Kapitel 2
Griechenland


Lefkas, 9.9.88
Liebe Allgäuer,

Nachdem ich Euch mit meinem letzten Brief - an Gottfried - mit Schreibmaschine verwöhnt habe (Tippfehler nicht gerechnet) kommt heute wieder ein Brief in "griechischen Buchstaben", die kann ich nämlich auch nicht lesen.

Die beiden Bestell-Karten wärenbitte zum Besorgen, die Füssener Mitsegler oder Claudia können dann die Teile ja mitnehmen. Es sind lauter Vorratsteile für den Eventualfall.
 

Wir sind heute beim schönsten Sonnenschein in Lefkas angekommen. Es gibt hier völlig ungewöhnlich einen langen Sandstrand mit Sandbänken und hinter einer der befestigen Sandbänke vor einem großen Fort liegt die enge Einfahrt in den Lefkas-Kanal. Gleich hinter der Einfahrt kommen dann eine Kettenfähre und eine neu gebaute Drehbrücke, die aber für einzelne Boote nur eine Seite hochklappt und nicht dreht. Das ist dann sehr eng. Vor uns fuhr noch ein kleines Boot und zwischen diesem und uns spannte die Kettenfähre plötzlich ihr Zugseil, sie setzte einen LKW über und kam wieder zurück. Dann ließ sie ihr Zugseil auf den Boden runter und wir konnten durch. Zwischenzeitlich hatte die Klappbrücke bereits offen und es eilte, da sie nur jede volle Stunde kurz aufmacht und dann nur eine Klappe. Das war ganz schön ungewohnt. Für große Schiffe wird jederzeit geöffnet und wenn man da hinter her fährt ist das einfach, dann macht auch die Kettenfähre, die eigentlich gar nicht mehr in Betrieb sein soll, auch keine Extraeinlagen.
 

In Korfu (Gouvia) lagen wir einen Tag länger als geplant, weil es mit 7 - 8 Bft blies und selbst im Hafen soviel Schwell war, daß wir unsere Mühe mit den Fendern hatten und überall im Hafen alte Autoreifen sammelten, da die Pier so eine scharfe Kante hatte und der überstehende Teil bei fallendem Wasser an die Reeling kam. Aber außer Arbeit kein Problem. Dazu blauer Himmel, aber im Golf von Patras, wo ich mit Christian aus Berlin immer am Funk Kontakt habe, hat es seit Ostern zum ersten Mal geregnet, und zwar sehr viel, 12 Stunden lang. Die Griechen waren glücklich, sagt er.
 

Von Korfu nach Paxos hatten wir dann auch wieder 6 Bft und vergleichsweise sehr hohen Seegang, aber nicht so unangenehm kurz wie in Jugoslawien. Das geht auf 1000m Wassertiefe alles viel weicher, solange es keine Brecher gibt. Heute früh um 6 Uhr hatten wir zunächst noch Wind, der dann aber einschlief. Wie er wieder kam,. war er von vorne und erst wie wir hier in Lefkas festgemacht hatten, kam er wieder von der richtigen Richtung. Das ist eben der Sack von Äolus, den man nicht gut handhaben kann. Jetzt geht der Druck im ganzen Mittelmeer stark rauf und ich denke, daß es stabil bleibt. Der Kanal hier ist nicht sehr lang und am Südende steht wieder ein Fort, das von Russen erbaut wurde! Der Ort Lefkas, der nach dem Erdbeben von 1953 wieder aufgebaut wurde, liegt am Nordende des Kanals inmitten von Salzmarschen. Da heißt es, heute abend Moskitonetze raus!

Diannes Vater geht es nicht besonders gut und er wartet auf einen Termin beim Chirurgen. Solange der Poststreik andauert, könnte es sein, daß Mum bei Dir anruft. Wenn es irgendwas dringendes wäre, könntest Du den Dieter von der "Wandelaar" in Hamburg vielleicht erreichen, oder über Arno eine Nachricht über Funk durchgeben lassen. Im Notfall würde Arno bestimmt etwas durchgeben. Dianne hat versucht, selbst in Lymington anzurufen, aber die Leitungen sind wegen des Poststreiks sehr belegt.
 

P.S. Deine Grüße sind gerade über Funk aus Hamburg eingetroffen!

* * * * *


An Bord, Korinth, 15.9.88
(Sozusagen 1. Korinther-Brief)
Liebe Mutti,

Wir sind vor ca. 3 Stunden in Korinth eingelaufen und jetzt will ich den schon seit Tagen im Kopf begonnenen Brief endlich anfangen. Eigentlich wollte ich den Brief in Navpaktos beginnen, dann nach unserem sehr langen Spaziergang durch die Stadt und die alten Festungsanlagen war ich so begeistert, daß ich das gleich mit- teilen wollte.
 

Wir waren zunächst in Lefkas nur ca. 15 Sm weit gekommen und es gab nach kurzem Segeln keinen Wind mehr. Wir gingen daher auf der Insel Meghanisi in eine der reichlich vorhandenen Buchten und ankerten ganz innen in der Bucht bei den Fischerbooten. Der Ort selbst ist oberhalb der Bucht. Wir hatten nur die Gesellschaft von einigen Fischern, einer Herde Schafe und von einigen Bussarden und grauen Nebelkrähen. Am nächsten Morgen liefen wir bereits früh, kurz nach Sonnenaufgang aus. Der Wind war jedoch wieder nicht gut und so ankerten wir nicht weit weg in der Hafeneinfahrt eines kleinen Ortes der übernächsten Insel. Wir machten uns etwas zum Essen. Dianne ging zum Tauchen und wir beobachteten, wie die Einheimischen aus einem Kaiki (Boot) Lebensmittel und Getränke ausluden. Ein Esel mußte dann alles wegtragen. Es kam dann gegen 13.00 Uhr Wind auf und wir segelten herrlich durch die Inseln der Dragonera-Gruppe bis nach Oxia, das bereits am Eingang vom Golf von Patras liegt. Dort wollten wir in einer Bucht an der Nordspitze ankern. Um die Bucht herum waren hohe Felswände und es sah in der aufkommenden Nacht sehr eindrucksvoll aus. Die Tiefenangaben des Handbuches waren jedoch nicht korrekt und so konnten wir in dem bis zum Ufer fast 40 m tiefen Wasser nicht ankern. Wir entschlossen uns daher, gleich weiterzusegeln und den günstigen Wind auszunützen. Nördlich der Insel fließt der Archeloos, der längste Fluß Griechenlands ins Meer und wir waren bei nur 4 m Der Hafen von Lepanto (Navpaktos)Wassertiefe vor seinem Delta durchgesegelt. In der Geschichte hatte der Fluß aber verschiedene Mündungen und so gibt es dort ein großes Gebiet flachen Wassers und Lagunen. Genau dort fand aber an der Grenze zwischen flachem und tiefem Meer die Seeschlacht von Lepanto statt. Juan de Austria besiegte 1571 mit seinen 250 Schiffen in drei Geschwadern die etwa gleich starken Türken. In meinem Buch "Seemacht" ist sogar die Schlachtordnung mit allen Details verzeichnet.Der Hafen von Navpaktos von oben.
 
 

Wir segelten jedenfalls entlang der Küste bis der Wind einschlief und wir einen guten Ankerplatz fanden. Um 1.00 Uhr nachts fiel der Ankert. Am nächsten Morgen war es dann bis Lepanto bzw. Navpaktos nicht mehr weit. Lepanto ist der italienische Name und es war lange ein venezianischer Flottenstützpunkt und wurde dementsprechend befestigt. Wenn man von See her kommt, sieht man schon von weitem die Festung, die Mauern der Stadt und die Mauern mit Türmen unten am Hafen. Man fährt dann zwischen zwei Festungstürmchen durch die enge Hafeneinfahrt und befindet sich in einem kleinen fast kreisrunden, von Mauern umgebenen Hafen. Die Stadt erhebt sich dahinter am steilen Hang der Küstenberge.
 
 

Nachdem die Hitze des Tages verflogen war, brachen wir zu unserem Spaziergang auf. Zunächst schauten wir in die Kirche rein, die wie alle Kirchen hier mit viel Gold prächtig ausgestattet war und gingen über treppenartige Wege hinauf zur hangseitigen Stadtmauer. Entlang dieser Stadtmauer kamen wir zu erneuten Treppen, die uns zu einigen Ruinen mit sonderbaren Kuppelbauten führten, später lernten wir, daß es die Reste eines türkischen Hammam = Dampfbad waren.

Von dort gingen wir weiter bergan und kamen zu einem kastellartigen Turm. Von dort gab es erneut einen phantastischen Ausblick über die Stadt und den Golf von Korinth. Über eine Serpentinenstraße gelangten wir dann nach weiterem Marsch zum Eingang der Festung. Sie liegt ganz in einem Pinienhain verborgen und erst beim darin Umherklettern und Wandern erkennt man, wie groß die Anlage ist. Mittlerweile ging die Sonne unter und in diesem Licht sah alles doppelt gut aus. Wir filmten viel, aber der Film hätte auch noch eine Geruchsspur gebraucht, denn der Pinienwald mit allen anderen Pflanzen duftete herrlich.
 
 

Am nächsten Morgen kam gerade nach unserem Einkauf wieder guter Wind auf und wir segelten fast in Rekordzeit nach Galaxhidi. Dort sahen wir schon Stunden vor der Ankunft den ganzen Berg brennen. Wegen dieses Waldbrandes kam ich dann auf der Pier mit einem Griechen, der sehr nett war, ins Gespräch. Er erzählte uns viel über den Ort, der zu Segelschiffszeiten einmal ein bedeutender Schiffahrtsplatz mit 700 registrierten Schiffen war! Es stellte sich heraus, daß er Töpfer ist, in Athen auf der Kunstakademie beim Studium seine Frau, eine Malerin, kennenlernte und jetzt ein Töpferstudio betreibt. Er lud uns zu einem Glas Ouzo ein und wir lernten seine Frau und seinen 11 Monate alten Buben kennen. Heute waren wir auch bei ihm Zuhause. Sein Wohnhaus mit Werkstatt und sein Töpferladen sind nicht am gleichen Platz. Seine Spezialität sind Keramikwaren, die seine Frau mit Schiffen aus der Geschichte des Ortes bemalt. Sehr schöne Arbeiten. Und vor allem, sehr nette zufriedene und glückliche Leute. Er war früher auch zur See gefahren und kannte daher Norddeutschland bzw. die Häfen dort.

Außerdem trafen wir wieder ein schweizer Boot und hatten gestern eine nette Runde zusammen an Bord.
 

Gestern früh fuhren wir mit dem Bus nach Delphi. Nach einer interessanten Busfahrt durch riesige Olivenwälder und den Berg hinauf, erreichten wir den heutigen Ort Delphi. Da nichts ausgeschildert war, gingen wir nach unserem Plan und nach Himmelsrichtung los. Wir kamen auch zum antiken Gelände, aber nicht zum Eingang. Es gab zwar ein Tor, aber niemanden, der es aufmachte und auch niemanden, der kassierte. Sportlich wie wir sind, waren wir schnell wie die Tempelräuber über den Zaun gestiegen. Wir kamen gleich zu dem am höchsten gelegenen Immer noch ein perfektes StadionStadion aus der römischen Zeit. Wir hatten von dort einen ganz einmaligen Blick über die ganze Anlage und ich filmte auch kräftig, bis mir ein Wächter sagte, daß dies verboten sei. Ich packte also brav meine Videokamera ein, bis er weg war und dann filmte ich heimlich lustig weiter. Nachdem wir alles besichtigt hatten, gingen wir beim Haupteingang hinaus - und hinaus gehen ist immer gratis. Wir gingen dann ins Museum, wo die schönsten Funde sind. Es war für Delphi Segen und Fluch gleichzeitig, daß es Erdbeben gab. Der Apollotempel wurde bereits in der Antike 3 mal aufgebaut. Durch die Erdbeben wurden aber auch herrliche Funde so verschüttet, daß Metalldiebe, die es auf Bronze abgesehen hatten, sie nicht fanden. So blieb z. B. der lebensgroße jugendliche Wagenlenker erhalten und er sieht einen wie ein lebendiger Mensch an, so gut ist sein Gesichtsausdruck. Wir waren jedenfalls begeistert!

Abends gingen wir dann zum Einkaufen und der Metzger hatte gerade frisches Lamm. So gab es gestern abend griechisches Essen an Bord und es schmeckte auch richtig griechisch. In allen Metzgereien macht es allerdings nicht Spaß einzukaufen - mit den lebensmittelrechtlichen Vorschriften von uns ließe sich hier fast jeder Laden zumachen. Aber ich denke, wir übertreiben in die andere Richtung. Man muß hier eben schauen was man kauft. Bei uns kann die schlechteste Hausfrau nichts unrechtes einkaufen. Auffallend jedenfalls ist hier wie nett und freundlich die Leute sind und Hast usw. das gibt es hier sowieso nicht. Im Laufe der Zeit werden vielleicht die Leute in der EG hoffentlich ein wenig von den positiven Dingen der Anderen lernen.

 Jetzt fängt - für hier sehr untypisch - ein SO-Wind wieder an, der nach dem Einlaufen schon eingeschlafen war. Über Italien sitzt ein Höhentief und wir werden jetzt die Ausläufer bekommen. Die Wolken zeigten sich schon den ganzen Tag. Es wird eben auch hier Herbst, nur daß der hier wie ein Sommer ist.

Am Funk haben wir immer noch Kontakt mit anderen Seglern und wir werden in den nächsten Tagen Christian in der Gegend von Athen treffen. Er ist heute dorthin gesegelt. Helmut aus Aprilia und Dieter aus Hamburg haben wohl bei Brigitte angerufen. So ein verlängerter Funkarm ist schon gut. Unter den Dauerseglern lernt man eine Menge wirklich netter Leute sehr unkompliziert kennen. Vorname genügt! Die letzten zwei Tage hatten wir ein pensioniertes englisches Ehepaar neben uns. Wir haben uns auch gleich gut verstanden. Sie sind bereits seit 1986 unterwegs. In Korfu hatten wir ein anderes englisches Ehepaar kennengelernt. Es gibt überhaupt unter den Langstreckenseglern viele Engländer.

Jetzt werde ich noch eine Runde an Deck schauen und dann in die Koje gehen. Es ist schon nach 23 Uhr und wir stehen immer relativ früh auf. Die Tage sind schließlich nicht mehr so lange und wir legen doch oft recht lange Strecken zurück.

Wenn der Wind auf der anderen Seite so ist wie hier, segeln wir nach Salamis und wenn es ganz gut ist, gleich nach Athen. Jetzt geht es erstmal durch den Kanal von Korinth.

* * * * *
ca. 20 Meilen Südöstlich von Athen, 20.9.88
Liebe Mutti,

Vielen Dank für Deinen lieben Brief nach Athen. Dieses Mal hat es ja geklappt! Post zu bekommen ist immer eine schöne Sache und jetzt, wo wir Zeit haben, macht es uns beiden Spaß, Briefe zu schreiben. Wir haben selten so viele Briefe und Karten geschrieben, wie seit wir an Bord sind.
 

Athen ist eine riesige Stadt. Ich hatte mir immer vorgestellt, die Akropolis in der Sonne zu sehen, wie wir langsam unter Segeln auf die Stadt zufahren - und wie war's? Erstens waren wir nicht unter Segeln, denn wir hatten Wind von vorne und zweitens war so viel Smog über Athen, daß wir gerade noch im Fernglas ein paar Säulen sehen konnten, wie wir kurz vor dem Ziel waren. Karl schaute ganz erschrocken auf die schwarze Wolke über der Stadt und meinte es sei ein Gewitter im Anmarsch, aber es war nur der Dunst der Großstadt. Das war Freitag. Samstag Abend hatten wir wirklich ein Gewitter und Sonntag war dann die Luft rein gewaschen und die Sonne klar und wir verbrachten einen schönen Tag in der Stadt. Wir stiegen am Hadrians Tor aus dem Bus, das den Übergang von der griechischen zur römischen Stadt markiert. Dahinter liegt das Gelände des Olympeion, wo einige mächtige Säulen stehen. Laut Führer waren es mal 104 Säulen, das entspricht 15.500 Tonnen Marmor. Dann gingen wir zu Fuß um die Akropolis herum zum Eingang. Von unten schaut man ganz steil hinauf und sieht nur die obere Hälfte des Parthenon. Wenn man dann durch den Eingang kommt, glaubt man in Babel zu sein - denn alle Sprachen hört man da und es ist ein ziemliches Gewimmel von Leuten. Da möchte ich nicht in der Hochsaison da sein, denn dann sieht man wahrscheinlich gar nichts mehr. So schlimm war es dann im restlichen Gelände nicht mehr, alles verläuft sich nach den ersten Stufen der Propyläen. Am Parthenon selbst steht Gerüst, denn ein von der EG finanziertes Projekt macht Renovierungen, aber trotzdem ist es ein beeindruckendes Bauwerk. Im Museum hat Karl wieder heimlich gefilmt, aber zumindest draußen war es nicht verboten. Von oben schaut man hinunter auf das griechische und das römische Theater und hat einen Blick über die ganze Stadt und das Meer und das umliegende Land. Es war so schön klar nach dem Gewitter, wir hatten richtig Glück.
 
 

Anschließend gingen wir hinunter an der Agora, dem römischen Markt und Hadrians Bibliothek vorbei und fuhren dann mit der U-Bahn zum Nationalen Archäologischen Museum. Ein wunderbares Museum, aber so wahnsinnig viel zum Sehen. Sie haben aber dort bestimmt die schönste Auswahl an Töpfereien, Bronzen, Steinfiguren, Reliefs und sonstige Funde und so entsteht auch in einem Laien eine Vorstellung von der Schönheit und Vollkommenheit der griechischen Kunst. Die Funde aus Mykenae haben mich auch nach der Lektüre von Irving Stones Biographie von Schliemann interessiert. Wir gingen auch zu Schliemanns Haus, das man allerdings nur von außen ansehen kann. Ein imposantes Haus mit 2 Loggien an der Vorderfront mit bemalten Decken. Dann haben wir die Wachen in der traditionellen Tracht vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten vor dem Parlament (ehem. königl. Palast) gesehen, und dem Wachwechsel vor dem Präsidentenpalast (letzter königl. Palast) zugeschaut.

Danach gingen wir in den Park, der früher die königlichen Gärten bildete, um uns bei einem Bier und einem Teller griechischen Vorspeisenspezialitäten zu erholen. Eine wunderbare Parkanlage mit vielen ausländischen Bäumen, kleinen Bächen, einem Ententeich, einem Brunnen mit Goldfischen und dicken Karpfen, und mit zahlreichen Katzen! Ein wahres Katzenparadies, denn dort wo in Deutschland oder England "Füttern der Katzen verboten" gestanden wäre, stand "Love the animals and do them no harm". Jeder füttert sie und alle sehen sie gesund und munter aus, obwohl sie dort im Park wild leben. Es fällt uns hier überall auf, daß die Griechen im Gegensatz zu den Jugoslawen und Italienern viel Tierliebe besitzen - vor allem aber in Bezug auf Katzen.

Jetzt da wir in Griechenland sind, habe ich das Buch von Dir von Peter Bamm angefangen. Es gefällt mir gut, aber ich muß es tagsüber lesen, wenn ich hellwach bin, denn es ist zu anspruchsvoll für die letzte müde Stunde. So komme ich nicht schnell voran, aber langsam und sicher lese ich etwas mehr. Ich muß mir richtig Zeit zum Lesen nehmen, denn ich merke, daß ich hier wenig lese im Vergleich zu meiner Münchener S-Bahn Lektüre. Dafür bietet jeder Tag tausend andere Eindrücke.

Wir haben uns hier schon so an die Wärme gewöhnt, daß wir 29° als kühl empfinden. Nachdem ich geschwommen hatte, saßen wir im Salon bei Tee und Rum um uns aufzuwärmen! Der Wind macht allerdings viel aus, das Wasser hat noch 24°C.
 
 

Loutra auf Kythnos, 22.9.88
Heute nacht lagen wir in einer Bucht auf Kea, und sind heute früh nach dem Wetterbericht um 6.30 (!) hierher, da Gewitter und SO-Wind angesagt sind und wir liegen hier geschützter. So stelle ich mir Griechenland vor! Weißgetünchte Häuser, kleine runde Windmühlen mit spitzen Dächern, kleine weiße Kapellchen. Allerdings sind die Weiden alle sehr braun um diese Jahreszeit und trotzdem äsen ein paar Kühe, Schafe und Ziegen. Hier gibt es auch Reit- und Packesel.

Auf Kythnos soll es warme Mineralwasserquellen geben. Wir werden uns gleich auf die Suche machen, und diesen netten kleinen Ort anschauen.

Margit, jetzt weiß ich wieder, wie es Dir in der ersten Klasse mit dem Lesen erging, denn die griechischen Buchstaben lese ich auch zögernd wie eine Erstklässlerin. Wir denken viel an Euch - heute morgen fielen uns zum Beispiel die schönen grünen saftigen Weiden bei Euch ein. Da haben's die Oberdeuscher Kühe schöner als die hiesigen - dafür haben wahrscheinlich die Kühe hier im Winter grünes Gras.

* * * * *
 Fokaia (20 Sm von Athen) 20.9.88


Liebe Brigitte!

Dieses Mal hat es ja geklappt. Vielen Dank für Deinen Brief. Es ist immer schön zu wissen, daß es allen gut geht und die neuesten Nachrichten zu hören. Ich bin auch gespannt, was die Allgäuer Zeitung aus Karls Brief gemacht hat.

Meine Eltern haben auch gefragt, ob sie nicht vielleicht für 2 Wochen im Frühjahr kommen können, bevor es zu heiß wird. Mit der Planung, wo wir wann sein werden hapert es noch ein bißchen. Wir treffen immer wieder Langzeitsegler und nach jedem Gespräch ändern sich unsere Vorstellungen etwas. Am Samstag waren wir in Piraeus und hatten einen recht frustrierenden Vormittag - erstens fuhren uns 2 Busse vor der Nase vorbei, bis wir begriffen, daß man sich hier fast auf die Straße schmeißen muß, um dem Busfahrer klar zu machen, daß man mit möchte. Dann waren wir in Piraeus, aber die Post hatte zu. Dann suchten wir einen Laden, der Seekarten verkauft und fanden keinen während der Geschäftszeiten. Zuletzt gingen wir in die Zea-Marina in Piraeus (wo wir wegen Platzmangel nicht mit dem Boot lagen, obwohl geplant) und fragten einfach bei einem britischen Boot, wo es Karten gibt, damit wir nicht am Montag wieder suchen mußten. Die Engländer verwiesen uns an Australier und dort saßen wir dann ein paar Stunden im Cockpit und ließen uns vom Mittelmeer erzählen. So hat sich doch unsere Fahrt gelohnt. Diese Australier standen jedoch Ägypten sehr skeptisch gegenüber und erzählten uns einiges Negatives. Von Israel waren sie jedoch begeistert - nicht als Segelrevier, aber als Land. Gestern saßen wir bei zufällig getroffenen TO-Mitgliedern in der Marina in Kalamaki bei Athen, und sie haben wiederum gemeint, Israel sei so wahnsinnig teuer. Nun, wir werden's sehen.

Gestern habe ich wieder B e r g e von Wäsche (4 Maschinen) zur Wäscherei gebracht. In Zukunft werde ich doch wohl mehr von Hand machen, denn ich hatte seit Jugoslawien darauf gebaut, daß es hier Waschsalons geben würde, aber dem ist nicht so. Arion sah also ein paar Stunden lang wie ein Auswandererschiff aus, bis alles trocken war und dann war alles wieder im Schapp.

Wir haben hier in Griechenland meistens einen recht guten Wind. Heute z.B. hatten wir 4 - 5. das ist zwar zum Segeln schön, verlockt aber nicht zum Baden. So war ich seitdem Ihr weg seid, nur selten im Wasser. Ich gebe jetzt die Schreibmaschine weiter, denn Karl lauert schon, um Euch alles zu erzählen.

Dianne hatte wohl den Eindruck, ich lungere um die Maschine herum, weil ich sonst nichts tat und nur in die Bucht schaute. Es zischen hier einige Surfer herum, die fliegen fast, denn in der Bucht gibt es Fallböen mit über 30 Kn, aber fast glattes Wasser. Wir liegen jedenfalls absolut ruhig und die versprochene Bewölkung gibt es auch noch nicht. Da es auch hier etwas nach Herbst riecht, die Tage kürzer werden und fast immer zumindest etwas Wind ist, haben wir sehr angenehme Temperaturen. Heute früh haben wir um 6.30 den Wetterbericht auf Band aufgenommen, zum Verstehen ist es noch zu früh und danach schnurchelte ich noch im warmen Schlafsack, das ist morgens richtig angenehm. Abends ist es allerdings noch recht warm - ca. 30°C. Ab 25°C fangen wir aber zu frieren an, so sind wir an die Hitze gewöhnt.
 

Der teuerste Kanal der WeltDie Fahrt durch den Kanal von Korinth war äußerst beeindruckend. Kein Wunder, daß der Kaiser Nero selbst mit 6000 jüdischen Sklaven nicht einmal bis zu den richtigen Felsen gekommen ist. Die Franzosen haben es dann Ende letztes Jahrhundert geschafft. Der Kanal ist regelrecht fast senkrecht in den Fels geschnitten. Ca. 80m tief plus ca. 9m Wasser. Wir kamen gerade zusammen mit einem riesigen Passagierschiff an. Es mußte so langsam durch den Kanal gehen, daß wir über eine halbe Stunde warten mußten, bis die rote Flagge niederging und die Blaue freie Fahrt zeigte. Ich hatte allerdings zuvor bereits per Funk Kontakt mit dem Kanallotsen. Dieses riesige Passagierschiff hatte nur 70 cm auf jeder Seite, wie ich dann beim Bezahlen vom Lotsen erfuhr. Wir fuhren als Freifahrer ohne Lotsen. Das Schiff wurde aber von einem Kopfschlepper einfach durchgezogen. Es kann sich nicht schräg stellen und, da der Kanal unten Schlamm hat, geht das ganz weich. Wie Putzwolle in der Schrotflinte! Es sah aber sehr eindrucksvoll aus, wie das Schiff den Kanal formatfüllend dicht machte. Wie wir dann hinterher kamen und wegen unserer (nur hier) größeren Geschwindigkeit aufholten, spürten wir die gigantischen Strudel im Wasser und es wurde schwierig genau geradeaus zu steuern. Nach uns kam die "Sheer Gold", die den Namen wohl zu recht hat, denn das wird sie gekostet haben. Sie lag kurz in Galaxhidi neben uns. Dort machten nach dem Einlaufen drei Mann/Frau Besatzung erst mal Chromputz, trockneten das Wasser mit Ziegenleder etc. Am Funk hörten wir dann auch deren Kanalgebühren. Wir zahlten 10.904 Dr und sie 133.000 Dr. Die Kanalfahrt war jedenfalls ein Erlebnis.
 

Am Kanalausgang hatte es bis zu den Raffinerien hin gebrannt. Die TO-Segler, die wir gestern trafen, haben den Beginn des Feuers gesehen und wie es sich in kürzester Zeit zu einem Brand entwickelte. Ein Zug mußte angehalten werden und es dauerte recht lange bis 2 Löschflugzeuge kamen. Jetzt fehlt wieder einmal ein Stück dringend notwendiger Wald. Die fürchterlichen Überschwemmungen in Bangladesh sind ja auch nur wegen des abgeholzten Gebirges im Himalaya. Zur Zeit sündigen da, wie wir im Radio hörten, die Brasilianer im Urwald sehr. Irgendwann wird es sich rächen. Hier wird die Natur auch überall mit Füßen, sprich Müll, Altöl etc. getreten. Die EG darf dann zahlen, wenn die "armen" Südländer nicht mehr können. Auf der anderen Seite wird hier ohne Auflagen ein Schweinegeld verdient und die vielen riesigen griechischen Yachten, allerdings meist ausgeflaggt, beweisen es. In Kalamaki (so heißt die Riesenmarina, wo wir jetzt 4 Tage waren) sahen wir z.B. viele Yachten mit der Flagge von Honduras. Die Marina ist eine Riesenanlage und gut gebaut, aber so schlecht gemanagt, daß alles verkommt. Da sind die Jugos fast Organisationsgenies. Aber vielleicht verdient man so mit wenig Aufwand netto das meiste Geld.

Am Samstag hatten wir starke Gewitter und die putzten den ganzen Smog dieser Riesenstadt Athen weg. Beim Einlaufen waren wir richtig erschrocken, wegen der schwarzen Dunstglocke und der sehr schlechten Sicht. Die Akropolis war im Fernglas fast nicht zu erkennen. Wenn man`s nicht gewußt hätte, wäre sie nicht zu sehen gewesen. Am Sonntag war dann sightseeing day! Schönstes Wetter, beste Sicht und angenehme Temperaturen. Die Akropolis kennt zwar jeder von Bildern, aber wenn man unten erst mal herumgeht und die ganzen Ruinenfelder, die z. T. gut erhalten sind, unterhalb am Hang sieht und dann hinaufsteigt und zum ersten Mal vor diesen gigantischen Bauten steht, ist man überwältigt. Wie jämmerlich ist unser bröseliges, rostiges Eisenbeton-Zeitalter mit allen Hilfs- Mitteln im Vergleich dazu!

Danach gingen wir noch durch die römischen Ruinen am Nordabhang und fuhren dann mit der alten Ratter-U-Bahn (eben Neugriechisch) zum Archäologischen Nationalmuseum. Riesig interessant, nur ermüdend. Dianne hat behauptet, ich hätte bereits im zweiten Saal mit den Füßen geschleift. Dabei dachte ich, ich sei nur durstig. Im Schatten unter riesigen Palmen wurde auch das behoben.
 
 

Die Evzonen der WacheDanach gingen wir zum Parlament und Präsidentenpalast mit der Wache in Tracht. Wir sahen dann auch noch die Wachablösung. Sehr "videotiv". Das Parlament ist jetzt im ehemaligen Schloß und der Schloßplatz dahinter ist jetzt ein Nationalpark und botanischer Garten, offen für jedermann und für Katzen. Im ehemaligen königlichen Palais residiert gleich dahinter der Präsident. Der Park ist sehr schön angelegt und die Katzen, die in Griechenland ohnehin überall beliebt sind, leben wild aber völlig zahm vom Betteln im Park. Geht ihnen aber nicht schlecht, so wie sie aussehen. Ich rief einmal und bin erschrocken, als gleich 30 - 40 Katzen in allen Größen und Farben aus den Büschen stürzten. Es gibt extra Schilder, daß man die Tiere gern haben und für sie sorgen soll. Ein ganz anderes Verhältnis zum Tier wie sonst im Süden.

In einem lauschigen "Kafenaion" im Park stärkten wir uns dann mit einer griechischen Salat- und Vorspeisenplatte und Bier. Die Katzen wurden mit gestärkt. Abends waren wir dann wieder in unserem gewohnten Zuhause mit dem wechselnden "Vorgarten".

Wir liegen jetzt hier 20 Sm südöstlich von Athen in einer Bucht vor einem kleinen Ort. Vorhin kamen noch zwei Boote rein und so sind wir jetzt fünf Boote vor Anker. Die Pier ist mit Einheimischen belegt. Der Wind bläst bereits nicht mehr so kräftig, abends schläft er meistens ein und die 18.00 Uhr-Sonne scheint schräg durch die Bullaugen und wenn wir schwojen saust das Licht durch die Kajüte, bei Tee mit Rum läßt es sich so aushalten.

Heute abend wird es wieder etwas griechisch Inspiriertes geben. Es gibt hier ein Gemüse Ockra, das zusammen mit Tomaten geschmort sehr gut schmeckt. Das Gemüse paßt dann sehr gut zu Fleisch oder Fisch (auch aus Dosen). In Läden, in denen Gastarbeiter einkaufen, gibt es die bestimmt auch bei Euch zu kaufen. Probiert es doch einmal!

Den Christian von dem anderen TO-Boot, mit dem wir immer funkten, haben wir in Athen getroffen. Er und Regine lagen zwei Stege weiter und sie haben uns am Freitag abend nach dem Einlaufen besucht. Sehr nette Leute und bereits mehrere Jahre unterwegs. Ohne Verabredung sind wir uns dann auch noch in Athen, mitten in der Stadt begegnet. Ist eben nur ein 3 1/2 Millionendorf, wo man sich leicht einmal trifft. Seit gestern ist auch Helmut wieder aus Deutschland zurück und wir haben den Eindruck, er fährt am Funk im Geiste mit uns mit, weil er selbst gesundheitlich nicht mehr so kann.

Jetzt stelle ich die Maschine erst mal weg und fange langsam an zu kochen. Dianne schreibt noch den Eltern, die haben wegen Poststreik etc. jetzt erst einen Brief aus Hvar bekommen, sonst die ganze Zeit nichts. Sch... Post! Nicht nur in Korfu!

Wir hatten heute die Insel Kithnos und dort Loutra als Ziel, wie wir aber Kea an der Südspitze umrundeten, kam erst eine Flaute, die wir auch erwarteten, denn Christian war etwas mehr als eine Stunde vor uns dort gewesen, aber jetzt sagte er uns am Funk, daß er an der Westseite von Kithnos Böen mit 8 Bft habe. Wie wir dann voraus weiße Gischt sahen, und eine ruppige Kreuzsee aufkam, entschlossen wir uns nach Kea zu gehen und da sind wir in internationaler Chartergesellschaft in einer Bucht. Es sind alles griechische Boote aber unter der Saling wehen 2x Österreich, 1x Canada, 1x Australien und 1x nichts. Wir haben Fallböen vom Berg, halb bewölkten Himmel, ruhiges Wasser, aber Sandgrund mit Steinen und dementsprechend grummelt es dauernd am Anker. Das wird, wie in der letzten Nacht, öfter aufstehen heißen. Heute nacht wurde es auch nicht windstill, das ist hier nicht üblich, aber wir haben bisher festgestellt, daß diese Regel z.Zt. nur zu 50% stimmt.

Dianne war am Ufer beim Tauchen. Es gibt hier viele Fische und kleine Höhlen in den Felsen. Dazwischen am Ende der Bucht und in der Seitenbucht ist Sandstrand. Eine Uferseite ist abgebrannt und auf dem Kap stehen 8 Windmühlen. Am Hang gegenüber stehen 3 Kühe und 3 Ziegen. An Einheimischen habe ich nur eine alte Frau gesehen. Es gibt aber noch einige Ferienhäuser und um das Kap herum sehen wir ein Hotel oder Appartmenthaus. Ansonsten ist es hier völlig einsam. Obwohl wir nicht das eigentliche Ziel erreichten, haben wir heute 28 Sm bei 5 - 6 Bft gesegelt. Wir machten mit gereffter Groß und Genau 5 - 6 Knoten. Der Seegang war grob aber angenehm zu nehmen, weil wir halben Wind hatten. Bis Kithnos hätten wir allerdings höher ran müssen. Morgen wollen wir früh los und bis Syros. Unser Grundkurs nach der Türkei beträgt etwa 120° und wir wollen die Inseln die etwas rechts und links vom Kurs liegen besuchen. Nach Syros geht's dann nach Paros (Ios oder Iraklea oder Amorgos), Astypalaia, Kos, Nisyros, Tilos, Rhodos, Marmaris. Dazwischen jeweils 20 - 40 Sm Strecke. Bei strammem Wind sind 30 Sm auch kein Problem. Wir liegen hier meist in Buchten, weil es nicht viele gute Häfen gibt und die auch oft sehr voll mit Fischern sind, oder das letzte freie Pierende für die Fähren reserviert ist. Es gibt hier viele große Fähr- und Passagierschiffe. Heute fuhr ganz nahe die Maxim Gorki vorbei, die als deutsches Traumschiff bekannt wurde und dann über Südafrika in Rußland landete. Mich ärgert es jedes Mal wenn ich hier im Westen sowjetische Schiffe sehe, die für Dumpingpreise fahren und die "Landratten" in der Regierung tun nichts dagegen. Die Deutschen waren eben nie ein Seefahrervolk und denken nicht als solches.

-21 Uhr- Jetzt sind noch zwei Belgier, 1 Franzose und 2 Fischer in die Bucht gekommen. Der Wind hat immer noch nicht aufgehört und im Schach habe ich gerade verloren. Jetzt gehe ich ins Bett und warte ab, was der morgige Tag bringt. Die Wolken ziehen oben hin und her, im Mondlicht sieht man das gut, es sind aber hohe Wolken und sie ziehen anders als der Bodenwind.

22.9.88
Heute früh absolute Flaute, Wetterbericht verspricht Südost 5, in diese Richtung wollen wir hin. Also 7 Uhr Anker auf, aber die Kette hängt im Felsen, 7.15 Uhr Kette mit dem Schiff ausgedreht und nach Loutra auf Kithnos motort. Komisch bewölkter Himmel, ganz leichter Wind aus SO. Jetzt haben wir hier gerade einen Platz an der Pier gefunden. Außer uns sind noch zwei Schweden (Charter) und ein Franzose an der kleinen Schutzmole. Wenn der Wetterbericht recht behält werden wir hier noch verweilen. Netter Ort mit warmen Quellen. Bereits die Römer und König Otto von Griechenland (der Bayer!) badeten hier. Wegen dieses Otto gibt es auch überall dt. Bier als Lizenbräu von Löwenbräu, Henninger, Germania, Holsten etc. Sind deutsch beschriftet wie bei uns, nur ein kleiner Zusatz zeigt, daß es in Griechenland gebraut wurde. Das Bier ist sehr gut, da es vor allem bei Thessaloniki sehr viel gutes Wasser gibt. Jetzt gehen wir in den Ort und bringen die Post der letzten Tage weg.

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An Bord, 28.9.88
Liebe Allgäuer!

Wir liegen jetzt schon seit vollen vier Tagen in Syros und warten zwar nicht auf Wetterbesserung, denn das Wetter ist herrlich, sondern nur auf etwas weniger Wind. Es bläst ununterbrochen, Tag und Nacht. Die Bucht ist sehr gut geschützt und so können wir es gut aushalten. Aber die Zeit läuft gegen uns. Es hätte aber keinen Sinn bei Seegang 6 - 7!! mit 2 Mann Besatzung auszulaufen. Fast alle Boote, die in den letzten Tagen hereinkamen, weil die Charterer bei jedem Wetter fahren, hatten Schäden. Fast alle hatten aber keinen Wetterbericht gehört und waren einfach losgefahren.
 
 

Hoch oben am GenuastagIch habe heute vergeblich lange Zeit im Mast einer großen Charter-yacht neben uns zugebracht um ein zerrissenes, verwickeltes Vorsegel herunter zu bringen. Aber bei dem Wind war es nicht möglich. Es hat mich so geschüttelt, daß ich mich kaum halten konnte. Einer von dem Boot war nur wenige Minuten oben und mußte gleich aufgeben. Für morgen haben wir gerade von der deutschen Welle die Vorhersage gehört - bis 8 Bft. Wenn wir am Freitag auslaufen können, wird es uns immer noch bequem bis Marmaris reichen. Wir haben dann allerdings keine Reserven mehr, es sei denn, wir segeln nachts durch, um die Zeit aufzuholen. Falls es also mit dem 8.10. in Marmaris nicht klappen sollte, rufen wir vorher noch an. Die Füssener müßten dann eben für ein oder zwei Tage ins Hotel gehen, bis wir einlaufen.

Aber jetzt erst mal der Reihe nach, seit unserem letzten Brief.

Wir segelten von Kea aus nach Kythnos, wo wir an einer neu gemachten kleinen Mole Platz gefunden haben. Ein Norweger faßte dann unseren Anker und ich war recht beschäftigt, ihm auf seinem Boot zu helfen. Mit der Hilfe eines griechischen Fischers, der tauchte, gelang es dann, die Anker zu klarieren. Ein anderes Boot half auch noch mit und so lernten wir Fernando und Georgia von der Dominikanischen Republik kennen. Wir saßen dann abends lange im Restaurant oberhalb des Hafens und haben uns sehr gut unterhalten. Fernando ist Bauingenieur und Architekt und sie sprechen beide auch gut englisch und französisch.

Am nächsten Tag kamen dann zwei Franzosen herein, die Fernando bereits seit Spanien kannte. So waren wir eine nette Gruppe zwischen den Fischern und keine Charterer mehr dazwischen. Abends machten Dianne und ich einen Spaziergang zu der ebenfalls sehr geschützten Seitenbucht und sahen dort einen Katamaran mit deutscher Flagge und TO-Stander vor Anker. Wir riefen hinüber und wurden gleich von Horst zum Boot gerudert. Wir haben uns sehr nett unterhalten und abends kamen dann Horst und Hanne zu uns an Bord. Wir hatten von dem Hamburger Boot "Puvogel" schon vorher gehört und es ist immer wieder nett, dann die Leute persönlich kennenzulernen.

So ist es immer recht kurzweilig. Seit zwei Tagen sind auch Heinz von der "Mauritius" (er ist Immenstädter) und Peter von der "Pegepewi" wieder am Funk. Gestern meldete sich auch plötzlich ein anderes Schiff aus der deutschen Bucht am Funk.

Christian von der "C'est si bon" liegt auch schon seit Tagen einige Inseln weiter in Milos. Die dortige Bucht ist auch so ein wasser-gefüllter Krater wie Santorin. Hier sind in der Geschichte riesige Vulkane mit einem Teil der Insel in die Luft geflogen und in Santorin ist das Wasser in der "Bucht" tiefer als im Meer außen herum. 370 m tief ist das Wasser im Krater und man kann mit einer Yacht nur in einigen Buchten der Insel im Krater ankern. Beide Vulkane sind noch in "Betrieb". In Loutra auf Kythnos gibt es wegen der ganzen Vulkantätigkeiten in der Gegen zwei heiße Quellen. 48° und 72° C warm. Wir sind extra mit unserem Wasserbehälter bis zur Quelle gegangen und haben uns heißes Wasser geholt, weil wir wie die alten Griechen und Römer und auch König Otto in diesem Wasser baden wollten. Die Enttäuschung war dann groß, als wir fest- stellten, daß das Wasser salzig war. Allerdings nicht so salzig, wie das Meer. Es existiert auch immer noch die alte Badeanstalt, die König Otto bauen ließ und sie wird auch noch benutzt. Dort werden aber nur medizinische Bäder gemacht. Es gibt auch ein Hotel für den Badebetrieb, aber das ist alles sehr schlicht und weit weit von einem Wörishofen entfernt. In Loutra haben wir auch einen alten Mann kennengelernt, der uns in deutsch ansprach und uns einiges erklärte. Er war vor dem Krieg sechs Jahre in Danzig gewesen. Heute hat er ein "Lädchen" und verkauft Ansichtskarten, Bier und Ouzo. Wir haben ihm von allem etwas abgekauft. Das Bier wurde aus einer Kiste unterm Bett hervorgeholt. Als Kassenzettel diente eine kleine Schiefertafel, die immer wieder ausgewischt wird. Hier auf den Inseln ist zwar vieles ganz normaler europäischer Standard - Autos, Konsumgüter, etc. - aber sonst ist man hier in einer völlig anderen, schlichteren Welt. Die Landwirtschaft z. B. ist völlig verschieden von unserer. Schafe und Ziegen auf den steinigen Hängen, und nur in den wenigen ebenen Teilen etwas Ackerbau bzw. Gartenbau mit Gemüse. In der Seitenbucht von Loutra waren allerdings zwei Rinder und zwar Allgäuer Braunvieh! Sie sind gleich hergekommen und haben mich als Landsmann begrüßt. Sonst habe ich nur auf Kea drei schwarze Kühe gesehen.
 
 

Der kleine Hafen von LoutraAls wir am Samstag aus Loutra auf Kythnos ausliefen, haben wir uns wegen des starken Windes mit dem Bootshaken nach Luv halten müssen. Als Dianne den Anker holte, kam dann so viel Zug darauf, daß ich ihn nicht mehr aushängen konnte und loslassen mußte. So gab es eine Runde schwimmen im sauberen Hafen. Da ich schon naß war, hakte der Anker noch unter eine sehr schwere Mooringkette der Fischerboote, aber nach einer Viertelstunde Arbeit konnten wir auslaufen. Wir hatten zwar mit viel Wind gerechnet, aber es wurde dann doch eine ruppigere Fahrt als erwartet. Nach fünf Stunden, bei hohem Seegang kamen wir dann hier in Finikas auf Syros an und ankerten zunächst für zwei Tage in der Bucht, bis ein Platz an der Pier frei wurde, weil ein Charterer raus mußte, um das Boot rechtzeitig zurückzugeben. Sie hatten es am Tag zuvor bereits einmal versucht und waren entnervt und teilweise seekrank wieder eingelaufen.

Heute nachmittag waren wir auch wieder einmal schwimmen. Das Wasser ist immer noch sehr warm und auch die Lufttemperaturen sind noch hoch. Wir fangen allerdings bereits bei weniger als 25 °C zu frieren an. Auf einem Boot neben uns, mit Norwegern, saßen heute früh die Frauen im Bikini an Deck und ich lief im Sweatshirt und mit langen Hosen herum. Die waren eben noch die Temperaturen von Norwegen gewöhnt.

Der Ort hier ist relativ neu und nicht sehr groß. Auf der anderen Seite der Bucht gibt es einen älteren Ort und dort sind auch zwei Kirchen. Eine katholisch und eine orthodox. Die Insel war lange Zeit italienisch gewesen und dann französisch, deswegen beide Religionen. Bei dem alten Ort gibt es auch einen kleinen Stützpunkt der Marine mit einer Mole. Auf der Ostseite der Insel liegt der Hauptort mit Hafen und einer Werft. Früher war Syros eine Bunker-station für Kohle gewesen, daher der große Hafen mit Werft. Nach dem Ende der Dampfschiffahrt hat die Insel dann an Bedeutung verloren. Heute leiden alle Inseln unter der Landflucht und nur dort, wo es Touristen gibt, leben noch etwas mehr Menschen. Jeder dritte Grieche lebt sowieso in Athen. Das Leben auf den Inseln verläuft jedoch noch recht geruhsam und die Leute sind überall sehr freundlich.

 29.09.88
So ist es üblich, daß jeder jeden grüßt. In dem kleinen Laden im nächsten Ort kennen sie uns schon. Es ist so ein Geschäft, wo es von allem etwas gibt. Mutti würden diese Geschäfte sehr gefallen. Wenn man Gemüse und Obst kauft, nimmt man eine Papiertüte, sucht sich selbst aus, Stück für Stück und auf einer Hängewaage wird dann ausgewogen.Habe gestern das Buch "War Lord" über China in der Zeit zwischen den Weltkriegen ausgelesen. Wenn man lange an einem Ort ist, hat man plötzlich viel mehr Zeit zum Lesen, denn wenn man zu zweit segelt, gibt es immer zu tun. Seit gestern machen wir auch eine Rostkur für die ARION. Heute früh war es zum ersten Mal seit langem windstill, aber jetzt fängt es schon wieder an zu blasen. Es wird aber überall etwas weniger werden, hoffen wir für morgen. In der Flaute konnte auch das Nachbarboot seine Genua bergen. In 2/3 Höhe ist das Tuch - nicht die Naht - bis zum Stag durchgerissen. Die Charterer ruinieren in kürzester Zeit so ein Boot.

Besuch beim Abt des Kosters SymiEin Kurzer Besuch auf der Insel Symi, schloß unsere Reise durch die Ägäis ab. Wir segelten noch nach Rhodos, klarierten dort aus und verließen damit für einige Monate Europa.

Weiter der Reihe nach Kapitel 3 (Türkei)........

Oder erst einmal ein großer Sprung:

Transatlantik 1990