Dieser Anruf der "Seefunkstelle" ist ganz mysteriös. Seefunkstellen sind wir alle, die an Bord eine angemeldete Funkstelle haben - egal ob UKW oder KW. Wenn es ein Behörde war, weiß ich nicht wie sie draufkämen, daß wir ein Amateurfunkrufzeichen haben könnten. Wenn es Arnos Seefunkverband wäre, hättest Du ja gewußt wer es war. Egal - Amateurfunker sind wir nicht, wir können auf Amateurfrequenzen nicht senden und wenn wir's könnten, dürften wir nicht. Man hat durchblicken lassen, daß es möglich wäre, ganz inoffiziell ein nicht vergebenes Rufzeichen zu benutzen. Wir kennen einen Segler, der ein solches Schummelrufzeichen benutzt. Nur auf Amateurfrequenzen wären wir auf jeden Fall ein schwarzer Sender und echte Funkamateure dürfen auch nicht wissentlich mit "Schwarzen" in Verbindung treten. Das ist die Situation. Vielleicht sollte ich doch versuchen, die Amateurlizenz zu erwerben, wenn wir nächsten Winter den Abstecher in die BRD machen. Es ist aber schwierig, denn ohne polizeiliche Anmeldung ist niemand für den Antrag und das polizeiliche Führungszeugnis zuständig(Bürokratie). Außerdem mache ich mit dem Morsen keine guten Fortschritte.
Bei den Poste restante Sendungen wäre es vielleicht gut, wenn Du einen Vermerk außen machen würdest, in welchem Zeitraum die Abholung erfolgen könnte. In Korfu war kein Eingangsstempel darauf und der Poststempel von Füssen war auch nicht lesbar. So kam der Brief zu früh auf den Haufen "Back to Sender" (Korfu hatte geschrieben "Back to Center"!) Es werden aber wohl nicht alle Postämter so desorganisiert sein.
Die Dias, die Du geschickt hast sind sehr schön und ich bin damit zufrieden. Hoffentlich sind die anderen auch so scharf und klar. Es ist schön, daß Du sie mir archivierst. Meine Angaben waren zu Eurer Orientierung gedacht, falls Ihr sie vorführt und ich bin mir darüber im Klaren, daß die Nummern nicht immer übereinstimmen. Manchmal schreibe ich alles gleich auf, manchmal überlege ich verzweifelt, was ich wo fotografiert habe, um alles nachzutragen. Wenn Bilder unklar sind, schreibe zumindest die Nummer auf den Rahmen, damit die Reihenfolge klar bleibt. Ich habe bis jetzt hier noch keine Rähmchen aufgetrieben - in Marmaris waren welche mit Glas zu haben, aber damit sind wir nun mal gebrannte Kinder. Diese Dias behalte ich an Bord. Die anderen kannst Du bei Gelegenheit schicken, wenn wir eine zuverlässige Postanschrift haben, oder ggf. jemandem mitgeben.
Der Segelplan 89, den Du Dir vorstellst, ist gar nicht so einfach zu erstellen. Unser Rennen durch die Ägäis hat uns eins gelehrt - man sollte sich nicht festlegen! Wir können nur eines machen - Mitsegler müssen mit Linienflug rechnen, und erst kurzfristig das Ticket holen, wenn klar ist, wo wir sind! Aus heutiger Sicht werden wir im Frühjahr Türkei/Ägäis sein, Frühsommer Südpeloponnes, Sommer Malta, Sizilen, evtl. Tunesien, Spätsommer Sardinien, Korsika, W. Küste Italien, so daß wir bis Oktober in Südfrankreich sind. Ich weiß, es ist nicht sehr präzise. Meine Eltern wollen im Frühjahr für 2 Wochen kommen und haben sich Malta vorgestellt. Sie klangen enttäuscht, wie ich meinte, wir wären wohl im Frühjahr noch nicht so weit.
Die Zeit geht rasend schnell vorbei. Die Füssener müssen bereits Freitag abend von Bord, und eine Nacht in Dalaman verbringen, da der Flug morgens sehr früh geht. Am Abend, wie sie ankamen, lagen wir vor Anker und waren von der Pier kaum auszumachen. Deshalb setzten wir uns ins Lokal an der Wasserfront und dachten, sie dort aufzugabeln. Sie erschienen aber nicht und wir gingen dann auf und ab, vom Taxistand zur Busstation und zurück. Um 01.15 Hatten wir uns entschieden aufzugeben und zum Boot zurückzukehren. Wie wir mit dem Schlauchboot unterwegs waren fuhr ein Taxi auf die Außenmole der noch nicht fertiggestellten Marina. Da fuhren wir sofort hin und tatsächlich sie waren es! Dann saßen wir natürlich erst auf ein Gläschen im Salon...
Claudias Ankunft war problemloser. Wir lagen an der Pier in der Nähe vom Taxistand, schauten alle 10 Minuten hin, aber sie kam zwischendurch gleich direkt zur Arion hin.
Meinem Vater geht es unverändert. Er hat morgens immer Schmerzen, fühlt sich aber sonst fit. Mum und Dad klangen jedoch weniger sorgenvoll am Telefon und so warten wir halt Neuigkeiten ab.
Gestern haben wir einen Ausflug gemacht.
Wir haben die antike Stadt Kaunos besichtigt. Kaunos war einst ein wichtiger
Hafen und hat mit Salz, Harz, Fisch und Sklaven gehandelt. Der Fluß
Dalyan hat aber inzwischen soviel Schlamm mitgebracht, daß der Zugang
zum Fluß nicht mehr befahrbar ist. Wir unternahmen den Ausflug mit
einem einheimischen Boot. Wir fuhren 2 Seemeilen an der Küste entlang
bis wir die Flußmündung erreichten. Währenddessen hat unser
Führer geangelt und gleich 2 Makrelen
erwischt. Dann fuhren wir durch eine tolle Flußlandschaft mit hohem
Schilf und einer Vielzahl von Inselchen und Wasserläufen. Eisvögel
flitzten übers Wasser. Im meandernden Fluß hätten wir selbst
nie zu den Ruinen gefunden. Es stand noch einiges an Altertümern -
das römische Bad, das früher mit Marmor ausgelegt war, das römische
Amphitheater (groß), der griechische Tempel in Rundform, die byzantinische
Kirche mit dicken fetten Eidechsen und mittelalterliche Festungsruinen
ragten am Berg über der Stätte auf. Dann fuhren wir weiter an
lykischen (4. JH vor Christus) Felsengräbern vorbei. Diese Gräber
sind entweder nur als 4-eckiger Eingang erkennbar oder als "Tempelgräber".
Letztere sind aus dem Fels gehauene Eingänge, die wie Tempel aussehen,
komplett mit Säulen und Giebel. Sie gehen mehrere Meter in die Felswand
hinein und hatten wie bei heutigen Gruften 6 "Liegeplätze". Wir durften
sie nur vom Fluß aus ansehen und fuhren dann in den heutigen Ort
Dalyan. Dort aßen wir zu Mittag - zum stolzen Preis von DM 15,- für
6 Personen... Es ist halt ein Riesenvorteil, daß Omar fließend
Türkisch spricht.
Göcek, Sonntag 16.10.
Gestern abend ankerten wir in einer kleinen
Bucht am Eingang zur Bucht von Fethiye. Es gab dort ein Strandrestaurant
und wir haben guten Fisch gegessen mit Salat und vor Öl triefenden
Pommes. Es war ein Touristenlokal und so haben wir DM 110,- bezahlt. Heute
mittag saßen wir dagegen wieder in einem Hinterhoflokal und es gab
Ziegenfleisch. Kurt und Albert streikten allerdings, dabei war das Essen
schon in Ordnung. Auf einer Seite des befand sich ein Friseur, wo Omar
sich für DM 0,50 rasieren ließ, auf der anderen arbeitete ein
Schuster an einem kleinen Tisch im Freien. Die zwei kleinen Buben des Wirts
trugen das Essen an den Tisch. Wir waren die einzigen Gäste, sozusagen
mit Familienanschluß. DM 24,- zu sechst.
Jetzt machen wir einen Ortsbummel und können dabei zur Post gehen.
Ich war in Marmaris beim Friseur und zahlte DM 0,80 = 800 TL fürs Schneiden. Man kann hier also billig leben. Karl und Monika haben wir auch schon getroffen und die "Frachten" für die "Koala" abgeliefert. Am Wochenende sehen wir sie wieder in Fethiye.
da am Wochenende die Füssener von Bord gehen und dies dann eine schnelle Postverbindung ist, will ich gleich die Gelegenheit zu einem Brief nützen.
Wir haben in der Zwischenzeit überwiegend Karten geschrieben, denn wenn man zu mehreren an Bord ist, hat man doch nicht soviel Muße und schaut darauf, daß man möglichst viel in kürzester Zeit erlebt.
Erst noch mal vielen Dank für die
viele Post, die Füssener mitgebracht haben. Wir hatten eine Menge
zu lesen, in den Heften lese ich immer noch. Die letzten Neuigkeiten bis
zu dem Besuch des antiken Kaunos und den lykischen Felsengräbern am
Ufer des Flusses Dalyan, hat Dianne schon im Brief an Brigitte geschrieben.
Der Ausflug mit dem einheimischen Boot durch das Mündungsdelta des
Flusses war überwältigend schön. Brigitte kann ja mal von
Albert die Videokassette ausleihen oder von Kurt kopieren lassen. Ich habe
in letzter Zeit immer doppelt gefilmt und die Kassetten gewechselt. Auch
ein Vorteil von Video wenn Gäste keine eigene Kamera haben.
Nach
diesem Ausflug in die Geschichte wechselten wir dann in die ländliche
Abgeschiedenheit von Buchten. Wir hatten verträumt schöne, kleine
Buchten für uns alleine oder teilten sie mit wenigen anderen Booten.
Wir waren einmal in einer Bucht mit steilen Felsen an der Seite, einem
Kiesstrand am Ende und bewaldeten Höhen außen herum, ein anderes
Mal waren wir in einer Bucht in die ein Bach mündete und ein Wald
von Amberbäumen und Eschen neben Schilf eine richtige Idylle bildete.
Unter den Bäumen standen Tische und einige Einheimische bereiteten
für uns Hühner in einem gemauerten Ofen zu. Der Ofen wurde erst
angeheizt, dann die Glut ausgeräumt und die Hühner mit Gemüse
und Zwiebeln hineingeschoben. Leider kam dann ein Gewitter, aber es war
trotzdem herrlich alleine an einem Tisch in einem lichten Auwald zu speisen.
Gegen den Regen spannten wir schnell ein Segel zwischen den Bäumen.
In der Bucht gab es auch Graureiher, denen wir vom Boot aus zusehen konnten,
wie sie in der Bachmündung auf Fischfang gingen. Vom Ufer aus konnte
man Eisvögel beobachten. Im Wald war auch eine Quelle, die einen Brunnen
am Ufer speiste. Man konnte die ganze Zeit das Wasser plätschern hören,
so ruhig war es in der Bucht. Von Göcek am Nordende des Golfes von
Fethiye machten wir dann eine 600 km Taxifahrt mit 2 Autos nach Pamukkale,
was Baumwollfestung bedeutet, weil die Sinterterassen der Thermalquellen
wie eine Festung über der Ebene im Tal mit den Baumwollfeldern aufragen.
Die
Quellen waren bereits in der Antike bei Römern und Griechen bekannt
und als Heilbäder geschätzt. Die Quellfassungen, Leitungen und
Bauwerke des antiken Hierapolis sind noch gut erhalten und wir haben alles
ausführlich besichtigt. Vom Zeitlauf und vom Erdbeben zerstörte
Tempel mit herrlichen Steinmetzarbeiten in verschiedenen Steinen (Marmor,
Basalt, etc.) liegen in Teilen wie ein gigantisches Puzzle herum und andere
Bauwerke wie das Theater von riesigen Ausmaßen sind noch so gut erhalten,
daß man nach wenigen Reparaturen wieder spielen könnte.
Auf dem Rückweg machten wir bei Kale noch einen 50 km Abstecher nach Aphrodisias, einem heute kleinen, unbedeutenden Ort der nach dem heiligen Bezirk der Aphrodite aus der Antike benannt ist. Dort besichtigten wir erneut ein gut erhaltenes Theater, einen riesigen Ausgrabungsbezirk, der noch nicht völlig freigelegt ist und deshalb wegen der Erstveröffentlichungsrechte auch noch nicht fotografiert oder gar gefilmt werden darf. Die römischen Bäder aus späterer Zeit sind noch mit den Originalmarmorplatten verkleidet und in einem genauso alten Marmorbecken waren Goldfische. Das griechische Odeon und ein späterer, wohl umgewandelter Erzbischofssitz waren auch noch perfekt erhalten. Am meisten beeindruckte mich aber das griechische Stadion von einigen hundert Metern Länge, das völlig erhalten ist. Dieses Stadion muß Platz für zig-Tausende von Menschen gehabt haben.
Wie ich aus unserem Segelführer ersehen konnte, werden wir hier an der ehemals lykischen Küste noch manches herrliche antike Bauwerk bewundern dürfen. Morgen werden wir gleich einige Stätten hier bei Fethiye besichtigen, wir werden dann auch zu einem zugänglichen Felsengrab, einem sogenannten Tempelgrab kommen. Bei den Tempelgräbern wurde nicht nur eine Eingangsfassade aus dem gewachsenen Fels der senkrechten Felswand gehauen, sondern ein Vorderteil eines Tempels mit Säulen, Dach, Fries und Kapitellen. Die ganze Gegend hier ist voll davon, aber sie sind unterschiedlich gut erhalten und vor allem sind nicht alle zugänglich an den schroffen Felswänden aus gelb verfärbtem Gestein. Wenn hier eine Felswand mit senkrechtem Abbruch gelb ist - es gibt auch rote, graue und schwärzliche - dann kann man damit rechnen, zumindest ganz einfache Felsengräber mit einem viereckigen Eingang zu finden. Wir tragen aus den verschiedensten Quellen Wissen zusammen und man erkennt dann oft, welche alten Zusammenhänge und Ursachen die verschiedensten Phänomene haben. Einiges zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, die Kulturen oder Religionen. Für einen Brief ist das alles zu komplex. Da wird nächstes Jahr viel persönlich zu erzählen und berichten sein.
Gestern
waren wir in Ölü Deniz, dem "Traum in Weiß, Grün und
Blau" wie die Postkarten und Poster sagen. Eine Laune der Natur, oder ein
statistisches Gleichgewicht von Abtragung und Anschwemmung haben eine tiefe
lagunenartige Bucht geschaffen, die davor einen langen Strand mit weißem
Kies hat und das tiefblaue Wasser ist von hohen grünen bewaldeten
Bergen umgeben. Wir haben unmittelbar in der schmalen Einfahrt zur Bucht,
die für Boote aus Naturschutzgründen gesperrt ist, geankert und
machten mit langen Leinen zu den Bäumen am hohen Ufer fest. Obwohl
die Durchfahrt sehr schmal ist, hat sie doch 8 bis 30 m Wassertiefe. Direkt
am Ufer sind noch 6m und unser Anker verlor sich sehr schnell auf 20 m,
wo er noch schwach sichtbar war. Wir hatten völlig ruhiges und soweit
absehbar sicheres Wetter, denn normalerweise liebe ich solche "Mausefallen"
nicht. Wie wir gestern einliefen, war der Strand voller Menschen, aber
heute früh bei Sonnenaufgang (ich stehe immer mit der Sonne auf) war
noch alles menschenleer. Ich bin hinter der Arion die Felsen hinaufgeklettert
und habe die Bucht und den Strand gefilmt.
Da es jetzt schon um 17.30 dunkel wird - bei Euch ist es eine Stunde früher - gibt es lange Abende mit viel Zeit. Wir haben daher die letzten beiden Abende Monopoly gespielt und hatten sehr viel Spaß dabei. Ich habe nie gewonnen, war aber auch nicht zuerst pleite. Es ging immer bis fast Mitternacht und danach gab es immer einen schönen Sternenhimmel ohne störendes Streulicht zu sehen. Jeder Tag bringt uns sehr starke Eindrücke in einer bunten Vielfalt. Der Nachthimmel ist aber auch hier bei aller Pracht nicht bunt. Vielleicht komme ich zu sehr ins Schwärmen, aber wem das Herz voll ist, dem geht die Schreibmaschine über.
Dieses Wochenende werden wir auch Karl und Monika wieder treffen, die wir nur kurz für die Ladungsübergabe in der Bucht von Marmaris getroffen haben. Sie hatten etwas komische Chartergäste an Bord und so haben wir uns nicht lange aufgehalten. Leo und Hilde mit Sohn von der "Waftun" sind auch hier. Wir kennen uns zwar nicht sehr gut, aber jeder weiß, wer der andere ist. Karl von der Koala kennt sie besser, weil er während des Baus der "Koala" immer für Leo gearbeitet hat (Innenausbau mit Rigips). Das war ein gut bezahlter Winterjob. Ob Leo die Firma aufgegeben hat, weiß ich nicht. Auch andere bekannte Boote trifft man immer wieder. Die Welt ist in dieser Hinsicht nicht besonders groß.
Dadurch, daß Omar türkisch spricht, haben wir hier schnell zu Einheimischen Kontakt gefunden und viel Einblick in die Lebensart bekommen und wie auch alles so läuft. Eine große Überraschung sind zum Beispiel die einheimischen Restaurants, die prima Essen für Spottpreise bieten. Essen mit Getränken für 6 Personen, je nach Vorspeisen 15,- bis 40 ,- DM für ALLE! Ganz hervorragend sind hier auch die süßen Gebäckarten, wie z.B. Baklava! Mh. Mh,.... seitdem trinken wir oft nachmittags Kaffee. Wir essen also recht vorzüglich in der Türkei. Nur der Rinderbraten, den ich gestern mittag gemacht habe, war zur Hälfte zäh, weil uns der Bursche zu einen Bratenstück ein Stück Suppenfleisch servierte. Aber wir haben gute Zähne und die Soße war für beide Stücke gut.
Jetzt sind wir wieder nach Göcek gefahren, weil hier die nächste Verbindung nach Dalaman (Flughafen) ist. Morgen ganz früh werden die Füssener aussteigen. Papiermäßig ist schon alles klar bei den Behörden in Fethiye. Heute waren wir in einer zerstörten Stadt Kalamyssos - ursprünglich 10.000 Bewohner, sie wurden im griechisch/türkischen Krieg 1920 vertrieben oder umgebracht. Sahen dann auch die Felsengräber in Fethiye. Alles sehr interessant. Wenn man jemand dabei hat, der türkisch kann, wird man doppelt nett behandelt. In Kalamyssos wurden wir mit Blümchen verabschiedet.
* * * * *
Ich finde es toll, daß Du Dich so gut um unsere Post kümmerst. Bei Karl und Monika sollte sich der Vater darum kümmern, aber er schickt sehr wenig nach. So stürzten sich die beiden auf unsere TO-Hefte und meinten, viel Post würde zu Hause liegen. Dabei freut man sich doch so über jeden Brief. Claudia wartet auch schon sehnlichst auf einen Brief von ihren Eltern.
Für
den Ausflug gestern nach Xanthos, Letoon und Patara hatten wir mit dem
Wetter Glück. Es war zwar mal sonnig, mal kühl, aber es blieb
trocken. Heute regnet es fast an einem Stück. Xanthos war eine große
Anlage. Es ist nicht alles ausgegraben und vieles ist mit Büschen
Überwuchert. Überall kommen die Blumenzwiebel durch und die kleinen
Alpenveilchen blühen schon. Patara (Geburtsort vom Hl. Nikolaus) wird
langsam von Sanddünen überdeckt. Letoon ist eine kleine Anlage,
erst in den 60er Jahren von einem dt. Archäologen ausgegraben. Es
handelt sich um eine Tempelanlage mit 3 Tempeln, die Leto, Apollo und Artemis
gewidmet waren. Ein kleines Mosaik mit einer Lyra (Apollo) und Pfeil und
Bogen (Artemis) sowie ein Rosenmuster war zum Schutz mit Sand bedeckt.
Wir haben ein wenig durch den Sand gespitzelt, die Farben waren wunderbar.
Man sollte auf so einem Ausflug einen Besen mitnehmen! Weiße Schuhe
eignen sich jedenfalls schlecht zum Freilegen von Fußböden.
Gestern nachmittag ging Karl zum Friseur
zum Bartschneiden. Wie der Friseur sah, daß wir filmten, stellte
er sich richtig in Pose. Der Bart wurde gestutzt, Hals und Wange mit dem
Messer rasiert, Gesicht massiert und dann wurde er so einparfumiert, daß
er 5 Meilen gegen den Wind geduftet hat. Alles in allem für DM 1,20.
Die sonstigen Neuigkeiten hat Karl nach Oberdeusch geschrieben. Martina und Christian schönen Dank für die persönlichen Zeilen, und nur weiter so in der Schule!
heute mal wieder ein Brief an Dich. Wir wechseln ja immer etwas ab, damit jeder Post bekommt.
Wir haben heute wieder einmal einen Tag
mit strömendem Regen, aber es gibt dafür um so schöneres
zu berichten. Die Großwetterlage hat sich heuer schon sehr früh
auf die Ausbildung eines starken Rußland-Hochs eingestellt. Das bedeutet
für uns, Kaltlufteinbrüche über den Balkan in die Ägäis
und somit über dem warmen Meer Regen und Gewitter. Für Euch wird
es einen kalten Winter bedeuten, zumindest meint das Heinz, der immer auf
Amateurfunk Wetter macht.
Es ist zwar noch nicht lange her, daß
ich einen Erzählbrief aus Kalkan geschrieben habe, aber in der Zwischenzeit
haben wir schon wieder viel erlebt und noch mehr gesehen. Wir sind nach
starken Regenfällen und Gewittern am Mittwoch von Kalkan zusammen
mit der "Koala" ausgelaufen. Bei zunächst leichtem Wind haben wir
alle Segel gesetzt und segelten aus der weiten Bucht heraus. Bald nach
der Kursänderung auf Ost nahmen der Wind und der Seegang zu und wir
segelten unter Groß und Besan auf Schmetterling bei ca. 6 Bft dahin.
Wir hatten kein sehr weites Ziel und waren bald an einigen kleinen Inseln,
Felsen und Klippen vorbei am Nordkap von Kastellhorizon. Wir kamen sofort
in ruhiges Wasser und motorten in die tief eingeschnittene Bucht des Ortes
Meghisti.
Meghisti hatte 1920 etwa 20.000 Einwohner und als wichtiger Handelsstützpunkt wurde es von vielen Schiffen angelaufen. Ich habe in einem kleinen Lädchen am Hafen ein altes Panoramafoto von der Jahrhundertwende gesehen, wo die ganze Bucht voller großer Frachtsegler war. Im türkisch/griechischen Krieg verlor die Stadt dann an Bedeutung und viele Einwohner wanderten aus oder ab. Viele gingen nach Australien und kommen jetzt als "reiche" Ehemalige auf Nostalgietour im Urlaub zurück. Die Insel ist nur durch 1 Sm Wasser von der Türkei bei Kas getrennt. Zu Kastellhorizon gehören noch zwei andere kleinere unbewohnte Inseln der Inselchengruppe. Vom Ort aus führt ein steiler Pfad als weißgekalkte Treppe am Hang hoch in die Felsen und dort im Zickzack bis auf das "Oberland".
Wir
sind hochgestiegen auf unserem Rundwanderweg und waren überrascht,
fast eine Hochalm mit Kühen und Laubwaldgruppen vorzufinden. Es gibt
dort oben, in 285 m Höhe, auch einen kleinen Flugplatz, der die Insel
täglich mit Rhodos verbindet. Die Fähre verkehrt nicht täglich,
da sich der Verkehr sowieso für die paar Leute nicht lohnt. Die Verbindung
ist kostenlos, damit noch einige Leute dort bleiben, weil sonst alles an
die Türkei fällt. Es gibt auch noch einen kleinen Militärposten
und wir sahen auch zwei lächerliche 4 cm-Geschütze in schlecht
betonierten Stellungen unter morschen Planen auf die Türkei gerichtet.
Im ehemaligen Gefängnis der Festung, die selbst nur noch als Ruine
erhalten ist, gibt es ein Heimatmuseum. Wir waren auch im riesigen Kloster
mit zwei großen Klosterkirchen. Der Blick vom Oberland war herrlich,
wie wenn man darüber fliegen würde und das Wasser der Nachbarbucht
war noch blauer und türkiser als von unten betrachtet.
Am nächsten Tag liefen wir dann bei immer noch blauem und wolkenlosem Himmel ohne Wind aus und motorten nicht sehr weit hinter die Insel Köcek zum Ort Kaleügazic, den man wahrscheinlich auf keiner Karte findet. Als Simena war er jedoch mit Sicherheit als bedeutende Stadt bereits 400 v. Chr. auf den Karten und auch im byzantinischen Reich dürfte der Ort bzw. die Gegend als bedeutender Siedlungsplatz mit Festung verzeichnet gewesen sein. Die großartige Lage und unseren herrlichen Ankerplatz mit Blick auf die Festungsmauern und auf Lykische Säulensarkophage ringsherum kann man nicht beschreiben, ich füge daher die kleine Skizze oben bei.
Ein Buch von Lykien mit allen antiken Stätten folgt bald, wenn wir es als Führer nicht mehr benötigen. Im Moment brauchen wir es noch ständig, um anhand der Skizzen und Beschreibungen alles einigermaßen sachverständig besichtigen zu können. Über die Besichtigungen von Xanthos, Letoon und Patara hat Dianne schon im Brief an Brigitte geschrieben.
Gestern besichtigten wir dann von Finike aus mit einem Minibustaxi Myra, Andriake und Arycanda. Wir hatten das Glück an einen Fahrer zu geraten, der siebzehn Jahre in Berlin war und fließend deutsch sprach. Allerdings hat mich dabei die Vergangenheit eingeholt. Er fragte mich gleich, ob ich schon einmal in Finike gewesen sei, und nachdem er plötzlich auch meinen Namen wußte, war alles klar. Er hat jetzt einen anderen Namen und ich habe nicht zu erkennen gegeben, daß ich genau Bescheid weiß. Na ja, er war bereits im Gefängnis in München Stadelheim ein netter Kerl gewesen und ich bin ja nicht nachtragend, das ist das Problem des Amtsgerichts Berlin, denn dort müßte noch ein Haftbefehl offen sein.
Myra wurde drei mal von Erdbeben zerstört.
Das große Erdbeben war 100 n. Chr., aber danach wurde es noch einmal
aufgebaut, bis dann endgültig alles zerstört wurde. Die Basilika
des Hl. Nikolaus steht jedenfalls noch so weit, daß die Großartigkeit
des Bauwerkes noch gut zu erkennen ist. Die
Gewölbe, Kuppeln und Säulen sind weitgehend erhalten und auch
der Sarkophag in einem Seitenschiff, wo die ganzen Bischofsgräber
sind, ist erhalten geblieben. Die Gebeine des Hl. Nikolaus wurden aber
1087 von Kaufleuten aus Bari gestohlen und dorthin gebracht. Bari erbaute
einen herrlichen Dom (wir haben ihn gesehen) und machte mit den Pilgern,
die die Reliquien aufsuchten, wie für die Zeit üblich, sehr gute
Geschäfte. Dies erregte dann den Neid der Bürger von Trani, die
keinen so prominenten Heiligen hatten. Zum Glück kam ein anderer Nikolaus
als Pilger nach Trani, bewirkte angeblich Wunder, starb bald und wurde
noch viel schneller, kurz nach seinem Tod heilig gesprochen. So hatten
die Bürger von Trani auch einen Hl. Nikolaus (Pelegrino) und einen
Wallfahrtsort, mit entsprechenden Einnahmemöglichkeiten. Vielleicht
hatten die damals auch so einen geschäftstüchtigen "Altöttinger-Wirtshaus-Tandler"
(der hinter Waigl zum Glück zurückstecken mußte).
Nach
der Basilika und dem Nikolausdenkmal, besichtigten wir das sehr gut erhaltene
Theater aus römischer Zeit, das direkt an den Felsabhängen mit
besonders schönen Lykischen Gräbern aller drei Typen steht. Andriake
war dann schnell besichtigt, da dort nur wenig erhalten ist. Sehr schön
ist dort allerdings das Granarium, der Getreidespeicher des antiken Hafens,
dem nur das Dach aus Holz fehlt. Es ist ein riesiger Bau von 65 x 32 m
mit acht Kornkammern. Kaiser Germanicus besuchte einmal Andriake mit seiner
Frau und von diesem Anlaß stammen auch noch einige Bauwerke .Der
Apostel Paulus war auf seiner Seereise auch dort. Er fuhr von dort aus
nach Rom. In der Bibel steht zwar Myra, aber das stimmt nicht, weil Myra
selbst keinen Hafen hatte. Entlang der Küstenstraße, die erst
vor etwa 18 Jahren gebaut wurde, fuhren wir wieder nach Finike zurück,
aßen zu Mittag und fuhren dann in die Berge hinauf nach Arykanda,
das bereits zur Zeit der Lykier, mit Sicherheit bereits 500 v.Chr. eine
Stadt war. Arykanda wird zur Zeit in den Sommermonaten immer noch ausgegraben
und wir sahen Bauwerke der Lykier, Griechen, Römer und Byzantiner.
Arykanda liegt auf 1 000 m Höhe an den Abhängen des Ak Dagh,
der bis auf 3 500 m aufragt. Ähnlich Delphi hat der Ort etwas mystisch
Überragendes, so wie er vor die steilen Felswände an den Abhängen
erbaut wurde.
Von ganz oben, wo der Hang noch einmal zu einer Ebene für das Stadion geebnet wurde, hat man einen herrlichen Blick auf die ganze Anlage und ins Tal mit zum Teil schroffen Schluchten. Zunächst blickt man aber von oben ins gut erhaltene römische Theater und griechische Odeon. Darunter die Stoa und Agora. Seitwärts dann die Bäder und das Gymnasium und dahinter die Nekropole. Das Wasser für die Bäder wurde über 5 Kilometer aus einer Schlucht hergeleitet. Wir sahen in der Schlucht, hoch oben an den Felsen, Mauersimse und aus Stein gehauene Simse, hinter denen Wasser an der senkrechten Felswand entlang lief. Es floß dann zunächst in einen großen Speicherbehälter, der auch noch erhalten ist und wurde dann erst in die Bäder geleitet, wo es dann in beliebiger Menge verfügbar war.
Auf dem Rückweg besuchten wir eine Familie mit einer Fischzucht und kauften lebende, frische Forellen für das Abendessen ein.
Heute früh regnete es dann so stark,
daß wir keine Lust zum Auslaufen und für weitere Besichtigungen
hatten. Wir schliefen lange, erledigten so das Notwendige, tankten Diesel
und Wasser, spielten Monopoly, wir sind ja immer noch mit "Koala" zusammen
und schrieben Briefe. Zum Mittagessen gingen wir wieder in ein Einheimischenrestaurant,
das recht gut ist und wo man für 4,00 DM ein Essen und ein Bier bekommt.
Man kann in die Töpfe gucken und auswählen und die Sachen schmecken
ausgesprochen gut.
4,00 bis 5,00 DM für ein Essen mit
Bier sind hier ganz normal. Das Leben hier ist überhaupt billig und
nach dem teuren Griechenland eine Erholung für den Geldbeutel. Diesel
z. B. kostet pro Liter
46 Pfennige. So können wir es uns
für wenig Geld gut gehen lassen. Wir trinken oft auch nachmittags
Kaffee, da es hier hervorragende süße und billige Backwaren
gibt. Ein Kipf Weißbrot kostet 20 Pfennige. So viel von heute, die
Seite ist auch zu Ende und wir gehen jetzt ins Bett.
Liebe Allgäuer, alle miteinander,
nun sind wir also hier bereits ins Winterlager gegangen und haben Eure Post vorgestern in Antalya bekommen. Vielen Dank für Eure Briefe.
Wir sind jetzt hier in der Marina direkt und gut erreichbar, wenn wir nicht gerade zu Ausflügen unterwegs sind. Wir haben uns nach Abwägen von allem für und wider unter dem Strich überraschend schnell dazu entschlossen, bereits hier zu überwintern. Den Ausschlag gab, daß wir hier noch einen der letzten Plätze bekamen und Larnaka/Zypern keinen Platz mehr hat. Limasol soll zwar noch Platz haben, dort liegt aber die Marina 5 km außerhalb. Der Liegeplatz für einen längeren Zeitraum in einer Marina ist auch billiger als kürzere Zeiten in verschiedenen Marinas. Das Wetter ist jetzt auch plötzlich von der stabilen Sommerlage zur Winterlage umgeschlagen und da ist mit dem Mittelmeer nicht mehr zu spaßen und so zogen wir den sicheren Platz hier, den Ungewißheiten und offenen Fragen vor. In Zypern sind sich auch der Norden und Süden nicht grün und der eigentlich nähere Norden, der auch gegen die hier gefährlichen Südwetterlagen Schutz bietet, kann nicht angelaufen werden, weil einem dann der Süden und auch Griechenland in de nächsten Saison Schwierigkeiten machen.
Der erste Hafen im Süden ist nach
Süden offen und bis Larnaka muß man dann noch um die halbe Insel
herum. Bis jetzt hätten wir auch nicht rüberfahren können,
weil es seit unserer Ankunft hier mit 6 bis 9 Bft. stürmt und wir
sogar im sicheren Hafen schaukeln. Wir haben eben doch auch hier Mitte
November, wenn wir auch erst letzte Woche noch beim Schwimmen waren. Jetzt
ist es nachts 10 °C kalt und am Tage haben wir um die 20 °C. Seit
letztem Sonntag haben wir, nach Wolkenbrüchen nur blauen Himmel und
Sturm.
Wir waren wegen zu starkem Südwest
mit 4 m Wellen noch in Finike geblieben, haben auf beiden Schiffen mit
dem Generatorstrom von "Koala" gewaschen (der Generator war ja Teil unserer
Ladung) und im warmen starken Wind war die Wäsche im Nu trocken. Von
Finike nach Kemer (41 SM) konnten wir zum Teil segeln, mußten aber
dann den größeren Rest motoren, schon um hier noch gerade beim
letzten Büchsenlicht anzukommen. Die Tage sind jetzt schon sehr kurz.
Wir merken nur nicht so, daß es so spät im Jahr ist, weil es
immer wieder Tage wie im Sommer gibt. Der jetzige Nordwind ist aber schon
sehr frisch und die Luft ist voller feiner Salzkristalle. Unsere Scheiben
werden langsam blind, das Fahrrad auf der Pier ist wie überzuckert
- blöder Ausdruck - es ist ja Salz! Es spritzen auch Wellen über
die Mole, die mindestens 5 m hoch sind.
Die Marina ist eine sehr schöne Anlage, ist bestens organisiert und wird auch sehr gut geführt. Es gibt hier außerhalb einen sehr guten und sauberen modernen Metzger. Wir haben gestern Rinderlendensteaks gekauft. Das Kilogramm für 7,00 DM!! Wie wir in Antalya waren, haben wir in einem Einheimischen-restaurant gegessen. Pro Person 2,00 DM, allerdings ohne Getränk. Ich hatte Reis, Auberginen mit Hackfleisch und Blumenkohl. Diese Restaurants, in denen man die fertigen Speisen von den Töpfen und Platten aussuchen kann, haben sehr schmackhaftes und vor allem von Soßen nasses Essen, wie ich es ohnehin gerne mag. Auch Claudia findet immer abwechslungsreiche vegetarische Gerichte.
Wir werden jetzt unseren längeren Türkeiaufenthalt zu Ausflügen nutzen. Wir waren bereits in Antalya in einem Reisebüro. Ein Angestellter, der lange Zeit in Bayern lebte und fließend Deutsch sprach, gab uns viele gute Hinweise. Er konnte uns auch Preise und sonstige Dinge sagen und machte dies ohne Möglichkeit, an diesen Dingen zu verdienen. Wir waren zu fünft dort und bekamen sofort erst einmal ein Glas Tee. Die Leute sind sehr freundlich hier. Man hat manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn man daran denkt, wie es den Türken oft in Deutschland geht. Wir sitzen zu oft grundlos auf dem hohen Roß.
Claudia ist gerade vom Telefonieren mit ihrer Mutter zurückgekommen und hat sich die Öffnungszeiten des Marinabüros aufgeschrieben. 8.30 - 12.30 und 13.30 - 17.30, bei Euch ist das jeweils eine Stunde früher, also 7.30 etc. Die Post nach hier war sehr schnell. Nur 3 Tage!!
Ich habe Mike direkt geschrieben, er wird sich dann schon melden, wenn er nach Weihnachten kommen möchte. Jürgen ist natürlich auch herzlich willkommen, wobei der Februar hier noch regnerisch sein kann. Es gibt hier nur zwei Jahreszeiten - Sommer und Winter - die schnell ineinander übergehen. Aber fürs Tagessegeln gibt es immer Möglichkeiten und die Küste von hier nach Südwest hat viele schöne Plätze.
Habt Ihre eine Karte der Türkei mit entsprechendem Maßstab? Wenn wir von Orten schreiben, gehen wir immer von den Seekarten aus und da sind natürlich alle Details drauf.
Gestern
haben wir unser Tandem aufgebaut und sind jetzt mobil. Nach Antalya nehmen
wir allerdings ein Dolmus (Sammeltaxi). Das kostet für die 40 km nur
70 Pfennige. Wenn Karl und Monika nach München fliegen, das geht über
Istanbul, werden wir zusammen mit dem Bus dorthin fahren. Der Expreßbus
kostete für die 8 - 10 Stunden Fahrt 20,00 DM (in Lira kommen noch
drei Nullen dahinter). Der Kurs war im Oktober 942 TL für die Mark,
ging dann auf 1060 TL rauf, dann auf 935 TL herunter und ist jetzt bei
942 TL/DM. Es würde mich interessieren, wie der Kurs jeweils ist,
wenn Visa abrechnet. In Griechenland habe ich nach Deinen Angaben umgerechnet
und das war sehr günstig. Vielen Dank übrigens für die Mühe,
die Du Dir mit dem ganzen Finanzgeschäft machst. Für uns ist
das so eine tolle Hilfe und Unterstützung.
Unser Leben hier ist auch nicht so sorglos, wie es scheint. Die Entscheidung hier zu bleiben, hat mich eine halbe schlaflose Nacht gekostet und da habe ich den knarzenden Leinen zugehört und dem Heulen des Sturmes. Das war die richtige Melodie. Die Probleme sind eben nur anders. Den Problemen des Lebens kann man eben nicht entfliehen, man muß sie eben nehmen und nach Möglichkeit so steuern, daß es einen nicht überrollt.
Jetzt ist es schon wieder fast dunkel geworden. Ich mußte den Brief fürs Mittagessen unterbrechen, dann bin ich mit Claudia mit dem Rad zum Pulli einkaufen gefahren. Sie hat gestern welche für ihren Vater ausgesucht, da war aber Dianne dabei und jetzt wurde ich als Dressman, wegen der Größe gebraucht. Wir radelten dann noch durch den neu gebauten Ort, mit vielen Ferienwohnungen und Appartements. Hier gleich hinter dem Hafen wurde auch noch ein riesiges Hotel gebaut, das zwar fertig, aber noch nicht bezogen ist. Wir gingen dann noch auf die Klippen der Halbinsel hinauf, von wo aus man gut über den Hafen und das Meer schauen kann und schauten den Brechern unten in den Felsen zu. Obwohl hier nur 20 Sm Fetch (=Laufstrecke) sind, gibt es ganz schöne Wellen. Eine halbe Sm nördlich der Hafeneinfahrt sind auch Untiefen mit weniger als 2 m Wasser. Dort ist alles weiß vom Schaum der Brecher.
Als wir zurückkamen, gab es selbstgebackenen Apfelkuchen. War prima gelungen. Wir gingen auch noch schnell im Hafenshop. Der ist zwar kleiner als das Geschäft in Zell, hat aber alles was man so braucht zu einem akzeptablen normalen Preis.
Gestern waren wir zum Einkaufen von frischen Sachen auf dem Bauernmarkt im Ort. Dort geht es richtig orientalisch bunt zu. Man bekommt alle landwirtschaftlichen Produkte, auch Bekleidung und Hausrat. Der Markt findet jeden Freitag statt. Frische Sachen gibt es aber jeden Tag an Verkaufsständen und in kleinen Straßengeschäften. Sobald wir unseren endgültigen Liegeplatz haben - im Moment wird wegen des Windes nicht gekrant und deswegen ist auch kein anderer Platz frei - werden wir Stromanschluß haben und einen Videofilm für Euch aus unseren bisherigen Kassetten zusammenschneiden. Ihr werdet dann auch einen Eindruck von der Landschaft um die Marina gewinnen. Die Berge gleich hinter Kemer sind zwischen 1000 und 2300 m hoch. Nochmals dahinter ragt dann das Massiv des Ak Dagh mit 3500 m auf, auf dem bereits viel Schnee liegt.
Außer nach Istanbul, planen wir noch eine Reise mit dem Bus nach Tasucu, das ist ein Hafen, 180 SM östlich, um von dort mit der Fähre nach Girne in Nordzypern zu fahren und dort eine Rundfahrt von einigen Tagen in diesem "türkischen“ Teil von Zypern zu machen. Wir können da unsere Zweitpässe benutzen, dann merken nächstes Jahr die Griechen nichts. Nur wenn man mit dem Boot dorthin kommt, gerät man auf schwarze Listen, die durch Spitzelmeldungen aufgestellt werden. Bescheuerte Welt! Mit dieser Ausreise läuft die Frist für unseren Aufenthalt in der Türkei auch wieder neu an, so daß wir mit der Aufenthaltsdauer keine Probleme haben werden. Wir wollen auch noch die antiken Orte bei Antalya, wie Aspendos, Thermessos und Perge besuchen. Das können wir aber gut in Tagesausflügen unternehmen.
Das
Theater in Aspendos (20.000 - 25.000 Plätze) ist noch einschließlich
Bühnengebäude erhalten. Bei allen anderen, die wir bis jetzt
gesehen haben, und das waren viele, war dieser Teil vom Zahn der Zeit oder
von Erdbeben zerstört. Wir haben heute ein Büchlein über
Aspendos gekauft, das werden wir später Mutti schicken, dann kann
sie alles mitverfolgen und über die Geschichte dieser Gegend nachlesen.
Ich lese immer noch in verschiedenen Damals-Heften. Die neuen habe ich noch nicht angefangen. Da ist die richtige Lektüre, wenn man durch so eine geschichtsträchtige Gegend reist.
Wegen Eures Urlaubs nächstes Jahr wären die Ionischen Inseln gut mit Charterflügen zu erreichen und die Griechen machen z.Zt. weniger Schwierigkeiten bei Crew-wechsel als die Türken. Für die Füssener habe ich 300 Dollar Gebühr?? bezahlt!! Sizilien wäre evtl. auch etwas oder Italien. Egal wo und wann, Ihr seid herzlich willkommen und eingeladen.
Übrigens es fällt mir gerade ein, wie ich in Finike so ins Hafenbecken schaute, mußte ich zweimal hinschauen, bis ich es glauben konnte. Ein großer Delphin drehte im Hafen seine Runden, dort wo er tauchte, sprangen die Fische aus dem Wasser und die Möwen stürzten sich sofort darauf. So war Aufregung im Hafen. Ich sauste gleich nach der Kamera und hoffe es wurde etwas. Habe den Film noch nicht betrachtet.
* * * * *
Eisenberger!Kemer, 4.12.88
Liebe Eisenberger usw.!
Es war schön, gestern mal wieder
miteinander zu telefonieren. Leider wurden hier die Postgebühren und
Telefongebühren erhöht und so rauschen die Einheiten doppelt
schnell oder doppelt teuer durch. Ich sitze gerade alleine im Salon und
schreibe im Sonnenschein, während auf der deutschen Welle "Grüße
aus dem Heimathafen" laufen. Claudia ist nach Antalya gefahren und Dianne
ist auf einem amerikanischen Boot bei Ruth-Anne, um die Vorbereitungen
für eine gemeinsame Weihnachtsfeier am 25. und eine Silvesterfeier
zu organisieren. Dianne ist sozusagen Mittler zwischen den Welten aus englisch-
und deutschsprachigen Bootsbesatzungen. Vorgestern abend hatten wir auch
wieder eine Cocktailparty im Yachtclub und wir haben einige neue Leute
kennengelernt. Ich habe mich sehr lange mit Gönül, der zypriotischen
Frau von Hassan dem Marinadirektor über Politik usw. unterhalten.
Heute
nachmittag sind wir bei Gönül eingeladen. Ihr Vater war Minister
in der Regierung von Makarios.
Zu Weihnachten sind einige Yachties abgefahren,
dafür sind aber andere wiedergekommen. Es ist eine nette Gemeinschaft
hier. Jede Kleinigkeit, die man hier im Hafen macht dauert länger,
weil man jemanden trifft, mit dem man erst mal ratscht. Die Leute bei uns
zu Hause haben für diesen eigentlich selbstverständlichen Kontakt
meistens keine Zeit mehr, dafür schaut man sich dann unverbindlich
eine blöde voyeuristische Fernsehserie wie z.B. Lindenstraße
an, anstatt Nachbarschaft selbst zu leben.
Aber jetzt will ich der Reihe nach über
unsere Zypernreise berichten. Und darüber gäbe es wirklich sehr
viel zu sagen, aber ich will es etwas kürzer machen. Mike werde ich
dann wieder ein Videoband mitgeben, denn wir haben bei schönstem Wetter
sehr viel filmen können. Wir waren ganz begeistert.
Am Montag fuhren wir los, d.h. ich fuhr
2 Stunden voraus, um die Karten zu holen und war dann in der Marina in
Antalya, um dort mit den Leuten ein wenig zu ratschen. Es sind dort auch
Münchener, die wir schon von Jugolsawien und über Koala-Karl
her kennen. Wir hatten dann bei schönstem Wetter - Engel reisen usw.
- eine sehr interessante Fahrt nach Tasuçu bei Silifke. Wir fuhren
zunächst durch überschwemmte Ebenen mit Baumwollfeldern bis Side,
der antiken Siedlung, und dann wurde es immer südlicher mit immer
mehr Bananenplantagen statt Orangen. Alanya war dann die letzte größere
Stadt in der Ebene. Alanya hat auch eine große Festung aus Kreuzritterzeiten
auf dem Felsen, der sich direkt über den Hafen in der Ebene erhebt.
Und dann wurde es bergig. Die Sylvretta ist eine Radltour gegen diese Bergstraßen
entlang des Taurosgebirges nach Tasuçu. Es war zeitweilig wie ein
Flug entlang der Küste. Die Straße geht über weite Strecken
recht weit oben entlang. "Tausend" Kurven hinauf und dann wieder hinunter
zu den Tälern zwischen den Kaps. Kap Anamur mit seiner Kreuzfahrerfestung
sahen wir noch im Tageslicht und dann wurde es ein Nachtflug. Um 19.30
kamen wir in Tasuçu dem neuen Fährhafen an und leider erfuhren
wir erst dort, daß sich der Fahrplan gerade heute änderte und
die 24 Uhr Fähre nicht mehr fährt. Aber das ist die Türkei,
alle sind nett, hilfsbereit und willig, aber Organisation ist ein Fremdwort,
das durch "Yes Okay" oder "Problem" ersetzt wird. Dabei bedeutet beides
das Gleiche. (oder auf bayrisch: "Nix Gwieß woas ma net").
Ein williger, netter und hilfsbereiter
Angestellter der nicht fahrenden Fährlinie ging mit uns durch den
Ort zu einer neuen sauberen Pension, ebenso neu wie der Hafen und dolmetschte
für uns engl./türk. Nach einem Dankeschön verschwand er
wieder um uns am nächsten Tag gleich wie alte Freunde wieder am Hafen
zu begrüßen. Wir bekamen ein Dreibettzimmer (Familie mit Tochter!),
tranken im Aufenthaltsraum beim türkischen Fernsehen mit einigen anderen
Gästen noch einige Efes-Pils und nach einer guten Nacht frühstückten
wir in der Sonne neben blühenden Geranien auf der Terasse. Wir bezahlten
dann für das Zimmer mit Dusche und WC, Frühstück und Bieren
21 DM aber nicht pro Person! Wer hier als Neckermann 80 bis 120 DM im Hotel
mit Halbpension bezahlt ist selbst schuld.
Wir gingen zu den Fährbüros
und buchten eine Hin- und Rückfahrt auf der "Barbaros" einer Schnellfähre,
die nach Auskunft am Abend um 14 Uhr gehen sollte. Aber das war wieder
türkische Auskunft und türkischer neuer Fahrplan. Auf dem Ticket
wurde dann bereits 15 Uhr eingetragen und um 17 Uhr fuhren wir tatsächlich,
denn der neue Fahrplan mußte erst ausprobiert werden, weil man die
Zeiten nicht planen "konnte". Am deutschen Wesen soll die Welt genesen,
soll man nicht sagen, aber denken darf man es schon, wenn man diese liebenswürdige
Pfuscherei erlebt. Aber noch war der Tag nicht zu Ende. Auf der Fähre
kotzten sich die Türken erst mal bei leichtem Seegang die Seele aus
dem Leib, weil ein Türke ein Landbewohner und kein Seemann ist. Die
Flotte der Osmanen bestand auch aus keinem einzigen Türken!
In dieser Flotte fuhren nur allerlei seefahrende Vasallen. In Lepanto war
nur der Chef Osmane und wie sah das Ergebnis aus?
Die Mitreisenden auf der Fähre kamen
schon angstschlotternd an Bord und nach einigen Schweißperlen auf
der Stirn wußte man jetzt ist es soweit. Wir haben uns mit einem
jungen zypriotischen Steward angefreundet, der sich gerne und lange mit
uns unterhielt. Ich sprach dann noch den Bordtechniker an und kam so in
den Maschinenraum dieses Schnellbootes. Vor einem Jahr in Australien aus
Alu gebaut, 2x dt. MTU Diesel je 1.500 PS, 137 t, 40 m lang, 40 Knoten
max, 26-28 Kn normal. (Manchmal wünsche ich mir, Christian wäre
dabei). Nach fast genauso gut organisierten Ankunftsabfertigungen fuhren
wir mit einem Dolmus nach Girne(= Kyrenia griechisch), bzw. wir hatten
das vor. Der Fahrer wußte das auch, aber ein Türke denkt an
viel, redet viel, gerade während des Fahrens und so ging es plötzlich
den Berg hinauf. Wir dachten, eine Hafenstadt liegt doch am Meer und reklamierten.
Mit viel Bedauern sagte der Fahrer er würde uns von Lefkosa (= Nikosia
griechisch) wieder nach Girne zurückbringen. Er bot uns den unerwünschten
Umweg sogar für den Preis Fährhafen bis Girne an, aber wir entschlossen
uns wegen der späten Zeit in Lefkosa zu bleiben. Leider sind aber
die meisten Hotels in Lefkosa im Südteil und so fanden wir nur eine
Absteige für 12.000 TL (1000 TL = 1 DM) das Dreibettzimmer. Es war
aber leidlich sauber und man konnte es eine Nacht aushalten, so sah ich
es, aber die Damen waren etwas weniger glücklich. Am nächsten
Tag fuhren wir dann nach Girne zurück und schlugen dort in der Swan-House
Pension unser Hauptquartier auf. Blick gleich auf den Hafen 25.000 das
DZ mit Dusche und 15.000 das EZ mD. Am Nachmittag besuchten wir dann das
Schiffswrackmuseum in der Zitadelle und die Zitadelle selbst, gleich am
Hafen. Amerikanische Archäologen haben vor Girne ein 300 vor Chr.
gesunkenes Schiff gehoben. Das ist mit Ladung (Amphoren mit Mandeln und
Mühlsteinen) dort ausgestellt. Früher waren in dieser Festung
die Royal Guards (brit.).
Die Zitadelle hat eine sehr lange und
bewegte Geschichte, wie alles hier in der Gegend. Noch in den 50er Jahren
haben sie die Engländer als Festung und Gefängnis für die
EOKA-Kämpfer benutzt, dann wurde sie nationales Monument. Admiral
Sadik Pascha ist dort in einem Sarkophag im Eingangsbauwerk beigesetzt,
er hat 1570 Kyrenia für die Osmanen erobert. Die Lusignan-Könige
und vor allem die Venezianer haben die Festung stark ausgebaut. Die Festung
ist, wie die anderen Stadtfestungen auch, völlig erhalten und wir
gingen richtig auf Abenteuerbesichtigungen, wie wir in die Verließe
unter den mächtigen Eckbastionen hinuntergingen. Schräge Stollen
führten in ein Gewirr von Gewölben und Verließen. Wir tasteten
uns mit einem Feuerzeug als Licht hinein und machten mit einer Zeitung
ein Feuer, um etwas zu sehen. In 1319 ließ man 22 aufständische
Adelige und Ritter dort unten aneinander-gekettet verhungern. Die Herrschaften
der Insel wechselten sich nicht immer auf die feine Art ab. Dieser Brauch
gilt auch noch heute.
Am
nächsten Tag fuhren wir mit einem Taxi 950 m hinauf, um die Burgfestung
St. Hilarion zu besichtigen. Über Jahrhunderte war dort auf 4 verschiedenen
Höhenebenen um einen Berggipfel herum eine Burganlage von unvorstellbaren
Ausmaßen geschaffen worden. Einige Teile sind noch sehr gut erhalten,
so z.B. die beiden Anlageteile aus verschiedenen Zeiten, wo die Königsgemächer
waren. König Richard Löwenherz und Friedrich II waren dort. 9
Monate wurde die Burg belagert. Unzählige Schicksale spielten sich
dort ab. Beim Filmen passierte mir dann der Bolzen, daß ich vor lauter
Konzentration auf die Kameraführung, beim Text von Prinz "Eisenherz"
sprach, der wohl auch schon durch diesen Torbogen geritten sei! Haha, was
redet man für einen Blödsinn, wenn der Streß einer Liveaufnahme
einem das Gehirn abschaltet. Wir haben schön gelacht, dabei habe ich
die Eisenherz--Heftchen gar nie gelesen, Mutti liebte schließlich
noch nie Comics.
Friedrich II reiste dieses Jahr wohl immer
mit uns, Mutti hätte ihre wahre Freude an all den Orten, die er besucht
und vor allem mitgeprägt hat. Von der Burg fuhren wir mit dem Taxi
gleich nach Bellapais. Ursprünglich ein Augustinerkloster aus 1200,
wurden die 1121 vom Hl. Norbert von Magedeburg gegründeten Prämonstratenser
etwa 100 Jahre später von den Lusignans nach Zypern gerufen. Das Kloster,
ein selbst als gut erhaltene Ruine noch sehenswerter schöner gotischer
Bau liegt am Fuß der Höhenzüge über dem Meer in einer
blühenden herrlichen Landschaft mit wunderbarem Ausblick. Bei ebenso
schönem Wetter war es , wie schon von der Burg aus, ein königlicher
Ausblick für uns. Das ist oft so schön, daß man laut singen
möchte! Und die Touristen, die mit ihrer Hektik und Unfähigkeit
sich einzufügen so oft stören, fehlen hier auch.
Den Abend verbrachten wir dann, wie die
anderen Abende auch, in einer netten Hafenkneipe in einem Gewölbe
am Hafen von Girne direkt unter unserer Pension mit Blick auf Hafen und
Zitadelle.
Am Nachmittag, den ich jetzt fast vergessen
hätte, waren wir in Lefkosa, besichtigten die kreisrunde Festung um
die Stadt, die die Venezianer zwar nicht gratis aber umsonst in nur drei
Jahren gebaut hatten. Die runde Anlage mit 11 sternförmig vorspringende
Bastionen ist noch vollständig erhalten und wir gingen ringsherum,
soweit es die geteilte Stadt zuließ. Die Hauptmoschee der Stadt mit
ihren weithin sichtbaren Minaretten war dann die größte Überraschung:
Lefkosa und Famagusta haben "gotische" Moscheen! Das sieht vielleicht fremd
aus. Die gotischen Kathedralen wurden ihres Innenschmucks beraubt, innen
weiß getüncht und so zur Moschee. Ein alter Museumswächter
sprach uns an und sperrte uns dann noch einige sehenswerte alte Holztore
auf und wir besichtigten die Bibliothek des Sultans Mahmud II, ein Lapidarium
mit Kreuzritterwappen aus Stein, eine andere verfallene gotische Kirche
mit Grabplatten der Kreuzritter usw. Die Demarkationslinie mit Wachtürmen
der beiden Seiten und der UN war dann sehr deprimierend. Zwar weniger perfekt
als die Berliner Mauer, halt südländisch aus Wellblech zusammengeschustert,
aber erst diese Woche wieder für einen Nordzyprioten ebenso tödlich.
Am nächsten Tag fuhren wir dann mit
dem Bus bei einem Gewitter mit Dauerwolkenbruch, weil wir mit der Wolke
mitfuhren, nach Famagusta. Dort klarte es aber auf und wir gingen zum Teil
zusammen um die Stadt. Ich ging völlig herum, weil ich mir schon vorgenommen
hatte, an der Festung entlang um die Stadt zu gehen. Die Stadt ist praktisch
völlig innerhalb der Festung gelegen, die aber nicht so symmetrisch
wie die von Lefkosa ist. Sie ist ja auch älter und nach und nach entstanden.
Shakespeare hat hier seinen Othello her. Ein Venezianer hat nämlich
seine vermeintlich untreue Frau in einem Turm der Zitadelle (jetzt Othello
Tower) ermordet.
Die anderen Bastionen an den Ecken der
riesigen Festungsanlage sind jünger aber noch wuchtiger. Wir besichtigten
dann auch noch die Moschee, die auch "gotisch" ist und einige gotische
und byzantinishe Kirchen-ruinen. In der Moschee wurden wir vom Kustodian
hereingerufen und er zeigte uns das Grab des Hl. Nikolaus! Ja das stimmt
sogar, denn der Reliquienraub in 1087 in Myra ging wohl etwas hektisch
zu. Jedenfalls sind nur ein Teil der Reliquien nach Bari gelangt. Einige
sind in Antalya im Museum und andere eben in Famagusta in der Moschee unter
einer wunderbaren weißen Marmorplatte, die ein Bischofsbildnis in
Lebensgröße zeigt und durch eine Glasplatte mit Holzdeckel darüber
geschützt wird. Dieses Grab in der ehemaligen St. Nikolaus Kathedrale
liegt vorne im linken Seitenschiff des dreischiffigen gotischen Bauwerks.
Wir besichtigten auch den großen
Canbulat Turm der Festung, in dem das Grab (hier Türbe genannt) des
türkischen Offiziers Canbulat ist. Er stürzte sich mit seinem
Pferd in eine venezianische Verteidigungsmaschine und ermöglichte
so die Einnahme des Turms. Die Kriegsmaschine war ein riesiges schnell
drehendes Rad mit lauter Messern, das er so blockierte. Die Stadt hat heute
nur noch die Hälfte der 40.000 Einwohner, weil 20.000 "Griechen" geflohen
sind. Es sieht so aus als ob die Griechen mit ihrer Anschlußbewegung
und dem Putsch der Nationalgarde gegen Makarios die jetzige Situation verschuldet
haben. Oberst Grivas mit seinen "Freunden" in der damaligen griechischen
Militärjunta kämpfte für den Anschluß und da waren
die damals 18% "Türken", die sich aber als Zyprioten fühlen,
überzählig gewesen. Der türkische Einmarsch 1974 beendete
das bürgerkriegsähnliche Morden und jetzt stehen die Türken
mit 40% der Insel recht gut da, aber mit der Wirtschaft und ausgebildetem
Personal hapert es. Bei Famagusta steht eine Hochhaushotelstadt leer da,
seit 14 Jahre Geisterstadt. Wenn einer sich hier niederlassen will und
mit wenig Geld seine Existenz gründen will, hier kann er es leicht
und gut machen. Einige Deutsche und vor allem englische Pensionisten haben
das schon gespannt und haben von der Regierung für fast nichts Häuser
geflohener "Griechen" langfristig gepachtet oder billig neu gebaut. Ein
Bauarbeiter verdient hier ca. 100 DM im Monat!!
Nach wiederum perfekt türkisch organisierter
Abfahrt mit 3 1/2 Std. Warten im Stehen und einer langen Nachtfahrt im
Bus kamen wir am Sonntag wieder in Kemer an. Auf der Hinfahrt im Bus und
bei der Rückfahrt auf der Fähre haben wir noch einige Bekanntschaften
gemacht. Zuerst ein junger ägyptischer Landwirtschaftsstudent, der
uns viel über das Reisen nach und in Ägypten erzählte und
uns Notizen in lateinischer und arabischer Schrift mitgab, mit Hotels und
Empfehlungen usw. und dann ein türkischer Soldat, der in Deutschland
in der Schule war und viel Informationen geben konnte. Leider wurde er
wie alle Türken fürchterlich seekrank. Er und sein "Frankfurter"
Kamerad, der so schön hessisch redete, verabschiedeten sich erst im
Bus nach Antalya von uns. Die Leute sind hier alle so freundlich. Wir Deutsche
sind dafür leider nicht gerade berühmt.
Nach den neuesten Informationen über
Ägypten, planen wir auf dem Landweg, das ist spottbillig, über
Syrien Jordanien, Golf von Akaba nach Ägypten zu reisen. Eventuell
im Januar, wenn wir bis dahin noch einige weitere Informationen bekommen.
Das geht mit Bahn und Bus sehr gut. Wir reisen also hier herum wie der
Apostel Paulus mit dem Barnabas. Wenn man Zeit hat, geht das prima. Der
Zug durch ganz Syrien hindurch kostet z.B. nur 8 Dollar. Auch die Eisenbahn
in Ägypten soll so billig sein. Mal sehen, der Winter ist jetzt noch
lang.
Zum Segeln ist es allerdings jetzt wirklich
nicht mehr, denn letzte Woche ist hier bei Kemer ein 300t Schiff mit 26
Menschen untergegangen. Es wurde keiner gefunden.
Bei
der Cocktail Party vorgestern haben wir zwei Deutsche, die hier in einem
Hotel bzw. als Geschäftsführer in einem Restuarant arbeiten,
kennengelernt. Klaus war gestern mit Karl, dem Wiener, zur Frühschoppen
hier und da stellte sich heraus, daß sein Vater, der jetzt pensionierte
Kapitän z.S. Schröder ist, der einmal auf der Marineversorgungsschule
in List auf Sylt für 4 Wochen mein Kommandeur war. So klein ist die
Welt.
Ein anderer Klaus von der TO-Yacht "Amica"
kam heute wieder aus Deutschland zurück und brachte uns ein deutsches
Roggenbrot. Frisches Bauernbrot aus Delta Lima, wie die Funker sagen.
"Meine" Frauen sind, während ich
hier im Salon immer noch schreibe, äußerst geschäftig mit
Waschen, Wäsche zusammenlegen und Weihnachten organisieren. Dianne
verschwindet immer wieder auf ein Boot und flitzte jetzt zum Marinadirektor
zu einer Besprechung. Bis sie zurückkommt wird es wohl Zeit sein zusammen
zum Kaffeetrinken zu seiner Frau zu gehen. Sie wohnen hier in der Marina.
Morgen muß ich noch einmal kurz nach Antalya, um einige Besorgungen
zu machen und dann muß ich noch einen Christbaum stehlen. Man muß
da vorsichtig sein, ein halbes Jahr ins Gefängnis wegen Baumfrevel
gehen oder den Polizisten bestechen. Das wäre zwar nicht teuer, jedenfalls
billiger als ein Baum bei uns, aber ich werde vorsichtig sein, das ist
spannender. Mutti würde jetzt sagen, "Aber Kaaarl!!". Jaja der Orient,
der verdirbt den Charakter!
So jetzt habe ich alles erzählt und
mache noch einen kleinen Hafenrundgang. Werde schon einen Mitspazierer
finden. Achim und Lilo sind heute früh nach Delta Lima gefahren, dafür
kam Bill überraschend wieder zurück. Er hatte sich so auf Weihnachten
mit seinen Enkeln, sie sind gerade in Italien, gefreut, aber bei Denizle
in den Bergen hat sein Auto einen totalen Motorkollaps bekommen und eine
Reparatur geht hier nicht so schnell. Drei Tage hat er jeden Tag vom Hotel
aus den vermeintlichen Fortschritt beobachtet, aber immer brach beim Start
wieder ein anderes Teil zusammen. Jetzt hat er aufgegeben und feiert erst
mal Weihnachten hier mit uns. Er hofft, daß er es dann bis Neujahr
schafft zu seiner Familie zu gelangen.
Weiter der Reihe nach Kapitel 4
Oder erst einmal ein großer Sprung:
Nicht vergessen "Lesezeichen
setzen!"
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