Hupen und Geknalle geweckt worden. Das Freiluftkonzert ging zu Ende und es war Ostermorgen (Mitternacht). Wir gingen an Deck und konnten dann hinter den Palmen am Strand ein schönes Feuerwerk beobachten. Wir hatten an unserem Ankerplatz einen Gratislogenplatz. Vor allem Dianne ist von Feuerwerken immer wieder begeistert. Wir haben im Mittelmeer allerdings größere und längere gesehen. Heute früh wieder ein strahlend blauer Himmel und wir kamen bei Norddeich Radio gleich als Dritte auf die Warteliste, gute Verbindung mit Brigitte. Es ist einfacher und billiger, über Norddeich zu telefonieren als über US-Münztelefone. Das sind nämlich ganz antike Kisten, 25 Cent ist die größte Münze und alles was über ein Ortsgespräch geht, sind Gespräche mit Operator, der einen dann immer unterbricht und den Betrag zum Nachwerfen sagt, seit ich 1969 zum erstenmal in den USA war, hat sich da nichts geändert. Aber über Norddeich Radio geht es ja prima. In den vergangenen Tagen haben wir auch einige Male gute Verbindungen zu Freunden in den Kanaren und auf Mallorca gehabt. Die hängen da alleine herum und fühlen sich einsam, sie sind richtig froh, wenn die Verbindung klappt, denn sie haben ja keine so tollen Richtantennen wie Norddeich, sondern nur das isolierte Achterstag wie wir. Das Funkwetter ist aber genauso unterschiedlich wie das normale Wetter.

Hier sind die Zeitungen gerade voll von Berichten über eine Ölpest und wir sind gerade noch aus dem Gebiet östlich von Puerto Rico Puerto Vieches herausgekommen. Ein Schiff mit 1.800 Tonnen Öl ist am 7. März bei St. Kitts gesunken und am Meeresboden in 600 m Tiefe zerbrochen. Das Öl kommt jetzt so langsam in Puerto Rico an. Für die Korallenriffe, Mangroven und Seehügel eine riesige Katastrophe. Aber man muß sich an grobe Unvernunft der Menschen gewöhnen, man könnte so vieles ändern oder unterlassen, wenn nur der Wille da wäre, aber für einige Dollar mehr tun sie alles! Über die ständige Demonstriererei in Deutschland ändere ich mich jeden Tag. Erst gegen die Amerikaner, dann gegen die Verhältnisse in der Ex-DDR und jetzt wieder diese Ostermarschierer. Können die Leute nicht denken, oder haben sie keinen Sinn für Realitäten? Was geht in den Stimmungs- und Meinungsmachern von Gewerkschaften, Linken und auch Kirchen (vor allem evangelisch) vor, die sollten es doch besser wissen, oder geht es um politische Macht um jeden Preis, also erstmal der gewählten Regierung Schwierigkeiten (künstlich zusätzlich) machen. Während des Golfkrieges habe ich mich über linke Journalisten so geärgert, daß ich der Deutschen Welle geschrieben habe. Die haben meinen Brief mit vollem Originaltext gesendet und meiner Kritik recht gegeben. Ich bin froh, daß wir keinen Fernseher haben, den hätte ich schon ins Wasser geworfen. Die Deutsche Welle, die sonst ein recht guter Sender ist, reicht schon mit ihren Meldungen. Was ich ab und zu gerne hätte, wären deutsch Zeitungen, aber in den USA muß man froh sein, wenn man eine gute englischsprachige Zeitung bekommt. Das Unwissen vieler Amerikaner über internationale Dinge ist unglaublich. Unser jüngstes Erlebnis habe ich Monika auf einer Karte geschrieben. Es ist doch zu unglaublich, daß in einer großen Bank in einer Großstadt eine Bankangestellte - kein junger Lehrling - und deren Chef nichts über Wechselkurse wußten. Die hatten nicht einmal von dem großen Kursanstieg des Dollar gehört. Beide versicherten uns völlig ernsthaft, daß wir keine Sorge haben müßten, der Dollar sei hier immer gleich! Jetzt verstehe ich, daß die Nichte von Mike, Michelle, obwohl Millionärin, damals in Jugoslawien zu mir sagte: "Warum tauschst Du D-Mark und nicht meine Dollar, da bekämen wir doppelt so viel dafür!" Das war auch völlig ernsthaft gemeint. Man glaubt es nicht, wenn man es nicht selbst erlebt.

Abends 20.00 Uhr

Wir hatten einen netten unterhaltsamen Tag. Zuerst fuhren wir mit dem Dingi in den Ort zum Yachtclub um zu klären, ob wir deren Anschrift für die mögliche Zusendung von Seekarten benutzen können. Wir lernten dann dort einen so netten Puerto Ricaner kennen, der uns jede Hilfe bot. Er kennt die Manager einer Firma in San Juan und morgen früh werden wir klären, ob wir dorthin fahren müssen oder die Sachen von dort bestellen oder von Florida. Heute nachmittag hatten wir dann eine große Party an Land im Palmenhain. Es waren schließlich so viele Boote, daß wir die Boote und Leute nicht mehr auseinanderhalten konnten. Erwachsene und Kinder, alles kunterbunt durcheinander. Ein nettes Zusammentreffen. Jeder hatte für Essen und Getränke gesorgt und so war es ein Riesenbüffet und es wurde bei weitem nicht alles gegessen und getrunken. Wir haben wieder einige sehr nette Leute kennengelernt. Es war recht lustig und gerade fiel ein Engländer von Bord, der bei uns noch einen Bahamapilot gegen eine Karte von Hamilton Bermuda eintauschte. Wenn die ganze Welt wie die Seglerwelt funktionieren würde, dann könnte man noch alles in den Griff bekommen.

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1.4.91
Fahren nach St. Juan. Gute Gelegenheit, den Brief zur Post zu geben.

Barbara de Samana, 6.4.91

Ich will mal wieder einen Brief anfangen, bevor ich alles vergesse, was wert ist zu erzählen. Da zur Zeit gerade das Luftpostpapier knapp ist, schreibe ich etwas dichter und mit spitzer Feder. Die Schriftgelehrte (Brigitte) wird es schon entziffern können. Wir sind gestern vormittag hier in der riesigen Bucht von Samana angekommen und in einer kleinen Seitenbucht im Norden vor Anker gegangen. Der Ort hier wurde 1723 auf Befehl des spanischen Königs mit Siedlern von den kanarischen Inseln gegründet. Aber über den Ort hier später noch mehr. Jetzt erst mal noch einige Zeilen über Puerto Rico. Ich habe ja im Brief an Mutti bis Boceron Ostersonntag berichtet und will daran anschließen. Über Ostern war die Bucht und der Strand samt Ort mit Einheimischen überfüllt. Dann gab es ein Rockkonzert und es drängten sich die Leute in den Straßen. Am Strand war genug Platz, denn der ist so lang und breit, daß einige Tausend nicht auffallen. Eine Spezialität des Ortes sind frische Muscheln Clams und Mangrovenaustern. Wegen des vielen Betriebes habe ich am Wochenende keine gegessen und am Montag war der Ort wie ausgestorben und auch die Muschelstände waren nicht mehr besetzt. Wir suchten noch Seekarten von der Samana-bucht zu bekommen, aber leider in Puerto Rico ohne Erfolg. wir bekamen aber das Angebot, welche zu kopieren, was wir dann auch machten. Während Dianne Video schnitt., kopierte ich von Hand auf Pergamentzeichenpapier Seekarten und Hafenpläne. Hier in den Gewässern mit reichlich Riffen und Untiefen braucht man genaueste Details für genaueste Navigation. Wir sind aber statt Kartenkaufen in die nächste Stadt gefahren um wasserfestes Sperrholz zu kaufen, denn der Boden des Schlauchbootes geht langsam hinüber. Bei jedem harten Einstieg macht es bei einem Brettchen knack. Wir sind also mit einem "Publico" losgefahren. So nennen sich hier die gut organisierten spottbilligen Sammeltaxis. Cabo Rojo ist ein sehr weitläufiger Ort hier, ist ja überall Land genug, also wird weitläufig und nur einstöckig gebaut. Wie wir in den Ort reinfuhren, kannte gleich einer die Holzhandlung. Also wieder raus und leider war es die falsche Holzhandlung, nur normales Sperrholz. Aber nach zwei Minuten Stehen am Straßenrand war schon wieder ein Publico da und wir fuhren bis ins Zentrum, und wie wir den Fahrer nach Toro Lumber fragten, fährt er uns gleich vor die Haustüre einer Eisenhandlung. Fahrpreis 45 Cents. Leider wieder das falsche Geschäft, aber der Verkäufer sagt, daß er um 12 Uhr Mittag macht und nach Hause fährt. Er wohne nicht weit weg von Toro Lumber, das weit außerhalb sei. Also trinken wir erstmal ein Bier, treffen uns um 12 Uhr und er fährt uns bis ans richtige Geschäft. Da er gut Englisch sprach, regelte er gleich für uns alles, denn die Platten sind 3 x 1,20 m groß und es gibt keine Zuschnitte aber wir bekommen extra ein metrisches Bandmaß und einen stumpfen Fuchsschwanz und dann haben wir den Boden gleich richtig zugeschnitten, gebündelt und trugen ihn zu Fuß bis zur Publico-Station in der Stadt. Das war alles etwas schweißtreibend aber recht lustig und der Spaziergang mit Ladung war auch recht schön. Mit dem Publico zurück bis zur Pier war dann einfach. Man sieht recht viel, wenn man Publico fährt, denn für einige Cents extra fahren sie bis vor die Haustüre und auch Umwege. so sieht man auch gleich, welche Leute wie aussehen und wo sie wohnen, das ist immer aufschlußreich und interessant, man will ja Land und Leute kennenlernen. Die Publicos sind zum Teil ganz normale PKW, halt so Amischlitten und zum Teil so amerikanische Comfortversionen von einem Ford-Transit, also Kleinbusse mit PKW-Ausstattung. Ich habe den Boden fürs Dingi gleich zugeschnitten und lackiert, aber abends kamen Wes und Sandy von Wings (die aus Frankreich) mit dem Dingi vorbei und nahmen uns mit an Land, wir waren ja nicht mobil. Insgesamt waren wir dann eine ganze Ladung Leute von fünf bis sechs Booten im Restaurant und es wurde ein lustiger Abend draußen auf der Veranda vor der Bar. Ich hatte Conchmuscheln (eigentlich eine große Schnecke) in einer extra Sauce in Brotfruchtteig mit Salat. Sehr exotisch und gut schmeckend. Abends saßen wir dann zusammen mit Wes und Sandy bis spät und schauten noch einige unserer Videos an. Sie liefen am nächsten Tag nach Great Inagua, Bahamas aus, wo sie inzwischen angekommen sind. Haben uns heute früh schon am Funk gesprochen. Drei andere Boote sind auch gleich in einem Stück durch, schade, daß sie diese herrliche Insel hier ausgelassen haben, aber für die meisten Amerikaner ist das hier zu abenteuerlich, dabei liegen sogar drei amerikanische Boote hier. Am Mittwoch stellten wir dann fest, daß die Zeit knapp wird, wenn wir hier nicht an einem Wochenende einklarieren wollen, was zu zusätzlichen Forderungen der korrupten Beamten führt. wir wollten aber noch Saint Germain sehen und mußten in Managuez noch bei US-Customs und bei Immigration ausklarieren und eine Clearance für die Dominikanische Republik holen. Ich kam auf die Idee, die Arion im sicheren Boceron zu lassen, alles per Publico zu erledigen und eben bereits morgens um vier Uhr auszulaufen und die Strecke bis Managuez so wieder gut zumachen, denn wir wollten bis Freitag mittag spätestens hier einlaufen, damit wir bei guter Sicht und schwächeren Wind durch die Riffe am Eingang der 40 Seemeilen langen Bucht gehen. Wir fuhren also mit dem Publico los und nach mehrerem Umsteigen, wobei man jedesmal zu Fuß zu einem anderen Stand muß, kamen wir exakt bei US-Customs an. Die macht Immigration gleich mit und nach fünf Minuten war alles erledigt. Gleich vor dem Büro hielt ein Urbano Taxi mit zwei "glorreichen Halunken" darin und dann ging das Handeln los. Wir wollten ja eigentlich nur bis zum nächsten Publico-Stand, denn so ein Publico kostet für eine bestimmte Strecke, z. B. Boceron bis Cabo Rojo oder Capo Rojo bis Managuez nur ein US-Dollar pro Person, die beiden Typen aus einem mexikanischen Reproduktionsfilm merkten natürlich gleich, daß wir eigentlich weiter wollten und so fuhren sie uns gleich direkt bis Saint Germain, was ziemlich weit ist und wir zahlten fünf Dollar Anzahlung, damit er überhaupt tanken konnte und zehn Dollar bei Ankunft. Wir haben uns köstlich amüsiert, in dem schrottreifen Straßenkreuzer laute Musik, alle Fenster offen, zwei Halunken auf der Vorderbank und draußen herrliche bergige Landschaft und Täler mit riesigen Zuckerplantagen und dazwischen Weideland mit großen gemischten Herden, Kühe, Kälber und Bullen. Saint Germain war einmal Kaffeestadt. Es gibt noch viele schöne alte Gebäude im Kolonialstil, Kaffeehandelshäuser, Kirchen etc. Die Zeit ist etwas in dieser alten Stadt mit alter Universität stehengeblieben. Gegründet 16. Jahrhundert. In einer Kapelle von 1608 ist jetzt ein Museum für religiöse Kunst. Sie steht auf einer Anhöre in der Stadt und man hat einen schönen Blick über die am Hang liegende Stadt und die Plantagen im Tal, dort wo gerade die Zuckerernte im Gang war. Jetzt mit Maschinen, früher schlugen die Negersklaven mit Macheten das Zuckerrohr. Der Zucker schmeckt wie überall, aber der Rum ist hier überall gut und billig. Zwei Dollar 69 Cent pro Liter. Die Puerto Ricaner haben den Ruf, daß sie ihn in Unmengen trinken können und jeder warnt einen vor Parties mit Einheimischen, die auch berühmt für ihre Freundlichkeit und Gastfreundlichkeit sind. Wir können das bestätigen. Aber ich habe schon von den Muschelständen geschrieben, die am Montag leer waren. Am Mittwoch, wo wir unseren Ausflug machten, waren sie wieder besetzt und ich aß ein Dutzend Mangrovenaustern roh mit Limonensaft. die einheimischen nehmen auch noch einige scharfe Saucen dazu, aber dann ist der volle Eigengeschmack weg. Ich mache mir sonst nicht allzuviel aus Austern, aber diese Mangrovenaustern waren wirklich ganz ausgezeichnet und frischer als dort, wo rings um die Bucht Mangroven sind, kann man sie nicht bekommen. Sie sehen halt nur nicht schön aus. Dianne filmte und grauste sich. Aber sie mag ja auch keine schlotzigen Eier. Die Rückfahrt von St., Germain nach Capo Rojo war dann wieder ein Erlebnis. Ein Kleinbus, rappelvoll, alles schwatzt lautstark durcheinander, Weiber zum Teil dick und heiß wie ein Kachelofen, wenn man danebengequetscht sitzt, zum Teil attraktiv, daß einem die Augen rollen und der Motor des Taxis null Kompression. Also langsam mit 6 blubbernden Zylindern auf ebener Straße dahin zu den Wohnbezirken am Hang. Eine Dicke wohnt ganz oben, das schaffte der Motor nicht, wegen des Automatikgetriebes kann man auch nicht mit Vollgas im ersten Gang anfahren. Also großes Gelächter und die Dicke mußte unten wieder aussteigen, aber kein Problem. Eine Frau mit PKW hatte auf das Publico warten müssen, das rückwärts den Berg herunterkam und nahm die Dicke gleich mit. Das neue japanische Auto schaffte es spielend. Wir sahen auf dieser Fahrt so richtig, wie die Ärmeren wohnen. Aber alles nett und idyllisch, oft ein Pferdchen im Garten und Hunde ebenso nett wie "reinrassig". Am nächsten Morgen standen wir dann um 3.30 Uhr auf, machten seeklar für den 150-Meilen-Trip über das berühmte (berüchtigte) Mona-Passage und gingen um 4.30 Uhr ankerauf. Bei Halbmond liefen wir durch die Passage im Außenriff und dann zunächst zwischen den Untiefen weiter nach Norden, bis wir das Riffgebiet verlassen hatten und bei Sonnenaufgang nahmen wir Kurs auf das tiefe Wasser und passierten bald die unbewohnte Insel Desecchio. Der Wind wurde immer besser und bald machten wir um die sechs Knoten bei Vollzeug oben. Abends näherten wir uns dann einer Kaltfront mit einigen zum Teil nicht schönen Wolken und der Wind war um die fünf Beaufort. Wir machten also ein Reff ins Groß und Besan und machten weiter sehr gute Fahrt. Wir mußten etwas gut nach Norden halten, denn in der Mona-Passage gibt es auf der Hispanola-Seite das große Stundenglas-Flach, wegen seiner Form so genannt, dort läuft die Strömung aus dem sehr tiefen Wasser auf Stellen mit nur 19 Meter, und das gibt Seegang wie in der Waschmaschine. Wir bleiben auf mindestens 300 Meter Wasser, was im Vergleich zu den 5-6000 Meter im Puerto Rico-Graben fast nichts ist. Wir hatten aber wegen des Windes und wegen Starkwind weit weg hohe Dünung und guten Seegang. Da er aber in der Richtung zum Wind paßte und in den Segeln ordentlich Druck war, liefen wir recht ruhig dahin und die Nacht war überwiegend sternklar und ab 24 Uhr mondhell und schön zum Segeln. Um 2.00 Uhr war aber die Nachtruhe dahin. Ein Motorboot, das keine korrekten Lichter führte, kam langsam, aber sicher genau von achtern immer näher. Was wollte der? Wir änderten Kurs, der fuhr immer weiter dicht hinter uns, zu dicht für normal! Ich machte die Signalpistole und Handraketen feuerbereit. Zum ersten und einzigen Mal auf unserer Reise bedauerte ich keine Waffen an Bord zu haben, wie viele Boote. Dann rief ich über Funk "All ships" und bekam auch Antwort von einem amerikanischen Hochseeschlepper in der Nähe. Er erklärte sich auf Anfrage zur eventuellen Hilfeleistung bereit. Ein anderes Boot sprach nur spanisch, wollte auch in die Samana-Bucht, der Kapitän vom Schlepper, "Dr. Dee", machte am Funk Dolmetscher und rief auch auf spanisch das Boot hinter uns und was es wolle. Das Boot gab keine Antwort, aber das Boot drehte ab, kam dann noch einmal, antwortete mir wieder nicht am Funk und drehte dann endgültig ab. Was das ganze sollte? Wir wissen es nicht, mehr Fragen als Antworten. Karibische Piraten, US-Coast-Guard, ein schlechter Navigator, der einen Wegweiser für die Riffe suchte? Fest steht, daß es unseren Wachplan durcheinander brachte und unseren Schlaf kostete. Wir standen jedenfalls bei Sonnenaufgang vor der Bucht und liefen unter Segel und Motor, der Wind war mit Sonnenaufgang schlafen gegangen, entlang der hohen, palmenbesäumten Berghänge in die riesige Bucht ein. Eine Traumbucht mit Millionen von Palmen, kleinen Fischerorten am Hang, kleine Sandbuchten davor und sauberem klarem Wasser. Nur die Nordseite der Bucht ist schiffbar. Ein Kanal von etwa einer halben Seemeile Breite. Sonst wimmelt es in der ganzen Bucht, die recht flach ist, auch noch von Riffen und nur flachgehende Boote können mit Ortskenntnissen in diesem Labyrinth herumfahren. Auf der Südseite gibt es auch einen Nationalpark mit großen Höhlen und tropischem Regenwald. An der Bucht gibt es auch zwei große Wasserfälle. Mal sehen, was wir alles anschauen können.

Einige Stunden später:

Jetzt waren wir gerade zu einem Sundowner unterwegs an Land in unserer "Stammkneipe". Sie gehört einem Belgier und ist auch der Treff, direkt an der Pier und man hat vom ersten Stock einen tollen Blick über die Bucht, während einem die Abendsonne ins Glas scheint. Die Bedienung ist auch ausgesprochen nett und attraktiv. Wir waren gerade am Gehen, da sah ich, daß eine Frau an der Bar das Buch von Clavell "Wirbelsturm" da liegen hatte, ich habe sie angesprochen wegen Buchtausch und so kamen wir mit Anita aus Berlin ins Gespräch. Später kam dann noch der Schwede Hans mit seiner einheimischen Frau/Freundin und der Frau/Freundin von Klaus, einem Deutschen, dazu. Wir hatten Klaus und Hans gestern schon kennengelernt. Hans hat ein Boot und ein Haus hier und will uns am Dienstag mit dem Auto etwas von der Insel zeigen. Klaus ist schon acht Monate hier und soll/will heiraten. Er macht mit seinem Trimaran - kein Tiefgang - Ausflugsfahrten zum Nationalpark im Süden. Er liegt zwei Boote vor uns vor Anker. Auf unserem Weg in die Stadt heben wir Pat und Cathy kennengelernt (USA/Kanada). Mit einem kleinen Boot, sie sind schon Jahre unterwegs, arbeiten immer wieder irgendwo für einige Zeit. Vor uns ankert ein Boot, Amerikaner, die auch schon lange hier sind, beziehungsweise immer wiederkommen. Sie haben auch über die Wale in der Bucht geschrieben, wir wollen sie morgen deswegen ansprechen. Zu einer bestimmten Jahreszeit kommen die Buckelwale zur Nordküste von Puerto Rico und Hispanola und sie kommen auch hier in diese Bucht. Das muß ein tolles Bild sein, schade daß wir zu dieser Zeit nicht hier sein können. Pat und Cathy, die drei Jahre in Providenciales (in Caicos) waren und jobten, haben von einem zahmen Delphin dort erzählt, der zu den Booten kommt, Luft bläst, und wenn man ins Wasser springt, schwimmt er mit einem herum. Es gibt hier auch Manatees, das sind recht komische Tiere, die zwar nicht schön aussehen, aber zutraulich sind. Wes und Sandy sind in Florida oft mit ihnen herumgeschwommen. Sie lieben es, wenn man sie streichelt. Diese Seekühe stammen von den Huftieren ab. Sie sind Küstenbewohner und Pflanzenfresser. Es gibt hier Plakate, die zum Schutz aufrufen, weil sie durch Außenbordmotoren gefährdet werden. Die schnellen Motorboote sind für die trägen Tiere (Säugetiere) zu schnell da. Die Plakate sagen "Propeller schneiden nicht nur Wasser". Wir müssen hier ständig dazulernen, es gibt so viel Neues!

Heute früh sind wir erst einmal zum Telefonbüro gegangen, denn wir hatten Peter Hellenthal nach Santo Domingo ein Fax geschickt. Die Telefonnummer ist nicht richtig. Die Nummer, die Brigitte am Funk durchgab, ist nur eine Faxnummer. Es gab aber noch keine Antwort. Dann gingen wir zum Mercado. Das ist ein Bezirk am Ortsrand mit offenem Markt, gedecktem Markt und Kneipen und Stores. Heute war Samstagsmarkt und dementsprechend viel Betrieb. Die Bauern waren mit Pferden und Eseln gekommen, die Reit- und Tragtiere waren außerhalb "geparkt". Wir waren mit einer Motoconcho vorgefahren. Das ist eine Moped-Rikscha, ganz tolles Gefährt, kostete 30 Pfennig für zwei Personen vom Ort zum Markt raus. Wartet auf die Videos, denn die Dinger sind ein billiges, gutes und lustiges Transportmittel. Der Markt ist sehr bunt, laut und lebendig. Es gibt alles, was frisch ist, zu niedrigsten Preisen. Für -,75 DM kauften wir ein Kilo Tomaten, ein Pfund Zwiebeln, ein Pfund Paprika und ein Pfund Auberginen. Fleisch gibt es hier lebendig und geschlachtet. Rindfleisch gibt es auch, aber die Verkaufseinrichtungen sind wohl von der Vegetarier Liga entworfen worden, also gibt es Konserven aus Bordbeständen. In den Kneipen sitzen die Bauern bei viel Rum und lauter Musik zusammen. Friseurgeschäfte und Garküchen erinnerten uns an die Türkei. Hier ist wieder ein Land, wo man sich richtig als Ausländer fühlt, aber nicht als unwillkommener Fremder, nur der Abstand ist sehr groß. Der Ort hier ist sehr alt, aber dann in jüngerer Zeit völlig abgebrannt. Vor etwas 15 Jahren wurde dann hier ein Touristikort neu aufgebaut. Alles zwei Nummern zu groß und vieles nicht gewünscht. Es gibt hier sechsspurige Straßen und bepflanzte Grünstreifen dazwischen, große Kreisverkehre usw., aber nur Mopeds und Motoconcho, ab und zu ein Auto. Vor dem Hafen sind einige Inseln beziehungsweise ein Riff und da führt eine Brücke drüber, alles nicht richtig genützt. Wir gehen da hinüber zum Ort, wenn wir nicht mit dem Dingi quer über die Bucht wollen. Auf der Insel ist ein Hotel, ein Café, das wohl nie in Betrieb war. Wir müssen die genaue Geschichte dieser Bauten noch herausfinden. Diese Zeichnung soll ein wenig einen Eindruck vermitteln. Sie ist aber falsch, denn Dianne sagt mir gerade, es sind drei Brücken. Jedenfalls liegen wir vor der Palminsel vor Anker. Das ist ein himmlisches Plätzchen, es sind hier sieben Boote, zwei Boote ankern noch sonst in der Bucht. Teile der Bucht sind flach, die Tonnen sind uralt und rostig und die Leuchtfeuer arbeiten alle nicht. Wohl dem, der Radar hat! Hans wird morgen nach Puerto Rico fliegen, dem gebe ich den Brief mit, die Post hier ist sehr langsam. Werden es aber mit Postkarten probieren. Jetzt trinken wir gerade das letzte Milwaukee's Best, ab dann gibt es Presidente-Bier vom Typ Pilsen. Prost! Steht schon im Kühlschrank. Damit erst mal genug, mehr dann später einmal, denn in den Bahamas sind die Postämter rar und wie es auf Caicos oder den Turks ist, wissen wir nicht.
 
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Karte Providenciales, 23.4.91

Postkarte mit Bild vom Ankerplatz in Samana

Liebe Eisenberger,

mit gleicher Post geht ein langer Brief an Gottfried für Euch alle ab. Wir sind hier gut angekommen und kümmern uns um die Reparatur des Außenborders. Haben hier einen pensionierten englischen Kanadier kennengelernt, der uns mit dem Auto herumfährt, selbstlos mit Rat und Tat hilft und interessant erzählen kann. Wir haben gestern einen schönen langen Abend zusammen verbracht. Die Post dauert hier lange, aber sie soll wenigstens funktionieren. Viele andere Segler gibt es hier nicht.

Providenciales, 24.4.91

Liebe Mutti,

gestern habe ich zwar erst einen Brief an Euch alle zur Post gegeben, aber ich will gleich wieder einen neuen Brief anfangen, damit mir von unseren vielen Erlebnissen hier nichts verloren geht. Da wir am Wochenende hier ankamen, konnten wir zunächst mit unserem Außenborder nichts unternehmen. Am Montag kam dann ein älterer Herr mit seinem Dingi vorbei und fragte: "Er habe gehört, wir hätten Schwierigkeiten mit unserem Außenborder?" Er wohnt seit Jahren in "Provo" und hatte einen Pickup-Auto am Strand stehen und stellte sich uns ganz zur Verfügung. Er kannte natürlich auch einen Mechaniker. Gestern früh fuhren wir dann wieder zu der Werkstatt, aber der Motor war noch nicht fertig. Wir fuhren zu einem Ausflug über die Insel, er zeigte uns alles und erzählte uns fast alles Wissenswerte über Land und Leute und Entwicklung der Insel bzw. der ganzen Inselgruppe. An der Nordostspitze der Insel "Provo" besuchten wir dann eine Conchfarm. Das war riesig interessant. Die Queenconch, diese herrliche große eßbare Schnecke wird überall sehr stark gefischt und in manchen Gegenden ist sie vom Aussterben bedroht. Ihr Fleisch ist sehr proteinreich und fettarm, da es auch noch sehr schmackhaft ist, ist es sehr begehrt. In freier Wildbahn überleben aber nicht viele, die das richtige Erntealter erreichen. Von einer Million Eiern wird nur eine Schnecke so groß. So kam man auf die Idee einer Farm, was aber nicht so einfach wie eine Fischzucht ist. Ich habe gefilmt und werde Einzelheiten im nächsten Video zeigen. Nur soviel hier: Die Eier werden in kleinen Brutkästen bis zur Larve entwickelt, dann wechseln ständig die Behälter und nach der Metamorphose zur ca. 1 mm großen Schnecke mit Haus, leben die kleinen Schnecken auf Siebböden und werden mit einer Algenlösung gefüttert, die in großen Tanks draußen in der Sonne mit Licht produziert wird. Nach etwa 18 Monaten werden die Schnecken ins Meer auf die beiden 80 acre großen Weiden geschickt. Diese Meeresweiden zwischen Riff und Strand sind mit Kunststoffgittern umzäunt, damit die natürlichen Feinde wie Rochen, Octopus, Schildkröten, Hummer und große Krabben nicht räubern können. Nach fünf Jahren sind die Tiere dann groß genug und jährlich werden zu Zeit eine Million Tiere geerntet. Zehn Prozent der Tiere, die ausgesetzt werden, kommen in freie Wildbahn, damit auch dort die Schnecken sich wieder vermehren. Eine sehr sinnvolle Maßnahme. Durch die Farm wird die Fortpflanzungsrate um den Faktor 400 verbessert! Dennis, der englisch-Kanadier, hatte in der Zwischenzeit andere Freunde von einem Boot abgeholt und im Restaurant der Farm aßen wir alle zusammen Conchspezialitäten. Auf der Rückfahrt holten wir dann den Thomos-Außenborder ab und er läuft jetzt wieder tadellos. Nachdem das Schwungrad der Magnetzündung erst einmal abgezogen war, war die Reparatur kein Problem mehr. Ich hatte nur keine geeigneten Abzieher und vierzig Dollar für eine so schnelle Reparatur waren nicht zuviel. Abends gab es auf der Veranda des Aquatic-Centers in der Bucht (Tauchbasis) happy hour mit günstigen Getränkepreisen und Gratis-Conch-fritters. Lilian, eine sehr freundliche, sehr dicke Einheimische, managt dort alles. Man kann bei ihr über Funk von den Behörden bis zum Taxi alles bestellen. Während sie die Conch-fritters machte, die werden immer gleich heiß gegessen, bedienten wir uns am Kühlschrank selbst, man merkte sich den Betrag und zahlte beim Gehen. Das ist bei ehrlichen Leuten möglich. Wir trafen wieder nette Leute und eine Frau war gerade zum zehnten Mal Großmutter geworden. Dennis kam dann auch noch dazu und wir lernten auch eine nette Amerikanerin kennen, die lange Zeit in Saudi Arabien war. Es sind schon allerlei interessante Leute mit Booten unterwegs. Deren Boot heißt wegen der Zeit in der Wüste DESERT DREAMS.

Die Turks and Caicos Inseln sind noch britische Kronkolonie aber mit völliger innerer Selbstverwaltung. Die jetzige Regierung, tut ganz gut, aber es gab auch so große Pannen, daß der britische Gouverneur die Regierung übernehmen mußte. So ließ sich zum Beispiel einmal der Chief Minister von der Rauschgift-Mafia bestechen. 30.000 US-Dollar pro zwischengelandetes Flugzeug in Grand Turks. Bei der Geldübernahme in Miami wurde er von Agenten gefilmt und er saß in den USA acht Jahre, aber die Einheimischen hier wollten den Fernsehberichten nicht glauben. Sie hören bei Wahlen auf den, der am lautesten schreit, und da es hier in Provo mehr eingewanderte Ausländer mit nur temporärer Aufenhaltserlaubnis als Einheimische gibt, ist auch Platz für fremdenfeindliche Parolen. Zur Zeit läuft es aber sehr gut, es wird viel investiert und viel gebaut. Die Preise sind wegen des Booms und wegen der 35 % Importsteuer sehr hoch. eine Dose Bier im Lokal 2-3 Dollar. Sechs acre Baugrund Wildnis 140.000 Dollar, Mietwohnung 2.000 Dollar pro Monat, Villa am Meer 400.000 Dollar, Hotel am Meer 3,5 Millionen Dollar, ein Residence Permit gibt es nach Investition von 250.000 Dollar in Immobilien. Angefangen hat die Entwicklung vor dreißig Jahren mit einer Idee Rockefellers, aber typisch einheimische Mißwirtschaft wegen mangelnder Befähigung zu regieren, mangelndes Organisationstalent und Gleichgültigkeit führten immer wieder zu Rückschlägen.

Gerade fällt mir noch etwas wichtiges zur Conch-Farm ein. Wegen der großen eingezäunten Meeresfläche kam man auf die Idee, die Anlage für die Rehabilitation von gefangenen Delphinen zu nützen. Zur Zeit sind drei Delphine aus Delphinarien in England da und drei weitere werden erwartet. Diese Delphinarien sollten alle verboten werden. In Brighton waren zwei Delphine in einem kleinen Tank, der nur Kunstlicht hatte. Man mußte die armen Tiere erst langsam an das Sonnenlicht gewöhnen. Jojo, ein freilebender einzelner Delphin, der seit Jahren hier an der Küste lebt und mit den Tauchern und Schwimmern spielt, kam auch gleich zu Besuch und unterhielt sich über den Zaun mit seinen neuen Nachbarn. Er kam noch öfters, ist aber sonst lieber beim Club Mediteranee, da ist mehr los. Dennis hat eine lustige Geschichte von ihm erzählt. Er ging mit einer Gruppe von Tauchern im flachen Wasser zum Tauchen. Zwei Frauen, die noch nie zuvor getaucht waren, blieben im nur 5 Meter tiefen Wasser, während die Männer etwas tiefer gingen. Wie sie zurückkamen, sahen sie Jojo, der spielerisch einer Taucherin im Rücken saß und sein Penis spielte mit dem Tauchgerät, er muß da etwas verwechselt haben, der alte Junggeselle. Die Taucherin war natürlich erschrocken, wie es dann der zweiten Taucherin auch noch so ging, lachten alle recht herzhaft. So gibt es viele Geschichten von Jojo, der mit Sicherheit schon sechs Jahre hier ist, es gibt aber noch ältere Gerüchte. Jojo ist an einer Kerbe in der linken Brustflosse und an Narben eindeutig identifizierbar. Hier an unseren Ankerplatz kommt er leider nicht, er ist immer nur an der Nordküste hinter dem Riff.

Wenn der Wetterbericht günstig bleibt, werden wir morgen auslaufen und in die Bahamas segeln. Wir werden über Clarencetown, Georgetown, Keys nach Nassau gehen. Bis Georgetown werden wir in großen Schritten segeln, in den Keys, wo es einen Nationalpark gibt, werden wir etwas langsamer machen. Von Nassau geht es dann über die Berry-Islands nach Florida und dort im Intracoastal Waterway weiter nach Norden. Das sind dann noch einmal etwa 700 Seemeilen bis Norfolk Virginia. Mal sehen, wie schnell wir vorankommen und wo wir Ute dann treffen, eventuell schaffen wir es bis Juli - August bis nach Maine, denn im Waterway sind wir nicht ganz so vom Wetter abhängig und können flott nach Norden gehen. Zum Sightseeing haben wir dann Zeit auf dem Weg nach Süden, dann ist auch die bessere Jahreszeit. Aus europäischer Sicht ist alles so nahe beieinander, die Karibik ist gerade eben eine Gruppe von Inseln, wenn man aber erst einmal da ist, sieht man, daß alles viel weitläufiger ist und die Entfernungen sind riesengroß. So gesehen ist es auch eine fast unlösbare Aufgabe, den Drogenschmuggel nach USA zu kontrollieren. Hier auf dem Westteil der Insel steht eine große Radaranlage der amerikanischen DEA, die den gesamten Flugverkehr kontrolliert, und es gibt hier auch zwei Cheyenne-Blindflughubschrauber, die ständig auf Jagd sind. Ich habe früher viel mit dem DEA zusammengerarbeitet. Auch die US-Coast Guard patrouilliert hier überall und sie kommt auch an Bord. Wir haben das schon am Funk mitgehört, uns selbst ist es noch nicht passiert, aber das wird irgendwo irgendwann noch kommen. Wie wir nachts südlich des Caicos Reefs entlangsegelten, sah ich zweimal das gleiche Patrouillenboot und hörte sie auch am Funk, sie wollten aber nichts von uns. In Luperon, Dominikanische Republik, hatte mich der Commandante beim Einklarieren nach Drogen gefragt, da sagte ich, was ich früher gemacht hatte, das sprach sich gleich herum und einmal sprach mich auf der Straße ein junger Typ an, zeigte seine Dienstmarke und legte in einem Redeschwall in spanisch los. Er wollte mich nur kennenlernen und erzählen, daß er für die Drogenpolizei arbeitet. Die Dominikanische Republik hat aber selbst kein Drogenproblem außer in Santo Domingo und mit dem Schmuggel. Hier auf den Turks- und Caicos gibt es wenig Drogenabhängige und damit verbundene Kriminalität. Ansonsten sind die Inseln crime-free, glückliche Gegend!

Luperon war, wie uns der Wirt und der Lehrer erzählten, auch crime-free. Auf einigen karibischen Inseln hat es sich in den letzten Jahren sehr zum Guten geändert. Das ist zum Teil der Polizei, der Regierung und den großen Ganoven zu verdanken. Wenn man schwarze Gelder in Tourismus etc. investiert, stört die Kleinkriminalität. Die großen Ganoven haben aber sehr wirksame Mittel zur Abschreckung...! So haben wir nirgendwo Probleme gehabt, vor einigen Jahren soll die Situation aber noch ganz anders gewesen sein.

Wir merken jetzt, daß es langsam Sommer wird, nicht daß wir es bisher nicht sommerlich gehabt hätten, aber die Temperaturen ändern sich und die Luftfeuchtigkeit. Wir haben jetzt um die 30° Celsius und 80-90% relative Feuchte, das Wasser hat hier 29° C, das ist wunderbar zum Schwimmen. Wie wir gestern staubig und verschwitzt von unserem Ausflug zurückkamen, gingen wir erst einmal schwimmen. Um unser Boot sind ständig Schwärme von kleinen Fischen und wie wir ins Wasser gehen, waren einige große Räuber da, etwas einen Meter lang und obwohl wir ihn mit der Taucherbrille gut sehen konnten, wissen wir nicht genau, was es war. Der Form nach war es Barracuda, aber es fehlten die Streifen, die Farbe war Hai, aber dafür war der Schwanz zu klein. Es wird wohl doch eine Art Barracuda gewesen sein. Er hielt sich immer dicht am Grund und lauerte auf die hunderte von Schwarmfischen. Heinz und Uli werden Euch erzählt haben, wie dicht und wenig scheu die Schwarmfische um einen herumschwimmen. Gestern, nein vorgestern habe ich auch mit einem Kunststoffkratzer alle Seepocken vom Rumpf gekratzt. Man kann hier fast dem Wachsen zuschauen und unser Log muß immer wieder durch Tauchen gangbar gemacht werden. Diese kleinen Tierchen im Wasser setzen sich überall fest und Giftfarbe stört sie nicht allzuviel. Soviel für heute, wir haben gerade noch Briefmarken für einen Brief.

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Postkarte George Town, Bahamas, 29.4.91

Liebe Mutti,

statt einer Strandpostkarte von einer der zweitausend Bahama-Inseln schreibe ich lieber noch eine Karte mit historischem Hintergrund. Wir waren ja nur kurz in Santo Domingo, konnten aber viel sehen. Aber das ist schon wieder hunderte von Kilometern weg. Auf dem Foto ist die Festung vom Sohn von Kolumbus in Santo Domingo und auch einige Bilder von der Inneneinrichtung, dem sogenannten Alcazar de Colon.

Hier in den Bahamas ist das klarste Wasser, das wir je sahen! Vorgestern liefen wir nachts mit Radar hinter einem Riff in eine schöne Bucht, da war das Wasser so klar, daß wir im Mondlicht den Boden ca. 5 Meter tief sahen und einen nächtlichen Besucher, einen ca. 1 Meter langen Barracuda. Einen Tag vorher ankerten wir in einer Bucht in North-West-Cricket-Island, da waren kleine Korallengärtchen auf dem Sandgrund mit bunten Fischen, jeweils nur 1 Meter Durchmesser das ganz Biotop. Einfach schön. Es sieht aus, als ob ARION auf einem Quarzkristall mit eingegossenen Muscheln und Korallen schwimmen würde.

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George Town Exumas, 30.4.91

Lieber Sepp, liebe Brigitte,

mein Zorn auf den "Kommunisten" (=jugoslawischer Außenborder) wurde leider nur für Stunden besänftigt, am nächsten Tag nach der 40 Dollar Reparatur zerlegte ich ihn wieder, da lief er wieder und dann gab er wieder den Geist auf und ich ihn endgültig, den Sch...kommunisten. Ich habe eine Spule als Ersatzteil dabei, aber ausgerechnet die Hochspannungsspule für die Zündung habe ich nicht dabei. Es muß ein Wackelkontakt in der vergossenen Zündspule sein. Das Zündkabel ist auch mit vergossen, so kann man nichts durchmessen, denn es gibt ja oft Kontakt, wenn man aber starten möchte, geht wieder nichts. Jetzt haben wir hier für 530 Dollar einen neuen Motor bestellt, es soll morgen mit dem Postdampfer von Nassau ankommen, ich möchte Euch aber trotzdem bitten, so eine Spule bei Tomos zu bestellen und im Sommer mitzubringen. Details siehe Briefende. Soviel zum weniger erfreulichen geschäftlichen. Ansonsten ist es hier wunderbar. George Town liegt hinter den vorgelagerten langen schmalen Insel Stocking Island auf der Ostseite der Insel Exuma. Nördlich und südlich von Stocking ist eine Kette von Riffen und Inselchen, und so liegen wir wie in einer Lagune ca. 7 Seemeilen lang, 1-2 Seemeilen breit, weißer Korallensand am Boden. Stocking Island hat auf der Westseite, also der Lagunenseite, einige kleine Buchten, die wie Naturhäfen sind und zum Teil nur ganz enge Einfahrten haben. Das sind die Hurrikan Holes. Wenn wir heute nochmals beim Außenborder-Händler waren, werden wir dorthin verholen. Es ist dann nur ein Weg von 100 Meter auf die Ozeanseite von Stocking Island, wo es herrliche Muscheln zum Sammeln gibt. Die Brandung trifft nämlich nicht direkt den Sandstrand, weil direkt davor, wo die Wassertiefe von 1.000 Metern auf Null geht, ein Riff ist. Diese Kette von Inselchen zieht sich dann im Norden in einem großen Bogen um den Exuma Sound bis Eluthera. Dahinter liegen die Great Bahama Bank und am Nordrand davon Nassau. In diesem Gebiet ist meist drei Meter Wasser mit Korallenstöcken an die man nicht hinfahren soll und Sandbänke, die sind zum Hinfahren zumindest weicher, aber man kann dort über lange Strecken fahren und wir werden so bis Nassau gehen. Das ist natürlich ein ideales Revier für schnelle Motorboote und da die Great Bahama Bank von Kuba bis Florida geht, ist sie ein ideales Transportband für Drogenschmuggler. Auf den Inselchen gibt es zudem oft kleine Landestreifen für Flugzeuge, alles sehr ideal. Die Amerikaner treiben deshalb viel Aufwand, die Gegend zu kontrollieren. Hier über George Town schwebt ständig ein Blimp (nicht starres Luftschiff) mit einer Hochleistungsradaranlage an Bord. Zudem gibt es hier eine Hubschrauberstation der US-Coast Guard mit Großhubschraubern und ein Küstenwachboot der Bahama Defense Force. In Providenciales hat der DEA sogar Cheyenne Kampfhubschrauber, die haben vor zwei Wochen ein Flugzeug einfach abgeschossen - es war das Richtige! Die Radaranlage im Blimp und die Radaranlage in Provo decken das gesamte Gebiet bis Florida ab, dort gibt es auf den Keys dann weitere Anlagen.

Gerade hat Dianne über Funk mit Amerikanern gesprochen, die für uns im Versandkatalog die Preise für Außenborder nachschauten. 530 Dollar ist ein Superpreis. Sie zahlen hier keinerlei Steuern oder Zoll und so kommen nur noch 25 Dollar Fracht dazu.
 
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Fence Key, 7.5.91

Liebe Eisenberger,

wir sind immer noch in den Exuma Keys, erstens weil sie so schön sind, und zweitens weil es heute sehr bläst. Unser nächster Tagesturn geht nach Nassau und da brauchen wir gegen Ende des Tages ruhiges Wetter mit guter Sicht ohne Wolkenschatten, um durch die Korallenköpfe der Ansteuerung gut durchzukommen. Wir sind hier auf einer sehr interessanten kleinen Inselguppe mit großen Iguanas. Gestern kamen wir gegen 15 Uhr an den Ankerplatz zwischen den beiden Inselchen. Das Wasser smaragd- bis türkisgrün bis azurblau, je nach Tiefe und Untergrund. Direkt vor uns ein weißer Korallensandstrand an den sonst felsigen Inselchen und zu diesem Strand ruderten wir gleich hin. Ja wir ruderten, denn unser Außenbordergeschäft, das so gut aussah, wurde nichts. Am Mittwoch wie der Motor kommen sollte, erfuhren wir, daß ihn ein anderer Angestellter in Nassau am Dienstag anderweitig verkauft hatte, in dem gut organisierten Betrieb wußte wohl die Linke nicht, was die Rechte tat. Naja wir ruderten also zu zu Leaf Key, zogen das Dingi an den Strand und da stürzten sie schon auf uns zu, die kleinen Drachen. Sie dachten, es gäbe wohl "Dino - Freßchen", aber wo sollen wir hier Salat oder Frischgemüse für bettelnde Drachen herbekommen? Also lag die ganze Bande von etwa 20 Iguanas verschiedener Größe am Strand und schaute uns erwartungsvoll an. Nur einer verfolgte mich, er wollte es nicht glauben, daß die Kamera nicht zum Fressen war. Da habe ich ihn mit Wasser angespritzt und das nahm er übel und trollte sich in die zweite Reihe und schaute dort dumm drein. Zwischen den Iguanas liefen hübsche Möwen und andere kleine Strandvögel wenig scheu herum und warteten ebenso auf Futter. Die Iguanas hier sind eine völlig andere Rasse wie die in Guadelupe oder im Warderick Wells Key, wo wir die letzten zwei Tage im dortigen Nationalpark waren. Warderick Wells Key ist eine Hauptinsel von etwa zwei Seemeilen Länge und mehreren kleinen Inselchen in Gruppen darum herum. Der Ankerplatz führt durch eine Strömungsrinne zwischen Sandbänken herum in einen Pool zwischen den Sandbänken, wo wir ankerten. Ein herrlicher Ankerplatz, wenn man auch sehr genau in der ein Seemeilen langen Rinne hineinfahren muß und die Sandbänke fallen bei Ebbe zum Teil trocken und leuchten grellweiß in der Sonne. Die Wasserfarbe stuft sich dann bis blau über grün ab. In dem Dschungel auf der Insel gibt es gekennzeichnete Routen, wo Pflanzen mit Namen bezeichnet sind und anhand von Unterlagen, die einem die Parkleute geben, ist es recht lehrreich, dort zu wandern. Man darf nur nicht in die Luft schauen und weiterlaufen, denn der Korallenfels ist durch Erosion zerklüftet wie Vulkangestein und es gibt große Wet- bzw. Dry-Holes bis zu drei Meter tief und zehn Meter lang, in denen Krebse leben, wenn naß oder Palmen wachsen, wenn trocken. Es gibt dichte Palmenwälder mit niedrigen Petticoatpalmen und allen Sorten von Gestrüpp wo viele Vögel ein lautstarkes Konzert veranstalten und überhaupt nicht scheu sind. Große Eidechsen mit eingeringeltem Schwanz sind fast aufdringlich, wenn man sich zu einer Brotzeit hinsetzt. Andere Eidechsen, ca. 30 cm lang, wobei das meiste Schwanz ist, sind etwas scheuer. Sie sind wohl ein Übergang von Eidechse zur Blindschleiche. Die Iguanas, ein Pärchen, leben beim Haus der Nationalparkverwaltung. Sie sind fast ganz schwarz und nudelfett, sie werden auch gut gefüttert. Die Wissenschaftler und Studenten, die immer wieder zu Feldstudien dorthin kommen, möchten, daß nun das Weibchen ihre Eier am Haus ablegt, damit man diese seltene Art besser studieren kann. Tim, das größere Männchen, mag aber Lynn nicht sehr und verschwindet immer wieder für Tage zur Brautschau, er kann ja nicht wissen, daß sie auf der kleinen Insel alleine sind. Es gibt hier auch viele Fischadler und gestern abend konnte ich einen beim Fischen beobachten. Sie jagen wie Falken und stehen fast über einer Stelle in der Luft. Im Gegensatz zu den Seeadlern leben sie nur von Fischen.

Auf dem Weg von George Town nach Keith Key Island haben wir endlich wieder einen Fisch gefangen. Einen zwei Kilo Thun, tolles Tier und hat auch sehr gut geschmeckt. Vor Keith Key gingen wir nach Staniel Key, dort ist die Thunderball Cave, fast die ganze Insel, eine winzige Insel, ist hohl und in der Decke ist ein Loch und unter Wasser gibt es vier Eingänge. Eine Szene aus James Bond "Thunderball" wurde dort gedreht. Bei Niedrigwasser, wenn die Strömung aufhört, kann man hineinschwimmen. Ich habe viel gefilmt und die Bilder wurden ganz toll. Die Fische haben uns fast über den Haufen geschwommen. Es waren Hunderte, - mindestens, in allen Farben. Wenn man sie füttert, werden sie ganz toll und umringen einen in dichten Trauben wie ein Bienenschwarm, stoßen einen sogar an.

Die Abendsonne schien bläulich in Strahlen durch die Unterwasseröffnungen herein, Bilder und Farben, einfach überwältigend. In Warderick Wells, Name wegen der Quelle, tauchten wir wieder, aber an einem Weichkorallenriff. In der starken Gezeitenströmung biegen sich die kunstvoll geformten und hübsch gefärbten Fächerkorallen und dazwischen schwimmen wieder die bunten Fische und das gleich 50 Meter neben der ARION. In Warderick Wells trafen wir auch wieder mit WINGS und DREAM WEAVER zusammen, mit denen wir ja regelmäßigen Funkkontakt haben und machten abends gemeinsames Abendessen. Es wurde ein langer schöner Abend und beide liefen am nächsten Tag zu verschiedenen Inseln aus, während wir auf der Insel wanderten. Gestern trafen wir hier wieder WINGS, wir werden mit einem anderen Boot, das wir alle erst hier trafen, zum Essen eingeladen. Wes hatte 20 Conchmuscheln hier getaucht und die gab es in viererlei Zubereitungen. Das junge Paar, das wir hier erst kennenlernten, hatte einen Conch-Chowder (Suppe) gemacht und Sandy machte Conch-fries, Crack-Conch und eine andere Art, wo ich den Namen vergessen habe. Wir waren randvoll satt von diesen Spezialitäten. Es wäre ein Fest für Christian gewesen. Wes hat eine Couch zum Trompeten hergerichtet und heute früh habe ich eine zweite Conch hergerichtet und so haben wir mit drei Hörnern ein Trio geblasen. Ob es den beiden anderen Booten hier auch gefallen hat? Gestern beim Einlaufen trauten wir unseren Augen kaum. Eine große deutsche Ketsch liegt in der Südbucht vor Anker. Wir haben die ANDROMEDA in Port St. Louis in der Rhonemündung kennengelernt und wußten nur von der TO-Zeitung, daß sie in USA waren. Jochen und Helga haben in Port St. Louis ihr damals neues Schiff zum erstenmal aufgeriggt, und wir haben neben ihnen die Masten gelegt, so lernten wir uns kennen. Jochen kam auch gleich mit dem Schlauchboot vorbei. Wieder einmal das kleine segelnde Dorf. Jetzt fährt gerade ein Dingi von einem kanadischen Boot, wir liegen hier zur Zeit mit vier Booten, zu den Iguanas, ich kann die kleinen Drachen schon aus dem Busch an den Strand rennen sehen, denn ich schreibe ganz leise am Kartentisch während Dianne Englisch-Video schneidet. Acht Iguanas und viele Möwen sind schon am Strand und weitere sitzen noch im Schatten unter den Büschen. Sie sehen lustig aus, wenn sie "sitzen". Hintern am Boden, die fetten Hinterbeine seitlich abgewinkelt, den Schwanz im Bogen nach oben - beim Gehen schleift er - und den Vorderkörper auf die Vorderbeine gestützt. Während ich dies schrieb, sind es jetzt schon vierzehn am Strand geworden. Auch für mich Pause, 12 Uhr ein kühles Bier aus der Dominikanischen Republik aus den hoffentlich noch lange reichenden Vorräten.

Die weitaus meisten Inseln der Bahamas sind unbewohnt und so konnten sich hier seltene Tiere halten, die anderswo von Menschen vertrieben wurden oder von verwilderten eingeführten Tieren verdrängt wurden. Gerade läuft wieder eine Yacht ein, jetzt sind wir noch fünf, über Nacht waren es noch sieben Boote. Die Keys hier haben einiges mit den Kornaten in Jugoslawien gemeinsam, nur ist hier das Wasser viel klarer und die Inseln selbst viel grüner, aber es gibt relativ wenig Palmen hier, da alles recht felsig ist. Dieses stark zerklüftetete erodierte Sandgestein war einmal Korallensand, der zu Stein zusammengebacken wurde, zusammen mit CO2 usw. usw. Durch Landhebungen kamen diese unterseeischen Felsplatten ans Tageslicht. Jetzt werden sie wieder zu Sand und Korallen und Muscheln produzieren weiter Rohstoff, den das Meer nach dem Absterben in der Brandung wieder zu Sand macht. Man finden dabei alle Abstufungen von Feinheitsgraden, es heißt grobe Splitter bis Staub.

Pause, Mittagessen beendet.

Vom Steuerhaus aus kann ich alles gut beobachten. Wes hat hinter dem Heck von WINGS einige lebende CONCH an einer Leine angebunden und mit einer Boje markiert. Diese Boje wandert jetzt schon die ganze Zeit hin und her, eben so wie die Couch unten auf dem Grund weiden. Da die Muschelschalen so viele Hörner haben, ist es einfach, die Tiere anzubinden, sie müssen nur am Grund sein. Hängt man sie einfach ins Wasser, ertrinken sie. Klingt komisch, ist aber so. Und sie müssen laufen können, es sind ja Schnecken. Hat man sie erst einmal das erstemal getaucht, kann man sie für einige Tage als frischen Vorrat halten. Das Fleisch ist reines Protein und fast völlig fettfrei und schmeckt seeeehr gut.

Dianne sitzt jetzt auf dem Achterdeck in der Sonne und schreibt auch. Eine Möwe sitzt einen Meter vor ihr auf der Rettungsboje und ließ sich kaum mehr verscheuchen. Allerdings habe ich heute morgen Möwen mit angeschimmeltem Brot gefüttert. Sie fangen die Brocken äußerst geschickt im Flug, etwa zwei Meter von der Hand weg. Sie haben rote Schnäbel und schwarze Köpfe, weiße Streifen über und unter den roten Augen, oben schwarze Flügel und rötlichbraune dunkle Beine mit Plattfüßen. Jetzt sitzt die Möwe auf dem Schlauchboot, ist eben dritte Welt hier, alles lebt vom Betteln und den Touristen. Bei den Iguanas waren jetzt drei Schlauch-bootsbesatzungen und fütterten. Das ging vielleicht rund, jeder gönnte dem anderen nichts und plötzlich konnten die sonst trägen Burschen blitzschnell laufen.

Jetzt bin ich gerade vom Nachmittags-Landgang und Schwimmen zurück und Dianne ist eben auch aus dem Wasser raus, sie bleibt immer länger drin. Wir gingen zuerst auf die Westinsel, wo wir nur einen scheuen gtroßen Iguana und viele Vögel sahen. Dort liegen auch viele ausgenommene Couch herum. Dann ruderten wir über den Ankerplatz zur Ostinsel, wo eine Hausruine steht. Während ich noch eine einlaufende Yacht von der Mauer der Zisterne beobachtete, sah Dianne auf der Rückseite einen Fischadler. Wieder am Strand der vielen zahmen Iguanas sahen wir die Leute von einem Motorboot am anderen Strand nebenan die Iguanas füttern und wir ruderten die 20 Meter um die Felsnase zwischen den Stränden und beobachteten aus der Nähe die Tiere beim gierigen Fressen. Sie gingen mit Drohgebärden aufeinander los und schlugen sich mit den Schwänzen. Dabei kamen wir mit dem Ehepaar ins Gespräch. Er stammt aus England , sie aus Berlin, wanderten nach dem Krieg nach Kanada aus, machten Geld, gingen in die USA, machten mehr Geld, und jetzt reisen sie. Zur Zeit sind sie mit ihrer Tochter unterwegs, die gerade Abitur gemacht hat. Während die Tochter Obst und Gemüse verfütterte, hatten wir eine nette interessante Unterhaltung. Sie waren bei der Maueröffnung in Berlin.

Heute früh habe ich noch eine Couch zum Trompeten abgeschnitten. Sie schmettert wie eine Posaune. Viel besser als die alte. Habe gerade wieder mit Wes zusammen geblasen. Das französische Boot, das erst heute nachmittag hereinkam, kannte die Töne noch nicht. Sie sind gleich alle Acht an Deck gerannt und schauten, ob Nebel aufkommt.

18.00 Uhr Der Wetterbericht ist gut für morgen, gut für übermorgen und so werden wir morgen um 8 Uhr wohl aufbrechen und diese schöne Inselkette der kleinen Drachen und türkisen Wasser verlassen. Wes und Sandy kommen gleich zu einem Sundowner herüber und bringen uns ihren Müll mit, denn den fährt man in den Inseln zum Teil lange mit und leider gibt es Idioten, die den Müll einfach in ein Dry Hole werfen, sogar hier gibt es das leider! Da die anderen noch in die anderen Inseln fahren, nehmen wir den Müll in die Hauptstadt mit. Es ist halt wie mit den Bergsteigern. Ich kenne das Müllkonzept von Nassau nicht, aber es ist besser, der Abfall liegt in der Hauptstadt auf einem Haufen und nicht hier in den Inseln verstreutin der freien Natur. Man muß die Natur einfach pfleglicher behandeln und bei den Seglern ist das Bewußtsein eigentlich schon ganz gut, obwohl hier auf dem Grund auch Flaschen und Dosen liegen, die unser Anker zu einem Haufen geschoben hat, bis er sich eingrub. Wir liegen hier vor zwei Ankern. Einer für auflaufend Wasser, und einer für Ebbe. Es gibt zur Zeit einen Knoten Strom und das Boot legt sich nicht in den Wind, sondern mehr in den Strom, mal so mal so.

8.5.91

Sind gerade in Nassau eingelaufen. Morgen früh geht es zur Post. Hier hat es sich seit 1969 stark verändert und vergrößert. Der Hafen ist toll ausgebaut worden. Es liegen gerade vier große Kreuzfahrtschiffe hier. Es gibt jetzt noch eine neue Pier parallel zu der Pier, an der wir damals mit der DEUTSCHLAND gelegen haben. Auf Paradise Island wurden noch einige Hotels gebaut und der ganze Ostteil der Stadt bis ans Meer hinaus ist neu dazugekommen.

Gestern abend hatten wir noch einen langen Ratschabend mit Wes und Sandy von WINGS. Wie waren noch gar nicht auf, wie wir heute früh um 7.45 Uhr aus dem Ankerplatz ausliefen. Die Drachen waren auch noch nicht auf, dafür war ein großer seltener Yellow Crowned Night Helm Reiher am Strand. Zwei andere Boote liefen vom Ankerplatz mit gleichem Kurs nach Nassau, ein Amerikaner, ein Franzose. Die Franzosen waren komische Typen, acht Leute auf dem Schiff, wir trafen sie an Land beim Drachenfüttern, sie sagten nicht Muh nicht Mäh, redeten aber auch untereinander nichts. Alle hatten Sonnenbrand, vor allem auf den Busen, war wohl eine Chartercrew, Sonnenbrand ist ein sicheres Anzeichen für die bisherige tropische Verweildauer!

Hier am Ankerplatz zwischen Paradise Island und der Stadt Nassau ist noch ein europäisches Boot. Walliser aus Milford Haven, Großbritannien, sie haben zusätzlich zur britischen Flagge eine große wallisische oben grün weiß mit roten Drachen. Das Boot heißt RED WITCH und hat am Bugspriet eine vollbusige Rothaarige als Gallionsfigur.

9.5.91

Ich stehe am Stehpult der Hauptpost in Nassau, vor mir ein Riesenstapel noch nicht gelesener, nur gesichteter Post. Eure Briefe habe ich gelesen. Vielen herzlichen Dank und für all die Mühe mit der Post. Die Post werde ich im einzelnen noch beantworten, das übersehe ich jetzt auf die Schnelle nicht. Unsere weiteren Planungen sind Sommer/Herbst 91 USA, dann wieder in die Karibik runter ohne genauere Pläne, es ist einfach zu schön hier. Also Winter 91/92 irgendwo "Inseln", dann noch keine konkreten Pläne örtlich wie zeitlich. Soviel hier aus der Hauptpost in Nassau.

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Nassau, Bahamas, 9.5.91

Liebe Mutti,

heute war - oder ist - ein rundum erfolgreicher Tag. Morgens gingen wir erst durch die mir noch zum Teil bekannten Straßen von Nassau zur Hauptpost, einem gut organisierten großen Postamt, und erhielten dort fast den ganzen Inhalt des Faches "R". Lag ja lange genug da, denn die Eisenberger Post war am 16.4. bereits angekommen. Vielen herzlichen Dank für Deine Briefe. Jetzt haben wir den ganzen Nachmittag Post gelesen und die nächsten Abende werden wir Post erledigen, das geht leider nicht so schnell, aber ich will mal mit dem Brief an Dich anfangen, um die Prioritäten zu setzen. In meinen letzten Briefen, die zwar an mal die, mal jene Adresse gerichtet wurden, aber für alle gemeint sind, habe ich nur von hier erzählt. Das interessiert Euch sicher auch, aber an Deinen Briefen sehe ich, daß Dich der Gang der Zeit nicht nur in der Historie interessiert. Leider sind die herrlichen Zeiten mit europäischen Zeitungen vorüber . Wir sind hier in USA -Cleveland Country und die lesen selbst keine überregionalen Zeitungen. wir haben ja viel Kontakt zu amerikanischen Freunden und da diese im Ausland Erfahrung gesammelt haben, bedauern sie es selbst, daß in den USA nur der häusliche Geist herrscht, wo zwar über dichteste lokale Dinge berichtet wird, aber Auslandsnachrichten keinen Anklang finden, die Leute würden auch nicht wissen, wo die Orte liegen, wo was los ist. Geographie und Geschichte sind nicht die Stärke der Amerikaner und ihr Bildunggsystem scheint nicht das Tollste zu sein. Aber um gerecht zu sein, wollen wir erstmal ins Kernland reisen und das in Augenschein nehmen.

Der Golfkrieg, der Dich in Deinen Briefen noch so sehr beschäftigt hat, ist, wie ich eigentlich erwartet habe, nicht beendet worden, die Nachwirkungen und politischen Probleme der Region werden schwerer zu lösen sein. Leider wird wie fast immer in der Geschichte, wo eine bestimmte Lösung gewünscht wird, mit zweierlei Maß gemessen, nicht nur in dieser Region. Aber zumindest geht die Entwicklung nach dem Ende des offenen kalten Krieges in die richtige Richtung. Es gibt noch so viele Krisengebiete und der Balkan zeigt mal wieder, daß sie seit Sarajevo nicht viel dazugelernt haben. Hoffentlich sagt die EG den Herren Serben, Kroaten, Slowenen etc. deutlich, daß so keine Eintrittskarte in die EG erworben werden kann. Tschechen und Slowaken machen ja dem fabelhaften Präsidenten Havel zu schaffen. Sonderbar, der Westen orientiert sich an supranationalen Konstruktionen und der Osten zerbricht in Nationalstaaterei. Es ist halt das Erbe des Stalinismus, der alles mit Gewalt auf eine Einheitslinie gepeitscht hat und sogar vernünftigen Interessenausgleich nachhaltig verhindert hat. Jetzt brechen die nie geheilten Narben wieder schmerzlich auf. Eine Politik muß nicht nur fachlich orientiert erfolgen, sondern sie muß vor allem auch gerecht, integer und auf Interessensausgleich bedacht betrieben werden. Wir sehen hier immer wieder Beispiele, wo es an einer dieser Erfordernisse fehlt. Die Bevölkerung treibt dann in eine Spaltung der Gesellschaft, in Reiche und Arme, letztere ohne jegliche Perspektive. Wir sehen auf unseren Reisen Beispiele in verschiedenen Abstufungen dafür. Naja, heute abend, in diesem Brief um zwei Uhr Ortszeit, werde ich die Welt nicht mehr verbessern . Habe da auf unserem Ankerplatz mit Wes, dem amerikanischen Freund, viel diskutiert.

Was sich heute aber ganz konkret verbessert hat, ist die Mobilität unseres Dingis. Wir haben heute einen neuen Außenborder gekauft und sind heute schon lange und weit am Ankerplatz herumgefahren. Der Preis war mit 430 US-Dollar sogar mehr als günstig.

10.5.

Heute früh wieder Nachrichten über die Weigerung des Irak, Saddam Hussein, eine UNO-Polizeitruppe ins Land zu lassen. Jetzt sind die Stimmen in der UNO schon gespalten, denn wenn die UNO gegen den Willen stationieren würde, müßten viele - zu viele - Länder fürchten, daß die UNO sich in ihre "inneren" Angelegenheiten einmischen würde, sie könnten dann nicht mehr ihre Minderheiten unterdrücken. Ja, man ruft nur nach Gerechtigkeit, wenn es einem nützt. Die Menschen als solche sind eigentlich egal. Aber oft ist das Dilemma auch nicht lösbar, weil in manchen Regionen einfach zu viele unterschiedliche Menschen zusammenleben müssen und gerade in diesen Regionen wächst die Bevölkerung insgesamt oder eine Gruppe auch noch schneller als man die Bedingungen für die Lebensgrundlagen verbessern kann. Teufelskreis! Deswegen bin ich auch gegen zu viel und unkontrollierte Einwanderung nach Europa. Es ist ein Traum "grüner Lehrer", daß die mulitkulturelle Gesellschaft entstehen und funktionieren könnte. Man sieht, wie schwer Ost und West in Deutschland zusammenfinden, und sie haben alle gleiche Kultur, Religion, Geschichte (außer Neuester) und Rasse.

Wir haben hier gestern versucht, eine Zeitung zu erhalten, aber ich fürchte, wir müssen weiter mit der Deutschen Welle leben, die uns aber mit politischen Journalen, Hintergrundberichten, Interviews und Nachrichten reichlich versorgt. Sie schicken immer die Programmzeitschrift an Brigitte. Das Maiheft wird uns ohnehin nicht mehr erreichen, hole es Dir und schau es einmal an. Die Deutsche Welle ist wirklich ein guter Sender, bis auf Kleinigkeiten oder Unarten einzelner Journalisten speziell einiger Journalistinnen und da schreibe ich dann immer gleich und zum Teil hilft es sogar. Will diesen Briefe gleich heute zur Post bringen, schreibe ihn deshalb neben dem Frühstückskaffee fertig.

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Golf Strom, 16.5.91

Postkarte

28°, 6 Min Nord, 80° West

Lieber Christian,

wir haben heute im Golfstrom bis zu 9,1 Knoten gemacht, jetzt haben wir die fischreiche Strömungskante passiert und laufen Cape Canaveral an. Haben nur einen Jig (=Blinker) verloren, aber gerade schwamm ein Manta mit mindestens 3 Meter ganz dicht unter der Oberfläche direkt neben der Bordwand durch. Bei den drei Angeln stutzte er, kam mit einem Flügel aus dem Wasser und schwamm dann weiter. An unserem letzten Ankerplatz in den Berry Islands waren viele Stachelrochen zu sehen. Wir haben auch ganz hübsche Muscheln auf den Sandbänken bei Ebbe gefunden. Heute nachmittag werden wir in Cape Canaveral Port einlaufen. 7.777 Seemeilen seit Honfleur in Frankreich, ob ich da wohl einen Schluck darauf trinken werde? Amerika ist erreicht, nach 1.800 Seemeilen durch die Karibik.

P.S. Jetzt sind wir in einer Marina und warten auf die Bürokraten, die auf sich warten lassen, aber wir sind im Süden Amerikas! In der Einfahrt tummelten sich viele große Schildkröten, ca. 1 Meter.

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Titusville, 18.5.91

Liebe Oberdeuscher, liebe Eisenberger,

wie Ihr am Ort oben seht, haben wir einen großen Sprung gemacht, nicht gerade bis zum Mond, aber immerhin gerade dorthin, wo man normalerweise zum Mond losfährt. Wenn jetzt eine Raumfähre starten würde, ginge das Ding direkt vor unserem Ankerplatz hoch. Das ganze Gebiet östlich des Indian River ist Raketengelände. Hier ist alles ein bißchen größer und weiter, als wir es gewöhnt sind. Halb Europa ist halt schon etwas eng und dicht bewohnt, aber es ist mir trotzdem lieber. Dafür gibt es hier jede Menge Natur - zwischen der Zivilisation. Wir kamen zum Beispiel heute an einen ganzen Teil von Fischadlernestern mit Jungen darin vorbei, wurden von Delphinen begleitet und selbst hier am Ankerplatz umkreisten uns dicht die Delphine, während wir das Schlauchboot klarmachten.

Aber ich sollte wohl der Reihe nach erzählen und nicht mit der großen amerikanischen Tür ins Haus fallen. Unsere letzten Briefe gingen wohl von Nassau weg. Von Nassau habe ich also schon etwas erzählt. Die Stadt hat uns gut gefallen, sie hat sich im Vergleich zu vor 23 Jahren, soweit erinnerlich, recht gut entwickelt. Wir haben in der glühenden Hitze lange Spaziergänge überall hin gemacht, wie heiß es oft ist, ungefähr 34° Celsius, merken wir dann nur, wenn wir aus einem Gebäude mit Klimaanlage kommen. Wir haben dann noch ein Bad angehängt, weil mir erstens nicht nach Auslaufen war und weil ich eigentlich ganz gerne noch einmal nach Paradise Beach wollte, wo ich als Kadett so von dem Strand unter Palmen auf Paradise Island beeindruckt war. Naja, der Eindruck von vor 23 Jahren war besser, jetzt sind dort zu viele Hotels und Beach Clubs. Der Kasuarina-Wald im Inneren der Insel ist aber immer noch schön und der Strand kann sich halt leider heute nicht mehr mit den Stränden vergleichen, die wir sonst so sehen. Jedenfalls hatte ich meinen Nostalgie-Spaziergang.

Die Festung, das heißt, eine der beiden Festungen in Nassau, besuchten wir auch und sie wurde schön restauriert bzw. einige Arbeiten dauern noch an. Aber das sind mehr optische Eindrücke, die wir besser im nächsten Film anschauen. Wie wir dann bei Flaute am nächsten Tag aus dem Hafen fuhren, vorbei an den großen Passagierschiffen, die bis zu 7.000 Touristen in die Stadt speien (es könnte einem beim Anblick einiger auch so werden), befürchteten wir schon einen Motortag. Aber wir hatten gerade die Außenmole passiert, da war Wind aus der richtigen Richtung und wir setzten alle Segel, um die 35 Seemeilen zu den Berry Islands zu segeln. Die Bahamas sind ja ein Gewirr von ca. 2.000 Inseln, aber das Gewirr hat Prinzip. Aus dem sehr tiefen Wasser ragen flache Tafelberge hervor, die oben also ca. 1-7 Meter unter der Oberfläche, die Bänke bilden. Diese Bänke haben dann einen Kranz oder einen einseitigen Rand von Inseln zu einer der tiefen Seiten hin (nicht zu verwechseln mit Atollen). Die Berry Islands nordwestlich von Nassau liegen an der Ost- und Südseite eines solchen Flachs. Man kann meist nur von der tiefen Seite her durch einen Inlet zwischen die Inseln hinein einen Ankerplatz erreichen. Das sind aber alles Sackgassen für Boote mit unserem Tiefgang. An unserem ersten Ankerplatz mit viel Gezeitenströmung trafen wir ein junges amerikanisches Paar mit ihrer Yacht, wo er Meeresbiologe war. Das war natürlich in der Gegend ein interessanter Gesprächspartner. Da wir mit unserem neuen Außenborden gut mobil waren, fuhren wir natürlich viel in der Gegend herum, stöberten am Strand entlang und verfolgten Stachelrochen im kristallklaren Wasser. Sie sind mit ihrer fast schwarzen Oberfläche mit weißen Punkten über dem weißen Sandgrund deutlich zu sehen. Beim Schnorcheln sieht man sie natürlich noch besser und solange man nicht über einen am Grund liegenden Rochen drauf tritt, tun sie einem auch nichts. Haie haben wir übrigens noch keine gesichtet, nur einmal waren wir beim Schwimmen über einigen Korallen wo uns nachher ein Bootsnachbar fragte, ob wir Haie gesehen hätten, ein anderer hatte welche beim Boot gesehen. Einen Tag später segelten wir dann zu den nördlichen Berry Islands und dort blieben wir dann einen Tag länger. Wir spazierten auf den Inseln herum, wo der Leuchtturm und eine Sendestation der Amerikaner für U-Boote stehen und besuchten die Strände und trockenfallenden Sandbänke der kleinen Inseln darum herum. Wir fanden dabei zum Teil seltene herrliche Muscheln. Wir hätten auch Conch tauchen können, sie lebten direkt unter der ARION, aber wir verzichteten. Erstens Naturschutz und zweitens ist es eine Sauarbeit die Tierchen zu putzen und herzurichten, schlimmer als Tintenfisch! Am Abend des zweiten Tages liefen wir um 19 Uhr aus, eigentlich um nach Grand Bahama Island zu segeln. Das ist so eine Entfernung zu viel für einen Tag und die Ankunft sollte wegen der Riffe bei Tageslicht erfolgen. Also Nachtfahrt, leider bei "schwarzem Vollmond" (Neumond). Es gab viel Schiffsverkehr, guten leichten Wind, Gustav steuerte, Lori und Sati navigierten um die Wette und wir schlugen uns abwechselnd die Nacht um die Ohren. Am nächsten Tag ging es dann so gut und locker weiter, daß wir uns entschieden, weiterzusegeln. Im Golfstrom wären wir noch beinahe in ein Riesengewitter gesegelt, aber die machen auf der Floridaseite meist vor dem Wasser halt. Beim nächsten Sonnenaufgang waren wir dann schon in der stärksten Strömung drin. Wir rauschten mit 9,1 Knoten über Grund nach Norden. Das war zu schnell für den geplanten Hafen, wo wir sonst bei stärkster Ebbströmung hätten einlaufen müssen. Also nochmals Planungsänderung und weiter im Golfstrom nach Port Canaveral. Beim Einlaufen in den riesigen neuen Hafen begegneten wir vielen großen Schildkröten und einem großen Passagierschiff, wo die Passagiere auf unser kleines schaukelndes Bootchen herunterblickten und winkten. Wir liefen zunächst in eine Marina um einzuklarieren und das zog sich fast 24 Stunden hin, da es erst voran ging, als wir einfach ins Büro marschierten und nicht länger warteten und telefonierten. Wie wir mit dem Papierkram fertig waren, war es natürlich zum Weiterfahren schon zu spät. Dianne konnte aber die Zeit gut in der Wäscherei der Marina ausnützen und in kürzester Zeit hatten wir die ganze Wäsche, die sich in den wasserarmen Inseln seit der Dominikanischen Republik angesammelt hatte, gewaschen und zum Teil gleich im Trockner getrocknet. Die zweite Nacht verbrachten wir dann im Wendebecken des Hafens vor Anker. Zuvor hatten wir aber in der Marina noch Diesel und Wasser gebunkert. Im ganzen Hafengebiet gab es unzählige Fische, die einen solchen Radau durch ihr ständiges Plantschen und Platschen machten, daß es kein Wunder war, daß wir von unserem Ankerplatz aus Pelikane, Möwen und Delphine beobachten konnten. Sogar einige Reiher und Störche waren da. Heute Morgen fuhren wir dann durch den Cape Canaveral Barge Canal zum Intra Coastal Waterway (ICW) in den Indian River hinein. Gleich als erstes ging es unter einer doppelflügeligen Klappbrücke der sechsspurigen Autobahn hindurch. Dann kam die Strömungsschleuse zum Banana River und dann gab es bis hierher viel einmalige Natur zu sehen. Die Inseln und Land-Fluß-Seegebiete hier sind vielfach auch Naturparks. Aber auch ohne Naturparks sahen wir Fischadler und Delphine den ganzen Tag. Nur Manatees (Seekühe) haben wir noch nicht gesehen. Gestern hat uns ein Fischer gesagt, daß wir dann sofort ins Wasser springen sollen und mit den zutraulichen Tieren spielen sollen. Sie mögen es, gekrault zu werden.

Östlich unseres Ankerplatze, zwischen Ozean und Indian River (dort verläuft der ICW) liegen die großen Startgelände und wir können die riesigen Gebäude, wie zum Beispiel die Halle für die Saturn 5 Mondrakete etc. sehen. Wir wollen auch noch einen Ausflug zum Space Center mit Museum etc. machen. Am Mittwoch früh ist sogar ein Start, mal sehen, was gestartet wird, dann bleiben wir eventuell. Jetzt ist es schon spät abends, wir ankern mit etwa 8 Booten vor der Marina und wer denkt, daß Fische stumm sind, hat sich tüchtig geirrt. Im Wasser draußen ist ein auf- und abschwellender Höllenlärm. Nicht plantschende Fische wie letzte Nacht, sondern wieder diese schnarrenden Fische, die wir nicht kennen, nur hören. Hier sind sie so zahlreich, daß der Lärm nicht mehr interessant sondern störend ist. Im Moment rückt gerade wieder so ein "Knurrhahn-Geschwader" lautstark an. Heute haben wir auch wieder einmal richtig in einem Supermarkt eingekauft. So einen Supermarkt hatten wir seit S. Martin nicht mehr. Viele Dinge sind echt amerikanisch, zum Beispiel Salatsaucen in einem Sprayer, wie ein Blumensprayer mit Pumpe. Käsecreme als Brotaufstrich in der Spraydose und alles was dick macht. Aber es gibt schönes Gemüse und gutes Fleisch für wenig Geld. Mit dem Schlauchboot konnten wir fast bis vor das Einkaufszentrum fahren, das war natürlich praktisch, denn hier ist alles sehr weitläufig, denn hier ist ein Auto-Country, da heißt weitläufig, wirklich weit und damit sehr weit zum laufen. Wir werden wohl unser Tandem wieder aktivieren müssen. Im ICW können wir es ja an Deck stellen. Unter ICW darf man sich allerdings nicht etwas à la französische Kanäle vorstellen. Hier gibt es riesige Wasserflächen, durch die der Kanal als markierte Fahrrinne durchführt. Der Indian River ist zum Teil 2-3 Meilen breit. Soviel für heute, jetzt gehe ich auch in die Koje, Dianne liegt schon eine Stunde darin.

19.5.

Jetzt haben wir gerade während des Frühstücks eine ausgiebige Plauderstunde mit einer ganzen Reihe von Freunden am Funk gehabt. Gottfried und Edith aus Wien haben ihr neues Boot im Golf von Mexiko übernommen, wir hatten sie erst vor einer Woche noch als Besucher auf TAGTRÄUMER in Mallorca gehört. Im letzten Sommer sprachen wir immer mit ihnen, wie sie noch mit dem alten Boot im Mittelmeer waren. Dann hatten wir WINGS dran, sie sind aus Titusville. Wes hatte im Space Center für die NASA gearbeitet, er ist Elektronikingenieur. Sandy´s Eltern leben hier in Titusville und Dianne hatte sie gestern angerufen und wollte sie zum Frühstück an Bord einladen, dann hätten sie mit Wes und Sandy sprechen können. Sie sind aber schon älter und nicht mobil genug für eine Fahrt mit dem Dingi, so tauschten wir nur Nachrichten aus. Dann hatten wir noch DREAM WEAVER dran und IVOIRE, die mit uns über den Atlantik kamen und die wir immer wieder trafen. Mit IVOIRE segelten wir die letzten fünf Tage bis Barbados in Sichtweite und wir hatten sie in den Capverden kennengelernt. Wir haben jetzt alle überholt, in etwa zehn Tagen werden auch alle anderen hier sein, aber dann sind wir schon wieder weiter, denn wir müssen und wollen dem heißen Sommerwetter entfliehen und in den Norden bevor die Hurricanezeit losgeht, das ist etwa in einem Monat. Wir sind jetzt auf 28° 30 min Nord und sicher sind wir, laut Versicherungsvertrag, ab 35° Nord, aber hier wäre auch kein Problem, da es genug sichere Plätze gibt und das Wetterberichtsystem in den USA ist hervorragend. Man schaltet das Handfunkgerät auf einen WX-Kanal und da läuft 24 Stunden ein ständig berichtigtes Band mit sehr detaillierten Wetterinformationen. Sie verwenden hier dazu Radar und Satelliten und so ist alles sehr genau. Nicht wie die Wetteransage der Bundespost. Solche Wetterdienste gibt es nicht nur für die Seefahrer sondern auch für die Luftfahrt und für die Landwirtschaft. Mit dem Radar können sie genau sagen, wo es Regen oder Gewitter gibt und wie die Wolken ziehen und wie schnell. Das bräuchte Gottfried! Handfunkgerät unten im Loch (Flurname), dort wo man das Gewitter nicht kommen sieht, einfach einschalten und dann "....Regenschauer mit Gewitter in Nesselwang ziehen südost mit 10 km pro Stunde, 15 Uhr zwischen Wiedmar und Falkenstein". Also, Regen geht vorbei, Heu bleibt noch draußen, einführen erst um 17 Uhr, wenn es ganz trocken ist. Na Gottfried, wäre das was?

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Karte

Kennedy Space Center, 20.5.91

Lieber Sepp und Familie,

wir sind gerade vom Kennedy Space Center zurückgekommen und sind noch ganz voll von Eindrücken und voller Begeisterung. Die ganzen Möglichkeiten zu Besichtigungen sind perfekt organisiert und alles wird mit 3D-Kino - Leinwand 5 Stockwerke hoch - kleinen Kinos, Busrundfahrten zu den Startplätzen, ausgestellten echten Raketen bis zur Saturn 5 und vielen Videos, alles hervorragend präsentiert. Toll auch das Nebeneinander von HighTech und Natur. Kurz vor dem riesigen Assembly Building nistet ein Weißkopfseeadler. Auch Alligatoren haben wir vom Bus aus gesehen. Es gibt auch einen Naturpark gleich neben der riesigen Landebahn. Jetzt hoffen wir nur, daß bis Mittwoch 8.oo Uhr das Wetter besser wird und der Start von Columbia für Mission 40 stattfindet. Wir haben jedenfalls einen Logenplatz. Aber unser Ankerplatz ist auch so einmalig schön. Wir beobachten zum Beispiel riesige lange Frachtzüge mit ca. 155 40- Fuß Containern bei ca. 80 Waggons und 3 Dieselloks.

Die Vielfalt der Natur kann man dagegen gar nicht aufzählen. Ständig gibt es etwas zu schauen. Gestern abend haben wir eine englische Familie an Bord gehabt. Ehepaar, Schwester und drei Kinder und es fanden sich wieder gemeinsame Freunde. Also immer Kurzweil. Obwohl wir ausreichend schlafen, sind wir von den vielen zu verarbeitenden Eindrücken immer hundemüde. Heute abend werden wir nicht alt werden. Die Tage werden jetzt wieder deutlich länger, wir sind über den Wendekreis weg und mit mehr Nordbreite werden die Tage bis zum 21.6. immer länger.

Karte, 21.5.91

Liebe Eisenberger,

heute haben wir das schlechte Wetter ausgenützt und Video geschnitten. Leider hat die Tonqualität zum Teil etwas gelitten, denn bei heulendem Wind, Wellen und schlagender Persenning etc. war es ein wenig schwierig, die richtigen Regler auf- bzw. abzudrehen. Das Wetter hat auch bereits dazu geführt, daß der Start des Space Shuttle auf Donnerstag verschoben wurde. Wir warten denn die Gelegenheit ist einmalig. Leider ist das Telefonieren von den USA nicht einfach. Es gibt nur 25-Cent-Münzen, da braucht man einen ganzen Sack und Kreditkartentelefone sind selten. Ja ja auf den Mond fliegen, das schon, aber sonst Buschtrommeln. Über Norddeich waren zwei Versuche schlecht, aber wir hören immer die Traffic List. Die amerikanischen Rundfunksender haben spitze Musik, aber keine Nachrichten. Haben über den Besuch von Bundeskanzler Kohl in Washington noch kein Wort gehört. Auch das ist Amerika.

22.5.

Start verschoben, wir gehen weiter nach Norden. Kein neuer Termin in Sicht, schade.

Anmerkung

Zwischen Datum St. Augustin 21.5.91 und South Port 29.5.91 mehrere Postkarten, zum Teil informativ, sollten noch als Standardtext eingearbeitet werden. Im Originaltext so nicht verwendbar.
 
 






Wrightsville Beach, 30.5.91

Liebe Allgäuer,

(Funk Sammelanruf von Delta Kilo Romeo Alfa)

Heute früh kam Richard mit einem ganzen Packen von Post zu uns an Bord, wir verbrachten ein nettes Plauderstündchen zum Kennenlernen und dann stürzten wir uns in die Post. Jetzt will ich gleich schnell antworten, damit zumindest die Postlaufzeiten West-Ost schneller werden. Um 18.00 Uhr kommen Richard und Dorothea wieder, und wir fahren mit ihrem Auto zum Einkaufen und zum Abendessen. Wir hatten einen guten Segeltörn von drei Tagen von Florida nach Cape Fear und gestern motorten wir den Cape Fear River bis zur Kanalabzweigung hoch und dann hinter den Inseln und Marschen entlang durch Natur-pur bis nach Wrightsville, wo wir im Ort ankern. Hier gibt es Marinas jede Menge, aber die sind uns zu teuer, etwa 30 Dollar pro Nacht. Hier nahm die Luftfahrt ihren Anfang und alle Autobahnkennzeichen in North Carolina haben ein zartblaues Schild von dem ersten Flugzeug auf dem Untergrund und die Inschrift North Carolina - First in Flight. Wir hatten in St. Augustin gerade einen herrlichen Tag, den wir mit Sightseeing verbrachten und wie wir am Samstag ausgelaufen waren, sah es draußen zum Teil sehr "bollig" aus. Am Abend hatten wir recht strammen Wind, aber zum Glück keine Gewitter, die waren mit Hagel und Windhosen über dem Land bei Jacksonville. Der Sonntag begann mit einem Vier-Stunden-Wolkenbruch und dann kamen die Coast Guards mit einer kleinen Korvette zu Besuch und schickte vier Mann als Boarding Party. Die hatten natürlich erst um Erlaubnis gebeten. Im Durchsuchungsbericht stand dann bei Bemerkungen: No Offences, consensual boarding, very courtious and cooperative. Wir hatten nette eineinhalb Stunden Besuch auf See an einem grauen Tag im grauen Wasser. Aber am Nachmittag verzogen sich die Wolken, Sonne, dann Sterne und Vollmond und Delphine als Begleitung bis zum Hafen. Wir hatten ursprünglich nur Charleston als Ziel, aber da wären wir um Mitternacht gewesen, dann Georgetown, das hätte mit Licht und Tiede gepaßt, aber wir kamen so gut voran, daß auch Southport noch bei Tageslicht und auflaufendem Wasser möglich war und so hängten wir noch einen dritten Tag auf See an. Southport hat uns überaus gut gefallen. Ein ruhiger idyllischer Ort mit Raumhäusern im Südstaatenstil à la "Vom Winde verweht". Wir spazierten durch den Ort, filmten und fotografierten Häuser, Eichhörnchen, historische Plätze und hübsche bunte Häher. Ein alter Mann saß auf der Veranda eines Hauses mit weißen Holzsäulen (1902 gebaut) und beobachtete uns. Er sprach uns an und bot uns an, in der schattigen Kühle der Veranda unter riesigen immergrünen Eichen zu rasten. Wir saßen in Schaukelstühlen vor dem schönen Traumhaus mit großem Garten und unterhielten uns. zuvor waren wir im Fischmarkt gewesen und hatten eine Dorade bzw. ein Filet davon gekauft. Die gab es gestern abend nach dem Ankern. Wie wir in den River bei Cape Fear einliefen, fiel unseren von reiner Seeluft empfindlichen Nasen der tolle Duft von Blüten auf, jetzt merken wir es schon gar nicht mehr. In der Marina, wo wir für eine Nacht festmachten, waren jede Menge Rauchschwalben und Stare, wie zuhause; ja wir sind eben bereits auf 34! Nord, wieder weit weg von den Tropen, 1.200 Seemeilen nördlicher als wir schon waren. Die Segelyacht WINGS ist mit großem Hallo in Port Canaveral empfangen worden. Wir haben mit Wes am "Day after" gesprochen, er war noch ganz zittrig. Er konnte uns nach 12-14 Stunden Party an Bord kaum im Lärm der Gäste verstehen. Da muß die halbe NASA an Bord gewesen sein. Die Segelyacht DREAM WEAVER ist heute gerade im Golfstrom nach Cape Canaveral unterwegs und Jerome hat uns bis Charleston fast eingeholt. Er segelt mit Frau und Baby an Bord, wir haben ihn an Ostern in Puerto Rico bei unserer Palmenwaldparty kennengelernt. Er ist der Gewinner insgesamt des ARC Transatlantic Ralley for cruisers 1990. Soviel in Eile, einige Briefe/Karten-antworten wollen noch geschrieben werden. Der Buchstabenausstoß hier im Salon ist mal wieder phänomenal.

Wrightsville Beach, 1.6.91

Liebe Mutti,

in einer ersten schnellen Antwort auf eure Post habe ich schon mal schnell die letzten Neuigkeiten geschrieben, möchte aber doch jetzt Deine beiden langen Briefe beantworten. Es ist immer etwas schwerer, Fakten und Themen auf alle Briefe so zu verteilen, daß es nicht so viele Wiederholungen gibt. Das Eingehen auf aktuelle politische Ereignisse ist mit dem Makel der Vergänglichkeit behaftet, denn der Lauf der Welt ist leider recht schnell. Naja, mogeln wir uns irgendwo zwischen den Zielvorgaben durch. Wir sind auch ohne Zeitung durch die Deutsche Welle sehr gut informiert, sie ist heutzutage besser als die BBC, die früher die Rolle der Weltinformantin hatte, für nur englisch sprechende Leute wohl heute noch hat. Die amerikanischen Zeitungen sind weltpolitisch etwas arm, aber das liegt am Leser, der ist nur mal nicht übermäßig gebildet und weltweit interessiert. Aber um den Amerikanern nicht Unrecht zu tun, sie haben als Gesellschaft auch andere Stärken, allerdings bei näherer Betrachtungsweise auch Schwächen. Für einen Außenseiter werden einige gesellschaftlichen Parallelen mit Großbritannien deutlich. Sprache, Kultur, Religion (Religionen) wurden offensichtlich deutlich transferiert. So ist Amerika - wie England - eine gespaltene Gesellschaft. Es gibt die, die ins Bild passen, erfolgreich sind, Schulbildung haben, arbeiten wollen (und können), Geld, Erfolg, kurzum alles haben, was im Werbefernsehen als wünschenswert dargestellt wird. Und dann gibt es den Schrott der Gesellschaft, meist farbig - in England wie in den USA - der nicht in dieses Bild paßt! Ich möcht nicht über die Ursachen rechten, aber es ist sicher nicht nur die Schuld der "faulen Schwarzen oder Außenseiter". Bei besseren Bedingungen hätten doch mehr eine Chance. Ich bin bestimmt kein Anhänger sozialistischer Ideen, aber soziale Gerechtigkeit ist überaus wichtig. Ich bin froh, daß unser Land (noch?) keine derartige Spaltung hat. Es können nicht alle gleichviel haben, aber im Prinzip müssen sie alle gleich sein, gleich denken, gleich fühlen und das ist in Deutschland weitgehend der Fall. So gesehen sind Mercedes und Trabant beides Autos eines Bürgers, die diese Autos von A nach B fahren, der Preis von 10.000 DM oder 100.000 DM spielt da keine Rolle. Aber wenn einer im Rolls Royce fährt und der andere in der U-Bahn schwarzfahren muß, dann stimmt etwas nicht. Das gleiche Ungleichgewicht besteht zwischen den Industrienationen und den Entwicklungsländern. Man sollte ihnen gerechte reelle Chancen im Welthandel einräumen aber keine Entwicklungshilfe für die Regierungen und "Eliten" leisten. Schlechte Handelschancen und Hilfe für die Staaten hilft uns, nicht den Menschen dort. Es ist besser, den Menschen dort gute Handelschancen zu geben und dann erst mal das System zusammenbrechen zu lassen, so wie im Osten. Entscheidend ist die Absicht! Läßt man etwas zusammenbrechen, damit hinterher bessere Bedingungen bestehen, oder will man hinterher die Schwäche benutzen, um eine starke Stellung zum eigenen Vorteil auszunützen, das wäre dann Ausbeutung.

Heute hatten wir einen schönen ereignisreichen Tag. Um 10 Uhr kamen Dorothea und Richard vorbei und nahmen uns in die Familie mit. Wir verbrachten den ganzen Tag mit diesen überaus netten und herzlichen Leuten. zuerst hatten wir zusammen Brunch (Breakfast plus Lunch) am Familientisch. Eine Tochter und der Sohn mit amerikanischer Frau und zwei kleinen Buben waren auch da. Ganz selbstverständlich wurden wir in die Familie mit eingefügt. Im Hause wird auch Deutsch gesprochen und so war es leicht, sich nicht fremd zu fühlen. Das Haus, weit außerhalb der Stadt, ist eine tolle Sache. In einem Wald mit riesigen Kiefern und anderen Bäumen gelegen, ist das Anwesen mehr als großzügig angelegt. (Ca. 15 Morgen). Im Garten steht eine eigene Planierraupe, mit der Richard gerade einen Gartenteich ca. 100 x 50 Meter ausgehoben hat. Das Zwerghühnergehege ist etwa so groß wie der Hühnerzaun in Oberdeusch, dann gibt es einen großen Hundezwinger, Volieren für Zwergtauben mit handzahmen Jungen, Papageien, Sittichen, Zebrafinken und Zwergrebhühnern. Wildenten sind noch in einem kleinen Käfig mit Heizung und Schutz, sie sind erst geschlüpft. Auf der anderen Seite des Hauses sind drei Garagen und ein Hofraum und dann noch ein Rasen mit einem Seerosenteich, ca. 10 x 5 Meter, vor der Veranda ein Swimmingpool 10 x 15 Meter. Im Haus riesige Wohnküche, noch größeres Wohnzimmer und ein Kaminzimmer als Wohnraum. Schlafzimmer, Badezimmer etc. sind im Haupt-Haus, Gästezimmer im Seitenflügel. Richard ist Bauingenieur und sie sind 1977 von New York hierher gezogen, nachdem in New York der älteste Sohn mit 21 Jahren tödlich verunglückte. Sie konnten dort in dem Haus, das Richard und der Sohn selbst gebaut hatten, nicht mehr sein. Es ist eine wirklich sehr nette, humorvolle, herzliche Familie, wir fühlen uns richtig wohl.

3.6.91

Kam gestern nicht mehr zum Fertigschreiben, denn es wurde langsam dunkel an Oberdeck, und der Bootsnachbar kam auf dem Weg zur Bar NEPTUNE's vorbeigerudert und so sind wir dann auch hin. Im Fernsehen lief auf einem der vielen hier verfügbaren Kanäle ein Naturfilm nach dem anderen. Es ging um Octopusse und Wale, wunderbare Aufnahmen. Der Wirt ist scheinbar Naturfreund, denn selbst auf der Toilette waren Walplakate, die zum Schutz aufriefen. Wir sind hier auch eine ganze Menge Glasflaschen losgeworden. Wir hatten ja in der Dominikanischen Republik für zwei Monate Bier eingekauft. Es waren alles Glasflaschen. Die fuhren wir durch die ganzen Bahamas und USA bis hierher spazieren und erst hier fanden wir einen Glassammelcontainer. Auch Papier und Plastikflaschen werden gesammelt. Aludosen werden aber überall gesammelt. Es ist wirklich notwendig, daß sich das Bewußtsein für die Umwelt regt, denn in jeder Bucht ist an Land angeschwemmter Zivilisationsmüll und viele Tiere fressen irrtümlich Plastik oder verheddern sich in Plastik und gehen elend zugrunde. Wir lasen kürzlich einen guten Artikel in einer amerikanischen Yachtzeitschrift über Umweltschutz für Bootsfahrer.

Inzwischen dürfte eine ganze Reihe Post und das Video eingetroffen sein, so daß Ihr alle gut über uns informiert seid. Schön, daß Du Josef Hellenthal angerufen hast, und wir haben ihm auch zur Geburt der Enkeltochter geschrieben, übrigens auch Onkel Albert zum Geburtstag. Die Nachrichten über Martinas Operation haben uns sehr überrascht, aber glückllicherweise ist jetzt schon alles gut vorbei. Habe gerade im Laden gehört, daß der Mai bei Euch überdurchschnittlich kalt war, Deutsche Welle informiert wirklich immer gut über die Heimat. Schön, daß Du Dich auch schriftstellerisch betätigst, für Erika sind Deine Erinnerungen wohl eine wertvolle Schilderung.

Du schreibst auch von den Grünen, sie haben sich jetzt endgültig gespalten und die mir so unsympathische verbiesterte Jutta Ditfurth hat jetzt ihre eigene Partei. Diese Spaltung in Praktiker der Ökologie und sozialistische Träumer mit extremistischem, sozialistischem bis kommunistischem Weltbild war längst überfällig. Da aber die PDS und sonstige Kommunisten auch noch um die reine Lehre streiten, werden sich diese Leute schon selbst erledigen. Wenn Dich die Nachrichten zu sehr belasten, schau einfach andere Programme, etwas gefiltert wird die Welt gleich wieder anschaulicher und an bestimmten Dingen kann man einfach kurzfristig nichts ändern. Da muß man die Gegenwart mit dem gleichen kühlen Abstand betrachten wie die Geschichte. Ist doch alles ein fortschreitender Prozeß. Mich stört nur, wenn wider besseres Wissen gehandelt wird. So gesehen stören mich die Verhältnisse in Jugoslawien, wo wir so viele schöne Zeit verbrachten, mehr, als die "Katastrophe" in Bangladesch. Hier sture Unvernunft, dort schicksalhaftes Fehlverhalten ohne Möglichkeit zur Änderung (solange die vielen Toten in zwei Wochen wieder mehr als ersetzt sind).

Es dürften in diesem Gebiet normalerweise keine Menschen leben, wie in der Sahara. So gesehen stören mich auch die Tankerunfälle viel mehr, weil für den Profit einer billigen Frachtrate solche Unfälle in Kauf genommen werden und die Regierungen lassen die Billig-Flaggen, mit bunter Besatzung weiterlaufen. Geld stinkt nicht (wenn's nur viel genug ist) und das Öl riecht in den Geschäftskreisen nicht. Die Last der Säuberungsaktion zahlt der kleine Bürger vor Ort. Würden diese Lasten den Besitzern der Ladung aufgebürdet und nicht einer bankrotten Scheinfirma mit ein bis zwei alten Tankern, wäre das schnell geändert. Man sollte nicht länger spitzfindig zwischen Frachtführer und anderen unterscheiden.

Wenn Erika öfters in die Staaten fährt, besteht ja die Möglichkeit, daß wir uns treffen. Wir kommen ja die ganze Küste entlang. Kauft Euch mal eine USA-Karte mit gutem Maßstab, dann seht Ihr genau, wo wir in den Kanälen, Marschen, Seen, Flußmündungen und Sümpfen entlangfahren. Die flache Ostküste ist nämlich stark gegliedert, das kommt aber erst im richtigen Maßstab heraus. Dieses Mal ist die Zeit zur Post nicht so lange, denn in Annapolis werden wir recht bald sein. Ihr könnt überhaupt an TO-Stützpunkte viel knapper schreiben, denn sie schicken ja zuverlässig nach und die Post geht hier ja sozusagen bei Postkarten binnen acht Tagen über den Teich. Wir bleiben heute noch hier und fahren morgen weiter. Dianne will noch die Montagspost abwarten, ob ein Brief von ihrer Schwester dabei ist. Ihr schreibt immer sehr rechtzeitig, die Engländer immer erst in letzter Minute. Wenn wir ein Datum angeben, ist das nur Planungszeit, wenn Ihr dann aus Karten und Briefen erseht, daß wir tatsächlich langsamer sind, was fast immer der Fall ist, könnt Ihr einfach noch mal Post abschicken. Wir können ab jetzt theoretisch in zehn Tagen in Annapolis sein, aber es wird wohl auch wieder etwas später werden.

Mein alter Schulfreund Franz Würzner lebt ja in Washington. Ich schicke auch deswegen immer Postkarten mit Ort und Datum, damit Ihr uns auf der Karte plotten könnt.

Gestern haben Dianne und ich wieder einen Gratishaarschnitt bekommen. Dianne fuhr mit Gina, der Tochter von Richard und Dorothea , in den Frisiersalon und ich bekam von Ihr auf der Terasse am Swimmingpool einen frischen Haarschnitt. Jetzt werden wir unsere Post gleich mit dem Schlauchboot zur Post fahren, zu Fuß ist es ein langer heißer Spaziergang. Wir haben es aber nur 200 Meter zum Atlantikstrand, nur quer über die lange schmale Insel hinüber, die Kanal, Marschen und Ankerplatz von der offenen See trennt.

Nachsatz von Dianne

In diesem Brief stimme ich nicht allem zu. Karls Vorstellung vom Transfer von Sprache, Kultur und Religion von Großbritannien stimmt einfach nicht. Hier ist allerhand zusammengekommen, die Sprache ist von anderen Sprachen geprägt und hat auch eine eigene Weiterentwicklung durchgemacht, die Religionen kamen aus ganz Europa hierher, auch geprägt von einem Mystischen aus Afrika und die Gesellschaftsprobleme mit Schwarzen sind in Großbritannien eine spätere Entwicklung als hier. Hier haben wir übrigens noch ganz wenige Schwarze gesehen bisher.

Karte des Schlachtschiffes U.S.S. North Carolina vom 3.6.91

Lieber Christian,

gestern haben wir dieses Schlachtschiff im Ruhestand besucht. Es wurde im Zweiten Weltkrieg gebaut, kämpfte im Pazifik und wurde dann der Reserveflotte überstellt. 1961 wurde sie zum Museumsschiff. Das Schiff ist riesig groß aber nicht das größte und modernste Schiff dieser Art. Die japanische Yamamoto war viel größer und die Bismarck viel moderner. Morgen werden wir weiter nach Norden fahren. Man fährt wie durch einen riesigen Naturpark. Heute vormittag machten wir einen Ausflug mit dem Dingi durch die Marschen, sahen Reiher und Adler, dazu solche Schwärme von Jungfischen, daß das Wasser schwarz erschien.

P.S. In dem Wasser um das Museumsschiff leben Alligatoren und Schilder warnen: "Do not feed the alligators"

Postkarte

Wrightsville Beach, North Carolina, 3.6.91

Liebe Martina,

hier ist unser Ankerplatz der letzten Tage. An dem Strand wo wir schwimmen gehen, fand der erste Flug eines Motorflugzeuges 1903 statt. Wir haben da auch einige schöne geschliffenene Muschelschalenstücke gefunden. Die Natur bringt oft per Zufall schöne Formen hervor. Das Wasser ist hier schon deutlich frischer als in Florida, dafür fällt es aber nicht in Kübeln vom Himmel. Wir haben herrliches Sommerwetter in North Carolina. Jeden Tag besuchen uns Wildenten, die zum Betteln kommen. Ich verfüttere meine alten Brekkies aus Irland. Habe mir heute eine neue kurze Hose geleistet. Meine Lieblingshose aus Jugoslawien ist leider durch. Bei dem Klima hier bräuchte ich eigentlich nur eine Badehose oder nichts. Immer um die 30°C bei 70-80% Feuchtigkeit

Wir hoffen, daß es Dir wieder richtig gut geht und daß Dir keine Wackersteine eingenäht wurden wie im Märchen.

Postkarte Beaufort, North Carolina, 7.6.91

Lieber Sepp, liebe Brigitte,

heute früh war die ARION mal wieder in der Traffic List, aber keine Chancen, durchzukommen. Wir sind zeitlich jetzt recht ungünstig für Funk verschoben, aber man kann ja auch von Land zurückrufen. Es ist hier nur sehr kompliziert. Für Hausanschlüsse alles kein Problem und modern, aber nicht von einer öffentlichen Telefonzelle.

Der Ort hier ist wieder richtig hübsch, alles weitläufig, parkartig grün und gepflegt, zum Teil sehr alte schöne Holzhäuser. Es wird hier viel in Holz gebaut auch Neubauten. Besuchten gestern das Maritime Museum, sehr schön gemacht, gratis, es gab auch Bücher und Seekarten zu kaufen und für Bootsreisende gibt es drei Stunden ein Gratisauto zum Einkaufen. Auch viele Marinas haben so einen Courtesy-Car. Auch gratis wie die Morgenzeitung. Dafür kosten die Marinas 30 Dollar pro Nacht. Wir ankern! Gestern kam ein anderes TO-Boot zum Ankerplatz. Wir sahen sie schon in St. Augustin, haben uns aber erst hier kennengelernt. Deutscher und Französin. Europa wächst. Sind gestern zu Fuß durch die ganze Siedlung zum Supermarkt gelaufen, für Amerikaner unmöglich, wurden auf dem Rückweg von einem BMW-Fahrer mitgenommen und bis zum Dingi gebracht. Alle sind sehr freundlich hier.

Karte

Elizabeth City, N.C., 12.6.91

Liebe Mutti,

diese Stadt gereicht Deinem Namen zu aller Ehre. Wir sind noch nie so freundlich und herzlich in einer Stadt empfangen und aufgenommen worden. Auf dem Foto rechts oben habe ich eingezeichnet, wo wir jetzt festgemacht haben. Es gibt hier jetzt eine Steganlage, die zwei Tage gratis ist. Wir wurden mit Rosen für Dianne und einer kleinen Party im Freien, Bier und Snacks empfangen. Jeder in der Stadt spricht einen an und abends kommen viele Leute zum Kai. Es gibt hier auch noch viele schöne alte Südstaatenhäuser. Mehr bald wieder per Brief, denn es gibt viel zu erzählen.

Karte

Satellitenfoto der Outer Banks of North Carolina from Apollo 9

Elizabeth City, 12.6.91

Liebe Eisenberger,

auf dieser wunderbaren Aufnahme seht Ihr, wo wir uns zur Zeit herumtreiben. Wenn Ihr einen Atlas nehmt, könnt Ihr die Orte und Sunde am Intracoastal Waterway gut erkennen. Die beiden spitzen Kaps sind Hattaras und Look-out. Wir sind hier in einer außergewöhnlich netten Stadt gelandet, mehr Details, wenn wir wieder mehr Zeit für Briefe haben. Im Moment haben wir viel Kontakt zu Einheimischen und anderen Seglern, ständig ist was los. Die Leute sind überwältigend freundlich hier. Die letzten Tage waren wir immer in totaler Wildnis, Natur pur am Ankerplatz mit viel Tierwelt, Adlern etc. Oft den ganzen Tag kein Haus. Wir kamen den Alligator River herauf und einmal schwamm eine Schlange vor uns durch das moorig-braune Wasser. Vorbei die Tage in den Bahamas mit Bodensicht bei 15 Meter. Jetzt schwimmen wir im ältesten Kanal Amerikas, dem Great Dismal Swamp Kanal, ein Schlangenweg! Aber herrliche Natur!

Norfolk, Virginia, 16.6.91

Lieber Christian,

wir sind hier im großen Marinehafen vor Anker gegangen. Es gibt hier einen Stützpunkt der aktiven Marine, zwei große Marinewerften und den Stützpunkt der Reserveflotte, wo wir an ausgedienten oder eingemotteten Flugzeugträgern, Atom-U-Booten, Zerstörern, Schlachtschiffen und dergleichen vorbeifuhren. Heute abend zog ein großes Gewitter hier durch. Das Zentrum lag nördlich, wir hatten aber starken Wind und einige andere Boote gingen auf Drift.
 
 


Postkarte

Norfolk Virginia, 16.6.91

Liebe Eisenberger,

wir sind heute aus den Flüssen, Seen und Sümpfen wieder in die Zivilisation aufgetaucht. Es gab tolle Namen wie Alligator River, Rattle Snake Island, Osprey Point, und Great Dismal Swamp. Herrliche Natur, wenige Menschen, kaum Häuser aber nicht nur Fischadler sondern auch Schlangen, deutlich sichtbar. Eine schwamm sogar in der Schleuse. Hier ist nun wieder Großstadt, wobei die Norfolkseite des Elizabeth River die Hochhäuser hat während wir vor dem noch alten erhaltenen Kern von Portsmouth an der Westseite ankern. Zum Briefe schreiben bin ich noch nicht gekommen. Ute haben wir geschrieben, unseren Treffpunkt werden wir noch rechtzeitig schreiben.
 
 

Norfolk, Virginia, 17.6.91

Liebe Allgäuer,

jetzt will ich endlich mein Versprechen wahr machen und wieder einmal einen Brief schreiben, wie ich schon in einigen Karten angekündigt habe. Wir liegen hier vor einem enormen Gebäude des Naval Hospital unter Hospital Point vor Anker. Das ist die Portsmouth - Seite, wo es noch eine altenglische Altstadt gibt. Gegenüber ist die Skyline von Norfolk mit hohen Hochhäusern aus Glas und Marmor. Seitlich den Elizabeth River hinauf und hinunter liegen die Schiffe der "grauen Dampferlinie" (=Marine) in Docks, an Piers, in und außer Dienst. Vom Flugzeugträger bis zum Truppentransporter ist alles da. Einige gerade zurück vom Golf. Am Town Point, dem Park, war gestern eine Feier für die Truppen. Partyzelt, Musikkapelle mit Auditorium in eigenem Zelt und Reden in einem Ton, den ich trotz meiner freundlichen Einstellung zum Militär nicht ausstehen kann. Phrasen, Parolen und vaterländischer Pathos, keine Spur von Besinnung oder gar Kritik. Wenn wir sagen würden "Deutschland über alles" uns würde man es krumm nehmen und mit Recht! Aber ich will ja nicht über amerikanische Außen- oder Militärpolitik schreiben, sondern über unsere Reise seit Wilmington und das ist schon wieder eine ganze Zeit her. Die verschiedenen Postkarten geben zusammen allerdings auch fast eine zusammenhängende Schilderung. Wie wir am 4.6. in Wrightsville losfuhren, hatten wir die Zeit so geplant, daß wir trotz der vielen Inlets - nur zum Teil schiffbar - meist die Tidenströmung mit uns hatten. Es gibt durch die Inlets ganz sonderbare Strömungen, zum Teil mit sehr wenig Tidenhub. So schafften wir an diesem Tag unseren Rekord mit 55 Meilen. In den französischen Kanälen haben wir oft nur 20 Kilometer geschafft. Wir ankerten dann in Swansborough, einem netten kleinen Ort, für die Nacht und erreichten am nächsten Tag Beaufort. Das ist ebenfalls recht schön und so blieben wir dort bis zum 8.6. Wir konnten eine neue Ankerkette kaufen und trafen Freunde. Wir tauschten die Hauptkette (metrisch) gegen die Reservekette (metrisch) und nahmen die neue nicht metrische Kette für den Zweitanker, der hat sowieso kein eigenes Spill. An unserem Ankerplatz kam dann "FLADILIRA" aus Berlin an mit Francoise und Dirk. Wir hatten sie zwar schon in St. Augustin kurz gesehen, trafen uns aber erst jetzt. Sie sind auch von Trans-Ocean und wir kennen natürlich gemeinsame Freunde und jetzt sind wir auch Freunde geworden, nachdem wir bis hierher immer zusammen fuhren und viel gemeinsam machten. Ferner kam in Beaufort die Segelyacht PRESTO an, Jerome und Maria mit Andrew, 7 Monate. Wir kennen uns seit Puerto Rico und schon länger vom Funk. Am Tag unserer Abreise kamen dann noch Richard und Dorothea aus Wilmington mit der Post für "FRADILIRA" vorbei und so war immer sehr viel für Geselligkeit gesorgt. Von Beaufort bis hierher fuhr dann immer einer im Kielwasser des anderen. Nur PRESTO mußte wegen des Tiefgangs eine andere Route nehmen, denn diese "Rennziegen" haben zwar kein Unterwasserschif, aber einen sehr tief reichenden Kiel. Wenn wir ankerten, gab es immer auf einem Boot Abendessen und die anderen waren eingeladen. Wir ankerten immer mitten in der Wildnis. Weit und breit kein Haus aber Fischadler und Vögel jede Menge. Je tiefer wir in die Flüsse, Sunde und Sümpfe North Carolinas eindrangen, um so brauner und mooriger wurde das Wasser. Zuletzt fuhren wir in saurem (Huminsäure) Süßwasser mit exakter Coca Cola Farbe. Das hat natürlich den Salzwasser-Seepocken gar nicht gefallen, aber mir! Nördlich des Albermarle-Sund liefen wir Elizabeth City an. Wir hatten übrigens zuvor im Alligator River keine Alligatoren gesehen, nur eine schwimmende Schlange und eine Hirschkuh am Ufer. Der Alligator River ist an seiner Mündung in den Albemarle-Sund von einer Klappbrücke mit insgesamt 5 km überspannt. Soviel nur zur Größenordnung, die diese Rivers teilweise haben. Wir liefen das als gastfreundlich bekannte Elizabeth City an und waren dann doch noch mehr als angenehm überrascht. Die Stadt hier ist für 48 Stunden gratis, aber wenn Platz ist, kann man auch wie wir, überziehen. Dianne und Francoise wurden mit frischen Rosen begrüßt und dann gab es wie üblich für alle neuangekommenen Boote eine Wein- und Käseparty, gratis natürlich. An der Pier entlang sind Bänke und Grünanlagen mit Tischen. Das war recht nett und organisiert haben das die beiden Freds, ein pensionierter Postmaster und ein pensionierter Coast Guard Kapitän. Fred machte uns dann abends noch mit Mr. Robinson bekannt, in dessen Haus er uns einfach führte und so bekamen wir das größte und nobelste alte Gebäude der Stadt vom Besitzer vorgeführt. Fast wie so ein Südstaaten-Plantagenpalast. Jeden Moment meint man, Scarlett O'Hara müßte am Flügel sitzen und Uncle Tom käme mit den Drinks auf die von sechs großen und 54 kleinen korinthischen Säulen getragene Veranda.

Am nächsten Tag wollten wir gerade zum Einkaufen gehen und kamen mit einem Herrn an der Pier ins Gespräch. Es nahm uns gleich in seinem Auto mit zum Supermarkt, und wie wir da an der Kasse standen, sprach uns Mrs. Robinson von dem noblen alten Südtsaatenhaus an und so kauften wir gleich noch einige Kisten Bier und wurden im klimatisierten Straßenkreuzer mit unserer schweren Last bis ans Schiff gefahren. Dann lernten wir noch Tom Sawyer kennen, der jede Gelegenheit wahrnahm, zum Boot zu kommen und zu ratschen; während der Arbeitszeit und nach Feierabend. Seine Tochter war zum Austausch in Deutschland und ein deutsches Mädchen zum Gegenbesuch hier und er lernt etwas Deutsch. Die Amerikaner sind ja alle unkompliziert, direkt, freundlich, kontaktfreudig, neugierig, gastfreundlich und umgänglich, wenn auch oft in nicht-amerikanischen Dingen völlig ahnungslos. Zwei deutsche nach USA gesegelte Yachten gleichzeitig in der Stadt, das war natürlich eine Besonderheit und wir sind in allen örtlichen Käseblättern aufgetaucht. In jedem Geschäft und auch auf der Straße wurden wir angesprochen. Ein Stadtrat hielt mit dem Auto neben uns und erkundigte sich nach unserem Wohlergehen und wie uns die Stadt gefiele.

Der Kanal durch den Great Dismal Swamp wird nicht mehr kommerziell genützt. Es gibt eine andere Route, breiter und tiefer über Coinchock. So hat die Stadt ein Interesse, daß der Kanal von Sportbooten im Tourismus genützt und so offen und in Betrieb gehalten wird. Der Kanal hat die einzigen beiden Schleusen im Intracoastal Waterway. Der Dismal Swamp war einmal eine wilde unzugängliche bewaldete Moorlandschaft. Es gab Nebel, Monster, Geistererscheinungen, Krankheiten, Wilde und viele Geschichten über diese Gegend seit den Indianerzeiten. Ein feuerspeiender Adler soll über dem Sumpf geflogen sein. Das ist von neueren Forschungen gar nicht so weit entfernt, denn an der entsprechneden Stelle schlug ein Meteor ein, der in erdgeschichtlicher Zeit einen Kratersee, den Lake Drummond, schuf, der heute über ein Wehr den etwas über 2 Meter über Kartennull liegenden Kanal speist. Wir ankerten zusammen mit "FRADILIRA" im Eingang zum flachen, drei Meilen langen Versorgungskanal und fuhren zusammen in einem Schlauchboot aber mit zwei Außenbordern zum See hinauf. Um das Wehr mußten wir das Boot tragen. Große wetterzerzauste Zedern standen in moorigem Wasser und die Luft war voll Vogelgesang. Wir sahen herrliche riesige Schmetterlinge, Lurche und Schlangen (giftige). Was wir jedoch gerne gesehen hätten, Schwarzbären, Waschbären und Opposum, sahen wir leider nicht. Aber es war eine beeindruckende Bootswanderung. In Deep Creek vor der Schleuse blieben wir dann wieder eine Nacht, grillten bei "FRADILIRA" an Bord, wo wir längsseits lagen, und gestern fuhren wir die zehn Meilen hierher. Zusammen mit Dirk und Francoise von Fradilira waren wir gestern in Norfolk und Portsmouth unterwegs und heute fuhren die beiden weiter in Richtung Norden. Wir machten uns per Beiboot auf die Suche nach einem Ölfilter und bekamen schließlich eine an einem weit entfernten Seitenarm gelegene Adresse. Dort kauften wir gleich eine ganze Reihe von billigen Originalfiltern und fuhren wieder 40 min durch den interessanten Militär- und Handelshafen zurück zur ankernden ARION. Morgen werden wir auch weitergehen, in Annapolis wartet ja Post, hoffentlich! Gestern hatten wir Gewitter mit stürmischen Böen, aber das große Gewitter, vor dem gewarnt wurde, zog mit Hagel und Sturm weiter nördlich durch. Jetzt habe ich wieder 35 Grad im Schatten, Sonne und kaltes Bier. In der Deutschen Welle meldeten sie heute Dauerregen in Deutschland. Hoffentlich ist da kein Heu am Boden! Die Ernte wird jetzt ja schon voll im Gange sein. Hier ist auf den Äckern bereits die zweite Saat 10 cm hoch. Wir haben aber bis jetzt nur wenig Farmland gesehen, weil wir meist durch Wildnisse fuhren. Wir werden jetzt dann aber zwischendurch mit dem Bus oder der Bahn ins Land fahren. In Titusville gab es ein Angebot für den Greyhound, 65 Dollar bis nach Seattle, das ist diagonal durchs Land. Aber jetzt wollen wir erst mal die Chesapeake Bay genießen. Nicht weit von hier liegt Jamestown, die älteste englische Stadt in Amerika. Santo Domingo war die älteste in der Neuen Welt, San Juan, Puerto Rico die in den USA, St. Augustin/FL in Festland-USA (alle aber spanisch) und in Jamestown kamen dann die Engländer 1607.

Jetzt wird es mir zu heiß zum weiter schreiben, werde mir etwas Wasser über das Bärenfell gießen müssen und ein Bier innen hinein.

P.S. Dieses Mal könnt Ihr uns kein Weißbier in den Urlaub mitbringen, denn der amerikanische Zoll läßt keine Lebensmittel von Privat einführen. Hier gibt es aber viele gute Biersorten, auch viele deutsche Sorten. Es ist unwahrscheinlich, über welche Entfernungen Beck's und Warsteiner und viele andere exportieren. Wir bleiben bei den einheimischen Sorten, z. Zeit Milwaukee's Best, ein richtig amerikanischer Name.
 
 


Chesapeake Bay Bay, 21.6.91

Lieber Sepp, liebe Brigitte, liebe Kinder (soweit man das noch sagen darf, Ihr Grünschnäbel, - Ärger - hahaha!)!

Der Zeitpunkt Eurer Reise rückt langsam näher und ich möchte diese einmalige Gelegenheit der Versorgung aus der Heimat nicht ungenützt verstreichen lassen. Da es hier sehr warm ist, ich schwitze schon wieder, werdet Ihr Euer Fluggepäckgewicht nicht völlig ausnutzen müssen, und wir hoffen, daß noch etwas übrig bleibt für einige Wünsche.

Besorgt uns bitte folgende Dinge als Ersatz für Verbrauch: Zwei Schukostecker, eine Schukodreifachverteilung mit Stecker, eine Schukokupplung, eine Aufbau-Feuchtraumdose, eine Aufbau-Feuchtraumsteckdose, ich muß meinen Spezialtrafo der Fa. Riedel anschließen, denn hier ist alles 110V. Zwei Petroleumbrenner, zwei Kartuschen Sicaflex 221 weiß, drei Flaschen Aldi-Waschlotion Ph 5,5 (so etwas gibt es hier nicht, nur Flüssigseife). Zehn Fuzidincreme. Die A.E. Johann-Trilogie "Ahornblatt", "Im Strom", "Aus dem Dornenbusch" oder so ähnlich, das ist die Trilogie, die in unserem Jahrhundert spielt. Ruft auch bitte bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger an und verlangt den Schlüssel zu meinem Sammel - Schiffchen K 16766, Geschäftsstelle Stuttgart.

22.6.

Gestern kam ich nicht mehr zum weiter Schreiben. Ein offenes Motorboot kam an uns vorbei, sah die Flagge und fuhr heran. Wir wurden in Sächsisch angesprochen und bald unterhielten wir uns zunächst von Boot zu Boot, dann im Salon. Ilse floh vor dreißig Jahren aus Leipzig, lernte einen jungen Amerikaner kennen und wurde so Amerikanerin. Ray, Absolvent der Marineakademie in Annapolis, pensionierter Fregattenkapitän, ist auch wirklich ein netter Kerl. Nachdem wir uns so kennengelernt hatten, fuhren wir mit ihnen zu ihrem sehr großen Ferienhaus. Direkt am Wasser gelegenes großes Grundstück mit sehr schönem Haus. Eigener Bootssteg mit einer großen und einer kleinen Segelyacht. Die kleine Yacht gehört der Tochter. Sie ist aktiver Marineoffizier und ebenfalls Annapolis-Absolvent. Die Familie ist aber nicht nur zu Menschen nett. Vier Katzen und vier Hunde sind aufgenommene Findlinge, nur der Papagei wurde gekauft. Vor dem Haus standen zwei Wohnmobile und zwei Autos und zwei Bootsanhänger mit einer Jolle und einem Ruderboot. American Way of Life. Ray und ich taten uns an einer Flasche Bommerlunder gütlich, während er mir Tips fürs Segeln in der Chesapeake Bay gab und dazu gleich noch ein Handbuch und einen Kartensatz schenkte. Zum Abschied gab er uns noch einen Karton mit vier Flaschen verschiedener guter amerikanischer Weine. Dann brachten uns die beiden wieder an Bord zurück und wir sollen auf dem Rückweg nach Süden auf jeden Fall bei ihnen anlegen, wir können Wasser und Strom am Steg benützen und bleiben, solange wir was zu tun haben. Diese Gastfreundlichkeit ist kein Einzelfall. Gratisliegeplätze wurden uns schon öfters angeboten.

Vor zwei Tagen lernten wir beim Anlegen mit dem Beiboot einen anderen pensionierten Marineoffizier kennen, und wie wir ihn nach dem nächsten Briefkasten fragten, kam gerade seine Frau, noch aktiver Marineoffizier, dazu, und er sagte ihr nur, sie solle uns in den Ort fahren. So fuhren wir mit einem Wagen der US-Navy zum Briefkasten. Erst im Gespräch merkte sie, daß wir Ausländer waren, und wir hatten danach noch einen langen Ratsch auf der Pier. Ein junges Ehepaar am gleichen Ankerplatz gab uns seine Heimatadresse und lud uns für den Rückweg nach Süden ein. Man lernt hier aber auch so leicht Leute kennen. Jeder redet mit jedem, man merkt, daß wir Deutschen im Allgemeinen da doch etwas steifer sind.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Heute segelten wir hier in den Patuxent River und ankern jetzt. Mill Creek und Back Creek verlaufen fast parallel und ihre Mündung in den Fluß wird von Solomons Island gegen Wellen geschützt. Hinter Solomons Island und im Back Creek ist eine Marina neben der anderen, wir können vor unserem Ankerplatz die Masten hinter der schmalen Landzunge sehen. Trotz der vielen Boote nisten auch hier wieder viele Fischadler. Wir hatten heute wieder viel Regen und wenn es morgen noch so ist, werden wir einen Museumstag einlegen, denn es gibt hier auch ein sehr großes lokales Museum. In Washington werden wir auch noch einige Museen besichtigen. Die amerikanischen Museen sind immer recht gut und interessant aufgemacht. Es fehlt ihnen der oft recht trockene deutsche Museumsgeruch. Das Deutsche Museum in München ist da eine Ausnahme. Vor dem Museum steht der wiederaufgebaute alte Leuchtturm, der früher in der Flußmündung bei Jump Point stand. Es sind in der Chesapeake Bay noch eine ganze Reihe alter Leuchttürme in Betrieb. Zum Teil sind das ganz aufwendige und ungewöhnliche Konstruktionen.

23.6.

Ja, es regnete heute und wie, aber das Museum war sehr schön und wir hatten einen interessanten Tag. Wenn ich auch mit nasser Hose herumlief, bis in der trockenen aber wie immer zu kalten Luft der Scheiß-Klimaanlage die Hose endlich trocken war. Wir haben auch Jump Point Lighthouse besichtigt. Es wurde in einem Gestell mit einem Schwimmkran in einem Stück ans Wasser vor das Museum gesetzt und wir haben mit dem Dingi am Fundament festgemacht. Sieben eiserne Stützen (massiv) tragen zwei Eisenträgerplattformen. Die untere ist eine einfaches Holzbohlendeck für Material und oben steht ein sechseckiges Südstaatenholzhaus darauf, das im zweiten Stock das Lichthaus mit dem Feuerträger und den Linsen hat. Um das Haus läuft eine Balustrade mit angebautem Klo, Wasserspülung zehn Meter tiefer. Der letzte Leuchtturmwärter wohnte mit Frau und sieben Kindern da oben. Die Kinder wurden mit einem Boot zur Schule abgeholt. Ich würde gerne in so einem Leuchtturm wohnen. Die Stützen wurden wegen der schwierigen Bodenmechanik an den sechs Ecken schräg in den Boden geschraubt, sie hatten Gewindeschnecken an der Spitze und eine Stütze kam in die Mitte. Die gußeisernen Verbindungsstücke wurden mit Spannstangen jeweils diagonal verspannt. Eine patentierte englische Idee zum Leuchtturmbau in flachen Gewässern mit Sedimentboden.

Jetzt hatten wir gerade eine gute Weile unsere Art von Fernsehen. Es ist ja Sonntag und viele Amerikaner machen Weekend auf dem Wasser. So sind hinter uns, zum Glück im Lee, fünf Boote im Päckchen vor zwei Ankern und das Päckchen auf der anderen Seite des Creeks löste sich gerade in Einzellieger für die Nacht auf. Wenn Ihr denkt, Ihr hättet im Mittelmeer lausige Seemannschaft bereits erlebt, kennt Ihr noch keine Amerikaner - (Langfahrtsegler ausgenommen - fast!?). Dirk von der Segelyacht "FRADILIRA" bezeichnet sie immer als hundeartig, weil sie vor jedem Manöver Kreise drehen, bis sie ihre Position gefunden haben und ankern, festmachen, längsseits gehen oder was auch immer. Eben wie ein Hund, der sich fünfmal dreht, seinen Korb umrundet, bis er den Kopf auf die Pfoten legt. In den Hunden steckt dieses "Niedertreten des Grases"" noch seit ihren Steppenzeiten drin.

Dieses Verhalten beobachteten wir sehr amüsiert. "20" Ankerwürfe ohne Erfolg, war ja klar, denn zwei Meter Kette und viel Leine beißen sich eben nicht von selbst fest, es sein denn, man findet glücklich ein altes Wrack am Grund, das dann zum Dank für gutes Halten, den Anker am nächsten Tag behält. in allen Handbüchern sind hier auch "Anweisungen" zum Ankern und Manövrieren, darüber könnt Ihr Euch ja bald selbst amüsieren. Kochbuchanleitungen für einfache absolute Selbstverständlichkeiten.

Aber zurück zum Museum. Die Geschichte der Gegend, von fossilen Funden bis zur neuesten Geschichte und Bedrohung der Umwelt war alles sehr gut dargestellt. Auch sehr viel Wirtschaftsgeschichte und damit verbundenen Boots- und Schiffsbau. Es gibt hier auch eine Ghostfleet, Geisterflotte. Aufgelistete internierte und später beschlagnahmte oder Prisenschiffe aus dem Ersten Weltkrieg. Der große vier Schornsteiner "Kronprinzessin CECILIE" lief 1914 mit 1.800 Passagieren und 14 Millionen Dollar in Gold von New York aus. Nach Kriegsbeginn wurde das Schiff ins noch neutrale Amerika zurückbeordert und da interniert. Das Gold war eine Rückführung von US-Investitionsanleihen an europäische Notenbanken, das wollten die Deutschen dem Gegner nicht zukommen lassen, aber es landete dann doch da, samt dem Schiff. Im zweiten Weltkrieg war der Eingang zur Bucht zeitweise durch deutsche U-Boote vermint, daher wurden hier hölzerne Minensucher statt Fischkutter gebaut. Berühmt war die Gegend wegen ihrer Austern. 1806 wurden bereits mechanische Austernrechen verboten, weil die Leute eine Ausrottung befürchteten, 1865 wurden sie wieder zugelassen und zwischen 1970 und heute ging der Ertrag auf ca. 10 % zurück. Die Naturschützer kämpfen halt immer gegen massive Profitinteressen an. Oft ist es auch Gedankenlosigkeit oder Sorglosigkeit, man ist halt so vieles einfach gewöhnt. So findet man hier oft tote Weißkopfseeadler. Bleivergiftung! Wie kommt das, fragte man sich. Die fressen dummerweise wegen Bleivergiftung verendete Enten. Es gibt zwei Entenarten, die tauchen nach Samenkörnern von wildem Reis, dabei erwischen sie auch das verlorene Blei der Fischer und vor allem der Sportschützen, die allerlei Wasservögel abknallen. So geraten halt nach und nach Tonnen von Blei in die Umwelt. In diesem grenzenlosen Land sind Einschränkungen traditioneller Rechte sehr schwierig und oft wurde ja auch gleich eine Industrie daraus gemacht, mit entsprechender Lobby. Wenn man in Europa oft von den strengen amerikanischen Bestimmungen hört, so ist damit meist nur ein Schutz der einheimischen Industrie vor Konkurrenz gemeint, bei amerikanischem "Dreck" sieht das ganz anders aus. So scheitert die Einfuhr von Wassersportfahrzeugen für kommerzielle Nutzung, z.B. Charter etc. meist an allerlei Sicherheits- etc. -auflagen. Die Boote hier haben aber fast alle weder den nötigen Ausrüstungsstandard noch eine entsprechend ausgebildete Besatzung. Fast alle Motoryachten haben z.B. winzige Navigationslichterchen, die man kaum sieht und von den Ankern hatten wir es schon. Navigation wird durch Elektronik ersetzt. So meinten heute im alten Leuchtturm einige Besucher, warum es denn noch Leuchttürme gäbe, man würde doch heutzutage nicht mehr optisch navigieren. Ein zufällig anwesender Mann von der Coast Guard ging daraufhin richtig hoch. Er schimpfte über die Seeleute, die eben nicht mehr navigieren könnten, und die Motorbootfahrer, die mit Straßenkarten in der Bucht herumfahren und überhaupt...! Er ließ so richtig Dampf ab. So ist für uns vieles recht aufschlußreich und oft schauen wir in Geschäften nur herum, was anders als bei uns ist, denn: "Zeige mir Deine Geschäfte und ich sage Dir, wie Du lebst". (Mit viel Plastikmüll auf jeden Fall). Dabei ist sehr auffallend wie niedrig die Standards im Alltag sind, da spannt sich der Bogen von Schrottautos, die unseren TÜV erschauern ließen, bis zu Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen oder Haarföhns, die bei uns unverkäuflich wären.

Es gibt hier sehr gutes Essen in Restaurants, gute Grillgerichte, aber schlimm sind die vielen Fastfood-Dinger vom Drive-In bzw. Drive-through bis zum Freßsaal dieser Mc D..... . Angesichts riesiger Reihen von hohen Tiefkühlschränken, wo sich hinter Glas alle Fertiggerichte für den schnellen Microwave oder Fritter präsentieren, scheint es mit der amerikanischen Hausfrau im Allgemeinen nicht weit her zu sein. Schade oder gut, das ist die Frage, daß ich das nicht per Bratkartoffelverhältnis testen kann/muß. Dabei gibt es sogar, bestimmt pappige, Berner Rösti für den Microwave. Das Rechtssystem und clevere Schadensersatzanwälte sorgen auch für ein idiotensicheres Land. Überall sind Warnhinweise, und wenn etwas als schwierig bezeichnet wird, wie z.B. eine Hafeneinfahrt oder ein Kanalstück in einem Handbuch, bedeutet das, daß man Mindestanforderungen genügen muß; also nicht nachts mit verbundenen Augen und besoffen hineinfahren kann. Wenn etwas garantiert wird, kann man es sogar so machen. An der Treppe vor dem Leuchtturm von der ersten Plattform vom Wohngebäude, die durch eine Bodenluke führt, stand daher die Warnung: Vorschulkindern, älteren Menschen, Herzkranken und an sonstigen Einschränkungen leidenden Menschen wird von der Besteigung abgeraten. An jeder Karte, die nicht eine Seekarte ist, selbst an fotokopierten Detailauszügen von Seekarten in Handbüchern, steht daran: Unter keinen Umständen für die Navigation verwenden. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Ich muß immer an den Ausspruch in "Die Caine war in Schicksal" denken: Die Marine, oder hier die Vereinigten Staaten, sind ein System, erdacht von Genies zur Bedienung durch Idioten! Amerikanern mit Auslandserfahrung fallen diese Dinge auch auf. Aber damit genug der Kritisiererei. Es gefällt uns ja trotzdem sehr gut hier, wenn es nicht gerade dauerregnet.

Weiter durch Dianne

Beim Einkaufen fällt uns auch auf, wie Auto-orientiert alle sind. Die Geschäfte bilden nicht die Ortsmitte, sondern sind draußen an dem Highway. Dorthin führt selten ein Bürgersteig. Wenn wir aber beladen am Straßenrand heimgehen, hält fast immer jemand an und nimmt uns mit. Allerdings werden wir als "Alkis" betrachtet, wenn wir Bier heimtragen, oder zumindest wird angenommen, daß wir eine Party geben. Irgendeine Bemerkung fällt immer. Eine Ortsmitte ist überhaupt selten vorhanden. Elizabeth City war da eine Ausnahme. Ansonsten sind die Ortschaften häufig eine weitläufige Sammlung von Privathäusern und hier an der Chesapeake Bay sind die Grundstücke recht groß. Hierher kommen die oberen Zehntausend, wenn sie in den Ruhestand gehen. Es gibt aber nicht einfach den Dorfplatz, mit der Dorfwirtschaft. Das kann aber weiter nördlich wieder anders werden.

Bis jetzt hat uns die Chesapeake nicht gerade ihre freundlichste Seite gezeigt. In Norfolk hatten wir Gewitter, dann graue verregnete Tage. Wie ich diese Zeilen schreibe, redet Karl vom Heizung einschalten. Es ist in der Tat kühl, 21° C im Steuerhaus. Wir hatten allerdings das Vorluk zum Lüften offen, mit Windsack, weil Karl in der vorderen Dusche gestrichen hat und der Farbgeruch vertrieben werden mußte. Bei diesem Wetter tun mir die Fischadler leid. Ihre Nester sind immer im Freien, nie von einem Ast geschützt. Da hocken die Alten mit nassem zerzausten Gefieder und von den sonst flauschigen Jungen ist gar nichts zu sehen. Morgen soll es schöner werden. Es stimmt übrigens, daß die Chesapeake im Sommer voller Quallen ist, so viele habe ich nie gesehen, am schlimmsten war es im Süden der Bucht, um so weiter nördlicher, um so weniger, aber baden möchte ich noch nicht. Im Handel sind schwimmende Planschbecken mit Netzbecken für nesselfreien Badegenuß. Gestern konnten wir endlich eine gescheite Zeitung kaufen, die Washington Post. Von Washington sind wir jetzt nicht mehr weit. In 1814 sind die bösen Engländer diesen Fluß den Patuxent hinauf und dann das kurze Stück über Land nach Washington und haben das Weiße Haus und das Capitol abgebrannt und sonst so die Stadt verwüstet. Wir könnten den Potomac bis Washington segeln, viele der Flüsse, die in die Chesapeake münden, sind weit hinauf schiffbarund für uns unvorstellbar breit. Die Brücken sind entweder sehr hoch, ca. 45 Meter oder Klapp- oder Schwingbrücken über dem Fahrwasser. Mal überlegen, im Oktober haben wir Zeit und dann soll die Chesapeake schön sein.

24.6.91

Strahlender Morgen, herrlich! Heute Nacht waren aber nur 14°C. Es soll aber zum Ende der Woche wieder heiß und schwül werden. Aber bis dahin sind wir schon wieder ein Stückchen weiter nördlich. Der Potomac scheint auch eine gewisse Trennlinie zu sein. Heute gehen wir nach West Bay, wo wir Freunde treffen, die da mit ihrem Boot sind, wir kennen sie nur vom Funk und von gemeinsamen Freunden her. Übermorgen gehen wir dann in den River Servern bei Annapolis, da ist dann Posttag. Dort wollen wir auch Franz Würzner, meinen Internatskameraden treffen.

Postkarte, 28.6.91

Liebe Eisenberger,

nur schnell eine Postkarte als Lebenszeichen. Wir sind jetzt in Annapolis und liegen zusammen mit der "FRADILIRA" am Steg des TO-Stützpunktes bei der Familie Zapf. Eure Post kam gut an, sie wurde uns gleich an Bord gebracht. Es ist hier eine herrliche ruhige Villengegend. Viel Natur und die tollen Häuser stehen oben auf den steilen Uferhängen. Unser Liegeplatz ist einmalig schön und wir haben sogar Strom und Wasser am Steg. Franz Würzner haben wir leider noch nicht erreicht. Wir werden jetzt noch einen Tag direkt in Annapolis am Hafen ankern und dann weiterfahren. Bis Ute kommt, könnten wir New York erreichen, mit Sicherheit aber Atlantic City. Mehr im nächsten Brief, um den 5./.6 herum werden wir auch anrufen.
 
 
 
 

Postkarte, obere Chesapeake Bay, 1.7.91

Liebe Mutti,

für einen Brief habe ich noch keine Zeit gehabt, also erstmal eine Karte. Wir sind gestern noch nach Annapolis gefahren und haben direkt vor der Akademie geankert. Machten natürlich einen großen Spaziergang durch den Campus. Der TO-Stützpunkt ist hier auf der Karte. In Annapolis war auch für einige Zeit das Capitol der Vereinigten Staaten. Davor steht ein großes Standbild des Generals von Kalb. Auf dem Gelände der Akademie und in den Gebäuden wird viel Wert auf Tradition und Geschichte gelegt, obwohl die Anlage erst 150 Jahre alt ist. Wie wir am Ankerplatz ankamen, wurde von einem anderen Boot gepfiffen, im Fernglas erkannte ich dann Keith, den wir auf den Kapverden kennengelernt hatten und den wir zuletzt in Barbados trafen. Kleine Welt. Wir haben zur Zeit absolute Flaute aber genug Diesel und so werden wir wohl New York rechtzeitig erreichen, um Ute und Christin zu treffen. Viele....

Manasquan, 8.7.91

Liebe Eisenberger,

morgen werden Ute und Christin an Bord kommen. Wir wollten bis New York kommen, aber das Wetter wollte anders. Gestern haben wir ein schweres Gewitter mit Windhosen, Blitz und Wolkenbruch bei 40 Konten Wind oder mehr auf See abgeritten; zum Glück ablandig. Wir wollten eigentlich weiter, aber eine dringende Warnung über Funk ließ uns Richtung Küste laufen. Wir fuhren den ganze Tag in dichtem Nebel, so sahen wir das schwarze Vieh nicht kommen. Plötzlich riß der Nebel auf und dann wurde es schwarz. Gleich hinter der Front liefen wir dann in den nicht geplanten zweifelhaften Hafen ein, denn es waren noch mehrere Gewitter angesagt. Aber wir hatten dann Ruhe. Eines reicht ja auch. Naja, wir waren wohl vom Wetter in den Bahamas zu sehr verwöhnt worden. Jetzt stimmt die Statistik wieder. Bei der Nebelfahrt zwischen Cape May und dem Nothafen rammten wir beinahe einen großen Wal. Erst kurz vor unserem Bug ging der 20 m Riese gemächlich auf Tiefe.

Postkarte Manasquan, 9.7.91

Liebe Mutti,

in wenigen Stunden werden Ute und Kristin per Bahn von New York hier ankommen. Wir liegen hier im geschützten und geschäftigten Hafen an der Mündung des Manasqan vor Anker. Haben gestern auf dem Weg hierher zwei Schildmakrelen gefangen, eine dritte entfloh vom Haken. War ein gutes, reichliches, frisches Mittagessen. Cape May mit seinen vielen schönen viktorianischen Häusern hat uns gut gefallen. Fast alle Orte hier an der Ostküste sind recht hübsch. Vorherrschend sind auch heute noch Holzbauten. Nur Atlantik City wird von hohen und höchsten Betonriesen beherrscht, wie Manhattan. Wir sind dort gar nicht an Land gegangen. Postkarte

Yale University, 16.7.91

Liebe Mutti,

heute haben wir uns die Yale University angeschaut und das war recht aufschlußreich und interessant. Die Stadt ist weniger toll, hat sie doch die zweithöchste Kriminalitätsrate in den USA. Jetzt liegen wir vor der Stadt in einer Ankerbucht und morgen segeln wir wieder über den Sund auf die Long Island Seite. Dort werden wir eventuell Ruth treffen. Das Wetter ist zur Zeit vom Feinsten: Kühle Nächte und herrliche wolkenlose Tage bei ruhiger See.

Viele liebe Grüße Karl, Dianne Kristin, Ute

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Karte, 22.7.91

Block Island,

Liebe Mutti,

wir sind so beschäftigt, daß das Briefeschreiben noch nichts wurde. Diese kleine Insel vor der Neu-Englandküste ist ausgesprochen hübsch und reizvoll. Ein Teil ist flaches Marschland mit Sandstränden und der Südteil ist hügelig mit Felsufern. Viele ältere Holzhäuser sind richtig kleine Schmuckkästchen. Unser Ankerplatz ist absolut geschützt und wir können gleich vom Boot im klaren Wasser schwimmen. Wir werden bestimmt mit Brigitte auch noch einmal zu dieser Insel segeln.

Viele liebe Grüße Karl, Dianne, Ute, Kristin

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Postkarte, 22.7.91

Liebe Eisenberger,

in wenigen Tagen werdet Ihr ja auch auf dieser schönen Insel sein. Ruth hat uns etwas über die Verkehrsverbindungen erzählt und wir kennen jetzt auch die Gegend. Wir werden Euch auf jeden Fall in Long Island erwarten. Greenport oder Mattituck, die haben Bahnverbindung mit Jamaica beim John F. Kennedy Airport. Wir werden aber noch anrufen und mit Ruth haben wir sowieso telefonisch Kontakt. Habe kürzlich lang mit Ihr telefoniert und sie hat ab 25. Urlaub und wir werden sie fragen, ob sie dann an Bord kommt. Viele liebe Grüße K, D, U, K

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Postkarte Cape Cod, Buzards Bay, 13.8.91

Liebe Mutti,

seit gestern sind wir auf dieser ersten der Elizabeth Islands, die alle indianische Namen haben. Die letzte Nacht ankerten wir vor dem Binnenhafen, und gingen heute auf den noch besser geschützten Platz. Heute vormittag war dann erst großes Baden am Sandstrand und nach dem Essen spazierten wir durch den kleinen hübschen Ort auf die Anhöhe hinauf. Auf unserem kleinen Rundgang über die Insel sahen wir sogar Dammwild ganz nah. Die Insel ist sonst recht unberührt und ursprünglich. Die etwas größere Nachbarinsel Nashavena ist unbewohnt, weil sie keinen so guten Hafen hat. An Bord ist alles O.K. wir sind immer beschäftigt und das Wetter ist fast ideal. Viele liebe Grüße Karl, Christian, Brigitte, Sepp, Dianne, Stefan.

Block Island 1.9.91

Lieber Wolfgang liebe Biggi,

Nachdem wieder alle Besucher des Sommers von Bord sind will ich mir die Zeit zu einem ausführlicheren Bericht nehmen. Kurz nachdem Ute und Kristin von Bord gegangen waren, kamen Brigitte, Sepp, Christian und sein Vetter Stefan an Bord. Wir trieben uns ausführlich im Long Island Sound um Block Island und südlich und nördlich von Cape Cod herum. Das ist normalerweise eine wunderbare Gegend und so weit im Norden auch weit außerhalb der Hurrikanes. Aber es sollte anders kommen. Aber der Reihe nach:
 
 

wir segelten bis zur Stellwagenbank nördlich von Cape Cod, um Wale zu beobachten. Dianne brachte nur ein erschrockenes 'Huch' heraus, wie der erste Riese direkt neben der Arion auftauchte, blies und sachte wieder in die Tiefe glitt. Brigitte war begeistert wie ein Wal völlig aus dem Wasser schoß und mit viel weißer Gischt zurückplatschte. Es war ein einmaliges Erlebnis sich inmitten der Wale treiben zu lassen. Diese Buckelwale kommen im Sommer zum Fressen und Paaren in den Norden, die Jungen bekommen sie dann im Süden in der Samana Bay in der Dominikanischen Republik und auf der Silver Bank in den Turks und Caicos Inseln. Die Buben fingen auch recht schöne Fische und es war an Bord immer für Spaß Abenteuer gesorgt.

Es wurde dann aber schnell abenteuerlicher als wir es uns gewünscht haben.

Die USA haben ein sehr gutes Wetterberichtssystem. Die NOOA sendet 24 Std.

Wetterberichte und so hörten wir von einer Tropical Depression, weit im Süden in der Karibik und draußen im Atlantik. Einen Tag später war es schon ein Tropical Storm mit eigenenm Namen und dann zog Hurrikan BOB mit nordwestlichem Kurs heran und entwickelte sich zu einem "dangerous hurricane cat.III". Aber wir wissen ja, die Hurricanes drehen dann immer nach Nord und Nordost dem Golfstrom nach und verlieren über dem kälter werdenden Wasser ihre Kraft.

Aber leider machen sie das nicht immer und bald hörten wir, daß unser Ankerplatz in Provincetown innerhalb des Hakens von Cape Cod 13% Wahrscheinlichkeit hatte, innerhalb 60 Meilen vom Zentrum zu sein. Das hielten wir doch für reichlich abenteuerlich und wir entschieden uns zu einem sichereren Hafen zu segeln.Es ist nicht gerade beruhigend im Atlantik zu segeln, während ständig die neuestesten Wetternachrichten und Warnungen gesendet werden. Wie wir in den Ankerplatz von .Plymouth Massachusetts kamen, waren wir bereits bei 85% Wahrscheinlichkeit und der Kurs des Hurrikans kam auf uns zu. Wir bekamen vom Hafenkapitän eine Boje zugewiesen, wobei niemand wusste wieviel die hält und brachten daher noch zwei schwere Anker und sämtliche Ketten aus. Bis in die nach hinein bargen wir die Segel und machten das Oberdeck und Unter Deck sturmsicher. Morgens früh wurde es plötzlich völlig windstill und die Vögel hörten auf zu singen. Die Gefahr konnte man richtig spüren und der Hafenkapitän gab Order, daß alle Schiffe von der Besatzung zu verlassen seien. Wir fanden zusammen mit vielen anderen "Leidensgenossen" Aufnahme im Yachtklub, dessen Gebäude auch sturmsicher gemacht worden war. Dann begann der Sturm zu heulen. Solange wir noch Strom hatten, lief ständig der Wetterkanal im Fernsehen. Wir sahen atemberaubende Bilder von den Wellen an Cape Hatteras und das Auge des Sturms kam immer näher. Durch einen Spalt in den Fensterläden sahen wir wie der kreischende sturm den Flaggenmast des Yachtklubs um 90 Grad zur Waagrechten bog. Die Kohlenstoff Fasern hielten diese Belastung aus. Einige der Moorings hielten jedoch die belastung nicht aus und die ersten Boote gingen auf Drift, beschädigten dabei andere Boote und endeten schließlich in den Felsen des Wellenbrechers. Zwei Boote stoppten kurz vor der Strandung im Auge des Hurrikans und trieben im Sturm aus der Gegenrichtung genau auf die alte Position zurück. ARION hielt sich ausgesprochen gut in den groben Wellen, was uns natürlich sehr beruhigte. Wie 24 Std. später das Auge von BOB genau über uns war, schien für 20 Minuten die Sonne vom blauen Himmel und wir sahen im Sonnenlicht die gigantischen Brecher hinter der Landzuge an der Außenbucht.

Am gleichen Tag putschten die Militärs in Moskau, wir hatten aber anderes zu tun als Deutsche Welle zu hören und der Fernseher war schon mittags ohne Strom. Gut vorbereitet überstand die stabile Arion alles ohne jegliche Schäden. So waren wir nur um eine Erfahrung reicher. In den folgenden Tagen sahen wir aber überall die Spuren seiner Zerstörungswut. Hunderte von Yachten lagen an Land und im Wasser trieb allerlei Unrat und einige Orte oder Stadtteile waren bis zu 6 Tage ohne Strom. Vor allem südlich von Cape Cod waren die Verwüstungen enorm. Wir sahen eine große Yacht in einem Wald und eine andere lag auf der Brücke einer großen Motoryacht. Bei der Weiterfahrt im dichten Nebel war der 16 Std. Törn nach Newport RI mehr als ein Nervenkitzel. Die Kanalpassage wurde uns nur wegen unseres guten Radars genehmigt. Selbst die Tonnen waren oft weg oder am falschen Ort. Wie der erste Ankerlieger in Newport um Mitternacht auf 1OO m in Sicht kam waren wir mehr als erleichtert und vor allem völlig erledigt. Einen Vorteil hatte die ganze Geschichte, der Markt für Hummer war durcheinander gekommen. Die Preise waren auf 2,99 $ gefallen, somit war Hummer billiger als Schweinekotelett. Wißt Ihr was wir in diesen Tagen gegessen haben?

Brief von Dianne geschrieben

Block Island, 1.9.91

Liebe Brigitte, lieber Sepp,

Ihr werdet inzwischen die Newport-Zeitungsausschnitte sowie die Block Island Times erhalten haben und werdet hoffentlich noch von den positiven Seiten vom Urlaub auch noch zehren können. Der rasche Sturz ins Arbeitsleben läßt die Urlaubserlebnisse, selbst nach einem Hurrikan, so schnell in die Vergangenheit rutschen und wirklich vergehen drei Wochen immer so schnell vorbei, daß es kaum zu glauben ist. Wir blieben ein paar Tage noch in Newport, trafen dort George und Christel von KIRTONIA und lernten auch andere Funkbekannte von ASHAMI kennen. Wir besichtigten auch das Museum of Sailing. Dort gibt es eine schöne Sammlung von Fotos der schönen Yachten der Reichen. Auch hier sind wir schon ein paar Tage und haben den Spaziergang zu den Mohigan Bluffs wiederholt und waren auch an der Nordspitze der Insel, wo ein großer Süßwasserweiher nur durch den Strand vom Meer getrennt wird. Hier in Great Salt Pond liegen ein paar Yachten noch an den Ufern und viele wieder flott gemachte weisen noch Schäden und Kratzer auf. Es ist hier ja nicht ungewöhnlich, daß Boote auf Drift gehen. Heute nacht waren Böen bis 25 Knoten und schon waren über 40 Boote unterwegs auf Drift. Wir erwarteten gegen Mitternacht ein driftendes Motorboot längsseits, hatten Fender und Leinen schon klar, aber wie der Eigner von der Kneipe zurückkam, hatte sein Anker im abflauenden Wind zufällig wieder gefaßt. Trotzdem war am Funk highlife und heute morgen am Funk war immer noch von Sturm die Rede. Hier hätte ich nicht sein mögen, als Hurricane Bob mit 125 Knoten darüberbrauste. Am Abend vorher war der Nebel mal wieder pottendick. Wir hörten einen Anruf bei der Coast Guard, einen von vielen, der von einem Motorboot stammte, dar den Weg gewiesen haben wollte. Die Motoryacht MAGIC CARPET gab eine Loranposition an (Anmerkung: Das Problem war, daß er nicht Längen und Breitengrade angab, sondern die Laufzeitdifferenzen der Nebensender, also nur Meßdaten. Zum Glück hatte ich mir diese Meßdaten von allen möglichen wichtigen Punkten als Meßdaten notiert und konnte so mit den echten Daten rechnen. Zeigefingernavigation am Loranrechner. Ende der Anmerkung).

Karl fand eine Position, die nur eine halbe Meile vor der Einfahrt lag. Die Coast Guard leistet in solchen Fällen keine Funkhilfe. Sie ist zu oft verklagt worden und kann die Haftung nicht übernehmen. Karl rief MAGIC CARPET also auf und gab dem ahnungs- und hoffnungslosen Skipper Kurs und Entfernung zur ersten Tonne der Einfahrt zum Great Salt Pond an. Schließlich in mühevoller Kleinarbeit lotste er ihn zunächst mit Loran, dann auch Radar bis zur Einfahrt. Achtmal gab der Skipper seine Position durch und ließ sich neu anweisen. Das Lustige dabei war die Reaktion anderer Boote. Sie mischten sich ins Gespräch ein, lobten Karl, wiesen den MAGIC CARPET Skipper an, Karls soliden Rat zu befolgen und wie das Boot endlich herin war, blockierten sie den Funkanall mit Lobpreisungen wie z.B. "ARION sollte eine Medaille kriegen, der andere gehöre verhaftet oder gut gemacht ARION viel besser als unsere Coast Guard oder MAGIC CARPET Du schuldest der ARION mindestens ein Steakdinner". Es war köstlich. Zwei Boote sind sogar vorbeigekommen und wieder ein anderer lud ihn über Funk zu einem Drink ein. Nur MAGIC CARPET selbst begnügte sich mit:" Gott segne Dich!" wie er im Hafen war. Wie schade für die Deutsche Gesellschaft zu Rettung Schiffbrüchiger, daß er nicht vorbeikam. Ich hätte ihm das Sammelschiffchen schon unter die Nase geschoben.

Heike hat uns über Norddeich telegrafiert, daß sie am 7. Oktober in Baltimore eintrifft. Sie will offensichtlich vorher noch mal schreiben, was uns planlose Wesen ein zwischenzeitliches Postdepot festlegen läßt. Also bitte c/o Corinthian Yacht Club of Cape May, Cape May New Jersey 08204. Darauf vermerken: Please hold for Yacht in Transit und natürlich mit Segelyacht ARION klar markiert. Das müßte klappen. Die Leute vom Club waren sehr nett, als wir zuletzt durchs Clubdorf durchkamen und erlaubten uns sogar zu telefonieren, was der angeblich so freundliche Ida Lewis Yacht Club in Newport nicht erlaubte. Sobald die letzten Dias von mir zurückkommen, schaut bitte, ob sie alle verkratzt sind. Alle fünf Filme, die Karl in Wickford abholte, sind mit deutlichen Kratzern. Bevor ich bei der Firma in Annapolis Stunk mache, muß ich sicher sein, daß es nicht im Fotoapparat passierte. Der Tag eurer Abreise war unser Hochzeitstag. Wir haben es schon wieder beide vergessen! Heute war ein herrlicher Herbsttag. Kühl aber strahlend, und so klar. Die Rhode Island Küste war gut über dem Block Island Sund zu sehen. Es ist hier alles voll, weil Montag Feiertag, Labour Day ist, aber es gefällt uns nach wie vor hier.
 
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Block Island Sund, 2.9.91

Liebe Mutti,

heute will ich endlich den versprochenen und angemahnten Brief beginnen. Wir haben absolut plattes Meer, leider keinen Wind, die Sklaven arbeiten alle und so habe ich Zeit zum Schreiben. Nach dem Durchgang einer Front baute sich ein Riesenhoch auf und wir haben kühles, trockenes, sonniges Wetter. Wir haben auch eine sehr gute Sicht und so sehen wir nicht nur Block Island, sondern auch bereits Long Island und die ganze Küste von Connecticut und Rhode Island. Das einzige Haar in dieser feinen Suppe sind die Motorboote, die rücksichtslos mit großen Heckwellen an einem vorbeibrausen. Am Freitagabend hatten wir so dichten Nebel, daß die Sicht fast Null war. Eine Motoryacht hatte keine Ahnung mehr, wie er fahren sollte, und ich habe ihn per Funk ferngesteuert in den Hafen gelotst, nachdem die Coast Guard abgelehnt hatte und ihm sonst niemand half. Ich hätte ihn auf Grund laufen lassen sollen, dann wäre zumindest einer dieser rücksichtslosen Idioten weniger. Gerade sind wieder einige Motor-Rowdies mit hoher Fahrt vorbeigebraust.

Nachdem Sepp und Brigitte abgereist waren, fanden wir wie immer das Boot erst einmal fürchterlich leer. Aber es gab auch einige Dinge zu erledigen und da war Newport kein schlechter Platz dazu. Dann kamen George und Christel mit Familie und ankerten gleich vor uns. Wir hatten uns seit St. Lucia nicht mehr gesehen. So hatten wir viel zu erzählen und nachdem eine weiteres britisches Boot ankam, waren wir schon eine kleine europäische Kolonie in Amerika. Wir werden uns alle mit noch einigen Booten Anfang Oktober in Annapolis wiedersehen.

in Block Island waren wir dann zum dritten Mal. Aber die Insel gefällt uns einfach und wir haben viele lange Spaziergänge gemacht. Auch wenn wir nur die Insel von den Mohikanerklippen im Süden bis zum Siedlerstein im Norden kennen. Es leben heute noch viele mit dem gleichen Familiennamen auf der Insel, die Mitte 17. Jahrhundert, 1661, zu den ersten Siedlern gehörten. Ihre Namen sind auf dem Siedlerstein vermerkt und auf dem schön gelegenen Friedhof der Insel, einer weitläufigen Wiese auf der Anhöhe über der Bucht, mit Grabsteinen, findet sich die weitere Siedlungsgeschichte. Der Hurrikan hat die Insel schwer getroffen. Wir sahen noch viele Wracks und vor allem die Natur hat schwer gelitten. Die vom Sturm gepeitschten Bäume, die auch noch salziges Sprühwasser abbekamen, beginnen vorzeitig braun zu werden und auch die Steilufer am Meer haben durch Erdrutsche gelitten. Der ganze Osten der USA ist ja eiszeitlichen Ursprungs, daher sind die Klippen nicht aus massivem Fels, sondern aus geschichtetem Sediment mit eingeschlossenen Steinen, Felsen und Geröll. An den frischen Bruchkanten ist der Aufbau der Schichten sehr gut zu sehen. Wir haben bei Spaziergängen an den Klippen eine nette Berufsfotografin kennengelernt, die gerade dabei war, an diesen neuen Stellen zu fotografieren. In einem kleinen Büchlein über Künstler der Insel sahen wir einige ihrer Werke. Sie hat wirklich einen guten Blick für einfache Schönheiten der Natur. Sepp und Brigitte waren ja mit uns bei den Klippen, wo Christian und Stefan von der Brandung so begeistert waren. Wir machten aber auch noch eine dreieinhalb Stunden Wanderung zur Nordspitze der Insel. Dort gibt es einen Süßwassersee, der nur dreißig Meter vom Meer getrennt ist. Im Norden der Insel gibt es auch mehr Landwirtschaft. Im Wesentlichen ist die Insel aber touristisch geprägt. Nachdem wir erst Nebel hatten, gab es dann nach dem Durchzug einer Front frischen Wind, 25 Knoten nur, aber das reichte, in einer Nacht 40 Boote driften zu lassen. Die Unwissenheit der Amerikaner ist auch beim Wassersport durch nichts zu überbieten. Wir mußten bis nach Mitternacht aufbleiben, weil eine große Motoryacht langsam aber stetig auf uns zutrieb. Es war natürlich niemand an Bord, denn die Freizeitkapitäne sind nicht nur unwissend, sondern auch noch völlig sorglos.

Shelter Island, 4.9.91

Heute sind wir von Derring Harbour um Shelter Island herum zu einer Bucht auf der Südostseite gefahren. Es war ein herrlicher Tag, nur am späten Nachmittag kamen Wolken auf. Es gibt hier wunderbare Häuser und da ich gerade Die Bucht von Mitchener lese, denke ich immer an die ersten Siedler hier und wie schön sie doch das Land gefunden haben müssen, es ist ja heute noch wunderschön, obwohl die Zivilisation auch ihre Wunden geschlagen hat.

Ich werde heute Abend wohl noch einige Seiten in dem Buch lesen. In der Deutschen Welle hörten wir, daß unserer anderer Lieblingsschriftsteller A.E. Johann 90 Jahre wurde, sie haben eine Sendung aus diesem Anlaß gebracht. So habe ich gerade im Jahr 500 nach Kolumbus die Richtige Lektüre. Hier siedelten allerdings schon weitere 500 Jahre vorher Wikinger, es gab sogar einen Bischof hier, aber der Vatikan, wo alle Unterlagen noch vorhanden sind, hat diese immer etwas geheimgehalten. In einem Buch fand ich eine Karte dieser ersten Reisen bis in den Long Island Sund. Eine bemerkenswert gute kartographische Aufzeichnung der Gegend von Neufundland bis New York. Falls Du das Buch von Thor Heyerdahl "Wege übers Meer" bereits hast, kannst du darüber mehr lesen. Jetzt mache ich erst mal Schluß, damit der Brief bald zur Post kommt. Fortsetzung folgt dann.

New Rochelle, 13.9.91

Liebe Mutti,

heute sind wir nach New Rochelle nahe New York gesegelt. Die Stadt ist eine Gründung der Hugenotten. Wir waren die letzte Nacht auf der anderen Seite des Sundes in der Manhasset Bay, wo wir schon zusammen mit Ute und Kristin waren. Hier in New Rochelle ist eine große Bootsausrüsterfirma, wo wir einige Sachen einkaufen wollen. Da wir hier sehr nahe des Stadtteils Bronx sind, haben wir das Boot nicht alleine vor Anker gelassen. Dianne ist jetzt an Land und ich gehe, wenn sie zurückkommt. Das ist das erstemal, daß wir aus Sicherheitsgründen keinen Landgang gemeinsam machen, das erstemal seit Brindisi. Sonst sperren wir hier in den USA oft das Boot nicht einmal ab. Aber je dichter ein Gebiet besiedelt ist, um so mehr wird die Gesellschaft in ihren Werten zerstört. Brigitte und Sepp werden Dir so einige Eindrücke aus den USA erzählt haben und die meisten Alltagseindrücke sind auch positiv. Wenn man aber längere Zeit im Land lebt und sich kritische Gedanken über das Land und die darin lebende Gesellschaft macht, wird es problematisch. Wir möchten beide eigentlich nicht dauernd hier leben und freuen uns über jeden Europäer, mit denen man doch viel besser reden kann. Dabei hätten die Amerikaner so große Chancen gehabt, aus dem multikulturellen Angebot der Einwanderer das Beste herauszuholen. Aber leider wurde der bequeme Weg, der Weg des einfachen Geldes, bis heute gegangen. So entstand ein Einheitsbrei auf niedrigem bis niedrigstem Niveau. Das Bildungssystem der USA ist nichts ! Jeder redet von Bildung, jeder ist Student, hat in irgend etwas graduiert, aber keiner weiß etwas richtig. Es gibt zwar Spezialisten, Forschungseinrichtungen und tolle Möglichkeiten, aber dort fließt oft Wissen von außen hin, die Amis stellen nur die Einrichtungen (Siehe Otto in Princeton)(Anm: angeheirateter Cousin, ordentlicher Professor der Uni Bonn, für 1 Jahr in Princeton). Aber die Ausbildung der Bevölkerung ist mehr als schlecht. Wir hören oft am Funk, wie Leute Formulierungsprobleme haben. Es wird nichts gelesen, zuviel Fernsehen konsumiert. Geschichte, Geographie etc. - was ist das? Wir werden so oft gefragt, was ist das für eine Flagge. Dabei weht hier vor jeder Hundehütte ein Sternenbanner, den Leuten wird in einer Art Gehirnwäsche ständig eingetrichtert: "Amerika ist das Beste. Amerika ist frei. Sei stolz, ein Amerikaner zu sein. Produkte haben den Aufkleber: Proudly made in the USA, selbst wenn es ein alter Schuh ist." Da die meisten Amis nie aus dem Land herauskommen, haben sie keine Vergleichsmöglichkeiten und glauben den Unsinn. Dabei würden die USA in keinem Gebiet den Vergleich mit Europa aushalten. Auch die Standards auf technischem Gebiet, bei Alltagsprodukten vom Auto bis zur Küchenmaschine ist alles altes Gelumpe. Nur absetzbar auf einem abgeschlossenen Binnenmarkt. Die Waschmaschinen waschen nicht sauber, dafür wird literweise Chlorbleiche verwendet, das vergiftet die Umwelt, aber für die wird hier auch nicht viel getan. Moderne Kläranlagen gibt es nicht. Also proud to be american, aber worauf? Das Sozialsystem, Rassenproblem, etc. sind weitere heiße Eisen, die keiner richtig anfassen will. Mangels Bildung ist die Bevölkerung auch absichtlich unpolitisch (Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen ca. 50%!) Einige Aktive teilen dann die Beute unter sich. Das längst überholungsbedürftige Wahlsystem - schlecht wie das Englische - fördert Politiker, die um der Wiederwahl Willen dem Volk nach dem (bequemen) Mund reden. Unser repräsentatives System ist da viel programmatischer ausgelegt. So werden doch Zukunftsprobleme nicht nur bequem vor sich hergeschoben. Das Schönste ist hier die weite Natur und die Freundlichkeit der Menschen, die man trifft, und deren Kontaktfreudigkeit.

An unseren Ankerplätzen sind wir so von Natur umgeben, daß es geradezu eine Freude ist. Am letzten Sonntag fuhren wir mit dem Dingi in einige Seitenarme, wir sahen nicht weniger als vier verschiedene Reiherarten nebeneinander. Heute nacht landeten Wildgänse beim Boot und ihr Rufen erfüllte die Bucht. Sie beginnen jetzt, in großen V-förmigen Formationen nach Süden zu ziehen. Brigitte wird Dir von den Gänsen und Schwänen erzählt haben, die alle ein gutes Verhältnis zu mir haben. In der gleichen Bucht kamen sie wieder zu mir und schmusten, die Schwäne mit den sieben Jungen kamen gleichzeitig und protestierend gingen "meine" beiden Gänse ein Stückchen weiter. In Mattituk liefen zwei Hirsche gleich am Ufer entlang, die Bäume, Reiher und Rehe spiegelten sich im absolut glatten Wasser. Das ist dort, wo Brigitte Geburtstag feierte. Jetzt ist hier die Saison vorbei und alle Ankerplätze sind viel ruhiger, sogar am Funk ist nicht mehr soviel los. Brigitte wird von der undisziplinierten Quatscherei sogar auf Kanal 16 erzählt haben.

Aber über Kurzwelle haben wir wieder eine englische Familie kennengelernt und in Oyster Bay getroffen, sie kennen natürlich wieder andere Freunde von uns. Über die Deutsche Welle sind wir über die Politik bestens informiert, noch besser als durch eine Zeitung. Leider sind viele Nachrichten keine guten, speziell aus Kroatien. Selbst in Skradin, wo wir immer so gerne bei Mate waren, wird gekämpft. Dafür ist der kommunistische Spuk weltweit am Absterben. Wieviel Unglück, Leid und Tote hat diese Irrlehre weltweit zu verantworten. Engels, Marx und vor allem Lenin haben die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte ausgelöst. Wir werden noch lange damit beschäftigt sein, die unmittelbaren und mittelbaren Folgen weltweit zu beseitigen. Bald mal wieder mehr.
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New York, 18.9.91

Liebe Mutti,

seit heute früh rattert die Schreibmaschine, es gab mal wieder eine ganze Reihe von Post zu erledigen. Nachdem die geschäftlichen Briefe jetzt erledigt sind, kommen die privaten dran. Ich habe heute also einen Tag an Bord verbracht, nur Dianne war kurz zum Einkaufen an Land. Drei Tage vorher waren wir jeweils ganztägig in Manhattan und da wir inzwischen Übung haben, wie man eine Stadt möglichst kurz und umfassend "erledigt", haben wir eine ganze Menge gesehen. Die letzten Tage im Long Island Sund hatten wir herrlichstes, klares Herbstwetter. Es roch schon richtig nach Herbst und die ziehenden Wildgänse, die sich nachts aufs Wasser herunterließen, und die Bucht mit ihren Rufen erfüllten, waren das sichtbare Zeichen dafür. Aber in der Nacht von Samstag auf Sonntag regnete es fürchterlich und erst wie wir schon im East River waren, wurde es etwas sonnig. Kein Vergleich mit dem strahlenden Tag, wie wir mit Ute und Christin durch New York fuhren. Aber es war dennoch wieder recht eindrucksvoll, diese gigantische Stadt vom Wasser aus zu sehen. Gerade vor Sonnenuntergang, früher wäre es wegen der Gezeitenströmung nicht gegangen, kamen wir in der völlig geschlossenen Bucht Great Kills auf Staten Island an und ankerten da. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Dingi zum Richmond County Yacht Club, trugen uns dort als Gäste unter Angabe unseres Clubs Trans-Ocean ein und wurden sofort recht freundlich willkommen geheißen. Wir könnten sogar eine Festmacherboje haben, aber unser Anker ist gut und es reicht, wenn wir das Schlauchboot im Club lassen können, wenn wir an Land gehen, und dort duschen können. Auch eine Bar gibt es im Clubhaus. Am Sonntagmorgen ging es also erstmal per Bus nach St. George, wo die Staten Island Ferry anlegt. Das sind schon 40 Minuten, naja das Land ist groß! Die Fähre braucht dann etwa eine halbe Stunde über die Upper Bay zur Südspitze von Manhattan. Nach dem Aussteigen steht man unmittelbar vor einem Wald von Wolkenkratzern. Wir spazierten etwas durch die Gegend zur Buslinie Richtung Central Park. Die Fahrt führte uns durch das so interessante China Town, an der UNO vorbei zum Park, wo wir das Metropolitan Museum of Art besuchten. Das Museum ist ein enorm weitläufiger Bau und wir haben nur einen Bruchteil gesehen und noch weniger richtig angeschaut. Zuerst gingen wir in die Ägyptische Sammlung, weil wir sehen wollten, was hier gelandet war und wie es dargestellt wurde. Da wir ein wenig von den Originalen in Ägypten kannten, sahen wir es als einen interessanten Vergleich an. Sie haben viele und sehr interessante Exponate, aber es wirkt alles herausgerissen und eben bruchstückhaft. Im Gegensatz zu europäischen Sammlungen fällt aber in den USA auf, daß reiche Sammler ihre Sammlungen irgendwann einmal dem Museum gegen die Anbringung einer Namenstafel gestiftet haben und so ist es eine Aneinanderreihung von Schenkungen. Das komplexe Thema geht da etwas unter. Wir sahen aber Funde aus Gräbern, die wir zuvor noch nie gesehen hatten. In Kairo konnten wir ja auch nur einen kleinen Einblick in das Ägyptische Museum erhalten und da gab es eben wichtigere Funde. Jetzt sahen wir jedenfalls puppenstubengroße Darstellungen des Lebens der Untertanen. Die jetzt 4000 Jahre alten Modelle zeigten eine Haus mit Stallungen, Kühen, die darin gemästet wurden, dann eine komplette Metzgerei mit gefesselten Stieren, toten Stieren und aufgehängten Rindervierteln. Wir sahen eine Müllerei, eine Bäckerei und ein Haus mit Tiergarten und Gartenteich. Alles vollständige, figürliche Darstellungen, schön gearbeitet und gemalt in der Größe von Puppenstuben, etwa 70 x70 x 30 cm. Auf einem Foto sahen wir das alles hier mit vielen anderen Grabbeigaben, wie es in den Schatzkammern des Grabes gefunden wurde. Sehr interessant war auch die Abteilung über die Assyrer-, Appolonier-, und Perserreiche. Sehr enttäuschend war aber die Abteilung über Nordamerika, da hätte ich mir wesentlich mehr erwartet. In der Museumsbuchhandlung kaufte ich mir aber ein Buch "The Indian Heritage of America", da wird die amerikanische Geschichte bis heute abgehandelt. Auf dem Rückweg vom Museum filmten wir noch ein wenig und waren dann froh, wie wir mit qualmenden Socken an Bord ankamen, und kühles Bier im Kühlschrank war. Am Montag war es dann leider nicht so klar, es war schwülwarm, dunstig und stickig, aber dafür standen keine endlosen Schlangen an der Kasse zum World Trade Center. Wie ich vor 23 Jahren auf das Empire State Building hinauffuhr, mußte man noch umsteigen, der Fahrstuhl im World Trade Center bringt einen heute in einem Rutsch mit höchster Geschwindigkeit auf das wesentlich höhere Gebäude hinauf. Es sind ja zwei solche Gebäude nebeneinander mit zwei niedrigeren unten. Ihr werdet das noch im Video sehen. Kommt man mit der Fähre in Manhattan an, bekommt man fast Genickstarre vom Hinausschauen, aber ganz verrückt wird es, wenn man von oben auf die "Kleinen" hinunterschaut. Es ist schon ein besonderes Erlebnis. Nach dem Trade Center gingen wir zur Wall Street, zur Börse, bekamen aber erst für 15.15 Uhr Karten. So hatten wir Zeit für einen Abstecher nach Greenwich Village, wo viele berühmte Schriftsteller lebten und heute noch viele Künstler wohnen. Wir fuhren mit der Subway dorthin und das ist mal wieder so ein Ding im modernen Amerika, das schlicht altes Gelumpe ist. Der Stadtteil direkt ist ohne Wolkenkratzer mit viel Grün und alten Häusern ein starker Kontrast zur übrigen Stadt. Einzelheiten unserer Stadtrundfahrt will ich nicht erzählen, das schaut Ihr Euch besser im Film an. Die Börse in der Wall Street war dann recht und sehenswert, leider durfte man innen nicht filmen, aber die Wall Street, wie die Börse kurz genannt wird, ist ja oft in den Nachrichten zu sehen. Gestern besuchten wir dann die UNO. Wir machten zunächst eine Führung mit. Eine sehr elegante charmante Äthiopierin führte uns und erklärte sowohl den Bau als auch die Geschichte der UNO und deren heutige Aufgaben. Wir hatten es recht gut und historisch erwischt., Die Sitzungsperiode war gerade begonnen worden und morgens hatte die Vollversammlung gerade den saudiarabischen Botschafter zum Präsidenten der Vollversammlung gewählt. Auf der Nachmittagssitzung, wo wir dann als Zuschauer teilnehmen konnten, wurde über den Beitritt von 7 Neuen abgestimmt. So ein Massenandrang hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Wie Estland, Lettland und Litauen als Mitglieder aufgenommen wurden, gab es lauten Beifall bei den Delegationen und den Zuschauern. Wir haben dann noch bis zum Ende der Sitzung auf der Straße auf die Flaggenzeremonie gewartet. In der Mitte vor dem UNO-Gebäude waren sieben Flaggenmasten in der fast endlosen Flaggenreihe frei. Eine Gruppe von Nordkoreanern demonstrierte lautstark auf der anderen Straßen Seite, und still und glücklich standen Grüppchen meist älterer Balten, zum Teil in Tracht, mit kleinen Fähnchen da und warteten geduldig, daß endlich ihre eigenen Flaggen unter den vielen freien Nationen stehen würden. Etwas traurig wurden wir dann gestimmt, wie einige Kroaten mit bedruckten T-Shirts und kleinen kroatischen Flaggen kamen. Sie sind ja leider noch nicht soweit. Wir sprachen mit einer biederen Frau, die aus Split stammt und viele Jahre in Pforzheim gearbeitet hatte. Von ihr erfuhren wir, daß die schöne Kathedrale in Sibenik in diesen Tagen bombardiert wurde. Es ist ein Jammer, was die letzten serbischen Kommunisten anrichten. Es ist halt von Tito alles mit eisernem Besen unter den Teppich gekehrt worden, was jetzt wieder aufbricht. Die Greuel, welche unter deutscher und italienischer Regie stattfanden, finden eine Neuauflage. Der Terror der Ustascha und die unselige Rolle der katholischen Kirche sind bei den Serben noch nicht vergessen und die Serben träumen wieder einmal den gewalttätigen Traum eines Großserbiens. Unglückliches Land seit den Türkenkriegen!

Doch genug der Politik, der Fernseher plagt Dich sicher genug damit. Wie jedenfalls die Flaggen vorgeheißt wurden, kam lauter Jubel auf den Straßen auf, und die Kameras der unzähligen Fernsehteams liefen wohl heiß. Auf der Straße vor der UNO standen die ganzen Übertragungswagen. Alle hatten große Parabolantennen auf dem Dach, womit die Bilder per Satellit gleich weltweit weitergeleitet wurden. Es ist immer wieder faszinierend, was die moderne Elektronik schafft. Brigitte staunte an Bord über meine Sklaven, die geduldig und zuverlässig per Knopfdruck die kompliziertesten Dinge machen.

Ich bin jetzt vom Tag geschafft und gehe in die Koje. Ich kann nicht mit 100 mA 24 Stunden laufen, ich brauche ordentlich Schlaf in einer gemütlichen Koje, höchstens, daß ich noch etwas lese. Kürzlich habe ich das bis nachts um zwei gemacht, dann war das Buch durch.

Manasquan, 25.9.91

Lieber Sepp (Entdecker des Spiced Cpt. Morgan),

es ist heute ein richtig grauer Tag mit Regen und dicken Wolken, so haben wir uns ein wenig karibische Sonne in Form eines Spiced Cpt. Morgan eingeschenkt. Seit Du uns eine Flasche dieses so schmackhaften guten Rums geschenkt hast, ist es unser Lieblingsgetränk. Vielen Dank, daß Du den gefunden hast, er war uns bis dahin unbekannt. Ja, die alten Seeräuber wußten, was gut schmeckt. Wir sind schon einige Tage hier, da entlang einer riesigen Kaltfront, Tiefs wie Perlen auf einer Kette nach Norden ziehen. Die Brandung donnert auf den Sandstrand, aber hier drinnen ist es völlig ruhig und geschützt. Es sieht so aus, als ob wir am Freitag die 80 Seemeilen nach Cape May machen könnten. Am 7.10. kommt dann Heike nach Baltimore. Ruth, Glenn und die Kinder haben wir leider nicht mehr getroffen, da Glenn und die Kinder am geplanten Tag krank waren und dann war gerade Nordwind für uns günstig. Wir haben aber lange telefoniert. Schade, daß die schöne Zeit mit Euch so kurz war.

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Manasquan, 26.9.91

Liebe Mutti,

wir liegen immer noch in Manasquan vor Anker, heute nacht hat es wieder wie aus Eimern geschüttet und jetzt ist alles mehr als grau. Wir verbringen die Tage aber recht gemütlich mit lesen, schreiben und einem mit Einkauf verbundenen Spaziergang am Nachmittag. Wenigstens einmal am Tag muß man Gassi gehen. Ich habe zunächst den ersten Band der Kanada - Trilogie von Johann gelesen, dann war Dianne mit dem zweiten Band noch nicht fertig und so schob ich Leon Uris "Mitla-paß" dazwischen. Gestern abend hätte ich dann beinahe noch den dritten Band "Aus dem Dornenbusch" geschafft, bin aber doch eingeschlafen. Am Dienstag war das Wetter eigentlich sogar recht sonnig und wir waren um 5 Uhr bereits aufgestanden und hatten vor, auszulaufen, aber der neueste Wetterbericht versprach eine Winddrehung für abends und so war klar, daß wir nur die 50 Seemeilen bis Atlantic City schaffen würden und nicht noch die weiteren 35 bis Cape May, wo wir bestenfalls gegen 23 Uhr angekommen wären. Da aber das Liegen in Atlantic City nicht gut ist, es sei denn, man ginge in einen Marina für 35 Dollar pro Nacht, entschlossen wir uns, die Schlechtwetterperiode hier im netten Manasqan zu verbringen. Morgen sollen nun Windrichtung, -stärke und blauer Himmel stimmen und so planen wir, um 6 Uhr herum auszulaufen. Die Bücher, die ich gerade gelesen habe, sind riesig interessant, vor allem mit dem alktuellen Vergleich mit den heutigen Verhältnissen. Es hat sich noch nicht viel in der amerikanischen Gesellschaft geändert und so manche gut formulierte Beschreibung von A.E.Johann gilt heute noch unverändert. Ich befürchte, daß es für die amerikanische Gesellschaft noch einmal ein böses Aufwachen geben wird. Zur Zeit ist der typisch amerikanisch Teil der Gesellschaft völlig happy. Es geht ihnen gut, sie genießen das Leben, konsumieren viel, machen noch mehr Dreck und sind fürchterlich stolz auf ihren jüngsten militärischen Sieg und den Kommunismus haben sie ja auch noch so nebenbei besiegt. Für Selbstkritik oder auch nur aufmerksamen Beobachtung der eigenen Situation des Landes, der Natur und des nicht-typisch amerikanischen Teils reicht die miserable Bildung nicht!!! Nicht typisch sind hier die Farbigen und die Latinos. Das sind aber die Underdogs, die die Drecksarbeit für nahezu jeden Lohn machen dürfen. Das Problem für mich ist, daß ich meine angestaute Wut über dieses falsche, ungerechte System sonst frommer Sektierer nicht loswerden kann, denn jeder Amerikaner, den man persönlich kennenlernt, ist so riesig nett, daß man ihm gar nicht alles um die Ohren hauen kann. Habe bitte nicht den Eindruck, daß ich es Dir ersatzweise um die Ohren hauen möchte. Wir hören jeden Tag das volle Programm der Deutschen Welle. Bei allem politischen Hickhack in unserem Land und in Europa können wir doch mit den insgesamt und für alle wesentlich befriedigerenden Verhältnissen in Europa zufrieden sein. Hohe Steuern und Kosten für einen hohen Standard und stabile Zustände sind besser als niedrige Steuern, hohe Gewinne für Wenige und grenzenloses Elend für den Rest. Eine UNO-Studie hat sogar davon gesprochen, daß die USA in weiten Bereichen den Standard eines Entwicklungslandes haben, das kann ich aus eigener Anschauung nur bestätigen. Heute früh habe ich in der Deutschen Welle ein langes Interview mit Verkehrsminister Krause gehört. Sehr vernünftige Aussagen zur künftigen Entwicklung. Weniger gut gefiel mir ein Interview vor einigen Tagen mit Schwarz-Schilling über seine Privatisierungspläne. Wohin z. B. private Telefongesellschaften führen können, sieht man in den USA. Vor einigen Tagen passierte z.B. etwas für die USA ganz typisches, das in Europa noch nie passiert ist und auch nicht geschehen kann. Die Telefongesellschaft AT&T betreibt einen großen Teil der Anschlüsse in New York und alle Fernverbindungen der Flugplätze und der Fluglotsen, dazu auch Datennetze für Computer. Den Strom beziehen sie von Con Edison für einen besonders günstigen Preis, dafür kann Con Ed bei Strommangel im eigenen Netz die Versorgung abschalten und AT&T muß eigene Generatoren verwenden. Con Ed brauchte also den Strom )*

)* Anm. es war diese Tage so heiß und schwül in New York, daß die Klimaanlagen mehr Strom brauchten. Verbundnetze wie bei uns - völlig vollautomatisch - gibt es hier nicht.

schaltete AT&T ab und das schlecht ausgebildete technische Personal in der Stromversorgungszentrale von AT&T merkte sechs Stunden lang nicht, daß sie bereits auf Notstrom aus Batterien liefen. Nach sechs Stunden waren die Batterien leer und alle Netze und Computer stürzten ab. Der Flugverkehr mußte gestoppt werden und es dauerte Stunden, bis alles wieder aufgeschaltet war. Dieser Vorgang zeigt auch wie gefährlich ein billiges, kostengünstiges System mit minder geschulten Kräften ist, denen man für besondere Fälle dann einen Supervisor vorsetzt und diesem dann wieder einen Ober-Supervisor. In Europa sitzt da halt ein kompetenter Mann/Frau am Schalthebel, der nicht erst einen Supervisor fragen muß. Diese Frau/Mann ist natürlich in 90% der Fälle überqualifiziert und braucht nur für 10% der Arbeit das Wissen. Hier rechnet man nur mit den Kosten und läßt 10% in die Hose gehen, den Schaden haben ja andere bzw. die Allgemeinheit. Exzessiver Profit geht eben immer auf Kosten anderer, das ist das amerikanische System, ganz grob vereinfacht. Eine wesentlich bürgerfreundlichere Gesetzgebung in Europa, speziell in Deutschland, läßt solche Extreme zum Glück nicht zu. Daran sollte jeder denken, der über hohe Kosten jammert. Lieber einen teuren Audi, der fährt, als einen stinkenden billigen Trabant, der dauernd stecken bleibt, mag vielleicht ein sehr einfacher Vergleich sein!

Die Strände, die im Sommer noch so voller Menschen waren, sind jetzt völlig verlassen. Nach Labour Day endet hier die Saison und dann ist absolut nichts mehr los, egal wie das Wetter ist. Da der Ort hier aus drei Teilen besteht, dem Hafen, dem Strand mit Ferienhäusern und Geschäften und dem Ortszentrum, herrschte zeitweise ein wenig Geisterstadt-Atmosphäre. Dafür sind die Fischer geschäftiger denn je. Wir ankern ganz nahe an der Anlandestelle und auch die Sportangler landen dort an. Im Fernglas sehen wir dann, was für riesige Fische, meist Thune, oft ausgeladen werden. Drei Mann wuchten dann so einen Riesenfisch aus dem Boot auf den Steg hinauf.

Andere Fahrtensegler sind nicht viele unterwegs. Nur die Kanadier ziehen jetzt auch langsam nach Süden. Da hier im Hafen eine unbewohnte Marschinsel ist, Pearl Island, sehen wir auch viele Wasservögel. Besonders schön sind die großen grauen und weißen Reiher, besonders lustig sind die Kormorane, die an Land etwas clownhaftes haben. Wir sehen jetzt auch immer öfters eine V-Formatiuon von Kanadagänsen, die werden wir dann in der Chesapeake Bay wieder treffen. Sonst gibt es hier nicht viel zu berichten, uns geht es wie immer gut und dem Schiff auch. Bei Euch regnet es genauso viel, wie ich heute in den Nachrichten hörte, aber das macht ja jetzt nichts mehr, nachdem die Ernte gut eingebracht ist. Wir sind schon gespannt, bald wieder Post zu bekommen.

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Skizze

Back Creek, Sassafras River, 1.10.91

Liebe Mutti,

dies ist praktisch die Fortsetzung des Briefes, den ich gestern an Gottfried und Familie geschrieben habe. Werde am Ende dieses Briefes eine kleine Skizze machen, damit Euch die Gegend leichter vorstellbar ist. Wir liegen genau vor dem Tabakschuppen der alten Tabakplantage Mount Harmon vor Anker. An dieser Stelle, wo früher die Schiffe anlegten, ihre aus England mitgebrachten Güter löschten und dann den Tabak nach England brachten ankern wir jetzt. Oft hatten die Plantagenbesitzer sogar eigene Schiffe, so auch hier der aus Schottland stammende James McTee mit seinem Schoner THE BEE. Die Mount Harmon Plantation ist aber älter. Cäcilius Culvert, the Second Lord Baltimore, dem ganz Maryland gehörte, gab 350 Acker Land an Gottfrey Harmon. Bis 1806 lief die Plantage gut. Von 1760 bis 1810 gehörte sie James McKee und seiner Frau Mary, geborene George. Die George stammten aus Irland. Diese beiden sind die direkten Vorfahren der letzten Besitzerin, die das Land erst dem National Trust und dann dem National Land Trust vermachte. Im 19. Jahrhundert kam die Plantage herunter und geriet in fremde Hände, bis Mrs. Holden 1963 das Land ihrer Vorfahren kaufte und die Restaurierung begann. Teile der ursprünglich größeren Besitzes wurden verkauft und so sind heute noch 350 Acker Land übrig, die natürlich belassen werden, und der Trust möchte die Bebauung und Zersiedlung der Chesapeake Bay eben verhindern. Genau sind es 386 Acker von einmal 1000 Ackern, die übrig sind. Es ist eine herrliche Landschaft von Wasser an drei Seiten umgeben, hohe Baumbestände, ein kleiner See mit Bibern, Ottern und Bisams, Schwärme von Turkey Vultures, einer adlerähnlichen Geierart, Fischadler und Weißkopfseeadler. Gleich bei unserem Ankerplatz ist ein Seitenarm voll von diesem amerikanischen Lotus, der größten Wildblume in den Staaten und mit der Seerose verwandt. Leider blühen sie jetzt nicht mehr. Wir haben heute früh das Herrenhaus im Georgian Field Style von 1730 besichtigt. Dann spazierten wir durch das Gelände in der Nähe des Hauses und heute nachmittag wollen wir noch ein wenig in die Wälder gehen, wo versteckt eine katholische Kapelle stand, denn die Papisten waren in Maryland für einige Zeit verboten. Wenn man so alles selbst sieht, wird die Schilderung der Geschichte der Chesapeake Bay in Mitcheners Roman viel anschaulicher. Heute morgen flogen auch wieder viele Kanadagänse laut schreiend über dem Land herum und formierten sich. Ein Fischadler schlug einen Fisch direkt vor dem Boot, wo gestern der Rehbock ins Wasser gegangen war. Unsere Ferngläser liegen ständig griffbereit. Außer uns waren zur gleichen Zeit noch einige Besucher da, und da man hier sehr schnell ins Gespräch kommt, waren wir gleich bestaunte Attraktion. Nach Amerika selbst gesegelt, das beeindruckt die Amis immer sehr. Der eine Herr von den Besuchern kannte Deutschland und natürlich auch Füssen. Er war in Stuttgart im Hauptquartier der 7. US Army gewesen. Man sah ihm seine 84 Jahre nicht an. Das ist bei Amerikanern selten.

Jetzt sind wir von einem Drei Stunden Spaziergang und Dingiausflug zurück und haben gerade einen herrlichen Sonnenuntergang bei wolkenlosem Himmel beobachtet. Wir sind zunächst die zwei Meilen lange Allee von der Plantage zu dem Waldtal gegangen, wo wir in den Talboden hinuntergingen zur Stelle wo einmal die "heimliche" (Papisten) Kapelle war. Von der Kapelle war absolut nichts mehr zu sehen. Wir trafen nur auf eine Hirschkuh, die uns aus großen Augen erstaunt ansah. Im feuchten Waldboden sahen wir viele Wildspuren, die Tiere kommen dort ans Wasser zum Trinken. Auf dem Weg zur großen langen Allee kamen wir wieder am Weiher vorbei und sahen doch tatsächlich einen großen dicken Biber. Von den Vögeln in den Fluren sind die Häher und der Kardinal die schönsten. Der Kardinal ist von der Form her wie ein großer Fink, hat aber ein Häubchen und ist knallrot, vor allem das Männchen. Von der Größe her sind sie wie ein Dompfaff. Nach dem Spaziergang fuhren wir noch eine Runde im Creek mit dem Schlauchboot. Wie wir wegfuhren, ästen gerade zwei Deer (etwas größer als ein Reh aber mit weißem Schwänzchen, Weißwedelhirsche) auf einer bewaldeten Landspitze mit einer sonnenbeschienenen Lichtung. Wie wir dann mit dem Dingi zurückkamen, schlenderten fünf Deer am Ufer vor dem Boot herum. Es drängen sich einem ständig Bilder aus dem Buch "Die Bucht" von Mitchener auf und man erkennt, wie treffsicher er das Land, die Geschichte, die Natur und die Menschen beschrieben hat.

Diese Skizze ist nicht im Maßstab, denn die Wasserflächen sind zu groß im Vergleich zum Land, aber das entspricht unseren Lebensverhältnissen, die Zeichnung ist wohl tiefenpsychologisch so geraten. Der Wind ist jetzt völlig eingeschlafen und das Boot herrscht völlige Stille bis auf die Laute der Natur. Außer uns gibt es nur noch ein ankerndes amerikanisches Boot etwa 300 m von uns weg. in solcher Umgebung fällt es schwer, die Weltnachrichten zu glauben, ich will jetzt aber nicht auf diese eingehen. Übermorgen ist der 3.10.91. Da werde ich die größte Flagge herausholen und über die Toppen flaggen. Ich habe noch eine Bundes Seeflagge 3,8 x 2,8 m. Jetzt werde ich gleich in die Koje gehen. Das Boot ist kuschelig warm geheizt, die Dusche war, nachdem die Maschine an war, auch herrlich heiß gewesen. Die ARION ist ein gemütliches Schiff.

Anmerkung

Zeichnung aus dem vorstehenden Brief eventuell als Skizze übernehmen.

St. Michaels, 7.10.91

Liebe Eisenberger und Oberdeuscher,

wir sind immer noch in St. Michaels am Miles River in der Eastern Bay. Wir fanden im Hafen einen schönen Ankerplatz vor der Museumshalbinsel. Da ist immer etwas los und es gibt immer was zu beobachten. Jetzt nach dem Wochenende ist es natürlich wesentlich ruhiger geworden und es sind nur noch die "Live-aboards" übrig. Gleich neben uns ankert die PILGER, kanadische Flagge, aber er stammt aus Deutschland und hat noch die Hamburger Flagge oben. Es sind noch zwei kanadische Boote da und obwohl wir heute eigentlich in den Why River wollten, ließen wir uns schnell überreden, hierzubleiben, weil heute nachmittag gemeinsamer Landgang zu einem Lokal am Hafen geplant ist, wir werden dann fünf b

Boote sein. Gestern war ein recht bewegter Tag. Es fing um 4.30 Uhr mit einigen scharfen Böen und Regen mit Wetterleuchten an. Innerhalb von Minuten ging der Wind um fast 180° herum. Einige Boote, die typisch amerikanisch geankert hatten, fingen an zu driften, fuhren herum (kopflos) oder gerieten auf Grund. ein Boot, das eigentlich zu Nahe geankert hatte, fing auch an zu treiben, entfernte sich damit und mußte schließlich ganz verschwinden, weil es in Gefahr lief, in andere Boote zu treiben. Der übernächste Nachbar ging auch auf Drift und so waren am Ankerplatz plötzlich viele bunte Lichter zu sehen. Zwei Motoryachten hatten sich verheddert und schließlich ihre Leinen auch noch in den Propeller eines Kanadiers bekommen, da mußte dann bei Tageslicht ein Taucher her. Aber damit nicht genug. Am Freitagabend war ein großer Baltimoreschoner, so einer wie diese berühmten amerikanischen Privatiers hatten, eingelaufen. So ein großes Oldtimerschiff ist immer eine Freude für die Augen und sie waren am Steg des Schiffahrtmuseum natürlich mehr als willkommen. Der Käptn muß nur mit der Wassertiefe etwas sorglos gewesen sein, denn der erste Versuch, auszulaufen, gelang nicht, weil das Schiff mit seinen dreieinhalb Metern Tiefgang auf Schlick saß. Zwei Stunden später, beim höchsten Hochwasser, wurde es wieder versucht. Immer noch kein Erfolg. Da brachte der Kapitän einen Anker zu uns hin aus, um das Schiff mit Anker und Maschine vom Dreck zu ziehen. Ich manövrierte die ARION zur Seite, damit er Manövrierspielraum bekam und dann nahm der Schoner Fahrt auf. Er drehte ganz eng zwischen uns und der PILGER, seine Crew bekam den Anker nicht schnell genug aus dem Wasser, und so faßten sie den Zweitanker der Pilger, die natürlich wie von Geisterhand Fahrt genau in die Seite des großen Schoners aufnahm. Ich sprang blitzschnell ins Beiboot, fuhr an den Bug des Schoners, wo sich eine untrainierte Crew mit dem Anker abmühte und noch gar nicht bemerkt hatte, was los war. Ich konnte den Ankerfanghaken in die Kette hängen, ließ die oben an Deck kräftig ziehen und bekam mit bloßen Händen die Kette der PILGER aus dem schweren Anker des Schoners und konnte dann noch mit dem Beiboot als Schlepper, oder besser als Pusher, die PILGER zur Seite bugsieren und der Schoner kam frei. Der Kapitän bedankte sich auf Deutsch. Dieter und seine Frau von der PILGER waren nicht an Bord und erfuhren alles erst später, nachdem sein Zweitanker wieder auf seinem alten Platz lag. Aber Nomen est Omen. Es fing schon beim Einlaufen in den Hafen an. Eine Yacht saß neben unserem Ankerplatz auf Grund und ich hatte ihm Hilfe angeboten. Ich hatte schon die lange Schleppleine zu ihm hin ausgebracht, aber er hat dummerweise schon ein Schleppboot vom Hafen gerufen, der sagte, der koste sein Geld so und so und ließ sich nicht mehr sein Geschäft nehmen. Für fünf Minuten Arbeit waren 100 Dollar weg, ich hätte es für ein Bier gemacht.

Das Museum hier hat uns sehr gut gefallen. Hier steht auch ein alter besetzter Leuchtturm von meiner Lieblingssorte. Richtig schön eingerichtet und zusätzlich noch viele Ausstellungsstücke über Navigation und Leuchtfeuer. Zwei typische amerikanische Damen kamen herein und schauten sich kurz um und bemerkten "Ich verstehe nichts von diesen Dingen, weiß nicht, wozu diese großen Glasdinger sind, aber ich schaue gerne irgendwelche Sachen an, und im Übrigen spiele ich lieber Bridge." Sie standen vor einer großen Fresnell-Linse, alles war ausführlich beschrieben und erklärt, aber Amerikaner, noch schlimmer Amerikanerinnen, wissen nichts, aber davon sehr viel - aber proud to be american!

Im Museum haben sie auch eine Abteilung über die Jagd auf Wasservögel. Da sind alle Sorten Lockvögel, zum Teil sehr schön geschnitzt und bemalt, viele besonders raffiniert gebaute Verstecke und auch ganz teuflische Jagdwaffen ausgestellt. Einige der Gewehre sind schon mehr Flak-Kanonen. Bis zu 7 Läufe mit leichtem Zielwinkel zueinander und bis zu drei Meter langen Einzel-Kanonen für Schrot. Ein Foto zeigte die Strecke von nur zwei Schüssen. 90 Gänse! Kein Wunder, daß diese Waffen verboten wurden. Bei Mitchener ist das auch gut beschrieben. Einige Boote sind keine Bootsbauerarbeit, sondern zusammengenagelte Schwimmkörper. Absolut billig und gerade gut genug für den Zweck. Selbst heute sind noch sehr roh gebaute Bretter- Motorboote beim Fischfang im Einsatz. Amerika ist im Alltag kein modernes Land.

Übers Wochenende fand hier auch ein Treffen und eine Ausstellung von Klein-Holzboot-Bauern statt. Wir sahen vom Indianerkanu über Segeldingis bis zum Holzkajak viele Beispiele schönster Holzhandarbeit. Jeden Tag hatten die Leute Spaß, mit ihren Booten in der Bucht zu segeln und zu rudern. Meist hatten sie Kinder mit im Boot und es herrschte eine nette Atmosphäre. Jeder rief jedem ein paar nette Worte oder ein willkommenes Kompliment für sein Bootchen zu. Diese Boote sind soviel schöner als ein Schlauchboot, aber nur dieses hat so viele Vorteile und Sicherheit.

Heute habe ich Rinderbraten für Sauerbraten eingelegt. Schönsten Braten von der Keule, ohne Fett, ohne Knochen für 1,59 Dollar pro Pfund, das sind 5,89 DM pro Kilo. Wir schnitten uns zuerst zwei schöne dicke Steaks fürs Mittagessen ab und legten den Rest ein. Wenn man gezielt einkauft, sind Lebensmittel hier billig. Nur die Vermarktung ist ganz anders als bei uns und wer nicht aufpaßt, zahlt gehörig drauf. In Deutschland sind die Gesetze viel kundenfreundlicher und ehrlicher. Hier gibt es zu viele versteckte Rabatte.

Eine andere Masche ist, kaufe zwei, bekomme eines frei. Dann hat man zwei für teures Geld, das dritte verdirbt inzwischen. Nur Umsatz und Gewinn des Händlers stimmen. Man kann den gleichen Einkaufszettel erledigen und ein Drittel bis eine Hälfte des Geldes sparen, wenn man seine Hand beim blinden Zugreifen bremst und immer Menge und Preis umrechnet.

Jetzt muß ich die Maschine anwerfen, damit wir Warmwasser zum Duschen haben, wenn Dianne vom Waschsalon zurückkommt und dann ist schon wieder Zeit, um mit den anderen ins Towndock zu gehen. Die Kanadier sind nicht so amerikanisch. Nur Francokanadier sind schwierig, weil sowohl ihr Englisch als auch Französisch schlecht bis kaum verständlich ist. Am Freitag trafen wir in der Apotheke am Ort - nein, wir sind nicht krank, die verkauft auch Bier und Schnaps und Wein - eine Württembergerin, die klagte über das Amerikanische, sie hat mit ihrem Schulenglisch große Probleme, ich habe sie auch aufgeklärt, daß es außer Budweiser Beer auch bessere und viel billigere Marken gibt. Das hat sie als Schwäbin gerne angenommen und auch noch gesagt, daß sie aus Schwaben ist, dabei hörte ich es beim ersten Wort. Jaja, die verschiedenen Völker, wer ist eigentlich ein richtigerer Deutscher? Scheint in Old Germany zur Zeit nicht ganz unumstritten zu sein, reicht der Paß oder sollte noch ein wenig die Farbe, Religion, Partei etc. stimmen, nein, Partei nicht, das war früher schon einmal! Nett zueinander sollten die Leute halt sein, aber das sieht man nicht sofort, da müßte man erst miteinander reden - warum eigentlich nicht?!

Die Nachrichten aus Jugoslawien, bzw. den Gebieten, die einmal Jugoslawien waren, bekümmern uns sehr. An all den schönen Orten, die wir samt Einwohnern von so vielen schönen Tagen her kennen, wird gekämpft. Großserbische Träume seit dem Ende von k. u. k. verbunden mit dem letzten Aufbäumen von Altstalinisten im immer noch kommunistischen Serbien, haben einen Bürgerkrieg entfacht und die Erinnerungen an alte Ressentiments im Bezug auf die faschistisch-katholische Ustascha gießen zusätzliches Öl in dieses Feuer. Zyniker und Verbrecher und die Europäische Gemeinschaft, einmal will sie, und kann nicht, dann könnte sie und will nicht. Nicht alle EG-Mitglieder lieben das Wort Selbstbestimmung gleichermaßen, auch die EG hat noch Kolonien! Morgen fahren wir nach Annapolis zu Nancy und Burger wollen segeln, falls der Wind bis dahin bläst. Dann wird es wieder Post geben.

Anmerkung

Über die Chesapeake Bay und von Michaels gibt es eine Sammlung von Faltpostkarten, die eventuell verwertbar wären für den Bildteil.
 
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Chesapeake Bay, West River, Gales Ville, 15.10.91

Liebe Mutti,

vielen Dank für Deine beiden Briefe, die wir bei Nancy und Burger vorfanden. Wir haben seit unserer Ankunft in der Bay sehr gesellige Zeiten gehabt. Über die Zeit in St. Michaels habe ich schon berichtet. Wir waren dann noch einen Tag in den Why River gefahren. Man kann etwa fünf Meilen weit hinein und es gibt dort kaum Häuser, dafür aber viel Ackerland unter den hohen Bäumen am Ufer und viel unberührte Natur. Ich mußte dabei wieder an Mitchener denken und das Kapitel über die Wassermänner. Wir ankerten vor Why Landings, wo viele kleine Boote von Jägern und Fischern ins Wasser gelassen wurden, um bei Rückkehr wieder auf einen Trailer geladen zu werden. Sie schienen alle so richtige "Watermen a la Terlock"zu sein Es gibt einen Why River East und einen West, die eine Insel mit 1800 Acker Baumland umschließen. Es gibt nur eine Brücke auf die Insel, weshalb der westliche Teil nicht so weit schiffbar ist. Auf dem Weg nach Annapolis hatten wir dann zuerst den Wind auf Nase, dann rollten wir vor der kurzen Welle. Wir entschlossen uns unterwegs nicht gleich nach Brewer Creek zu gehen, wo Nancy und Burger wohnen, sondern zu versuchen, ob wir in den Spa Creek direkt in der Stadt noch einen Ankerplatz bekommen würden. Wir mußten durch eine Klappbrücke, bekamen sogar einen sehr guten Ankerplatz zwischen "Meroveè" und "Yaraandoo", die wir beide kennen (Franzosen und Australier). Insgesamt fanden wir dort fast zehn Boote von Freunden vor, so wurde es gesellig, Einladungen, Einladungen! Das Schönste, abends zu einer Party, 19 Leute an Bord von "Kirtonia", die wir zum erstenmal in den Kapverden sahen und bei denen wir zuletzt in Newport Rhode Island an Bord waren. Das ist die österreichisch-englische Familie mit drei Kindern. Samantha, die Älteste, war nicht da, aber Nicola, die sechsjährige. Ich verstehe mich mit dem Buben, Sascha, recht gut, er ist auch ein begeisterter Fischer, hatte eine neue Angel zum Geburtstag bekommen, so eine wie die große Rolle von Werner, Christian wird Dir erklären können, was das für ein tolles Ding ist. Sascha hat mir ganz stolz die neue Rolle von ..... gezeigt und erklärt. Tags zuvor hatte er einen Thunfisch von fast 15 Pfund gefangen! Er hat so gekämpft, daß Sascha Hilfe brauchte und Christel ihn mit der Harpune erschossen hat, damit George ihn aufs Boot ziehen konnte. Am Freitag trafen wir bereits auf der Anapolis-Bootsausstellung Francoise und Dirk. Sie hatten auch die große Tüte mit unserer Post dabei. Die beiden sind ganz liebe Freunde. Am Samstag fuhren wir dann die eine Stunde zum Brewer Creek, trafen alle nur noch ganz kurz an, da sie alle gerade zu einem österreichischen Wandertag aufbrachen - es war ein Heurigen Trinken mit Abendessen. Wir hätten mit können, hatten aber noch anderes zu tun. Einer von Burgers Patienten ist ehemaliger Österreicher, der organisierte das. Vorgestern kamen dann noch Gerhard und Ingrid von der KLEINEN INSEL an, auch ein TO-Boot, da sowohl die FRADILIRA als auch die KLEINE INSEL Besucher an Bord hatten, waren abends bei Zapfs im Haus 13 Personen zum Abendessen. Jeder hatte zum Essen beigetragen und so wurde es ganz unkompliziert ein richtig schöner gemütlicher Abend. Burger genießt es richtig, Segler dazuhaben, zum Fachsimpeln, zum Träumen und ... Sie sind ja schon zusammen um die Welt gesegelt und die 13jährige Tochter Vivian lebte auch als Kind einige Zeit mit an Bord. Heute ist Nancy mehr landverbunden und ist über Burgers Träumereien nicht so sehr begeistert.

Ich habe recht netten Kontakt zu Melanie, sechs Jahre, denn mit mir kann man Känguruh spielen. Dazu braucht man so etwas wie einen geduldigen Esel als Känguruh und sie hat sich vom Sommer her sehr genau daran erinnert. So wurde die Zeit in Annapolis eigentlich zu kurz und gestern sind wir zusammen mit FRADILIRA unter lautem Hupen der Nebelhörner ausgelaufen und ankern jetzt hier im West River, wo auch die "Currituck" von Jane und John liegt. Die kennen wir auch, sie verbrachten den Sommer in der Bay und wollen morgen weiter Richtung Bahamas. Soviel erst mal zu den neuesten Nachrichten aus der Neuen Welt.

Die Nachrichten aus der alten Welt sind ja, zumindest was Euch und Dich betrifft, auch nicht schlecht. Du bist ja ganz schön in der Pfalz herumgekommen und ich nehme an, daß es Euch gut gefallen hat. Einiges hast Du ja schön in Deinem Brief aus Mainz vom 17.9. geschrieben und mehr werden wir wohl im nächsten Brief erfahren.

Doch jetzt zum anderen Brief vom 19.8. bis 9.9.91

Martina hat uns einen ganz netten und flott und humorvoll geschriebenen Brief mit ihren Neuigkeiten geschrieben. Das war ja schön, daß Anju auch da war. Bei soviel Jugend um Dich herum ist es kein Wunder, daß das auf Dich abfärbt, auch wenn Du nicht mehr Kartoffeläcker umgräbst, was Dir aber ebenso offensichtlich nicht geschadet hat. Wir freuen uns jedenfalls sehr, daß es Dir gutgeht und daß Du wie eh und je in der Weltgeschichte herumfährst. Aber die Weltgeschichte hat es Dir eben angetan. Das Buch von Heyerdal hat uns auch so begeistert und es stimmt schon, es ist mich leicht zu lesen, wir haben beide recht lang daran gehabt. Kann mir auch gut vorstellen, daß vieles für den Nichtseglern gar nicht so einfach zu verstehen ist. Z. B. das Kreuzen, denn darum geht es, mit einem Floß unter der Verwendung von Steckschwertern. Welche Schwierigkeiten gilt es dabei zu überwinden, was von vielen Wissenschaftlern nicht geglaubt wurde. Erstens Kurs ändern, speziell wenden, was heute mit ausgebaumten Segeln und einem Ruder kein Problem ist, und zweitens Lee nach Luv gutmachen, eine Frage des Kräfteparallelogramms aus Windkraft, Segelkraft und Lateralwiderstand gegen die Abdrift. (Dabei muß ein resultierender Wind von deutlich kleiner als 90° vom Wind herauskommen) Das haben eben diese Menschen damals tatsächlich beherrscht. Zur Verwirrung aller lege ich eine kleine Skizze bei, die das Problem besser erklärt als eine weitere Beschreibung. Diese sehr frühen Wanderungen sind schon sehr interessant. Wir haben auch wieder im Metropolitan Museum in New York Neues über die Assyrer, Babylonier, Hethiter und Sumerer gesehen, was uns zeigt, daß Band 1 des Geschichtslexikon Streifen ließ. Unsere Reisen lassen uns so vieles viel besser verstehen, es ist jetzt halt nicht mehr nur trockenes Schulwissen. Im Metropolitain Museum habe ich mir auch ein Buch über die Geschichte der Indianer Gesamtamerikas gekauft. Es ist zwar in Englisch, aber deswegen nicht weniger interessant, nur das Lesen geht halt etwas langsamer. Goldgier der Spanier, Missionseifer der Katholiken und Profitgier der Engländer haben die ursprünglichen Kulturen schwer angeschlagen, der Vertreibungsdruck durch die Besiedlung hat sie ausgelöscht. So schön amerikanische Museen sind, aber von Indianern und Negern ist fast nichts zu sehen und die Amerikaner stellen sich auch nicht den Realitäten. Im Chesapeake Museum gibt es zum Beispiel nur ein Bild eines Negers und eine Erklärung und eine Bildwand über die Indianer.

Solomons Island, 17.10.91

Da die ARION nicht weiterkommt, kommt wenigstens Dein Brief weiter. Draußen heult der Wind, drinnen summt die Heizung, und der steife Nordwind schüttelt alles ebenso wie den reichlichen Regen. Die Meteorologen haben mit der gestrigen Vorhersage für heute kräftig danebengegriffen. Ich saß gestern vor Sonnenuntergang noch bei Dirk auf der FRADILIRA, da fiel uns trotz schönster Farben am Himmel ein großer Fleck grauer Eisnadelwolken mit viel Wind in großer Höhe auf. Dieser Höhenwind bescherte uns schon eine ganze Nacht Regen, heute soll es nur ganz zwischendrin aufhören. Vielleicht Auswirkungen des tropischen Wirbelsturms Fabian, der gestern in einer Kaltfront über den Bahamas seine Wirbeleigenschaft verlor und nur noch normales Tief ist. Die im Wettergeschehen freigesetzten Energien sind ja ungeheuerlich. Wir haben Brigitte einige Bilder geschickt, aber die wirst Du sicher schon gesehen haben. Und nun sei Schluß, ich glaube, der Regen ist gerade recht, um frisches Wasser zu holen.

Nachsatz

Solomons Island ist an der Mündung des Patuxent River, wo die Testboote stationiert sind, wie Mitchener in "Sternenjäger" beschreibt.

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Postkarte

Washington, 22.10.91

Liebe Mutti,

heute wird wieder ein großer Museumstag sein. Wir wollen zuerst ins Luftfahrtmuseum, und dann noch einmal in das Museum für Amerikanische Geschichte und zuletzt noch zum Kapitol. Morgen wollen wir noch einige Sehenswürdigkeiten wie das Lincoln Memorial und das Jefferson Memorial besuchen. Am Donnerstag wollen wir dann, falls der Wind günstig ist, den langen Weg den riesigen Fluß hinunter zur Bucht antreten. Nächste Woche kommt das Boot aus dem Wasser und wird von Muscheln und Bewuchs des bis hier so fetten Wassers befreit. Heute abend sind wir bei Franz und Marlies Würzner eingeladen. Wir haben uns ja wirklich lange Zeit nicht mehr gesehen. Mehr davon im nächsten Brief. Wir haben heute wieder einen absolut strahlenden Tag. Die Nacht war nicht mehr so kalt, nur 6° Celsius und in der Sonne sind es jetzt um 8.30 Uhr schon 21°. Sonntag nacht gab es hier in der Gegend sogar schon Frost. Das macht die bunten Bäume noch bunter., Die vielen Eichhörnchen sind überall in den Parks fleißige dabei, die Vorräte zu sammeln. Sie sind fast zutraulich und putzig zu beobachten. Seit gestern ist Vaclav Havel hier und überall wehen die Flaggen der Tschechischen Republik.

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Postkarte St. Michaels Maryland, 6.10.91

Liebe Eisenberger,

heute habe ich zum erstenmal meinen dicken Marinepulli herausgeholt. Heute früh ging um 4.30 wieder eine Kaltfront durch und schlagartig schlug der warme Südwind in einen eisigen Nordwest um. Es gingen wieder viele Boote auf Drift. Gestern und gestern nacht liefen auch schon zwei Boote auf eine Untiefe neben uns und gerade nahm einer eine Tonne auf der falschen Seite und saß auch fest. Wie ankern vor dem Museumsgelände und dort ist auch ein Treffen von schönen kleinen Holzruder und Segelbooten. So ist hier immer viel los und es gibt viel zu sehen. Das Museum paßt auch so gut zu der Mitcheners Bucht. Gestern haben wir uns eine Crab-Falle gekauft. Da wir aber viel Abwechslung haben, probierten wir sie noch nicht aus. Gerade habe ich festgestellt, daß noch zwei Boote heute nacht auf Drift liegen. Die Seefahrt haben die Amerikaner wie so vieles nicht erfunden oder gründlich verlernt. St. Michaels ist ein recht hübscher Ort, die Ostküste der Bucht gefällt uns überhaupt besser als das Westufer. Viel mehr Natur aber zum Teil verdammt flaches Wasser.

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Liebe Eisenberger,

irgendwann kurz nach Washington ca.6.10.91

heute habe ich mal wieder Zeit und kann nichts anderes tun, als von Hand Briefe zu schreiben. Dianne schneidet Video und so stehe ich an meinem geliebten "Stehpult" im Steuerhaus in der Sonne und schreibe jetzt meine sechste Seite, sie werden alle eine Freude mit meiner Schrift haben, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Eigentlich wären wir gerne schon etwas weiter, aber als Seemann ist man eben wetterabhängig. Die Tage in Washington waren in jeder Hinsicht ideal, es war ein wirklich lohnender Abstecher den langen Potomac hinauf. Die Stadt war schön, die Museen waren interessant und im nächsten Film wird einiges von der filmischen Ausbeute kommen. Am Dienstagabend holt uns Franz Würzner ab, er sieht noch genauso aus, ist nur etwas voller geworden, wie es einem gesetzten Lehrer auch zukommt. Er hat eine nette Frau aus Viechtach und zwei nette Mädchen von 8 und 12. Sie leben jetzt schon vier Jahre hier, er ist Lehrer am Deutschen Gymnasium in Washington und im nächsten Jahr gehen sie wieder zurück in ihr Haus in Viechtach. Wir haben natürlich lange geratscht und spät nachts fuhr uns Franz wieder zum Hafen. Am Mittwoch gab es noch einmal einen anstrengenden Besichtigungstag und am Donnerstag um 7.30 Uhr ging es bei schlechter Sicht Anker auf. Nach nur 5 Seemeilen, gerade bei der Klappbrücke, wurde es dann recht dicht und die EAGLE, das amerikanische Segelschulschiff, die mit uns durch die Brücke ging, hatte mit ihrem hochsitzenden Radar Probleme mit dem Erkennen der Tonnen im Nahbereich. Dann wurde die Sicht etwas besser und die EAGLE zog uns davon. Einige Stunden später hatten wir sie wieder eingeholt. Sie hatte bis zur Sichtbesserung ankern müssen, während wir gleichmäßig dahinfuhren. Um 14.00 Uhr riß der Nebel aber auf und wir hatten einen herrlichen Sonnentag, wenn auch leider keine so klare Sicht wie auf dem Herweg. Wir fuhren dann gerade noch bei Tageslicht durch eine etwas komplizierte Flußstrecke und ankerten erst in der Nacht einfach vor dem Ufer, es war totale Flaute. Am nächsten Morgen war dann fast null Sicht, wir fuhren also nur mit Radar den breiten Fluß hinunter. Wieder erst um 14.00 Uhr wurde es klar und wir liefen in den Yeocomico River ein, wo wir auch tanken wollten. Gerade vorher hatten wir noch VILMA C., einen britischen Katamaran, auf der anderen Seite des FLusses gesichtet, wir hatten die Familie in Washington kennengelernt, sie waren aber schon am Dienstag ausgelaufen. Sie hatten kein Radar und kamen daher schlecht voran. Am nächsten Morgen mußten wir dann vom Ankerplatz zur Marina an die Tankstelle bereits mit Radar fahren. Dann mit Radar die sich windende Einfahrt drei Seemeilen weit in den Fluß hinaus mit langsamer Fahrt im engen Fahrwasser, eine Arbeit von einer guten Stunde. Dann ging es weiter im Blindflug. VILMA C. war in einem Hafen auf der anderen Seite, hatte erst ausreichende Sicht und war daher auch ausgelaufen. Bald waren sie aber in dichtem Nebel und hatten keinen sicheren Standort mehr. Mit allen navigatorischen Tricks fanden sie aber in die Nähe der Ansteuerung zum Piankatank River und dann riß es für eine Stunde etwas auf und sie fanden in die vier Seemeilen lange Einfahrt hinein zum Ankerplatz hinter einer Halbinsel. Navigationsfehler sind hier nicht angebracht, da es außerhalb der Hauptrinne des Flusses viele Flachs und Sände gibt. Wir waren etwas später dran und kamen erst bei Dunkelheit und wieder Nebel an den gleichen Ankerplatz. Am Sonntag sagten wir uns dann, daß wir uns das nicht noch einmal antun, wir wollten eigentlich nicht auslaufen, obwohl es am Ankerplatz eine knappe Meile Sicht gab. VILMA C. und einige andere Boote, diese aber mit Radar, liefen aus und so entschlossen wir uns, auch auszulaufen. Sobald wir draußen waren, wurde es wieder absolut dicht. VILMA C. hätte umdrehen müssen, aber wir boten ihnen an, in unserem Kielwasser zu fahren. So machte ich Blindflug für zwei und es kamen auch alle Tonnen und Leuchttürme wie gewünscht auf wenige Meter Abstand in Sicht, gerade lang genug, die Aufschrift lesen zu können. Kontrolle für den Navigator!! In der Inneren Mobjack Bay fuhren wir dann plötzlich im strahlenden Sonnenschein und eine schwarzgraue Walze von Seenebel blieb über dem Wasser als Wand zurück. Darüber überall blauer Himmel. Mit Sonnenuntergang ankerten wir dann hier. Am Montag wollten wir weiter, gleich frühmorgens wegen des weiten Weges, aber wieder gab es dichten Nebel und Sturmwarnung für den späten Nachmittag. Also keine Zeit, auf das Aufklaren zu warten. Wir blieben halt da und brachten einen zweiten Anker aus. Der Hurricane "Grace" kam von den Bermudas auf uns zu. Ein Windfeld mit mehr als 45 Knoten von 405 Seemeilen Radius, Abstand noch 485 Seemeilen. Wir dachten schon same procedure as last time. Aber wie das mit dem Wetter so oft geht, der Hurricane machte fast einen Purzelbaum, stolperte und machte sssssss und aus, - normaler Wind. Jeden Tag strahlenden Sonnenschein, hier am geschützten Ankerplatz hinter hohen Bäumen von den 6-8 Beaufort draußen nur wenig zu spüren. So besuchten wir uns gegenseitig und hatten schöne Zeiten. Heute früh sollte es dann losgehen. Aber statt eines Hurricanes, der mit dem starken Hoch von Kanada bis USA -mittlere Ostküste - eine Düse bildete, schiebt sich jetzt ein plötzliches Sturmtief (ohne tropischen Wirbel, nur normaler Sturm) von Neuengland her auf uns zu und wieder Sturmwarnung für heute nachmittag. VILMA C. ist heute früh um sechs Uhr trotzdem ausgelaufen, ihnen drängt etwas die Zeit, aber wir dürfen wegen der Versicherung sowieso nicht vor dem 15. südlich von Cape Hatteras sein. Heute früh ging es bei Vilma C. auch noch, aber ich habe zwischendurch zweimal mit ihnen gefunkt und sie werden jetzt böse gebeutelt. Wegen eines Flachs, das sie lieber nicht abkürzten, da in den Wellentälern das Wasser zu flach sein könnte, müssen sie auch noch einen Umweg fahren. Wir liegen hier bei schönstem Wetter aber recht gut, lassen es draußen blasen und Dianne macht ihr Video. Wir ankern hier genau vor der Werft, wo wir eigentlich aus dem Wasser wollten. Aber erst der Nebel und jetzt der Wind lassen an Malerarbeiten nicht denken. Wir werden daher erst in North Carolina aus dem Wasser gehen. Die Werft ist genau so billig, noch besser und einige andere TO- Boote waren schon dort. FRADILIRA ist seit Sonntag auch dort und wir werden sie da wieder treffen. Wir nehmen aber an, daß wir hier noch zwei Tage warten werden, bis der Wind sich etwas gelegt hat. Gezeiten, flaches Wasser und viel Wind sind ausgesprochen unangenehm. Das ist besser, sich hier im Steuerhaus die Sonne auf den faulen Bärenpelz brennen zu lassen und mit dem Kopfhörer Funk zu hören, wie es den anderen dort draußen ergeht. Ungeduld ist bei der Seefahrt ein schlechter Ratgeber und es sind immerhin 9 Windstärken im Anzug, obwohl das noch nichts gegen einen Hurricane ist, aber das kennt Ihr ja jetzt auch.

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Titusville, 11.12.91

Liebe Mutti!

Dank Deiner Briefe sind wir immer gut informiert was so alles im Allgäu und sonstwo vor sich geht. Ich bin froh, daß sich zumindest im Allgäu keine so schwindelerregend schnellen Veränderungen vollziehen wie in so Gegenden wie ehemaliger "Osten". Wenn wir den ganzen Tag mit dem Boot bei laufendem Motor unterwegs sind und oft noch abends Besuch haben, komme ich nicht dazu das ganze Programm der Deutschen Welle zu hören und am nächsten Tag bin ich dann schon wieder überrascht was sich alles getan hat. Jetzt gibt es also die Sowjetunion auch nicht mehr. Das sind natürlich alles Entwicklungen, die mich als ehemaligen Offizier im Admiralsstab mehr als interessieren, denn ich kenne ja so viele Lageanalysen und Grundlagen für die "alte" Militärstrategie. Heute früh habe ich erst mal die Nachrichten über Maastricht gehört. Ich bin so froh, daß es mit Europa gut weiter geht, nur die Engländer scheren schon wieder einmal aus. Sie tun sich einfach schwer über den Schatten ihrer Vergangenheit zu springen. Das Empire ist lange vorbei und heute sind sie halt hinter vielen anderen Ländern, die einen schlechteren Start hatten, aber etwas wacher waren. Das ist der Lauf der Geschichte und ich bin froh, daß die Franzosen da ordentlich am gleichen Strang ziehen und man merkt das auch, wenn man dort im Land ist. Schade nur, daß sich Europa noch nicht so weit entwickelt hatte, wie die Krise in Jugoslawien begann, in einem Jahr wäre Europa vielleicht so weit, daß es in so einem Fall massiv militärisch intervenieren könnte. Manchen Leuten muß man die Pistole auf die Brust setzen damit sie sich vernünftig verhalten. Nur "Friedenstäubchen" glauben an Illusionen. Ich vertraue mehr starken Armeen, solange sie demokratisch kontrolliert sind.

Jetzt ist es mir mal wieder wie Dir gegangen und ich habe mich ins diskutieren locken lassen. Also jetzt genug damit und zu angenehmeren Themen.

Wie Du an meiner neuen Handschrift siehst, hat Deine Beschwerde über meine immer kleiner werdende Schrift bereits etwas genützt. Es ist eine tolle Sache auf einem Computer zu schreiben. Im Moment warten wir auf die Lieferung des Druckers um alle bereits gespeicherten Briefe ausdrucken zu können. Ich schreibe also z.Zt. nur in einen Mikroprozessor hinein und speichere den Text dann vor der Abschaltung auf eine kleine fest eingebaute Speicherplatte oder eine einschiebbare kleine Magnetspeicherplatte. Etwa einige tausend solche Briefe passen in einen winzigen Chip, kleiner als mein kleiner Fingernagel. Und auf die Platte passen 2O mal mehr. Die Kapazität und die Arbeitsgeschwindigkeit unseres Computers ist unvorstellbar. Vor einigen Jahren hätte man einen richtig großen Rechner dafür gebraucht, jetzt ist er gerade 30 x 25 x 5 cm groß, Computer, Bildschirm und Tastatur zusammen. Im nächsten Video werde ich unseren jüngsten elektronischen Sklaven vorführen. Unsere Freunde von "Vilma C" haben vor nur 8 Monaten einen solchen Laptop Computer gekauft, aber unserer ist bereits 7 x leistungfähiger. Die Mädchen werden Dir sicher mehr zu diesem Thema sagen können. Diese Generation wächst ja damit auf. Wir versuchen nur, nicht zu elektronischen Analphabeten zu werden.

Wir haben jetzt nur noch 15O Meilen bis Palm Beach, wo Mike mit Familie an Bord kommen wird und wir haben noch 1O Tage zur Verfügung. Wir werden also reichlich Zeit haben. Eventuell besuchen wir noch einmal Cape Canaveral und dort nicht die NASA im JFK Space Center sondern den südlichen Teil des Geländes wo die militärischen Abschußanlagen sind. Dort fing die ganze Sache an und auch die ersten bemannten Flüge wurden von dort gestartet, Shepard, Glenn, Carpenter usw.. Es gibt dort auch ein Museum und eine geführte Bustour durch das Gelände.
 
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Vero Beach, Florida, 15.12.91

Lieber Wolfgang, liebe Biggi!

Jetzt nachdem die ganze Weihnachtspost erledigt ist, der ganze Stapel mit 60 Briefen liegt in der Ecke, habe ich Zeit mit einem Brief über die letzte Zeit zu beginnen. Wie Ihr am "Druck" seht, bin ich von der alten Handmaschine auf etwas moderneres umgestiegen. Wie ich bereits in unserem letzten Brief geschrieben habe ,sind wir jetzt Laptopbesitzer. Wir haben unseren Toshiba 1200 XE für den halben Listenpreis bekommen, was 400 $ unter dem billigsten Angebot der Mailorderfirmen lag. Als Drucker haben wir den Canon BJ 10 eX gekauft. Der Toshiba hat einen 80286 Prozessor, 2O Mb HD, 3,5" FD, 12 MHZ, 1 Mb Ram und einen DCGA Sreen. Wir haben bereits sehr viel Software, u.a. HF Fax Version 6.0 und Wordperfect 5.O . Wir haben in Washington einen britischen Katamaran getroffen und die sehr nette Familie kennengelernt. Sie haben ebenfalls einen Computer an Bord und wir konnten alles im Betrieb sehen. Wir hatten uns ja in Annapolis auf der Boatshow wegen eines Wetterfax umgesehen und uns dann wegen der eingeschränkten Möglichkeiten und des Preises dagegen entschieden. Wie wir aber Wetterempfang auf dem Laptop sahen, wandelte sich unser Sinn. Schiffsausrüster denken nur an Schiffsgeräte und so zeigt niemand die Möglichkeiten eines Laptop, Computerleute denken wiederum nur nebenbei an Schiffe, dabei gibt es bei einer Fa. in Californien mehr als viele Programme für Sportschiffer. Normaler Faxempfang bedeutet Ausdruck was empfangen wird, ob gut oder schlecht. Auf dem Laptop hat man bereits beim Tuning eine ganze Reihe von Möglichkeiten und man sieht optisch auf dem Bildschirm die Art und Qualität der demodulierten Signale. Empfangen wird dann die gesamte gesendete Information. Doch vor dem Drucken beginnt die Auswertung und Verwertung dieser Informationen. D.h. ist das Bild seitenverkehrt, farbverkehrt, zu hell, zu dunkel hochkant oder zeigt es zuviel Gebiet, alles kein Problem, das läßt sich richten wie man es mag, inclusive "Nois"e bereinigen. Hat man dann den richtigen Ausschnitt gezoomt und sonst behandelt, läßt man sich dieses aufbereitete Bild ausdrucken. Speichert man mehrere Bilder kann man auch die Entwicklung als Film zeigen, bei 12 MHZ geht das recht schnell. Dianne ist natürlich von Wordperfect angetan, wenn ich daran denke, wie sie sich früher mit Übersetzungen mühen mußte, kann ich das verstehen. Unsere "Standard"- Weihnachtsbriefe an "Einmalimjahrempfänger" wurden bereits alle mit der neuen Maschine gemacht. Ich hoffe die Post kommt noch rechtzeitig an, aber die Lieferung von unserem Drucker war nicht so schnell wie erwartet und wenn man immer erst an einen Platz denken muß, wo es mit Post geht und dann noch das Wetter und so weiter einkalkulieren muß, dauert eh schon alles etwas länger als an Land, aber dann dauerte Overnight mail auch noch von Montag bis Freitag. Es ist zwar erst einige Tage her, daß wir zuletzt geschrieben aber aber es gibt ja noch mehr zu erzählen als nur über den Computer. Anfang November waren wir noch in der schönen Chesepeake Bay und der ganze Waterway und auch das Unterwasserschiffstreichen lag noch vor uns. Bald nach Hurrikan Grace, der viel Hochwasser und Regen gebracht hatte, gingern wir aus der Bay heraus nach Süden zum Dismal Swamp. Die Tage waren herbstlich sonnig und die Fahrt durch den Swamp und den Elizabethriver hinunter war eine Augenweide. Einmal mußten wir stoppen, weil gerade ein Deer über den Kanal schwamm. Nur wenige Tage später waren wir dann kurz vor Beaufort N.C., wo die Werft liegt. Dort trafen wir wieder mit FRADILIRA und KLEINE INSEL zusammen, mit denen wir schon in Annapolis zusammen an der Pier beim TO-Stützpunkt gelegen waren. Zum Streichen und Rumpf säubern hatten wir es recht kalt und ein Tag war nur mit Heizung im Boot zu ertragen, denn es regnete und stürmte 24 Std durch. Aber danach ging es recht flott, meist in 50 Meilenschritten nach Süden. Wir hatten auch meist mehr als schönes Wetter und die zum Teil beträchtlichen Tiden passten auch recht gut zu den Inlets, sodaß uns täglich bis zu 8 Meilen geschenkt wurden. Die Tiden sind teilweise sehr verzwickt und je nach Wind nicht berechenbar, ob die Ebbe nun nach Süden oder Norden setzt. So kann es passieren, daß in einem Abschnitt die Strömung tagelang nur nach Süden setzt. Bei bis zu 3 m Tide von Haus aus, muß man dann schon ein wenig den Tidenkalender in die Hand nehmen. Viele der amerikanischen "Boaters" haben nicht viel oder keine Ahnung und so wird überall fleißig auf Schiet gefahren. Dabei ist der ICW eigentlich tief genug und herrlich breit. Es gibt nur einen Landcut, wo ich wirklich keinem Schubverband begegnen möchte. Aber das waren nur 5 Meilen sonst machen selbst die riesigen Mehrfachschubverbände keinerlei Probleme. In Wrightsville trafen wir beim TO-Stützpunkt Wilmington NC auch wieder mit BUMBLE BEE zusammen, wir haben heute zusammen gefunkt, sie sind heute von Ft. Pierce nach Key Largo, die anderen beiden Yachten sind noch hinter uns. Im Ausland merkt man erst, was TO für eine nette Familie ist. Aber auch die Funkerei führt zu netter Verbundenheit und Kameradschaft. Seit Washington waren wir auch immer wieder abschnittsweise mit der Familie von dem Kat "Vilma C" zusammen und wir werden sie übermorgen wieder in Lake Worth bei Palm Beach treffen. Wir werden dort meinen Freund Mike mit Familie an Bord nehmen und über Miami zur Great Bahama Bank gehen, während Vilma C vom Lake Worth Inlet aus in die Abacos gehen wird. Wir haben uns mit den vieren richtig nett angfreundet. Die beiden Töchter sind 12 und 16 und richtige Seeleute und hart im Nehmen. Pete ist Flugzeugingenieur und hat uns mit viel Geduld in kurzer Zeit sehr viel über Computer beigebracht.

Wenn ich den Wind draußen so heulen höre, zweifele ich daran, ob wir morgen weitergehen werden. Wir hatten heute schon zwischen 15 und 28 Knoten und mußten sogar das Dinghi während der Fahrt an Deck nehmen, weil es sich langsam mit Wasser füllte. Die Kaltfront ist gestern erst durchgegangen und danach bläst es meist 1 bis 2 Tage. Es gibt hier immer so einen Wetterzyklus von 6 bis 10 Tagen, da geht der Wind um 360° herum. Feucht und warm aus dem Süden, Front mit oder ohne Regen, Windsprung auf NW, dann O, S, W usw. bis etwa in den März hinein.So kann man in den Bahamas in alle Richtungen fahren, nur weiter unten kommt dann der Passat als Hauptwind. So ist man vor totalen Überraschungen recht sicher, man muß nur rechtzeitig den Ankerplatz wechseln, denn hinterschnittene Buchten wie in YU sind hier selten, meist gibt es dann sonst einen Pferdefuß. Bei Nord oder Ostwind sollte man auch nicht im Golfstrom sein, denn der kann bei 3 Kn Strom gegen den Wind mehr als ungemütlich werden. Selbst einige der großen weiten Inlets in Georgia, oder die Mündungen von Delaware und Chesapeake sind bei Strom gegen den Wind ausgesprochen ruppig. Etwa wie Meltemi in Amorgos. Wenn man bei uns eine Karte der USA anschaut, bekommt man garnicht mit, wieviel Wasser hinter den Küstenlinien ist. Georgia ist eine Wasserwildnis mit Marschen, Sümpfen und Wasserläufen wie man es sich kaum vorstellt, wenn man nicht eine Seekarte mit entsprechendem Maßstab betrachtet. Kein Wunder, daß hier Piraten, Schmuggler, Freiheitskämpfer und Bürgerkriegsparteien endlos Versteck und Katz und Maus spielen konnten. So gibt es in N.C. eine Topsailbeach, weil die Toppsegel des Piraten Edward Teach genannt Blackbeard über die flachen Dünen schauten. Zu erreichen war dieser Schlupfwinkel nur durch einen nördlich gelegenen Inlet und den River, der hinter den Dünen verläuft, heute ICW. Für die Engländer mit Kriegschiffen wegen der Sände unerreichbar und Toppsegel ließen sich auch leicht vortäuschen! So heißen auch manche Winkel Pirate's Cove. Weite Landstriche sind heute noch absolut unverändert, es gibt keine Häuser, nicht Weg und Steg. Das sind natürlich Naturparadiese, alleine deswegen lohnen die USA sich bereits. Vor zwei Tagen habe ich sogar in einer Marina am Steg zwei Manetees (Seekühe) gesehen. Eine war etwa so dick wie eine Kuh nur spindelförmiger.Sie sind wirklich nicht schön, aber absolut gutmütig und zutraulich. Ich konnte sie sogar kraulen, sie mögen es, wenn man ihnen den Rücken richtig scheuert und sie fühlen sich an wie ein nasser fetter Elefant. Mit einem Schlauch gab ich ihnen Frischwasser, das lieben sie sehr. Sie haben mit den Vorderflossen den Schlauch ins faltige Maul genommen und dann kaum mehr aufgehört zu saufen und sich sogar wohlig auf den Rücken gedreht. Wir werden auch seit Tagen ganztägig von Delphinen begleitet und Wasservögel und See- und Fischadler gibt es auch ständig zu beobachten. Nur die Alligatoren haben sich bis jetzt rar gemacht und wir haben noch keinen zu Gesicht bekommen, dabei waren wir an mehreren Ankerplätzen, wo welche sind und andere Boote haben sie gesehen. Um Vilma C ist im Sommer einer 3 Std lang herumgeschwommen bzw. er lag daneben im Wasser auf Lauer. Als Reptilien sehen wir immer nur Schlangen und meistens auch noch wenn ich vorausgehe, dabei kann ich diese Viecher überhaupt nicht ausstehen.

16.12.

Es hat die ganze Nacht durchgeblasen und wie, immer 20 bis 30 Kn. Wir bleiben also erst mal hier und erledigen unsere Post. Sonntags gibt es in den USA nicht einmal eine Leerung der Briefkästen. Alles was vom Staat betrieben wird ist eingeschränkt oder nicht vorhanden. Was aber dem FREE ENTERPRISE überlassen wird, führt zu ungleichen Verzerrungen, denn es orientiert sich nicht am Bedarf oder dem Aufbau von zukunftsweisenden Standards. Es geht nur um den schnellen Dollar mit möglichst wenigen Auflagen und Investitionen. So machen viele Betriebe und Einrichtungen einen temporären Eindruck, so wie eine Westernstadt mit Holzfassaden und nichts dahinter. In Georgetown S.C. sahen wir mitten in der Stadt ein Stahlwerk, erst 20 Jahre alt, aber in einem Zustand wie in der DDR. Die Wirtschaft der Stadt und des Umlandes hängt nur an diesem Stahlwerk und einer fürchterlich stinkenden Papierfabrik. Geht ein Betrieb in Konkurs und das tun sie hier sehr schnell und bei lascher Rechtslage, bleibt der Schrott einfach stehen. Am ICW steht dann in der Karte "Caution, Obstructions", wenn z.B. eine verfallene Pier aus Holzpfählen im Wasser liegt. Deshalb werden Piers, Hochspannungsmasten, Häuser, Marinas etc alles aus Holz gebaut, dann verfällt zumindest ein Teil mit der Zeit von selbst. Kein Wunder, daß Amerikaner, die einmal in Deutschland waren, von den soliden Standards begeistert sind. Spricht man mit Geschäftsleuten sehen sie die Zukunft sehr kritisch, es ist hier echt ein politisches Problem und Politik bedarf in einer Demokratie der aktiven Mitwirkung von jedem, andernfalls braucht sich niemand zu beschweren, wenn eine Minderheit von Politprofis -sie haben in den USA einen mehr als schlechten Ruf - ein Volk in eine Sackgasse führt. In Europa bieten sich zumindest Alternativen an, jede Partei entwickelt auch Programme und Konzepte, hier geht es mehr um Strategien zur Gewinnung von Wahlen und damit zur eigenen Existenzsicherung. Sicher gibt es bei uns Trends zu solcher Fehlentwicklung, vor allem wo billiges Stimmvieh das erst möglich macht, aber im Vergleich zu den USA hat Europa die Nase weit vorne.

Europas größtes Problem scheint mir aus der Ferne betrachtet der Gruppenegoismus und der dann notwendige demokratische Interessenausgleich, der sich wegen der eigentlich gerechten und fairen Verfahren bürokratisch gestaltet und die Politik vom konzeptionellen Gestalten zum kleinkarierten Hickhack herab zwingt. Aber damit genug von der Politik, ich kann sie ja z.Zt. nicht beeinflussen, bin nicht wahlberechtigt, kann nur Überblick üben.

18.12.91

Wir sind im Lake Worth angekommen und ankern hier in sehr reicher Umgebung, nicht auf dem Wasser aber an Land. Der Ankerplatz ist einmal sehr geschützt,dann unterliegt er keinen Beschränkungen und wir können mit dem Dinghi fast bis zum großen Shoppingcenter fahren. Das ist vor allem jetzt zum Aufstocken vor den Bahamas wichtig. Vor uns ankert VILMA C und hinter uns ist ein Kanadier, ausgewanderter Hamburger. Das sind jetzt schon die fünften Kanadier aus Hamburg. Von der jungen Kriegsgeneration sind gerade viele Hamburger ausgewandert. Heute früh habe ich erst mal Mike angerufen er wird am Samstag abend hier in Palmbeach landen und wir werden ihn mit einem Mietwagen abholen. Dann haben wir ein wenig dies und das gemacht, ich habe mit den Nachbarn geratscht und so hat man nichts zu tun und ist ständig sehr beschäftigt. Das schlimmste ist, daß man davon abends auch noch richtig müde ist. Gestern haben wir allerdings vom Morgengrauen ab 64 Meilen gemacht, hatten einige Aufenthalte wegen Brücken mit eingeschränkter Öffnungszeit und kamen so erst mit der Dämmerung an den Ankerplatz. Da waren wir rechtschaffen müde. Dianne ist bereits ins Bett gegangen, nur ich fummle noch einwenig auf den Tasten herum. So ein Computer ist recht praktisch. Teile dieses Briefes stammen aus anderen Briefen, man stellt um, streicht, fügt ein, alles recht einfach ohne einen Fetzen Papier, wenns fertig ist gibt man der Sache einen Namen und ab in einen File. Dieser Brief wird WOBI1812 heißen und damit kann ich ihn auch wieder aufrufen. Heute abend habe ich auch ein Satellitenbild von fast der ganzen Erde aufgenommen, leider waren sehr viele Störungen drauf, aber es faszinierend so etwas so einfach aufnehmen zu können. Faszininierend auch wenn die Weltkugel so Linie für Linie entsteht. Ich beherrsche die Maschine noch nicht im entferntesten und kann erst einen Teil der durch das Programm gegebenen Möglichkeiten nützen.

Morgen wird der Tag des großen Aufräumens werden. Wenn wir nur zu zweit an Bord sind und sich "Verhau" auf den Polstern im Salon ansammelt, ist es äußerst praktisch einfach solche Stapel von Zeitschriften etc. nur ins Vorschiff zu tragen, aber dort sollen jetzt ja wieder welche schlafen.

20.12.91

Einmal ist es das erste mal, sprach die Jungfrau....und das war für uns gestern abend. Unser Anker, der den ganzen Tag bei harten Böen bis 40 Kn gehalten hatte ging abends um 21.00 plötzlich ab wie die Post und wir waren schon beim ersten Nachbar vorbei, bis wir den Anker oben hatten und wieder manövrierbar waren. Auf dem gleichen Platz wieder geankert hielt er dann die ganze Nacht und den heutigen Tag ohne Probleme. Jetzt flaut es langsam etwas ab. Heute früh am Funk sprachen wir mit Booten, die auf der Grand Bahama Bank ankern und bei diesem Affenwind nicht weiter kamen.Es gibt da eine Strecke wo man mitten auf der Bank auf etwa 3 m Wasser über Nacht ankern muß. Bei dieser Wassertiefe gibt es zwar keine hohen Seen aber ungemütlich wird es schon. In den Caicos ankerten wir einmal einige Tage auf so einer offenen Bank bei 20 Kn. Aber gegen den Wind kann man nicht weiter und nachts geht auch nichts, weil man dann die Korallenstöcke nicht sieht und die haben dann oft keine 3 m mehr. Die vier Boote haben gepokert und eben verloren, denn das Wetter kam nicht plötzlich, nur diesmal war die Kaltfront heftiger als die letzte und diese Boote hatten gehofft, daß sich die Metereolügen wieder irren würden. Ich habe mir ja auch die zweiten Anker sparen wollen, jetzt habe ich ihn unten aber er wird nicht gebraucht, Kette zeigt auf und nieder, so trügerisch ist halt mal die Seefahrt. Wie sagte Pit immer: "Hart ist das Schifferleben, aber ungerecht."

*****

Advent,1991


Liebe Oberdeuscher,Eisenberger,kurz liebe Allgäuer zuhause!

Zu Eurer Erleichterung werdet Ihr die saubere Druckschrift unseres Computers erkennen. Das ist doch eine ganz andere Sache als meine kleine Handschrift. Ich hoffe, daß Euch also dieser Weihnachtsbrief zumindest optisch gefällt. Wir haben in den vergangenen Tagen sehr viel über Computer lernen müssen, denn sie sind etwas wie störrische Esel. Sie trotten brav dahin, dann, plötzlich brechen sie aus, gehen in die Dornenbüsche und sind nur schwer wieder herauszubringen. Man weiß halt zu wenig was in der Gedankenwelt eines Esels so alles vor sich geht. Fühlt man sich aber erst einmal in die Gedankenwelt eines so braven Grautiers hinein, sind sie fügsam, arbeitsam und fleißig zu lenken.

Das ist das, was ich mit meinem "Grautier" jetzt versuchen will.

Wir sind gerade in Daytona Beach vor Anker gegangen und Vilma C hat dicht hinter uns geankert. Dianne ist mit Penny und den Mädchen an Land zur Wäscherei und zum Einkaufen gefahren. Gestern abend hatten wir hier an Bord einen lustigen Abend zusammen. Peter und Dianne "spielten" mit dem Computer und wir anderen hatten die Spielekiste heraußen und ein großer Erfolg war der tschechische Märklinkasten. Die Mädchen waren ganz begeistert beim Zusammenschrauben von allerlei Konstruktionen. Heute früh brachen wir dann schon beim ersten Tageslicht auf und legten bis hierher 52 Meilen zurück. Wir hatten die Tide mit uns und so war es eine recht angenehme Sache. Obwohl gerade eine Kaltfront über den "Pfannenstiel" von Florida hinweggeht, ist es immer noch 20° C warm und wir haben heute früh in den Nachrichten ganz erschrocken gehört, daß bei Euch MINUS 30° C herrschen. Gestern früh hat uns Wolfgang über Norddeich angerufen und bereits von - 17 ° C gesprochen.

Wir haben zwei schöne Tage in St.Augustin verbracht. Die ganzen Städte hier im Süden haben wesentlich mehr europäisches Flair, sie sind halt nicht von vorneherein autogerecht gebaut worden. Das heißt, man kann sich zu Fuß durch die Städte bewegen und dabei von einem zum anderen Ende gelangen. In den neuen Städten fährt man von keinem Anfang zu keinem Ende der Stadt, für Fußgänger eine schweißtreibende und frustrierende Angelegenheit.

Wir sind zur Zeit sehr mit der Erledigung der Weihnachtspost beschäftigt. Etwa 75 Namen stehen auf der Liste, aber unser Toshiba steht uns tatkräftig zur Seite. Ich schmunzele jetzt etwas, denn ich denke daran, was Mutti jetzt über einen weiteren elektronischen Sklaven an Bord denkt. Aber ich bin immer wieder selbst darüber erstaunt und fasziniert was diese winzigen elektrischen Schaltwunder zu vollbringen im Stande sind.

Gestern waren wir zum Einkaufen in einem Einkaufzentrum, einer sogenannten Shopping Mall, sie verkauften Weihnachtsbäume einer besonders dicht wachsenden Nadelbaumsorte. So eine Art Superweißtanne. Sie rochen so gut nach Harz und Baum, daß mir richtig anders wurde und ich die Nase hineinstecken mußte. Sie rochen einfach nach Schrofeneck! Nur waren sie nicht so schön verschneit, wie es die Tannen dort jetzt sicher sind.

Obwohl es hier nie Schnee gibt, kann man überall winterliche und weihnachtliche Dinge kaufen. So z.B. Schneemänner aus Plastik, Weihnachtsmänner und Heiligenfiguren bis zur Lebensgröße und andere gleichermaßen geschmackvolle Gegenstände mit oder ohne elektrische Innnebeleuchtung. Daß diese "Gestalten" nicht nur angeboten , sondern auch aufgestellt werden, haben wir heute entlang des ICW gesehen. Na ja , die Amerikaner sind halt nicht gerade als alte Kulturnation bekannt.

Viel mehr gibt es zur Zeit nicht zu erzählen, der Brief soll ja auch noch rechtzeitig ankommen.

Wir hoffen, daß das Weihnachtpaket gut angekommen ist, daß sich ein tatkräftiger Schraubenzieher zur Montage findet und daß Ihr alle daran Spaß und Freude habt, so oft Ihr in den Hofweg einbiegt. Der "Jugend" mag es als Wegweiser dienen, damit sie nicht erst bis zum "Morgengrauen" mit dem Heimkommen warten müssen! Oder sollte man noch ein Licht daran basteln?

(Advent, Advent ein Lichtlein brennt, erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier ...... nein so spät sollte es nicht werden !!!)

Bevor mir jetzt noch mehr dumme Sprüche einfallen,gebe ich dem Drucker ein vernünftiges Kommando

und wünsche Euch allen ein fröhliches Weihnachtsfest.

 
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