Kapitel 3
Türkei



 
 
 
 
 
 
 
 
 

(Postkarte von Eros auf einem Delphin, Efes, Türkei), 11.10.88
Liebe Mutti!
Vor dem nächsten Brief zwischendurch eine Karte. Wir lagen heute den ganzen Tag in der weiten Bucht von Marmaris vor Anker, badeten und surften. Morgen kommt dann Claudia an Bord. Gestern ankerten wir in einer kleinen Bucht und ein örtlicher Fischer schenkte uns einen 5,5 kg Barsch. Ich kochte daraus Fischsuppe und zwei Mahlzeiten Steaks. Herrlich festes Fleisch. Es war der zweite Zackenbarsch, den ich jemals aß. Was wir bis jetzt von der Türkei gesehen haben, gefällt uns sehr gut. Die Bucht hier ist von hohen bewaldeten Bergen umgeben. Sehr eindrucksvolle Gegend.
Die Post ist gut angekommen. Vielen Dank für Deine Briefe und die "Damals"-Hefte, die mein geschichtliches Interesse weiter unterstützen.
 * * * * *
 Göcek, den 15. Oktober 88
Liebe Brigitte mit Sepp, Martina und Christian,
Nach dem gehetzten Telefonat von kürzlich möchte ich nun in aller Ruhe auf Deine Briefe eingehen. Ich habe diese Telefonate vom Häuschen aus so ungern: mit einer Hand diese Gettoni-Münzen einwerfen, mit der anderen den Zettel mit allen notierten Punkten halten, den Hörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt mit einem Auge auf dem Zettel, dem anderen auf der Nachzahlanzeige...
Die viele Post war wie Weihnachten - auch die "alten" Briefe von Korfu werden genauso geschätzt. Die Zeichnung von Margit war köstlich. Offensichtlich vermutet sie uns schon bei den Kannibalen. Ich werde jedoch den Kindern extra schreiben.

Dieser Anruf der "Seefunkstelle" ist ganz mysteriös. Seefunkstellen sind wir alle, die an Bord eine angemeldete Funkstelle haben - egal ob UKW oder KW. Wenn es ein Behörde war, weiß ich nicht wie sie draufkämen, daß wir ein Amateurfunkrufzeichen haben könnten. Wenn es Arnos Seefunkverband wäre, hättest Du ja gewußt wer es war. Egal - Amateurfunker sind wir nicht, wir können auf Amateurfrequenzen nicht senden und wenn wir's könnten, dürften wir nicht. Man hat durchblicken lassen, daß es möglich wäre, ganz inoffiziell ein nicht vergebenes Rufzeichen zu benutzen. Wir kennen einen Segler, der ein solches Schummelrufzeichen benutzt. Nur auf Amateurfrequenzen wären wir auf jeden Fall ein schwarzer Sender und echte Funkamateure dürfen auch nicht wissentlich mit "Schwarzen" in Verbindung treten. Das ist die Situation. Vielleicht sollte ich doch versuchen, die Amateurlizenz zu erwerben, wenn wir nächsten Winter den Abstecher in die BRD machen. Es ist aber schwierig, denn ohne polizeiliche Anmeldung ist niemand für den Antrag und das polizeiliche Führungszeugnis zuständig(Bürokratie). Außerdem mache ich mit dem Morsen keine guten Fortschritte.

Bei den Poste restante Sendungen wäre es vielleicht gut, wenn Du einen Vermerk außen machen würdest, in welchem Zeitraum die Abholung erfolgen könnte. In Korfu war kein Eingangsstempel darauf und der Poststempel von Füssen war auch nicht lesbar. So kam der Brief zu früh auf den Haufen "Back to Sender" (Korfu hatte geschrieben "Back to Center"!) Es werden aber wohl nicht alle Postämter so desorganisiert sein.

Die Dias, die Du geschickt hast sind sehr schön und ich bin damit zufrieden. Hoffentlich sind die anderen auch so scharf und klar. Es ist schön, daß Du sie mir archivierst. Meine Angaben waren zu Eurer Orientierung gedacht, falls Ihr sie vorführt und ich bin mir darüber im Klaren, daß die Nummern nicht immer übereinstimmen. Manchmal schreibe ich alles gleich auf, manchmal überlege ich verzweifelt, was ich wo fotografiert habe, um alles nachzutragen. Wenn Bilder unklar sind, schreibe zumindest die Nummer auf den Rahmen, damit die Reihenfolge klar bleibt. Ich habe bis jetzt hier noch keine Rähmchen aufgetrieben - in Marmaris waren welche mit Glas zu haben, aber damit sind wir nun mal gebrannte Kinder. Diese Dias behalte ich an Bord. Die anderen kannst Du bei Gelegenheit schicken, wenn wir eine zuverlässige Postanschrift haben, oder ggf. jemandem mitgeben.

Der Segelplan 89, den Du Dir vorstellst, ist gar nicht so einfach zu erstellen. Unser Rennen durch die Ägäis hat uns eins gelehrt - man sollte sich nicht festlegen! Wir können nur eines machen - Mitsegler müssen mit Linienflug rechnen, und erst kurzfristig das Ticket holen, wenn klar ist, wo wir sind! Aus heutiger Sicht werden wir im Frühjahr Türkei/Ägäis sein, Frühsommer Südpeloponnes, Sommer Malta, Sizilen, evtl. Tunesien, Spätsommer Sardinien, Korsika, W. Küste Italien, so daß wir bis Oktober in Südfrankreich sind. Ich weiß, es ist nicht sehr präzise. Meine Eltern wollen im Frühjahr für 2 Wochen kommen und haben sich Malta vorgestellt. Sie klangen enttäuscht, wie ich meinte, wir wären wohl im Frühjahr noch nicht so weit.

Die Zeit geht rasend schnell vorbei. Die Füssener müssen bereits Freitag abend von Bord, und eine Nacht in Dalaman verbringen, da der Flug morgens sehr früh geht. Am Abend, wie sie ankamen, lagen wir vor Anker und waren von der Pier kaum auszumachen. Deshalb setzten wir uns ins Lokal an der Wasserfront und dachten, sie dort aufzugabeln. Sie erschienen aber nicht und wir gingen dann auf und ab, vom Taxistand zur Busstation und zurück. Um 01.15 Hatten wir uns entschieden aufzugeben und zum Boot zurückzukehren. Wie wir mit dem Schlauchboot unterwegs waren fuhr ein Taxi auf die Außenmole der noch nicht fertiggestellten Marina. Da fuhren wir sofort hin und tatsächlich sie waren es! Dann saßen wir natürlich erst auf ein Gläschen im Salon...

Claudias Ankunft war problemloser. Wir lagen an der Pier in der Nähe vom Taxistand, schauten alle 10 Minuten hin, aber sie kam zwischendurch gleich direkt zur Arion hin.

Meinem Vater geht es unverändert. Er hat morgens immer Schmerzen, fühlt sich aber sonst fit. Mum und Dad klangen jedoch weniger sorgenvoll am Telefon und so warten wir halt Neuigkeiten ab.

Gestern haben wir einen Ausflug gemacht. Wir haben die antike Stadt Kaunos besichtigt. Kaunos war einst ein wichtiger Hafen und hat mit Salz, Harz, Fisch und Sklaven gehandelt. Der Fluß Dalyan hat aber inzwischen soviel Schlamm mitgebracht, daß der Zugang zum Fluß nicht mehr befahrbar ist. Wir unternahmen den Ausflug mit einem einheimischen Boot. Wir fuhren 2 Seemeilen an der Küste entlang bis wir die Flußmündung erreichten. Währenddessen hat unser Führer geangelt und gleich 2 Mit unseren Füssenern den Fluß Dalyan hinaufMakrelen erwischt. Dann fuhren wir durch eine tolle Flußlandschaft mit hohem Schilf und einer Vielzahl von Inselchen und Wasserläufen. Eisvögel flitzten übers Wasser. Im meandernden Fluß hätten wir selbst nie zu den Ruinen gefunden. Es stand noch einiges an Altertümern - das römische Bad, das früher mit Marmor ausgelegt war, das römische Amphitheater (groß), der griechische Tempel in Rundform, die byzantinische Kirche mit dicken fetten Eidechsen und mittelalterliche Festungsruinen ragten am Berg über der Stätte auf. Dann fuhren wir weiter an lykischen (4. JH vor Christus) Felsengräbern vorbei. Diese Gräber sind entweder nur als 4-eckiger Eingang erkennbar oder als "Tempelgräber".Felsengrab bei Kaunos Letztere sind aus dem Fels gehauene Eingänge, die wie Tempel aussehen, komplett mit Säulen und Giebel. Sie gehen mehrere Meter in die Felswand hinein und hatten wie bei heutigen Gruften 6 "Liegeplätze". Wir durften sie nur vom Fluß aus ansehen und fuhren dann in den heutigen Ort Dalyan. Dort aßen wir zu Mittag - zum stolzen Preis von DM 15,- für 6 Personen... Es ist halt ein Riesenvorteil, daß Omar fließend Türkisch spricht.

 Göcek, Sonntag 16.10.
Gestern abend ankerten wir in einer kleinen Bucht am Eingang zur Bucht von Fethiye. Es gab dort ein Strandrestaurant und wir haben guten Fisch gegessen mit Salat und vor Öl triefenden Pommes. Es war ein Touristenlokal und so haben wir DM 110,- bezahlt. Heute mittag saßen wir dagegen wieder in einem Hinterhoflokal und es gab Ziegenfleisch. Kurt und Albert streikten allerdings, dabei war das Essen schon in Ordnung. Auf einer Seite des befand sich ein Friseur, wo Omar sich für DM 0,50 rasieren ließ, auf der anderen arbeitete ein Schuster an einem kleinen Tisch im Freien. Die zwei kleinen Buben des Wirts trugen das Essen an den Tisch. Wir waren die einzigen Gäste, sozusagen mit Familienanschluß. DM 24,- zu sechst.

Jetzt machen wir einen Ortsbummel und können dabei zur Post gehen.

Ich war in Marmaris beim Friseur und zahlte DM 0,80 = 800 TL fürs Schneiden. Man kann hier also billig leben. Karl und Monika haben wir auch schon getroffen und die "Frachten" für die "Koala" abgeliefert. Am Wochenende sehen wir sie wieder in Fethiye.

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         Fethiye, 20.10.88
Liebe Mutti,

da am Wochenende die Füssener von Bord gehen und dies dann eine schnelle Postverbindung ist, will ich gleich die Gelegenheit zu einem Brief nützen.

Wir haben in der Zwischenzeit überwiegend Karten geschrieben, denn wenn man zu mehreren an Bord ist, hat man doch nicht soviel Muße und schaut darauf, daß man möglichst viel in kürzester Zeit erlebt.

Erst noch mal vielen Dank für die viele Post, die Füssener mitgebracht haben. Wir hatten eine Menge zu lesen, in den Heften lese ich immer noch. Die letzten Neuigkeiten bis zu dem Besuch des antiken Kaunos und den lykischen Felsengräbern am Ufer des Flusses Dalyan, hat Dianne schon im Brief an Brigitte geschrieben. Der Ausflug mit dem einheimischen Boot durch das Mündungsdelta des Flusses war überwältigend schön. Brigitte kann ja mal von Albert die Videokassette ausleihen oder von Kurt kopieren lassen. Ich habe in letzter Zeit immer doppelt gefilmt und die Kassetten gewechselt. Auch ein Vorteil von Video wenn Gäste keine eigene Kamera haben.
Bucht im Golf von FethiyeNach diesem Ausflug in die Geschichte wechselten wir dann in die ländliche Abgeschiedenheit von Buchten. Wir hatten verträumt schöne, kleine Buchten für uns alleine oder teilten sie mit wenigen anderen Booten. Wir waren einmal in einer Bucht mit steilen Felsen an der Seite, einem Kiesstrand am Ende und bewaldeten Höhen außen herum, ein anderes Mal waren wir in einer Bucht in die ein Bach mündete und ein Wald von Amberbäumen und Eschen neben Schilf eine richtige Idylle bildete. Unter den Bäumen standen Tische und einige Einheimische bereiteten für uns Hühner in einem gemauerten Ofen zu. Der Ofen wurde erst angeheizt, dann die Glut ausgeräumt und die Hühner mit Gemüse und Zwiebeln hineingeschoben. Leider kam dann ein Gewitter, aber es war trotzdem herrlich alleine an einem Tisch in einem lichten Auwald zu speisen. Gegen den Regen spannten wir schnell ein Segel zwischen den Bäumen. In der Bucht gab es auch Graureiher, denen wir vom Boot aus zusehen konnten, wie sie in der Bachmündung auf Fischfang gingen. Vom Ufer aus konnte man Eisvögel beobachten. Im Wald war auch eine Quelle, die einen Brunnen am Ufer speiste. Man konnte die ganze Zeit das Wasser plätschern hören, so ruhig war es in der Bucht. Von Göcek am Nordende des Golfes von Fethiye machten wir dann eine 600 km Taxifahrt mit 2 Autos nach Pamukkale, was Baumwollfestung bedeutet, weil die Sinterterassen der Thermalquellen wie eine Festung über der Ebene im Tal mit den Baumwollfeldern aufragen. Die Sinterterrassen von PamukkaleDie Quellen waren bereits in der Antike bei Römern und Griechen bekannt und als Heilbäder geschätzt. Die Quellfassungen, Leitungen und Bauwerke des antiken Hierapolis sind noch gut erhalten und wir haben alles ausführlich besichtigt. Vom Zeitlauf und vom Erdbeben zerstörte Tempel mit herrlichen Steinmetzarbeiten in verschiedenen Steinen (Marmor, Basalt, etc.) liegen in Teilen wie ein gigantisches Puzzle herum und andere Bauwerke wie das Theater von riesigen Ausmaßen sind noch so gut erhalten, daß man nach wenigen Reparaturen wieder spielen könnte.

Auf dem Rückweg machten wir bei Kale noch einen 50 km Abstecher nach Aphrodisias, einem heute kleinen, unbedeutenden Ort der nach dem heiligen Bezirk der Aphrodite aus der Antike benannt ist. Dort besichtigten wir erneut ein gut erhaltenes Theater, einen riesigen Ausgrabungsbezirk, der noch nicht völlig freigelegt ist und deshalb wegen der Erstveröffentlichungsrechte auch noch nicht fotografiert oder gar gefilmt werden darf. Die römischen Bäder aus späterer Zeit sind noch mit den Originalmarmorplatten verkleidet und in einem genauso alten Marmorbecken waren Goldfische. Das griechische Odeon und ein späterer, wohl umgewandelter Erzbischofssitz waren auch noch perfekt erhalten. Am meisten beeindruckte mich aber das griechische Stadion von einigen hundert Metern Länge, das völlig erhalten ist. Dieses Stadion muß Platz für zig-Tausende von Menschen gehabt haben.

Wie ich aus unserem Segelführer ersehen konnte, werden wir hier an der ehemals lykischen Küste noch manches herrliche antike Bauwerk bewundern dürfen. Morgen werden wir gleich einige Stätten hier bei Fethiye besichtigen, wir werden dann auch zu einem zugänglichen Felsengrab, einem sogenannten Tempelgrab kommen. Bei den Tempelgräbern wurde nicht nur eine Eingangsfassade aus dem gewachsenen Fels der senkrechten Felswand gehauen, sondern ein Vorderteil eines Tempels mit Säulen, Dach, Fries und Kapitellen. Die ganze Gegend hier ist voll davon, aber sie sind unterschiedlich gut erhalten und vor allem sind nicht alle zugänglich an den schroffen Felswänden aus gelb verfärbtem Gestein. Wenn hier eine Felswand mit senkrechtem Abbruch gelb ist - es gibt auch rote, graue und schwärzliche - dann kann man damit rechnen, zumindest ganz einfache Felsengräber mit einem viereckigen Eingang zu finden. Wir tragen aus den verschiedensten Quellen Wissen zusammen und man erkennt dann oft, welche alten Zusammenhänge und Ursachen die verschiedensten Phänomene haben. Einiges zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, die Kulturen oder Religionen. Für einen Brief ist das alles zu komplex. Da wird nächstes Jahr viel persönlich zu erzählen und berichten sein.

Ölü DenizGestern waren wir in Ölü Deniz, dem "Traum in Weiß, Grün und Blau" wie die Postkarten und Poster sagen. Eine Laune der Natur, oder ein statistisches Gleichgewicht von Abtragung und Anschwemmung haben eine tiefe lagunenartige Bucht geschaffen, die davor einen langen Strand mit weißem Kies hat und das tiefblaue Wasser ist von hohen grünen bewaldeten Bergen umgeben. Wir haben unmittelbar in der schmalen Einfahrt zur Bucht, die für Boote aus Naturschutzgründen gesperrt ist, geankert und machten mit langen Leinen zu den Bäumen am hohen Ufer fest. Obwohl die Durchfahrt sehr schmal ist, hat sie doch 8 bis 30 m Wassertiefe. Direkt am Ufer sind noch 6m und unser Anker verlor sich sehr schnell auf 20 m, wo er noch schwach sichtbar war. Wir hatten völlig ruhiges und soweit absehbar sicheres Wetter, denn normalerweise liebe ich solche "Mausefallen" nicht. Wie wir gestern einliefen, war der Strand voller Menschen, aber heute früh bei Sonnenaufgang (ich stehe immer mit der Sonne auf) war noch alles menschenleer. Ich bin hinter der Arion die Felsen hinaufgeklettert und habe die Bucht und den Strand gefilmt.

Da es jetzt schon um 17.30 dunkel wird - bei Euch ist es eine  Stunde früher - gibt es lange Abende mit viel Zeit. Wir haben daher die letzten beiden Abende Monopoly gespielt und hatten sehr viel Spaß dabei. Ich habe nie gewonnen, war aber auch nicht zuerst pleite. Es ging immer bis fast Mitternacht und danach gab es immer einen schönen Sternenhimmel ohne störendes Streulicht zu sehen. Jeder Tag bringt uns sehr starke Eindrücke in einer bunten Vielfalt. Der Nachthimmel ist aber auch hier bei aller Pracht nicht bunt. Vielleicht komme ich zu sehr ins Schwärmen, aber wem das Herz voll ist, dem geht die Schreibmaschine über.

Dieses Wochenende werden wir auch Karl und Monika wieder treffen, die wir nur kurz für die Ladungsübergabe in der Bucht von Marmaris getroffen haben. Sie hatten etwas komische Chartergäste an Bord und so haben wir uns nicht lange aufgehalten. Leo und Hilde mit Sohn von der "Waftun" sind auch hier. Wir kennen uns zwar nicht sehr gut, aber jeder weiß, wer der andere ist. Karl von der Koala kennt sie besser, weil er während des Baus der "Koala" immer für Leo gearbeitet hat (Innenausbau mit Rigips). Das war ein gut bezahlter Winterjob. Ob Leo die Firma aufgegeben hat,  weiß ich nicht. Auch andere bekannte Boote trifft man immer wieder. Die Welt ist in dieser Hinsicht nicht besonders groß.

Dadurch, daß Omar türkisch spricht, haben wir hier schnell zu Einheimischen Kontakt gefunden und viel Einblick in die Lebensart bekommen und wie auch alles so läuft. Eine große Überraschung sind zum Beispiel die einheimischen Restaurants, die prima Essen für Spottpreise bieten. Essen mit Getränken für 6 Personen, je nach Vorspeisen 15,- bis 40 ,- DM für ALLE! Ganz hervorragend sind hier auch die süßen Gebäckarten, wie z.B. Baklava! Mh. Mh,.... seitdem trinken wir oft nachmittags Kaffee. Wir essen also recht vorzüglich in der Türkei. Nur der Rinderbraten, den ich gestern mittag gemacht habe, war zur Hälfte zäh, weil uns der Bursche zu einen Bratenstück ein Stück Suppenfleisch servierte. Aber wir haben gute Zähne und die Soße war für beide Stücke gut.

Jetzt sind wir wieder nach Göcek gefahren, weil hier die nächste Verbindung nach Dalaman (Flughafen) ist. Morgen ganz früh werden die Füssener aussteigen. Papiermäßig ist schon alles klar bei den Behörden in Fethiye. Heute waren wir in einer zerstörten Stadt Kalamyssos - ursprünglich 10.000 Bewohner, sie wurden im griechisch/türkischen Krieg 1920 vertrieben oder umgebracht. Sahen dann auch die Felsengräber in Fethiye. Alles sehr interessant. Wenn man jemand dabei hat, der türkisch kann, wird man doppelt nett behandelt. In Kalamyssos wurden wir mit Blümchen verabschiedet.

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 (Postkarte von Xanthos) Kalkan, 1.11.88
Liebe Mutti,
Die letzten Neuigkeiten gab es ja per Brief. Doch hier schnell eine Karte, damit ein optischer Eindruck dazu kommt. Wir waren gestern in Xanthos, Letoon und Patara. Alles lykische Städte aus ca. 800 v.Chr. mit reicher griechischer und römischer Geschichte (auch persischer). Ein Buch folgt per Post, wenn wir es als Führer hier nicht mehr benötigen. Es gab hier große blühende Städte mit vielen Bauten aus den verschiedenen Jahrhunderten, die alle Zeiten gut überdauerten. Der Hl. Nikolaus stammt aus Patara und der Apostel Paulus schiffte sich dort nach Syrien ein. Nikolaus hat in Patara den Schiffen zugesehen und diese Überlieferung führte wohl dazu, daß er heute als Patron der Seefahrer gilt. Heute decken Sanddünen Patara langsam zu. Myra werden wir in den nächsten Tagen besuchen.
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 Kalkan, 1.11.88
Liebe Brigitte mit Familie,

Ich finde es toll, daß Du Dich so gut um unsere Post kümmerst. Bei Karl und Monika sollte sich der Vater darum kümmern, aber er schickt sehr wenig nach. So stürzten sich die beiden auf unsere TO-Hefte und meinten, viel Post würde zu Hause liegen. Dabei freut man sich doch so über jeden Brief. Claudia wartet auch schon sehnlichst auf einen Brief von ihren Eltern.

Säulengräber in PatharaFür den Ausflug gestern nach Xanthos, Letoon und Patara hatten wir mit dem Wetter Glück. Es war zwar mal sonnig, mal kühl, aber es blieb trocken. Heute regnet es fast an einem Stück. Xanthos war eine große Anlage. Es ist nicht alles ausgegraben und vieles ist mit Büschen Überwuchert. Überall kommen die Blumenzwiebel durch und die kleinen Alpenveilchen blühen schon. Patara (Geburtsort vom Hl. Nikolaus) wird langsam von Sanddünen überdeckt. Letoon ist eine kleine Anlage, erst in den 60er Jahren von einem dt. Archäologen ausgegraben. Es handelt sich um eine Tempelanlage mit 3 Tempeln, die Leto, Apollo und Artemis gewidmet waren. Ein kleines Mosaik mit einer Lyra (Apollo) und Pfeil und Bogen (Artemis) sowie ein Rosenmuster war zum Schutz mit Sand bedeckt. Wir haben ein wenig durch den Sand gespitzelt, die Farben waren wunderbar. Man sollte auf so einem Ausflug einen Besen mitnehmen! Weiße Schuhe eignen sich jedenfalls schlecht zum Freilegen von Fußböden.
Ein kleiner Teil von Letoon
Gestern nachmittag ging Karl zum Friseur zum Bartschneiden. Wie der Friseur sah, daß wir filmten, stellte er sich richtig in Pose. Der Bart wurde gestutzt, Hals und Wange mit dem Messer rasiert, Gesicht massiert und dann wurde er so einparfumiert, daß er 5 Meilen gegen den Wind geduftet hat. Alles in allem für DM 1,20.

Die sonstigen Neuigkeiten hat Karl nach Oberdeusch geschrieben. Martina und Christian schönen Dank für die persönlichen Zeilen, und nur weiter so in der Schule!

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 An Bord, Finike, den 6. 11.88
Liebe Mutti,

heute mal wieder ein Brief an Dich. Wir wechseln ja immer etwas ab, damit jeder Post bekommt.

Wir haben heute wieder einmal einen Tag mit strömendem Regen, aber es gibt dafür um so schöneres zu berichten. Die Großwetterlage hat sich heuer schon sehr früh auf die Ausbildung eines starken Rußland-Hochs eingestellt. Das bedeutet für uns, Kaltlufteinbrüche über den Balkan in die Ägäis und somit über dem warmen Meer Regen und Gewitter. Für Euch wird es einen kalten Winter bedeuten, zumindest meint das Heinz, der immer auf Amateurfunk Wetter macht.
Im Taurus-Gebirge liegt bereits Schnee
Es ist zwar noch nicht lange her, daß ich einen Erzählbrief aus Kalkan geschrieben habe, aber in der Zwischenzeit haben wir schon wieder viel erlebt und noch mehr gesehen. Wir sind nach starken Regenfällen und Gewittern am Mittwoch von Kalkan zusammen mit der "Koala" ausgelaufen. Bei zunächst leichtem Wind haben wir alle Segel gesetzt und segelten aus der weiten Bucht heraus. Bald nach der Kursänderung auf Ost nahmen der Wind und der Seegang zu und wir segelten unter Groß und Besan auf Schmetterling bei ca. 6 Bft dahin. Wir hatten kein sehr weites Ziel und waren bald an einigen kleinen Inseln, Felsen und Klippen vorbei am Nordkap von Kastellhorizon. Wir kamen sofort in ruhiges Wasser und motorten in die tief eingeschnittene Bucht des Ortes Meghisti.

Meghisti hatte 1920 etwa 20.000 Einwohner und als wichtiger Handelsstützpunkt wurde es von vielen Schiffen angelaufen. Ich habe in einem kleinen Lädchen am Hafen ein altes Panoramafoto von der Jahrhundertwende gesehen, wo die ganze Bucht voller großer Frachtsegler war. Im türkisch/griechischen Krieg verlor die Stadt dann an Bedeutung und viele Einwohner wanderten aus oder ab. Viele gingen nach Australien und kommen jetzt als "reiche" Ehemalige auf Nostalgietour im Urlaub zurück. Die Insel ist nur durch 1 Sm Wasser von der Türkei bei Kas getrennt. Zu Kastellhorizon gehören noch zwei andere kleinere unbewohnte Inseln der Inselchengruppe. Vom Ort aus führt ein steiler Pfad als weißgekalkte Treppe am Hang hoch in die Felsen und dort im Zickzack bis auf das "Oberland".

Blick von GR nach TRWir sind hochgestiegen auf unserem Rundwanderweg und waren überrascht, fast eine Hochalm mit Kühen und Laubwaldgruppen vorzufinden. Es gibt dort oben, in 285 m Höhe, auch einen kleinen Flugplatz, der die Insel täglich mit Rhodos verbindet. Die Fähre verkehrt nicht täglich, da sich der Verkehr sowieso für die paar Leute nicht lohnt. Die Verbindung ist kostenlos, damit noch einige Leute dort bleiben, weil sonst alles an die Türkei fällt. Es gibt auch noch einen kleinen Militärposten und wir sahen auch zwei lächerliche 4 cm-Geschütze in schlecht betonierten Stellungen unter morschen Planen auf die Türkei gerichtet. Im ehemaligen Gefängnis der Festung, die selbst nur noch als Ruine erhalten ist, gibt es ein Heimatmuseum. Wir waren auch im riesigen Kloster mit zwei großen Klosterkirchen. Der Blick vom Oberland war herrlich, wie wenn man darüber fliegen würde und das Wasser der Nachbarbucht war noch blauer und türkiser als von unten betrachtet.

Am nächsten Tag liefen wir dann bei immer noch blauem und wolkenlosem Himmel ohne Wind aus und motorten nicht sehr weit hinter die Insel Köcek zum Ort Kaleügazic, den man wahrscheinlich auf keiner Karte findet. Als Simena war er jedoch mit Sicherheit als bedeutende Stadt bereits 400 v. Chr. auf den Karten und auch im byzantinischen Reich dürfte der Ort bzw. die Gegend als bedeutender Siedlungsplatz mit Festung verzeichnet gewesen sein. Die großartige Lage und unseren herrlichen Ankerplatz mit Blick auf die Festungsmauern und auf Lykische Säulensarkophage ringsherum kann man nicht beschreiben, ich füge daher die kleine Skizze oben bei.

Ein Buch von Lykien mit allen antiken Stätten folgt bald, wenn wir es als Führer nicht mehr benötigen. Im Moment brauchen wir es noch ständig, um anhand der Skizzen und Beschreibungen alles einigermaßen sachverständig besichtigen zu können. Über die Besichtigungen von Xanthos, Letoon und Patara hat Dianne schon im Brief an Brigitte geschrieben.

Gestern besichtigten wir dann von Finike aus mit einem Minibustaxi Myra, Andriake und Arycanda. Wir hatten das Glück an einen Fahrer zu geraten, der siebzehn Jahre in Berlin war und fließend deutsch sprach. Allerdings hat mich dabei die Vergangenheit eingeholt. Er fragte mich gleich, ob ich schon einmal in Finike gewesen sei, und nachdem er plötzlich auch meinen Namen wußte, war alles klar. Er hat jetzt einen anderen Namen und ich habe nicht zu erkennen gegeben, daß ich genau Bescheid weiß. Na ja, er war bereits im Gefängnis in München Stadelheim ein netter Kerl gewesen und ich bin ja nicht nachtragend, das ist das Problem des Amtsgerichts Berlin, denn dort müßte noch ein Haftbefehl offen sein.

Myra wurde drei mal von Erdbeben zerstört. Das große Erdbeben war 100 n. Chr., aber danach wurde es noch einmal aufgebaut, bis dann endgültig alles zerstört wurde. Die Basilika des Hl. Nikolaus steht jedenfalls noch so weit, daß die Großartigkeit des Bauwerkes noch gut zu erkennen ist. Das Grab des geraubten NikolausDie Gewölbe, Kuppeln und Säulen sind weitgehend erhalten und auch der Sarkophag in einem Seitenschiff, wo die ganzen Bischofsgräber sind, ist erhalten geblieben. Die Gebeine des Hl. Nikolaus wurden aber 1087 von Kaufleuten aus Bari gestohlen und dorthin gebracht. Bari erbaute einen herrlichen Dom (wir haben ihn gesehen) und machte mit den Pilgern, die die Reliquien aufsuchten, wie für die Zeit üblich, sehr gute Geschäfte. Dies erregte dann den Neid der Bürger von Trani, die keinen so prominenten Heiligen hatten. Zum Glück kam ein anderer Nikolaus als Pilger nach Trani, bewirkte angeblich Wunder, starb bald und wurde noch viel schneller, kurz nach seinem Tod heilig gesprochen. So hatten die Bürger von Trani auch einen Hl. Nikolaus (Pelegrino) und einen Wallfahrtsort, mit entsprechenden Einnahmemöglichkeiten. Vielleicht hatten die damals auch so einen geschäftstüchtigen "Altöttinger-Wirtshaus-Tandler" (der hinter Waigl zum Glück zurückstecken mußte).

Zu Besuch beim NikolausNach der Basilika und dem Nikolausdenkmal, besichtigten wir das sehr gut erhaltene Theater aus römischer Zeit, das direkt an den Felsabhängen mit besonders schönen Lykischen Gräbern aller drei Typen steht. Andriake war dann schnell besichtigt, da dort nur wenig erhalten ist. Sehr schön ist dort allerdings das Granarium, der Getreidespeicher des antiken Hafens, dem nur das Dach aus Holz fehlt. Es ist ein riesiger Bau von 65 x 32 m mit acht Kornkammern. Kaiser Germanicus besuchte einmal Andriake mit seiner Frau und von diesem Anlaß stammen auch noch einige Bauwerke .Der Apostel Paulus war auf seiner Seereise auch dort. Er fuhr von dort aus nach Rom. In der Bibel steht zwar Myra, aber das stimmt nicht, weil Myra selbst keinen Hafen hatte. Entlang der Küstenstraße, die erst vor etwa 18 Jahren gebaut wurde, fuhren wir wieder nach Finike zurück, aßen zu Mittag und fuhren dann in die Berge hinauf nach Arykanda, das bereits zur Zeit der Lykier, mit Sicherheit bereits 500 v.Chr. eine Stadt war. Arykanda wird zur Zeit in den Sommermonaten immer noch ausgegraben und wir sahen Bauwerke der Lykier, Griechen, Römer und Byzantiner. Arykanda liegt auf 1 000 m Höhe an den Abhängen des Ak Dagh, der bis auf 3 500 m aufragt. Ähnlich Delphi hat der Ort etwas mystisch Überragendes, so wie er vor die steilen Felswände an den Abhängen erbaut wurde.

Von ganz oben, wo der Hang noch einmal zu einer Ebene für das Stadion geebnet wurde, hat man einen herrlichen Blick auf die ganze Anlage und ins Tal mit zum Teil schroffen Schluchten. Zunächst blickt man aber von oben ins gut erhaltene römische Theater und griechische Odeon. Darunter die Stoa und Agora. Seitwärts dann die Bäder und das Gymnasium und dahinter die Nekropole. Das Wasser für die Bäder wurde über 5 Kilometer aus einer Schlucht hergeleitet. Wir sahen in der Schlucht, hoch oben an den Felsen, Mauersimse und aus Stein gehauene Simse, hinter denen Wasser an der senkrechten Felswand entlang lief. Es floß dann zunächst in einen großen Speicherbehälter, der auch noch erhalten ist und wurde dann erst in die Bäder geleitet, wo es dann in beliebiger Menge verfügbar war.

Auf dem Rückweg besuchten wir eine Familie mit einer Fischzucht und kauften lebende, frische Forellen für das Abendessen ein.

Heute früh regnete es dann so stark, daß wir keine Lust zum Auslaufen und für weitere Besichtigungen hatten. Wir schliefen lange, erledigten so das Notwendige, tankten Diesel und Wasser, spielten Monopoly, wir sind ja immer noch mit "Koala" zusammen und schrieben Briefe. Zum Mittagessen gingen wir wieder in ein Einheimischenrestaurant, das recht gut ist und wo man für 4,00 DM ein Essen und ein Bier bekommt. Man kann in die Töpfe gucken und auswählen und die Sachen schmecken ausgesprochen gut.
4,00 bis 5,00 DM für ein Essen mit Bier sind hier ganz normal. Das Leben hier ist überhaupt billig und nach dem teuren Griechenland eine Erholung für den Geldbeutel. Diesel z. B. kostet pro Liter
46 Pfennige. So können wir es uns für wenig Geld gut gehen lassen. Wir trinken oft auch nachmittags Kaffee, da es hier hervorragende süße und billige Backwaren gibt. Ein Kipf Weißbrot kostet 20 Pfennige. So viel von heute, die Seite ist auch zu Ende und wir gehen jetzt ins Bett.

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Marina Kemer
 An Bord, Kemer, 12.11.88


Liebe Allgäuer, alle miteinander,

nun sind wir also hier bereits ins Winterlager gegangen und haben Eure Post vorgestern in Antalya bekommen. Vielen Dank für Eure Briefe.

Wir sind jetzt hier in der Marina direkt und gut erreichbar, wenn wir nicht gerade zu Ausflügen unterwegs sind. Wir haben uns nach Abwägen von allem für und wider unter dem Strich überraschend schnell dazu entschlossen, bereits hier zu überwintern. Den Ausschlag gab, daß wir hier noch einen der letzten Plätze bekamen und Larnaka/Zypern keinen Platz mehr hat. Limasol soll zwar noch Platz haben, dort liegt aber die Marina 5 km außerhalb. Der Liegeplatz für einen längeren Zeitraum in einer Marina ist auch billiger als kürzere Zeiten in verschiedenen Marinas. Das Wetter ist jetzt auch plötzlich von der stabilen Sommerlage zur Winterlage umgeschlagen und da ist mit dem Mittelmeer nicht mehr zu spaßen und so zogen wir den sicheren Platz hier, den Ungewißheiten und offenen Fragen vor.  In Zypern sind sich auch der Norden und Süden nicht grün und der eigentlich nähere Norden, der auch gegen die hier gefährlichen Südwetterlagen Schutz bietet, kann nicht angelaufen werden, weil einem dann der Süden und auch Griechenland in de nächsten Saison Schwierigkeiten machen.

Der erste Hafen im Süden ist nach Süden offen und bis Larnaka muß man dann noch um die halbe Insel herum. Bis jetzt hätten wir auch nicht rüberfahren können, weil es seit unserer Ankunft hier mit 6 bis 9 Bft. stürmt und wir sogar im sicheren Hafen schaukeln. Wir haben eben doch auch hier Mitte November, wenn wir auch erst letzte Woche noch beim Schwimmen waren. Jetzt ist es nachts 10 °C kalt und am Tage haben wir um die 20 °C. Seit letztem Sonntag haben wir, nach Wolkenbrüchen nur blauen Himmel und Sturm.
Wir waren wegen zu starkem Südwest mit 4 m Wellen noch in Finike geblieben, haben auf beiden Schiffen mit dem Generatorstrom von "Koala" gewaschen (der Generator war ja Teil unserer Ladung) und im warmen starken Wind war die Wäsche im Nu trocken. Von Finike nach Kemer (41 SM) konnten wir zum Teil segeln, mußten aber dann den größeren Rest motoren, schon um hier noch gerade beim letzten Büchsenlicht anzukommen. Die Tage sind jetzt schon sehr kurz. Wir merken nur nicht so, daß es so spät im Jahr ist, weil es immer wieder Tage wie im Sommer gibt. Der jetzige Nordwind ist aber schon sehr frisch und die Luft ist voller feiner Salzkristalle. Unsere Scheiben werden langsam blind, das Fahrrad auf der Pier ist wie überzuckert - blöder Ausdruck - es ist ja Salz! Es spritzen auch Wellen über die Mole, die mindestens 5 m hoch sind.

Die Marina ist eine sehr schöne Anlage, ist bestens organisiert und wird auch sehr gut geführt. Es gibt hier außerhalb einen sehr guten und sauberen modernen Metzger. Wir haben gestern Rinderlendensteaks gekauft. Das Kilogramm für 7,00 DM!! Wie wir in Antalya waren, haben wir in einem Einheimischen-restaurant gegessen. Pro Person 2,00 DM, allerdings ohne Getränk. Ich hatte Reis, Auberginen mit Hackfleisch und Blumenkohl. Diese Restaurants, in denen man die fertigen Speisen von den Töpfen und Platten aussuchen kann, haben sehr schmackhaftes und vor allem von Soßen nasses Essen, wie ich es ohnehin gerne mag. Auch Claudia findet immer abwechslungsreiche vegetarische Gerichte.

Wir werden jetzt unseren längeren Türkeiaufenthalt zu Ausflügen nutzen. Wir waren bereits in Antalya in einem Reisebüro. Ein Angestellter, der lange Zeit in Bayern lebte und fließend Deutsch sprach, gab uns viele gute Hinweise. Er konnte uns auch Preise und sonstige Dinge sagen und machte dies ohne Möglichkeit, an diesen Dingen zu verdienen. Wir waren zu fünft dort und bekamen sofort erst einmal ein Glas Tee. Die Leute sind sehr freundlich hier. Man hat manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn man daran denkt, wie es den Türken oft in Deutschland geht. Wir sitzen zu oft grundlos auf dem hohen Roß.

Claudia ist gerade vom Telefonieren mit ihrer Mutter zurückgekommen und hat sich die Öffnungszeiten des Marinabüros aufgeschrieben. 8.30 - 12.30 und 13.30 - 17.30, bei Euch ist das jeweils eine Stunde früher, also 7.30 etc. Die Post nach hier war sehr schnell. Nur 3 Tage!!

Ich habe Mike direkt geschrieben, er wird sich dann schon melden, wenn er nach Weihnachten kommen möchte. Jürgen ist natürlich auch herzlich willkommen, wobei der Februar hier noch regnerisch sein kann. Es gibt hier nur zwei Jahreszeiten - Sommer und Winter - die schnell ineinander übergehen. Aber fürs Tagessegeln gibt es immer Möglichkeiten und die Küste von hier nach Südwest hat viele schöne Plätze.

Habt Ihre eine Karte der Türkei mit entsprechendem Maßstab? Wenn wir von Orten schreiben, gehen wir immer von den Seekarten aus und da sind natürlich alle Details drauf.

Unser zerlegbares TandemGestern haben wir unser Tandem aufgebaut und sind jetzt mobil. Nach Antalya nehmen wir allerdings ein Dolmus (Sammeltaxi). Das kostet für die 40 km nur 70 Pfennige. Wenn Karl und Monika nach München fliegen, das geht über Istanbul, werden wir zusammen mit dem Bus dorthin fahren. Der Expreßbus kostete für die 8 - 10 Stunden Fahrt 20,00 DM (in Lira kommen noch drei Nullen dahinter). Der Kurs war im Oktober 942 TL für die Mark, ging dann auf 1060 TL rauf, dann auf 935 TL herunter und ist jetzt bei 942 TL/DM. Es würde mich interessieren, wie der Kurs jeweils ist, wenn Visa abrechnet. In Griechenland habe ich nach Deinen Angaben umgerechnet und das war sehr günstig. Vielen Dank übrigens für die Mühe, die Du Dir mit dem ganzen Finanzgeschäft machst. Für uns ist das so eine tolle Hilfe und Unterstützung.

Unser Leben hier ist auch nicht so sorglos, wie es scheint. Die Entscheidung hier zu bleiben, hat mich eine halbe schlaflose Nacht gekostet und da habe ich den knarzenden Leinen zugehört und dem Heulen des Sturmes. Das war die richtige Melodie. Die Probleme sind eben nur anders. Den Problemen des Lebens kann man eben nicht entfliehen, man muß sie eben nehmen und nach Möglichkeit so steuern, daß es einen nicht überrollt.

Jetzt ist es schon wieder fast dunkel geworden. Ich mußte den Brief fürs Mittagessen unterbrechen, dann bin ich mit Claudia mit dem Rad zum Pulli einkaufen gefahren. Sie hat gestern welche für ihren Vater ausgesucht, da war aber Dianne dabei und jetzt wurde ich als Dressman, wegen der Größe gebraucht. Wir radelten dann noch durch den neu gebauten Ort, mit vielen Ferienwohnungen und Appartements. Hier gleich hinter dem Hafen wurde auch noch ein riesiges Hotel gebaut, das zwar fertig, aber noch nicht bezogen ist. Wir gingen dann noch auf die Klippen der Halbinsel hinauf, von wo aus man gut über den Hafen und das Meer schauen kann und schauten den Brechern unten in den Felsen zu. Obwohl hier nur 20 Sm Fetch (=Laufstrecke) sind, gibt es ganz schöne Wellen. Eine halbe Sm nördlich der Hafeneinfahrt sind auch Untiefen mit weniger als 2 m Wasser. Dort ist alles weiß vom Schaum der Brecher.

Als wir zurückkamen, gab es selbstgebackenen Apfelkuchen. War prima gelungen. Wir gingen auch noch schnell im Hafenshop. Der ist zwar kleiner als das Geschäft in Zell, hat aber alles was man so braucht zu einem akzeptablen normalen Preis.

Gestern waren wir zum Einkaufen von frischen Sachen auf dem Bauernmarkt im Ort. Dort geht es richtig orientalisch bunt zu. Man bekommt alle landwirtschaftlichen Produkte, auch Bekleidung und Hausrat. Der Markt findet jeden Freitag statt. Frische Sachen gibt es aber jeden Tag an Verkaufsständen und in kleinen Straßengeschäften. Sobald wir unseren endgültigen Liegeplatz haben - im Moment wird wegen des Windes nicht gekrant und deswegen ist auch kein anderer Platz frei - werden wir Stromanschluß haben und einen Videofilm für Euch aus unseren bisherigen Kassetten zusammenschneiden. Ihr werdet dann auch einen Eindruck von der Landschaft um die Marina gewinnen. Die Berge gleich hinter Kemer sind zwischen 1000 und 2300 m hoch. Nochmals dahinter ragt dann das Massiv des Ak Dagh mit 3500 m auf, auf dem bereits viel Schnee liegt.

Außer nach Istanbul, planen wir noch eine Reise mit dem Bus nach Tasucu, das ist ein Hafen, 180 SM östlich, um von dort mit der Fähre nach Girne in Nordzypern zu fahren und dort eine Rundfahrt von einigen Tagen in diesem "türkischen“ Teil von Zypern zu machen. Wir können da unsere Zweitpässe benutzen, dann merken nächstes Jahr die Griechen nichts. Nur wenn man mit dem Boot dorthin kommt, gerät man auf schwarze Listen, die durch Spitzelmeldungen aufgestellt werden. Bescheuerte Welt! Mit dieser Ausreise läuft die Frist für unseren Aufenthalt in der Türkei auch wieder neu an, so daß wir mit der Aufenthaltsdauer keine Probleme haben werden. Wir wollen auch noch die antiken Orte bei Antalya, wie Aspendos, Thermessos und Perge besuchen. Das können wir aber gut in Tagesausflügen unternehmen.

Theather AspendosDas Theater in Aspendos (20.000 - 25.000 Plätze) ist noch einschließlich Bühnengebäude erhalten. Bei allen anderen, die wir bis jetzt gesehen haben, und das waren viele, war dieser Teil vom Zahn der Zeit oder von Erdbeben zerstört. Wir haben heute ein Büchlein über Aspendos gekauft, das werden wir später Mutti schicken, dann kann sie alles mitverfolgen und über die Geschichte dieser Gegend nachlesen.

Ich lese immer noch in verschiedenen Damals-Heften. Die neuen habe ich noch nicht angefangen. Da ist die richtige Lektüre, wenn man durch so eine geschichtsträchtige Gegend reist.

Wegen Eures Urlaubs nächstes Jahr wären die Ionischen Inseln gut mit Charterflügen zu erreichen und die Griechen machen z.Zt. weniger Schwierigkeiten bei Crew-wechsel als die Türken. Für die Füssener habe ich 300 Dollar Gebühr?? bezahlt!! Sizilien wäre evtl. auch etwas oder Italien. Egal wo und wann, Ihr seid herzlich willkommen und eingeladen.

Übrigens es fällt mir gerade ein, wie ich in Finike so ins Hafenbecken schaute, mußte ich zweimal hinschauen, bis ich es glauben konnte. Ein großer Delphin drehte im Hafen seine Runden, dort wo er tauchte, sprangen die Fische aus dem Wasser und die Möwen stürzten sich sofort darauf. So war Aufregung im Hafen. Ich sauste gleich nach der Kamera und hoffe es wurde etwas. Habe den Film noch nicht betrachtet.

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 (Postkarte von der Zisterne, Istanbul) Istanbul, 25.11.88
Zisterne jetzt begehbarLiebe Mutti!
Wir sind jetzt schon fast die ganze Woche in Istanbul und finden die Stadt einfach überwältigend schön, bis auf das Wetter, das sich von der schlechtesten Seite zeigt (Dauerregen). Am Dienstag Abfahrt mit dem Bus, 13 Std. Fahrt quer durch die herrlichsten Landschaften, Gebirge, Schnee, Felsformationen aller Art, Flüsse, Seen, Täler und Schluchten. Eine lange, schöne und auch angenehme Fahrt in einem modernen Bus für 12,- DM! Hier machen wir nun Besichtigungen, Rundfahrten, usw. Istanbul mit seiner 2700 jährigen Geschichte hat schon sehr viel zu bieten. Mehr Einzelheiten nach Rückkehr in einem Brief, der wohl länger werden wird, denn was wir hier gesehen und erlebt haben, könnte ein Buch füllen. Wir wohnen direkt in der Altstadt zwischen der Hagia Sofia und der Sultan Ahmed Moschee, die auf dem Gelände des byzantinischen Kaiserpalastes steht, von dem nur noch Mauern und einige herrliche Mosaiken erhalten sind. Heute waren wir im neuen Palast des Sultans, im Dolmabace-Palast, der 1856 bezogen wurde. In einer Halle liegt ein Teppich, der bereits 123 m² mißt, das gibt einen Eindruck von der Größe der Räume. Ein ganzes Haus würde in diesen Saal passen. Es gibt hier einen Prunk des Orients, der kaum zu beschreiben ist. Manchmal kommt man sich vor wie in 1001 Nacht. Das umseitige Foto ist ein kleiner Teil der Basilika-Zisterne, die 336 solche Säulen hat. Wir waren darin, sie wurde restauriert. Es gibt von dieser Art noch unzählige, die aber nicht so gut und einfach zu begehen sind!
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Istanbul Innenstadt
 An Bord, Kemer, 28.11.88
Liebe Mutti!
Seitdem hier der Hafenschlendrian eingerissen ist, haben wir nicht mehr wie sonst sorgfältig alle abgehende Post in Diannes Tagebuch eingetragen, damit wir immer wußten, wann und an wen Post ging. Jetzt fehlt aber bei den Eintragungen ein Brief an Brigitte, so daß ich nicht mehr genau weiß, was ich schon im letzten Brief erzählt habe.
Gestern kehrten wir aus Istanbul zurück und so muß ich mit dem Erzählen etwas weiter ausholen. Einige Tage nachdem wir uns entschlossen hatten, hier zu überwintern, haben wir unseren endgültigen Liegeplatz an einer Pier direkt vor der Rezeption und den Duschen erhalten. Wir liegen an einer extra ausgebrachten langen Mooringkette am Molenkopf, so daß wir kein Boot direkt neben uns haben. Dadurch bekommen wir zwar etwas mehr Seitenwind ab, aber es scheuert auch kein Boot auf den Fendern, was in den Nächten den Vorteil absoluter Stille hat. Ich schicke einen kleinen Plan der Marina mit, dann könnt Ihr Euch leichter etwas vorstellen, wenn wir etwas beschreiben. Bei uns an der Pier sind noch mehrere Boote bewohnt, vor allem haben wir uns mit einem "jungen" Paar in unserem Alter angefreundet. Achim und Lilo sind unsere nächsten Nachbarn und gestern abend waren wir bei ihnen eingeladen und haben von Istanbul erzählt. Karl und Monika sind auch noch hier, weil Karl noch einige Reparaturen erledigen will und sie noch nie pünktlich losgefahren sind. Eigentlich wollten sie am Donnerstag los, um für einige Monate in München zu arbeiten.
Wegen eines starken Südsturmes, der das Schiff etwas beschädigt hat, ist in der vorletzten Woche auch ein 360 Tonnen Dreimaster Segelschiff aus Holz von Antalya nach hier in den Hafen gekommen und wir haben die Besatzung inzwischen ebenfalls kennengelernt. Der Schoner "Activ" fährt unter britischer Flagge, gehört einer englischen Gesellschaft, die wiederum einem Deutschen gehört.
Bill, ein älterer Waliser (GB), der auch bei uns an der Pier liegt, ist hier schon den dritten Winter, kennt alle und alles und er und der Marinamanager Hassan veranstalten von Zeit zu Zeit Cocktail Parties im Clubraum des Marinarestaurants. Es gibt zu Beginn einige Freigetränke zum Start und so sind immer viele Segler dort und dadurch lernt man sich untereinander gut kennen. Im Club gibt es auch einen offenen Kamin, wo man dann gut und gemütlich sitzen kann. So lernten wir auch den dänischen Kapitän Chris von der "Activ" kennen. Am 19. gab es dann eine Bottle-Party auf der "Activ". Jeder bringt Getränke mit und der Gastgeber ist nur der Organisator. Wir saßen mit dem buntgemischten Seglervolk aus 7 Nationen zusammen im ehemaligen Laderaum der "Activ", wo auch ein offener Kamin brannte. Der technische Manager eines großen Hotels hier (Engländer) spielte Gitarre und es wurden Seemannslieder gesungen. Es war ein riesig netter Abend.
An diesem Wochenende haben wir auch unsere Segel gewaschen, bei schönstem Sonnenschein getrocknet und für den Winter in der Vorpiek verstaut. Sonst haben wir keine Arbeiten, außer Waschen, Kochen usw. zu erledigen und haben somit viel Zeit, um mit anderen Seglern oder Einheimischen zu reden, zu lesen oder auch nur seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.
Du hast im letzten Brief gefragt, was man macht, wenn keine schützende Bucht in der Nähe ist und schlechtes Wetter kommt. Man muß beim Segeln verschiedene Bedingungen, unter denen man segelt, unterscheiden. Das Segeln in einem Meer ohne Landnähe und in einem Meer mit viel Land, Untiefen, Tiefsee, Inseln, Kaps, Strömungen usw. sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Gefährlich ist immer das Land. Dazu kommen die Jahreszeiten mit ihren Windsystemen. Segelt man ohne Landnähe in der richtigen Jahreszeit, so gibt es keine unliebsamen oder gefährlichen Überraschungen. Völlig anders ist das z.B. im Mittelmeer. Da dies viele nicht beachten und die Prospekte nur Sonne versprechen, kommen auch immer wieder welche in Schwierigkeiten. Diese Risiken zu erkennen und die Absicht sie auszuschalten ist für mich immer oberstes Gebot. Das war ja mit ein Grund fürs Hierbleiben, neben der Liegeplatzfrage.
Abgesehen von gelegentlichem schwerem Regen und Wind haben wir schönes und warmes Wetter. Eigentlich eher wie Frühling und es blühen hier in den Anlagen des Hafens noch viele Geranien und auch sonstige Blumen, die ich aber nicht mit Namen kenne, außer Rosen, Bougainvillea, Hibiskus und Weihnachtsstern. Wir haben tags 20 - 25 °C und nachts 8 - 12 °C. Also recht gut zum Aushalten. Bei Euch ist ja bereits richtig der Winter ausgebrochen, genau vor einer Woche hat mich Mike hier angerufen und er erzählte von viel Schnee und schlechten Straßenverhältnissen. Doch jetzt zu unserem Besuch von Istanbul.
Am vergangenen Dienstag fuhren wir morgens um 6 Uhr mit dem Taxi nach Antalya und nahmen dort den Bus nach Istanbul. Dianne hatte bereits am Vortag die Karten gekauft. 12,- DM/Person für die 650 Km weite und ca. 12 Stunden lange Fahrt quer durch die westliche Türkei. Der Bus der Firma Ak Deniz war wie üblich fast neu und mit Liegesesseln, Klimaanlage usw. ausgestattet. Wir hatten zwei Fahrer und einen Servicebegleiter. Die Fahrer fuhren sehr ausgeglichen, gleichmäßig und sicher, so daß es eine angenehme Fahrt war. Es ging pünktlich um 7.00 Uhr los und dann erst durch die untere Ebene von Antalya, dann eine Stufe hinauf auf die obere Ebene und von dort über einen Paß mit 875 m in die Ebene von Dag. (Straße E 24). Über einen weiteren Paß mit 1225 m ging es dann nach Burdur, am Burdur Gölü, einem großen See entlang durch eine fruchtbare Ebene nach Dinar. Von dort über Sandikli, Afion, Kütahya in das Tal vom Pusuk Fluß. Dann über eine Abkürzung durch das Bergland um Inönü nach Bözüyük und weiter wieder auf der E 25 nach Adaparzari und Izmit nach Istanbul, wo wir im Busbahnhof auf der europäischen Seite um 21 Uhr ankamen. Der Busbahnhof liegt direkt an den riesigen westlichen Stadtmauern von Istanbul, die die Stadt 1453 nicht schützen konnten.
Direkt bei der Hagia Sofia fanden wir das Hotel Ayasofia, wo wir uns einmieteten. DM 20,-/DZ mit Dusche, DM 10,-/EZ mit Dusche. Von dort konnten wir fast alles zu Fuß erreichen, was wir anschauen wollten. Leider begann es gleich am Mittwoch zu regnen an und es regnete einschließlich Freitag ohne Pausen. So gab es wenig zum Fotografieren und Filmen. Wir haben aber Dias gekauft. In den Palästen, Moscheen, Museen usw., merkt man jedoch nichts vom Wetter und alles zeigte sich uns in einer überwältigenden orientalischen Pracht, wogegen viele Baudenkmäler bei uns, einschließlich Kirchen und Schlösser zum großen Teil verblassen müssen. Nur die großen Dome können da mithalten, wenn man überhaupt solche Vergleiche ziehen will. Wir besuchten zuerst die Hagia Sofia, die jetzt Museum ist, und z.Zt. nach und nach renoviert wird. Es wird überhaupt  viel restauriert. Ich will jetzt nicht viel von den historischen und baulichen Einzelheiten der einzelnen Orte erzählen, dazu kommt später Material per Post. Wenn Ihr dann mal Dias und Filme seht, werdet Ihr vielleicht ein wenig nachempfinden können, was wir empfunden haben, wie wir das alles vor uns sahen. Mit einem Spaziergang über die von Deutschen zu Beginn des Jahrhunderts gebaute, schwimmende zu öffnende Brücke über das Goldene Horn und einem Besuch in der Sultan Ahmet Moschee (Blaue Moschee) ging der Tag zu Ende. Die Sultan Ahmet Moschee wurde von einem  Schüler des Meisterarchitekten des Sultans begonnen und 1617 fertiggestellt. Alle große Moscheen erinnern mit ihrer Zentralkuppel und den angrenzenden Bogen-, Tonnen- oder Kuppelgewölben an die Hagia Sofia, wo dieses Prinzip allerdings noch mit großen Stützmauern erstmalig für einen solchen Riesenbau verwendet wurde.
Am Mittwoch besuchten wir dann den Topkapipalast, der jetzt Museum ist und bis zum Übersiedeln in den Dolmahbace Palast Sitz der Sultane war, die von dort aus mit ihrem Hofstaat das riesige osmanische Reich regierten. Es ist schon ein sonderbares Gefühl an all diesen Orten zu sein und dann an Max Emanuel und andere "Widersacher" der Türken zu denken. In unserem Geschichtsunterricht kommt jedenfalls der osmanische Teil viel zu kurz und stellt aus einseitiger Sicht die Türken dieser Zeit leicht als Barbaren dar. Dieses Istanbul war jedoch das Gehirn und die Hauptstadt eines riesigen Reiches mit aller dieser Stellung entsprechenden Großartigkeit. In 600 Jahren Osmanisches Reich wurde jedenfalls viel Schönes und Wertvolles geschaffen. Mir ist auch erst hier zum ersten Mal richtig bildhaft bewußt geworden, daß das byzantische Reich West-Rom noch tausend Jahre überdauert hat. So mit viel sichtbaren Beweisen anschaulich versehen, werden 2700 Jahre Geschichte erst faßbar, oder ich kann zumindest meine Gedanken darüber kreisen lassen.
Am Freitag schauten wir uns noch weitere Moscheen an, besichtigten den im vorigen Jahrhundert gebauten Dolmabahce Palast und schauten uns im ägyptischen und alten Basar um. Ebensowenig wie man die Pracht und die Schätze der Sultanspaläste beschreiben kann, kann man den Eindruck eines echt orientalischen Basars beschreiben. Ich kann nur Fakten nennen und auf Bilder verweisen. Hühnereigroße Brillanten, faustgroße Rubine und Smaragde, Gold und nochmals Gold, wunderbare Fliesendekore, Stickereien, riesige Teppiche feinster Machart, Marmor und Alabaster, Holzschnitzereien vergoldet und Natur, hunderte von Zimmern und Sälen mit Tausenden von Quadratmetern, feinstes Porzellan von Nymphenburg bis Japan produziert, Einlegearbeiten auf Türen und Waffen usw. und das alles in Bauten von überragender Architektur.
Im heutigen Basar dann alle Güter in buntester Vielfalt immer gruppenweise geordnet und inmitten von quirligem Leben angeboten. Die Basare sind alle praktisch mit Gewölben überdachte Verkaufsstraßen. Im Sommer kühl und im Winter trocken und warm. Geschäft an Geschäft dichtgedrängt voller Händler und Kunden. Wie simpel und keineswegs modern erscheinen da unsere Einkaufspassagen.
Wegen der Besonderheit der traditionellen Altersversorgung der islamischen Frau durch den Wert ihres persönlichen Goldschmucks gibt es hier in den Basaren eine unvorstellbare Anzahl von Juwelieren, die ihre Schaufenster ohne Gitter und Alarmanlagen sicher zentnerschwer voll Gold, Silber und Edelsteine haben. Aber hier in der Türkei herrscht absolute Ehrlichkeit. Das ist unwahrscheinlich angenehm im Gegensatz zu Italien!! Die wenigen gut bewaffneten Polizisten, die aber bestimmt sofort schießen, lassen auch keine relativierenden Gedanken über Mein und Dein aufkommen.
Auf dem Weg zum alten Basar, der inmitten eines Stadtteils mit Basarstraßen liegt, kamen wir auch in eine ehemalige Karawanserei. Sie konnte ebenso wie der Basar nur durch schwere eisenbeschlagene Tore betreten werden und in den Innenhöfen stapelten sich Stoffe in Ballen meterhoch. Die Höfe hallten wieder vom Klappern der Webstühle in den Räumen hinter den Galerien der die Höfe in mehreren Etagen umfassenden Balkone. In diesem Stadtteil befand sich ein Tuchweberviertel, eine Eisenhändlerviertel, eines für Lebensmittel usw.. Warengruppe für Warengruppe bis hin zu Plastikspielzeug, oft mit der Produktion gleich hinten im Block oder in den Stockwerken darüber. Nur im überdachten Basar wird außer Verdienst nichts produziert.
Weil es mir im Sommer bei achterlichem Wind immer ins Genick zieht, wollte ich schon lange einen weichen Tuchschal. Jetzt besitze ich einen aus dem Basar, echt orientalisch erhandelt mit Jammern, Weggehen und Nachlaufen des Händlers; langes Händehalten kurz vor dem Zuschlag bis der Preis endgültig stimmte. Zuerst wollte er 20.000 Lira und ich bot 8.000. Bei 9.000 wurden wir uns dann unter seinem Wehklagen einig. Ich wurde dafür von ihm als Schotte bezeichnet. Jetzt weiß er, daß Allgäuer noch härter sind. Unter Händehalten ging es zuletzt nur noch um 500 Lira, die ich mir aber auch mit dem Hinweis auf seine zahlreiche Kinder nicht abhandeln ließ. Und was hat der Schal für ein Muster??? - natürlich ein Schottenmuster in Blau-grün!
Am Samstag regnete es dann nicht, es war aber unverändert kalt. Es blies vom Schwarzen Meer her - kalter Wind aus Rußland. Ich habe ja bereits von den Ahnungen des "Meteoro-lügen" Heinz geschrieben. Wie wir in die Moschee von Suleymann dem Prächtigen kamen, - von Sinan 1550 - 1557 erbaut -, trafen wir dort auf einen türkischen Lehrer, der in einem Gemisch aus Englisch und gutem Deutsch uns durch die Moschee führte und zwar durch die ganze Moschee, auch hinter die Absperrungen. Ständig forderte er uns auch auf zu filmen. Wir hätten uns das ohne muselmanischen Begleiter nie getraut. Innerhalb der tragenden Hauptsäulen für die Zentralkuppel sind vier runde Granitsäulen für Unterkuppeln, die jeder 40 Tonnen schwer, zum Teil von weit her von anderen Bauwerken stammen, z.B. aus Assuan, Baalbek, Jemen und vom Hippodrom (500 x 140 m) des ehemaligen Kaiserpalastes. Es finden sich hier auch ein Obelisk aus Rom, sowie einer aus Ägypten, der 200 Tonnen ! wiegt und per Schiff nach Konstantinopel gebracht wurde und heute noch hinter der Sultan Ahmet Moschee steht, die auf dem Gelände des ehemaligen Kaiserpalastes erbaut wurde. Von diesem riesigen Palast bzw. Gelände mit  Palästen und Bauten sind nur ein Teil des Hippodroms, das in eine Zisterne umgewandelt wurde und Fragmente eines gigantischen sehr naturalistischen Bodenmosaiks, das wir auch gesehen haben noch erhalten. Ich habe auch vergessen, daß wir noch vor dem Besuch des Topkapipalastes die Basilikazisterne besichtigten, die größte und neu renovierte der unzähligen Zisternen aus byzantinischer Zeit. Über sie führen Straßen, es stehen darauf Häuser und alles wird von ca. 330 Säulen getragen. Die ca. 8 m hohen Säulen mit korinitischen Kapitellen tragen die Decke in 12 Reihen zu je 28 Bogengewölben. Das gibt ein Fassungsvermögen von 80.000 m3 Wasser. Heute sind nur ca. 20 cm Wasser darin und auf Gehsteigen knapp über dem Wasser, die jetzt eingebracht wurden, kann man alles besichtigen, sogar die hintersten kürzeren Säulen mit je einem großen untergelegten Steinquader mit Medusenhäuptern, die einmal für irgendein Bauwerk gemeißelt wurden und dann als Unterlage einfach hier eingebaut wurden - Wegen des simplen Zwecks gleich verkehrt herum, wie der Stein zu liegen kam. Es gibt auch eine gedrehte Säule und eine mit eingemeißelten Ornamenten. Es muß damals einen blühenden Handel mit gebrauchten Säulen gegeben haben. Die Zisterne wird farbig im Takt der dort abgespielten klassischen Musik angestrahlt.
Vom 19 km langen Wasserleitungssystem ist nur noch ein 900 m langes Aquädukt erhalten.
Nach den Besichtigungen unternahmen wir eine Bosporusfahrt, die zwar ohne Regen verlief, aber bei neblig trübem Wetter und die hohen Pfeiler der Bosporusbrücken steckten abwechselnd mit der Spitze in den Wolken. Wir fuhren daher und um Zeit zu sparen nur mit dem Nachmittagsschiff bis Kanlica, das ist an der schmalsten Stelle kurz nördlich der nördlichen Brücke, hatten dort ca. 1 1/2 Stunden Zeit bis das Vormittagschiff uns auf dem Rückweg wieder mitnahm. In Kanlica sahen wir viele Originalholzbauten, wie sie hier üblich waren und Dianne kaufte sich bei einem Straßenhändler einen Schal in rotem Schottenmuster für 3000 Lira, der bei gleicher Länge aber nur schalbreit ist, während meiner ein quadratisches Tuch von fast vierfacher Fläche ist.
Wir tranken dann in einem Lokal direkt am Wasser Tee und schauten den vorbeifahrenden Frachtern zu. Wieder in Istanbul zurück, gingen wir in unser Stammrestaurant mit dem lustigen originellen Chefkoch, wo die schön angerichteten fertigen Speisen am Eingang auf großen Platten warm gehalten werden. Es ist hier in diesen sehr preisgünstigen Lokalen üblich, nicht von der Karte am Tisch zu bestellen, sondern man geht zum Koch an den Tresen, sucht sich Speisen in beliebiger Zusammensetzung und Menge aus, während der Kellner daneben mitschreibt, und bekommt dann vom Kellner am Tisch serviert. Wie ich dann alles gefilmt habe, hat sich der Chef besonders produziert und alle waren stolz, daß sie gefilmt wurden. Besonders freute sich aber der Kellner, wie er dann durch die Videokamera schauen durfte und das Gefilmte im Playback sah. Sobald ein Teller oder Glas leer ist, kommt ein Abräumer, meist ein Junge und räumt auf. Personal gibt es hier genug und Arbeit ist billig. So haben wir immer recht gut und unglaublich billig gegessen. Essen und Getränke für DM 16,- bei 3 Personen waren das teuerste was wir in Istanbul bezahlt haben. Dagegen haben wir an einem Abend im Lokal gleich an der Ecke zwischen dem Restaurant und dem Hotel (recht gemütlich im Pubstil, mit auch fast englischen Publikum) 23 DM für 2 Flaschen Wein, Vodka Orange und einige Cognac ausgegeben. Leben "wie Gott in Frankreich" in der Türkei!!
Um 20 Uhr sind wir dann mit einem  ebenso guten Bus der gleichen Linie zurückgefahren. Wir hatten eine gute ruhige Fahrt und nach viel Regen in den Bergen kamen wir hier gestern früh in der Marina um kurz nach 9 Uhr bei herrlich warmem Sonnenwetter und blauem Himmel an.
Heute war es nicht ganz so schön, aber warm und sonnig und Dianne und Claudia waschen schon den ganzen Tag. Trotz unserer guten türkischen Waschmaschine für 83.000 Lira macht die Wäsche doch etwas mehr Arbeit, aber wir haben ja Zeit.
moderne DrehmaschineAchim bastelt gerade ein neues hölzernes Steuerrad und ich habe eine "Karusseldrehmaschine" für ihn erfunden und mit dieser abenteuerlichen Vorrichtung haben wir das Ding schön rund gefräst und geschliffen. Da gab es auch gleich Zuschauer und weil jeder Zeit hat, Gelegenheit für einen Ratsch. So eine Marina ist wie ein Dorf. Jeder kennt jeden, ist unkompliziert und nett. Eben all das, was es in der Stadt nicht mehr gibt.
Kürzlich habe ich meine Selbststeueranlage, nur das elektrische Teil, nicht das Zusatzruder, gegen einen fast neuen Funkpeiler eingetauscht. Der Autohelm 1000, für uns die billigste Lösung, hat sich bei Seegang nicht bewährt und wir werden jetzt doch den 3000 in England kaufen. Aber den Versuch war es wert. Die Seekarten und Handbücher von Jugoslawien, die wir auch am schwarzen Brett ausgehängt hatten, gingen heute an einen netten Holländer weg.
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 Kemer, 4.12.88
Eisenberger!
Vielen Dank für den Brief vom 17. 11. mit den anderen Briefen, z.B. dem von Martina, der uns ganz besonders gefreut hat (wird auch mit Liebe gesondert beantwortet). Vielen Dank auch an Mutti für ihren Brief. Ich beantworte die Briefe immer so reihum und ich glaube jetzt seid Ihr wieder einmal dran. Der Grund warum ich heute schon wieder schreibe, ist der: "Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund (die Feder) über!"
Seit wir in Istanbul mit all den Superlativen waren, haben wir schon wieder einen wirklich herrlichen Tag erlebt. Ich bin noch so begeistert, daß ich mich jetzt 10 Minuten nach unserer Rückkehr gleich an die Maschine gesetzt habe. Im Radio höre ich klassische Musik und das gibt die richtige Stimmung. Wir waren heute in Phaselis, das Ihr wohl kaum auf einer heutigen Karte finden werdet, denn es existiert schon lange nicht mehr, dafür war dort aber früher um so mehr los. Es liegt auf einer kleinen Halbinsel - die haben sich immer schon die besten Plätze ausgesucht - 8 Sm südlich von Kemer. Anschließend waren wir noch in Olympos etwas weiter südlich. Aber erst der Reihe nach:
Hassan und BillHassan, der unwahrscheinlich nette Direktor des Hafens, und Bill Berry, ein pensionierter Waliser (GB), der schon 3 Jahre hier überwintert hat, sind ein gutes Gespann und daher gibt es hier recht gutes Sozialleben. Dazu gehören Cocktailparties genannte Meetings im Club und gemeinsame Ausflüge, usw.. Also gab es gestern eine Cocktail-Party, die wieder einmal sehr nett war und wo wir wieder einige neue Leute kennengelernt haben, darunter einen italienischen Ingenieur eines großen Kohlekraftwerkes, der schon seit 5 Jahren als Spezialist in der Türkei arbeitet und auch schon einige Jahre in Neurath bei Köln im Kohlenrevier war. Er ist auch mit einer Deutschen verheiratet.
Heute unternahmen wir den Ausflug nach Phaselis und nachdem es gestern nur einmal bis 17.30 Uhr geschüttet hat, war heute lupenreiner blauer Himmel, zumindest bis Mittags und dann war es auch immer noch schön und warm. Wir fuhren mit 17 Leuten mit dem Kleinbus der Marina um 9.30 los. Im BusDie Fahrt führte zunächst durch die Orangen- und Mandarinenplantagen hindurch entlang der Berge. Die Plantagen mit den relativ niedrigen Bäumchen, die übervoll Früchte tragen und die schneebedekten Berge dahinter ergeben ein wunderbares Bild. Einige Felder werden bereits abgeerntet. So essen wir z.Zt. ganz frische herrlich schmeckende Mandarinen, das Kilo für ca. 40 Pfennige. Die Straße verlief dann etwas höher über den ersten Rücken, der hier bei Kemer das Kap am Meer bildet und dann wieder hinunter ans Meer. In Phaselis hielten wir zuerst am kleinen Museum, vor dem viele Hibiscusträucher  und Rosen blühen. Daneben wachsen Bananenstauden mit noch grünen Früchten. Das alles am 4.12. im strahlenden warmen Sonnenschein ohne Jacke usw. zu erleben ist schon toll. In der antiken Stadt selbst, fuhren wir mit dem Bus bis zum "Nordhafen" und gingen von dort aus zu Fuß. Vom Kriegshafen im Südteil des Nordhafens - die jeweiligen ursprünglich gesetzten Hafenmolen wurden heute von weißen Brechern überspült - gingen wir die nördliche Hauptstraße entlang, wo sich das öffentliche Leben abgespielt hatte und besichtigten die reichlich vorhandenen römischen Bäder zu beiden Seiten. Die leicht ansteigende Straße mit behauenen Sockeln zu beiden Seiten, worauf Säulen mit Inschriften stehen, deren Figuren aber heute im British Museum sind, führte uns zu einem größeren gepflasterten Platz, von wo aus es zur Linken zum Amphitheater und zur oberen Wohnstadt ging und rechts geradeaus zum Südhafen über eine gleich gestaltete Straße mit den Resten von Palästen zu beiden Seiten. Durch das Hadrianstor - der liebte offensichtlich Tore und daher wurde ihm bei den Besuchen überall eines hingebaut (von den Schleimern!) - traten wir auf den Platz vor dem Südhafen, einer natürlich gegen die Nordwinde geschützten Bucht. In dieser Bucht waren eine ganze Reihe junge Leute beim Baden!! Wir gingen ohne Bad wieder zurück zum Bus und suchten uns direkt am Wasser in der Nordbucht einen schönen Platz auf einigen antiken Steinen und Säulen, um unser Mittagessen zu verspeisen. Wir hatten alles, sogar einen Kellner mit und es war das schönste Picknick mit Hähnchen, Salaten, Brot, Früchten; Wein und Bier. Alles von Porzellantellern mit Besteck, Gläsern usw. sehr gepflegt. Wir waren Leute aus mehreren Nationen, gemeinsame Sprache Englisch und es war ein richtig genußvolles Mahl in angenehmer Atmosphäre. Bei uns saß der Marina-Direktor und wir haben uns sehr gut unterhalten, er ist auch ein wirklich netter und auch sehr humorvoller Mann. Aber die Unterhaltung ging kreuz und quer und es war eine wirklich nette Runde äußerst angenehmer Mitmenschen.
Nach dem Essen fuhren wir weiter nach Olympos und nachdem wir das versteckte Nest nach zwei Irrfahrten endlich gefunden hatten, waren wir wiederum begeistert. Es ist schwer zu beschreiben und auch die Videos geben wahrscheinlich nur einen Teileindruck wieder, aber das ist schon eine wirklich überwältigend schöne Gegend hier. Wir mußten zuerst ziemlich weit den Berg hinauf - der Berg Olympos hat 2400 m - und dann ging es eine schmale Straße in Windungen steil hinab ins enge Tal und von dort noch einmal in ein Flußbett hinunter in einen Canyon, der sich erst am Meer zwischen steilen Felsen zur geschwungenen Sandbucht hin weitet. In diesem Kessel mit Öffnung zum Meer lag Olympos. Herrlich!! Die Straße, oder besser die Fahrspur querte mehrmals den Fluß in einer Furt und war nicht befestigt. Vor einer Ruinenmauer mit schönen Bögen stellten wir den Bus ab, Zu Fuß gingen wir zum Meer, sprangen über einen mündenden Bach und kämpften uns durch das üppig wuchernde Dickicht über den Ruinen zum antiken Theater und zur Nekropolis vor. Brigitte, es gibt hier richtige Dickichte von Oleandern, die wachsen riesig groß und wuchern alles zu, da könnte man sich mit einer Machete durch die Oleander schlagen. z.Zt. blühen sie aber nicht sondern tragen schotenförmige Früchte.
Über Steine im Fluß springend kamen wir wieder ans andere Ufer und sammelten uns vor einem Orangenhain für die Rückfahrt. Die Rückfahrt war wie die Hinfahrt ebenfalls schön. Wir sahen Ziegenherden, Kühe, Stiere, die bereits keimende ca. 10 cm neue Getreidesaat in steinigen Äckern mit sehr fruchtbarer Erde, Frauen am Dorfbrunnen, Esel mit Jungen, Ponys, Kinder, die Pilze zum Verkauf anboten, quirrlige Bäche über die Felsen herunter und viele Orangenbäume. Die Blätter sind sehr dunkel grün und geben einen wunderbaren Farbkontrast zu den Früchten ab.
So jetzt muß ich die Schreibmaschine abtreten, Dianne will sie haben und ich werde dafür das Abendessen kochen dürfen. Da lebt man in einem muslimischen Land, hat zwei gesunde tüchtige Frauen an Bord und dann landet man in der Küche. Schicksal!
Haben heute übrigens zwei sehr interessante Tiere gesehen:
1) große Heuschrecken, z.Zt hier eine Plage, sind ca. 5 cm lang oder evtl. 8 cm. Wenn man sie festhält, wehren sie sich ganz schön kräftig.
2) große Eidechsen ca. 25 - 30 cm lang mit breitem Kopf und orange-roten Gaumen, den man gut sieht wenn die Echse etwas frißt. Habe eine gefilmt, die gerade eine große grüne Heuschrecke gefressen hat. Hat richtig geknackt.
- In Olympos gibt es am Berg auch eine Stelle, wo Gas aus dem Fels austritt, das sich selbst entzündet, in den Bergen ganz oben gibt es noch so eine Stelle. Wir sind allerdings nicht bis dahin gekommen. Wer will auch schon "zur Hölle fahren"!?
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 (Mit Bildern bedruckter Luftpostbrief) Kyrenia, 15.12.88
Liebe Mutti!
Wie am Umschlag erkennen kannst, sind wir bereits in Zypern eingetroffen.
Wir hatten heute wieder einmal einen besonders schönen Tag. Wir besichtigten zuerst eine riesige Burganlage, St. Hilarion, und dann ein ehemaliges Kloster. Beides auf der Nordseite der Berge. Dann fuhren wir über die Berge nach Nikosia und besichtigten dort die Stadt. Dies alles war überaus interessant und Ihr werdet bald Videobänder bekommen, denn manches kann ich einfach nicht so beschreiben. Die Burganlage, man kann sie gut vom Meer aus sehen, liegt 950 m hoch. Es handelt sich um eine weitläufige Anlage, die sich in Stufen um einen Berggipfel herum windet. Männer wie Richard Löwenherz und Friedrich II haben schon darum gekämpft und darin gelebt. Es ist trotz vieler Kämpfe noch sehr viel von der Burganlage erhalten geblieben.
Die Abtei von BellapaisDas Kloster wurde bereits im Hochmittelalter gegründet, erlebte dann seine Blüte unter den Prämonstratensern (Hl. Norbert von Magdeburg) und ging dann unter, nachdem sich die Mönche ein sehr leichtes und lustvolles Leben erlaubten. Die Lage des Klosters an den nördlichen Abhängen über Kyrenia ist aber auch heute noch unverändert einmalig und ein solcher, zwar beschädigter Bau aus gotischer Zeit zwischen blühenden Rosen und Geranien, Palmen und Eukalyptusbäumen ist schon ein besonderer Genuß. Dazu strahlender Sonnenschein und sommerliche Temperaturen. Am Nachmittag dann ein Besuch in Nikosia. Die dortige Hauptmoschee war eine gotische Kathedrale und dieser prächtiger gotische Bau, jetzt mit zwei Minaretten ohne Innenschmuck mit einer nach Mekka ausgerichteten Innenanordnung sieht schon sehr sonderbar aus. Außer der "Moschee" sahen wir noch eine Klosterkirche aus gleicher Zeit direkt daneben, ein Lapidarium mit vielen Wappen der Kreuzfahrer, die Gräber der zyprischen Könige, Schnitzereien aus den ehemals christlichen Kirchen, die Bibliothek Sulimans I usw.. Nikosia ist auch wegen seiner Festungsanlage um die Stadt bemerkenswert. 11 Ecken hat die sonst runde Anlage, die die Venezianer  bereits unter Zeitdruck noch schnell errichteten, die aber 1571 dennoch nicht standhielt. Jetzt ist diese Stadt geteilt und eine häßliche Trennwand aus Wellblech trennt Süd und Nord.
Gestern haben wir die Zitadelle von Kyrenia, die auch 1571 von den Türken erobert wurde, besichtigt. Die Festung war noch unter den Briten als Gefängnis in Gebrauch und wir haben die Zellen aus dieser Zeit und die Verließe tief unter den mächtigen Türmen aus dem Mittelalter besichtigt und erkundet. Es ging so tief hinunter, daß wir uns Licht machen mußten, weil die ca. 30 m tiefen Lichtschächte nicht mehr genug Licht brachten. In den Räumen der engl. Royal Guards ist heute ein antikes Handelsschiff ausgestellt, das vom Meeresgrund gehoben wurde. Es sank 300 v.Chr. vor Zypern und hatte eine Ladung Mandeln und Mühlsteine an Bord. Die Mandeln waren in 400 Amphoren und sind noch gut erhalten. Auch vom Schiff ist die ganze Bodensektion erhalten.
Dies wird wohl die letzte Post vor Weihnachten sein. Hier ist auch gar nichts von Weihnachten im "Sommer" zu bemerken.
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 An Bord, 20.12.88


Liebe Eisenberger usw.!
Es war schön, gestern mal wieder miteinander zu telefonieren. Leider wurden hier die Postgebühren und Telefongebühren erhöht und so rauschen die Einheiten doppelt schnell oder doppelt teuer durch. Ich sitze gerade alleine im Salon und schreibe im Sonnenschein, während auf der deutschen Welle "Grüße aus dem Heimathafen" laufen. Claudia ist nach Antalya gefahren und Dianne ist auf einem amerikanischen Boot bei Ruth-Anne, um die Vorbereitungen für eine gemeinsame Weihnachtsfeier am 25. und eine Silvesterfeier zu organisieren. Dianne ist sozusagen Mittler zwischen den Welten aus englisch- und deutschsprachigen Bootsbesatzungen. Vorgestern abend hatten wir auch wieder eine Cocktailparty im Yachtclub und wir haben einige neue Leute kennengelernt. Ich habe mich sehr lange mit Gönül, der zypriotischen Frau von Hassan dem Marinadirektor über Politik usw. unterhalten. Heute nachmittag sind wir bei Gönül eingeladen. Ihr Vater war Minister in der Regierung von Makarios.
Zu Weihnachten sind einige Yachties abgefahren, dafür sind aber andere wiedergekommen. Es ist eine nette Gemeinschaft hier. Jede Kleinigkeit, die man hier im Hafen macht dauert länger, weil man jemanden trifft, mit dem man erst mal ratscht. Die Leute bei uns zu Hause haben für diesen eigentlich selbstverständlichen Kontakt meistens keine Zeit mehr, dafür schaut man sich dann unverbindlich eine blöde voyeuristische Fernsehserie wie z.B. Lindenstraße an, anstatt Nachbarschaft selbst zu leben.
Aber jetzt will ich der Reihe nach über unsere Zypernreise berichten. Und darüber gäbe es wirklich sehr viel zu sagen, aber ich will es etwas kürzer machen. Mike werde ich dann wieder ein Videoband mitgeben, denn wir haben bei schönstem Wetter sehr viel filmen können. Wir waren ganz begeistert.
Am Montag fuhren wir los, d.h. ich fuhr 2 Stunden voraus, um die Karten zu holen und war dann in der Marina in Antalya, um dort mit den Leuten ein wenig zu ratschen. Es sind dort auch Münchener, die wir schon von Jugolsawien und über Koala-Karl her kennen. Wir hatten dann bei schönstem Wetter - Engel reisen usw. - eine sehr interessante Fahrt nach Tasuçu bei Silifke. Wir fuhren zunächst durch überschwemmte Ebenen mit Baumwollfeldern bis Side, der antiken Siedlung, und dann wurde es immer südlicher mit immer mehr Bananenplantagen statt Orangen. Alanya war dann die letzte größere Stadt in der Ebene. Alanya hat auch eine große Festung aus Kreuzritterzeiten auf dem Felsen, der sich direkt über den Hafen in der Ebene erhebt. Und dann wurde es bergig. Die Sylvretta ist eine Radltour gegen diese Bergstraßen entlang des Taurosgebirges nach Tasuçu. Es war zeitweilig wie ein Flug entlang der Küste. Die Straße geht über weite Strecken recht weit oben entlang. "Tausend" Kurven hinauf und dann wieder hinunter zu den Tälern zwischen den Kaps. Kap Anamur mit seiner Kreuzfahrerfestung sahen wir noch im Tageslicht und dann wurde es ein Nachtflug. Um 19.30 kamen wir in Tasuçu dem neuen Fährhafen an und leider erfuhren wir erst dort, daß sich der Fahrplan gerade heute änderte und die 24 Uhr Fähre nicht mehr fährt. Aber das ist die Türkei, alle sind nett, hilfsbereit und willig, aber Organisation ist ein Fremdwort, das durch "Yes Okay" oder "Problem" ersetzt wird. Dabei bedeutet beides das Gleiche. (oder auf bayrisch: "Nix Gwieß woas ma net").
Ein williger, netter und hilfsbereiter Angestellter der nicht fahrenden Fährlinie ging mit uns durch den Ort zu einer neuen sauberen Pension, ebenso neu wie der Hafen und dolmetschte für uns engl./türk. Nach einem Dankeschön verschwand er wieder um uns am nächsten Tag gleich wie alte Freunde wieder am Hafen zu begrüßen. Wir bekamen ein Dreibettzimmer (Familie mit Tochter!), tranken im Aufenthaltsraum beim türkischen Fernsehen mit einigen anderen Gästen noch einige Efes-Pils und nach einer guten Nacht frühstückten wir in der Sonne neben blühenden Geranien auf der Terasse. Wir bezahlten dann für das Zimmer mit Dusche und WC, Frühstück und Bieren 21 DM aber nicht pro Person! Wer hier als Neckermann 80 bis 120 DM im Hotel mit Halbpension bezahlt ist selbst schuld.
Wir gingen zu den Fährbüros und buchten eine Hin- und Rückfahrt auf der "Barbaros" einer Schnellfähre, die nach Auskunft am Abend um 14 Uhr gehen sollte. Aber das war wieder türkische Auskunft und türkischer neuer Fahrplan. Auf dem Ticket wurde dann bereits 15 Uhr eingetragen und um 17 Uhr fuhren wir tatsächlich, denn der neue Fahrplan mußte erst ausprobiert werden, weil man die Zeiten nicht planen "konnte". Am deutschen Wesen soll die Welt genesen, soll man nicht sagen, aber denken darf man es schon, wenn man diese liebenswürdige Pfuscherei erlebt. Aber noch war der Tag nicht zu Ende. Auf der Fähre kotzten sich die Türken erst mal bei leichtem Seegang die Seele aus dem Leib, weil ein Türke ein Landbewohner und kein Seemann ist. Die Flotte der Osmanen bestand auch aus keinem einzigen Türken!  In dieser Flotte fuhren nur allerlei seefahrende Vasallen. In Lepanto war nur der Chef Osmane und wie sah das Ergebnis aus?
Die Mitreisenden auf der Fähre kamen schon angstschlotternd an Bord und nach einigen Schweißperlen auf der Stirn wußte man jetzt ist es soweit. Wir haben uns mit einem jungen zypriotischen Steward angefreundet, der sich gerne und lange mit uns unterhielt. Ich sprach dann noch den Bordtechniker an und kam so in den Maschinenraum dieses Schnellbootes. Vor einem Jahr in Australien aus Alu gebaut, 2x dt. MTU Diesel je 1.500 PS, 137 t, 40 m lang, 40 Knoten max, 26-28 Kn normal. (Manchmal wünsche ich mir, Christian wäre dabei). Nach fast genauso gut organisierten Ankunftsabfertigungen fuhren wir mit einem Dolmus nach Girne(= Kyrenia griechisch), bzw. wir hatten das vor. Der Fahrer wußte das auch, aber ein Türke denkt an viel, redet viel, gerade während des Fahrens und so ging es plötzlich den Berg hinauf. Wir dachten, eine Hafenstadt liegt doch am Meer und reklamierten. Mit viel Bedauern sagte der Fahrer er würde uns von Lefkosa (= Nikosia griechisch) wieder nach Girne zurückbringen. Er bot uns den unerwünschten Umweg sogar für den Preis Fährhafen bis Girne an, aber wir entschlossen uns wegen der späten Zeit in Lefkosa zu bleiben. Leider sind aber die meisten Hotels in Lefkosa im Südteil und so fanden wir nur eine Absteige für 12.000 TL (1000 TL = 1 DM) das Dreibettzimmer. Es war aber leidlich sauber und man konnte es eine Nacht aushalten, so sah ich es, aber die Damen waren etwas weniger glücklich. Am nächsten Tag fuhren wir dann nach Girne zurück und schlugen dort in der Swan-House Pension unser Hauptquartier auf. Blick gleich auf den Hafen 25.000 das DZ mit Dusche und 15.000 das EZ mD. Am Nachmittag besuchten wir dann das Schiffswrackmuseum in der Zitadelle und die Zitadelle selbst, gleich am Hafen. Amerikanische Archäologen haben vor Girne ein 300 vor Chr. gesunkenes Schiff gehoben. Das ist mit Ladung (Amphoren mit Mandeln und Mühlsteinen) dort ausgestellt. Früher waren in dieser Festung die Royal Guards (brit.).
Die Zitadelle hat eine sehr lange und bewegte Geschichte, wie alles hier in der Gegend. Noch in den 50er Jahren haben sie die Engländer als Festung und Gefängnis für die EOKA-Kämpfer benutzt, dann wurde sie nationales Monument. Admiral Sadik Pascha ist dort in einem Sarkophag im Eingangsbauwerk beigesetzt, er hat 1570 Kyrenia für die Osmanen erobert. Die Lusignan-Könige und vor allem die Venezianer haben die Festung stark ausgebaut. Die Festung ist, wie die anderen Stadtfestungen auch, völlig erhalten und wir gingen richtig auf Abenteuerbesichtigungen, wie wir in die Verließe unter den mächtigen Eckbastionen hinuntergingen. Schräge Stollen führten in ein Gewirr von Gewölben und Verließen. Wir tasteten uns mit einem Feuerzeug als Licht hinein und machten mit einer Zeitung ein Feuer, um etwas zu sehen. In 1319 ließ man 22 aufständische Adelige und Ritter dort unten aneinander-gekettet verhungern. Die Herrschaften der Insel wechselten sich nicht immer auf die feine Art ab. Dieser Brauch gilt auch noch heute.
Blick von Hilarion nach SeeAm nächsten Tag fuhren wir mit einem Taxi 950 m hinauf, um die Burgfestung St. Hilarion zu besichtigen. Über Jahrhunderte war dort auf 4 verschiedenen Höhenebenen um einen Berggipfel herum eine Burganlage von unvorstellbaren Ausmaßen geschaffen worden. Einige Teile sind noch sehr gut erhalten, so z.B. die beiden Anlageteile aus verschiedenen Zeiten, wo die Königsgemächer waren. König Richard Löwenherz und Friedrich II waren dort. 9 Monate wurde die Burg belagert. Unzählige Schicksale spielten sich dort ab. Beim Filmen passierte mir dann der Bolzen, daß ich vor lauter Konzentration auf die Kameraführung, beim Text von Prinz "Eisenherz" sprach, der wohl auch schon durch diesen Torbogen geritten sei! Haha, was redet man für einen Blödsinn, wenn der Streß einer Liveaufnahme einem das Gehirn abschaltet. Wir haben schön gelacht, dabei habe ich die Eisenherz--Heftchen gar nie gelesen, Mutti liebte schließlich noch nie Comics.
Friedrich II reiste dieses Jahr wohl immer mit uns, Mutti hätte ihre wahre Freude an all den Orten, die er besucht und vor allem mitgeprägt hat. Von der Burg fuhren wir mit dem Taxi gleich nach Bellapais. Ursprünglich ein Augustinerkloster aus 1200, wurden die 1121 vom Hl. Norbert von Magedeburg gegründeten Prämonstratenser etwa 100 Jahre später von den Lusignans nach Zypern gerufen. Das Kloster, ein selbst als gut erhaltene Ruine noch sehenswerter schöner gotischer Bau liegt am Fuß der Höhenzüge über dem Meer in einer blühenden herrlichen Landschaft mit wunderbarem Ausblick. Bei ebenso schönem Wetter war es , wie schon von der Burg aus, ein königlicher Ausblick für uns. Das ist oft so schön, daß man laut singen möchte! Und die Touristen, die mit ihrer Hektik und Unfähigkeit sich einzufügen so oft stören, fehlen hier auch.
Den Abend verbrachten wir dann, wie die anderen Abende auch, in einer netten Hafenkneipe in einem Gewölbe am Hafen von Girne direkt unter unserer Pension mit Blick auf Hafen und Zitadelle.
Am Nachmittag, den ich jetzt fast vergessen hätte, waren wir in Lefkosa, besichtigten die kreisrunde Festung um die Stadt, die die Venezianer zwar nicht gratis aber umsonst in nur drei Jahren gebaut hatten. Die runde Anlage mit 11 sternförmig vorspringende Bastionen ist noch vollständig erhalten und wir gingen ringsherum, soweit es die geteilte Stadt zuließ. Die Hauptmoschee der Stadt mit ihren weithin sichtbaren Minaretten war dann die größte Überraschung: Lefkosa und Famagusta haben "gotische" Moscheen! Das sieht vielleicht fremd aus. Die gotischen Kathedralen wurden ihres Innenschmucks beraubt, innen weiß getüncht und so zur Moschee. Ein alter Museumswächter sprach uns an und sperrte uns dann noch einige sehenswerte alte Holztore auf und wir besichtigten die Bibliothek des Sultans Mahmud II, ein Lapidarium mit Kreuzritterwappen aus Stein, eine andere verfallene gotische Kirche mit Grabplatten der Kreuzritter usw. Die Demarkationslinie mit Wachtürmen der beiden Seiten und der UN war dann sehr deprimierend. Zwar weniger perfekt als die Berliner Mauer, halt südländisch aus Wellblech zusammengeschustert, aber erst diese Woche wieder für einen Nordzyprioten ebenso tödlich.
Am nächsten Tag fuhren wir dann mit dem Bus bei einem Gewitter mit Dauerwolkenbruch, weil wir mit der Wolke mitfuhren, nach Famagusta. Dort klarte es aber auf und wir gingen zum Teil zusammen um die Stadt. Ich ging völlig herum, weil ich mir schon vorgenommen hatte, an der Festung entlang um die Stadt zu gehen. Die Stadt ist praktisch völlig innerhalb der Festung gelegen, die aber nicht so symmetrisch wie die von Lefkosa ist. Sie ist ja auch älter und nach und nach entstanden. Shakespeare hat hier seinen Othello her. Ein Venezianer hat nämlich seine vermeintlich untreue Frau in einem Turm der Zitadelle (jetzt Othello Tower) ermordet.
Die anderen Bastionen an den Ecken der riesigen Festungsanlage sind jünger aber noch wuchtiger. Wir besichtigten dann auch noch die Moschee, die auch "gotisch" ist und einige gotische und byzantinishe Kirchen-ruinen. In der Moschee wurden wir vom Kustodian hereingerufen und er zeigte uns das Grab des Hl. Nikolaus! Ja das stimmt sogar, denn der Reliquienraub in 1087 in Myra ging wohl etwas hektisch zu. Jedenfalls sind nur ein Teil der Reliquien nach Bari gelangt. Einige sind in Antalya im Museum und andere eben in Famagusta in der Moschee unter einer wunderbaren weißen Marmorplatte, die ein Bischofsbildnis in Lebensgröße zeigt und durch eine Glasplatte mit Holzdeckel darüber geschützt wird. Dieses Grab in der ehemaligen St. Nikolaus Kathedrale liegt vorne im linken Seitenschiff des dreischiffigen gotischen Bauwerks.
Wir besichtigten auch den großen Canbulat Turm der Festung, in dem das Grab (hier Türbe genannt) des türkischen Offiziers Canbulat ist. Er stürzte sich mit seinem Pferd in eine venezianische Verteidigungsmaschine und ermöglichte so die Einnahme des Turms. Die Kriegsmaschine war ein riesiges schnell drehendes Rad mit lauter Messern, das er so blockierte. Die Stadt hat heute nur noch die Hälfte der 40.000 Einwohner, weil 20.000 "Griechen" geflohen sind. Es sieht so aus als ob die Griechen mit ihrer Anschlußbewegung und dem Putsch der Nationalgarde gegen Makarios die jetzige Situation verschuldet haben. Oberst Grivas mit seinen "Freunden" in der damaligen griechischen Militärjunta kämpfte für den Anschluß und da waren die damals 18% "Türken", die sich aber als Zyprioten fühlen, überzählig gewesen. Der türkische Einmarsch 1974 beendete das bürgerkriegsähnliche Morden und jetzt stehen die Türken mit 40% der Insel recht gut da, aber mit der Wirtschaft und ausgebildetem Personal hapert es. Bei Famagusta steht eine Hochhaushotelstadt leer da, seit 14 Jahre Geisterstadt. Wenn einer sich hier niederlassen will und mit wenig Geld seine Existenz gründen will, hier kann er es leicht und gut machen. Einige Deutsche und vor allem englische Pensionisten haben das schon gespannt und haben von der Regierung für fast nichts Häuser geflohener "Griechen" langfristig gepachtet oder billig neu gebaut. Ein Bauarbeiter verdient hier ca. 100 DM im Monat!!
Nach wiederum perfekt türkisch organisierter Abfahrt mit 3 1/2 Std. Warten im Stehen und einer langen Nachtfahrt im Bus kamen wir am Sonntag wieder in Kemer an. Auf der Hinfahrt im Bus und bei der Rückfahrt auf der Fähre haben wir noch einige Bekanntschaften gemacht. Zuerst ein junger ägyptischer Landwirtschaftsstudent, der uns viel über das Reisen nach und in Ägypten erzählte und uns Notizen in lateinischer und arabischer Schrift mitgab, mit Hotels und Empfehlungen usw. und dann ein türkischer Soldat, der in Deutschland in der Schule war und viel Informationen geben konnte. Leider wurde er wie alle Türken fürchterlich seekrank. Er und sein "Frankfurter" Kamerad, der so schön hessisch redete, verabschiedeten sich erst im Bus nach Antalya von uns. Die Leute sind hier alle so freundlich. Wir Deutsche sind dafür leider nicht gerade berühmt.
Nach den neuesten Informationen über Ägypten, planen wir auf dem Landweg, das ist spottbillig, über Syrien Jordanien, Golf von Akaba nach Ägypten zu reisen. Eventuell im Januar, wenn wir bis dahin noch einige  weitere Informationen bekommen. Das geht mit Bahn und Bus sehr gut. Wir reisen also hier herum wie der Apostel Paulus mit dem Barnabas. Wenn man Zeit hat, geht das prima. Der Zug durch ganz Syrien hindurch kostet z.B. nur 8 Dollar. Auch die Eisenbahn in Ägypten soll so billig sein. Mal sehen, der Winter ist jetzt noch lang.
Zum Segeln ist es allerdings jetzt wirklich nicht mehr, denn letzte Woche ist hier bei Kemer ein 300t Schiff mit 26 Menschen untergegangen. Es wurde keiner gefunden.
65. Geburtstag von Vienna CharlyBei der Cocktail Party vorgestern haben wir zwei Deutsche, die hier in einem Hotel bzw. als Geschäftsführer in einem Restuarant arbeiten, kennengelernt. Klaus war gestern mit Karl, dem Wiener, zur Frühschoppen hier und da stellte sich heraus, daß sein Vater, der jetzt pensionierte Kapitän z.S. Schröder ist, der einmal auf der Marineversorgungsschule in List auf Sylt für 4 Wochen mein Kommandeur war. So klein ist die Welt.
Ein anderer Klaus von der TO-Yacht "Amica" kam heute wieder aus Deutschland zurück und brachte uns ein deutsches Roggenbrot. Frisches Bauernbrot aus Delta Lima, wie die Funker sagen.
"Meine" Frauen sind, während ich hier im Salon immer noch schreibe, äußerst geschäftig mit Waschen, Wäsche zusammenlegen und Weihnachten organisieren. Dianne verschwindet immer wieder auf ein Boot und flitzte jetzt zum Marinadirektor zu einer Besprechung. Bis sie zurückkommt wird es wohl Zeit sein zusammen zum Kaffeetrinken zu seiner Frau zu gehen. Sie wohnen hier in der Marina. Morgen muß ich noch einmal kurz nach Antalya, um einige Besorgungen zu machen und dann muß ich noch einen Christbaum stehlen. Man muß da vorsichtig sein, ein halbes Jahr ins Gefängnis wegen Baumfrevel gehen oder den Polizisten bestechen. Das wäre zwar nicht teuer, jedenfalls billiger als ein Baum bei uns, aber ich werde vorsichtig sein, das ist spannender. Mutti würde jetzt sagen, "Aber Kaaarl!!". Jaja der Orient, der verdirbt den Charakter!
So jetzt habe ich alles erzählt und mache noch einen kleinen Hafenrundgang. Werde schon einen Mitspazierer finden. Achim und Lilo sind heute früh nach Delta Lima gefahren, dafür kam Bill überraschend wieder zurück. Er hatte sich so auf Weihnachten mit seinen Enkeln, sie sind gerade in Italien, gefreut, aber bei Denizle in den Bergen hat sein Auto einen totalen Motorkollaps bekommen und eine Reparatur geht hier nicht so schnell. Drei Tage hat er jeden Tag vom Hotel aus den vermeintlichen Fortschritt beobachtet, aber immer brach beim Start wieder ein anderes Teil zusammen. Jetzt hat er aufgegeben und feiert erst mal Weihnachten hier mit uns. Er hofft, daß er es dann bis Neujahr schafft zu seiner Familie zu gelangen.

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Weiter der Reihe nach Kapitel 4

(Das zweite Jahr unserer Reise: Quer durchs Mittelmeer bis in die französischen Kanäle)
                    Türkei, Zypern Israel, Ägypten, Griechenland, Italien, Tunesien, Frankreich

Oder erst einmal ein großer Sprung:

Transatlantik 1990
 

Nicht vergessen "Lesezeichen setzen!"
 
 
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