Kapitel 6
Von Frankreich nach England und Irland
(Postkarte von Beaune) St. Jean de Losne, 26.3.90
Mittelalterliches HospizLiebe Mutti!

Vielen Dank für Deinen Brief nebst Inhalt. Wir stehen jetzt direkt vor der Weiterreise. Am Samstag haben wir das umseitig abgebildete Hospiz besucht. es ist ein völlig erhaltenes Krankenhaus von 1443 - ein hinterer Gebäudeteil ist heute noch Krankenhaus. Beaune feierte gerade 30 Jahre Partnerstadt Bensheim, so war alles mit viel Schwarz-rot-gold. Wir haben auch einen 200 Jahre alten Weinkeller mit riesigen Lagern an Flaschen und Fässern besucht. Hier ist schon Frühling, alles blüht und das Vieh ist auf den Weiden. Burgund ist schon eine schöne Gegend.

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Im Kanal

Epernay, 9.4.90
Liebe Oberdeuscher, liebe Eisenberger!

Heute haben wir uns am Montag ein Wochenende gegönnt und sind einen Tag in Epernay geblieben. Nach 132 Schleusen - das ist harte Arbeit - mußte das drin sein. Wir sind jetzt im Fluß Marne und der hiesige Wassersportclub hat einen netten Kai mit Strom, Wasser und Duschen gebaut. Wir sind aber z.Zt. das einzige Gastboot hier. So komfortabel haben wir seit St. Jean de Losne nicht mehr festgemacht. Wir hatten Kais an Getreidesilos, Wartekais bei Schleusen, Kais unter Brücken, Wiesenufer mit dem Kiel im Dreck, Spundwände am Kanal, Frachtpiers und längsseits von Frachtschiffen als Anleger für die Nacht. Oft absolut einsam gelegen. Aber die Kanalfahrt war recht interessant und wir kamen durch unberührte Naturlandschaften. Eisvögel und Reiher gab es jede Menge, aber auch Rehe und vor allem blühende Bäume. Stellenweise war es eine wahre Pracht und der Duft oft betäubend stark. Bis auf zwei Regentage hatten wir mit dem Wetter Glück und es war recht angenehm, obwohl sich so ein Tag mit bis zu 23 Schleusen schon ganz schön zieht und in den Kanälen, die ja recht schmal sind, hat man keine ruhige Minute. Wie wir in Pontailler die Saône verließen, kamen gleich kurz nacheinander mehrere Schleusen. Bei der ersten war kein Schleusenwärter und keine Leiter da - ich turnte also kurzerhand am Schleusentor hinauf, machte das Boot fest und dann wurden die Schieber und Schleusentore von Hand gekurbelt. Das war gleich die richtige Einstimmung auf dieses Geschäft, denn in den Kanälen geht wenig elektrisch und viel von Hand, sehr im Gegensatz zu den komfortablen Schleusen an Rhône und Saône. Über 41 Schleusen mit 3 bis 6,5 m Hub werkelten wir uns bis nach Heuilley hinauf, 350 m ü.d.M. Der letzte Anstieg war recht spektakulär, denn die Schleusen waren nur noch 400 m auseinander und jede ging 6,5 m hinauf. Es ging richtige Hügel hinauf, ungefähr so, wie wenn man von Unterdolden zum Schloßanger mit dem Boot fahren würde. Der Kanal nicht breiter als der Egelsee. Dann ging es in den 4,8 km langen Tunnel unter der Wasserscheide Mittelmeer/Atlantik hinein. Wir hatten unsere beiden großen Scheinwerfer am Bug montiert und es war schon ein besonderes Erlebnis, eine 3/4 Stunde mit nur einem Meter Abstand zu der Felswand nach jeder Seite durch den Tunnel zu fahren. Da der Tunnel absolut gerade ist und natürlich auch eben, konnten wir am anderen Ende ständig den Ausgang als winziges helles Pünktchen sehen, das allerdings dann größer wurde und so war es auch relativ einfach, genau die Richtung zu steuern, denn im engen Kanal sind Schlangelinien nicht gefragt. Nach dem Tunnel hatten wir schönsten Sonnenschein und da im Kanal am Sonntag nicht geschleust wird, hatten wir in Langres einen Tag Aufenthalt. Die schöne, alte Stadt über dem beginnenden Marnetal, 150 m höher gelegen, war auch einen Besuch wert. Wir haben dort auch ein Boot in der Gegenrichtung getroffen, es waren Amerikaner, die unsere amerikanischen Freunde, mit denen wir in Ägypten gewesen waren, letztes Jahr in Paris getroffen hatten. Dann fuhr noch eine belgische Peniche (Frachter) mit englischen Eignern vorbei, die wir aus St. Jean de Losne kannten und wir haben uns am Funk, solange sie in der Reichweite, waren unterhalten. Kanal 10 auf UKW ist nicht nur der Sicherheitskanal für die Schiffahrt wenn man sich begegnet, sondern es ist auch der Quassel- und Erzählkanal. Ich kann's ja in französisch nicht verstehen, aber Dianne versteht es.

MorgenstilleIn den letzten Tagen begegneten wir aber auch vielen Holländern, die mit uns aber sofort deutsch sprachen. Bis auf einen Franzosen, der seinen Frachter erst gekauft hatte und der uns durch ein wohl ungewolltes falsches Maschinenmanöver herumwirbelte, so daß wir mit dem Heck, dem Ruder ans Ufer stießen, hatten wir nur gute Erfahrungen mit den Peniches gemacht. Ein Holländer, dem wir am Funk von dem Vorfall erzählten und ihn baten vorsichtig uns zu begegnen, sagte gleich "Ja der 'Zelateur' (so hieß das Schiff) das ist ein Mistkerl, solche gibt es leider unter uns." Die Schleusenwärter und -innen sind auch so eine Zunft für sich. Sie waren eigentlich alle sehr nett, freundlich und hilfsbereit, einer pflückte sogar für Dianne eine Tulpe, aber manche sind schon etwas eigen. Sie wohnen ja oft absolut abseits aller Siedlungen in ihren kleinen Häuschen, die gleichzeitig mit dem Kanal zwischen 1864 und 1903 gebaut wurden. Viel Kontakt zu Menschen haben sie da natürlich nicht. Auf vielen Strecken wurden wir auch von einer Schleusenwärterin begleitet. Sie fuhr dann immer schon mit dem Moped voraus und machte die Schleuse bereit für die Einfahrt. Das ist recht angenehm, denn gerade bei Wind ist es weder angenehm noch einfach, mit dem Schiff auf der Stelle zu stehen und zu warten. Wie das ganze Schleusen mit den handbetriebenen Schleusen geht, schaut Ihr Euch besser dann im Video an, das ist anschaulicher. Nur soviel zur Arbeit: Dianne mußte ihre Seglerhandschuhe mit Leder nachnähen, weil sie vom vielen Kurbeln an den Toren und Schiebern durch waren, und meine Hände haben von den Leinen wieder die Form wie vor 20 Jahren auf der Gorch Fock.

Die restlichen 65 m ü.d.M. verteilen sich jetzt nur noch auf wenige Schleusen und viele Kilometer bis zum Meer.

Heute hatten wir einen richtigen Besichtigungshöhepunkt, oder besser Tiefpunkt. Wir besuchten eine der großen weltberühmten Champagnerkeller in Epernay. Ich glaube, die ganze Stadt ist hier unterhöhlt. Wir fuhren 30 m in die Felskeller hinunter. In 18 Km Tunnelgewölben lagern Millionen Flaschen Champagner zur Gärung und Reifung. 7 Jahre und mehr dauert es, bis so ein echter Champagner bei Flaschengärung fertig ist. Wir fuhren mit einem Elektrobähnchen durch die Keller der Fa. Mercier. Dianne war als Kind schon einmal mit den Eltern auf einer Reise in die Schweiz dort gewesen. Wir haben dann natürlich auch eine Probe bekommen, nur gekauft haben wir keine Flasche, denn 90 Franc für die billigste Sorte, das ist zuviel, zumindest für uns. Aber sehr interessant war es schon.

(Fortsetzung auf Postkarte von Joinville)

Diese Karte haben wir schon vor Tagen gekauft. Sie zeigt schön den Kanal gleich neben der Marne, die dort noch nicht schiffbar ist. Wenn das Tal sehr eng ist, folgt auch der Kanal all den vielen Schleifen des Flusses. Seit Epernay haben wir jetzt bis Meaux 134 Flußkilometer durch eine einmalige Landschaft zurückgelegt. Es gibt hier viele Weinberge, viele Getreidefelder, viele Urwälder (Auwälder) und wenige Ortschaften. An manchen Flußstrecken liegen die alten umgestürzte Bäume bis in den Fluß hinein, es gibt da keinen Weg und keinen Zugang zum Ufer. Bei Ortschaften sind aber überall kleine Plätzchen von den Anglern angelegt. Oft nur eine alte Holzpalette am Ufer als Plattform, manchmal aber auch mit einer kleinen Überdachung, denn Angeln ist nach dem Jagen eine Volksleidenschaft der Franzosen. Letzte Nacht waren wir am Wartekai einer Schleuse gleich bei einem Altarm mit einer Insel noch davor mit Verkehrstrennung. Ein schöner Platz mit vielen Wildenten. Hier auf der Marne ist etwas mehr Schiffsverkehr, d.h. heute sahen wir 6 Schiffe in Fahrt, dafür war gestern nichts los. Jetzt warten wir auf Mike und Klaus, die heute abend kommen.

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Zwischenbericht:

Wir hatten eine schöne Zeit zusammen mit meinen Freunden Mike und Klaus, Helmut dem Vater von Klaus, Gernot dem Sohn von Mike und Pete einem befreundeten Amerikaner, der in Deutschland lebt . Das Boot fahren, Schleusen bedienen, Stadtbesichtigungen, an Bord kochen, Lokale besuchen usw. da blieb keine Zeit für Briefe und Berichte nach hause.

Gleich neben der Anlegestelle fanden wir eine hervorragendes Lokal, wo wir wegen des Regens viel Zeit verbrachten. Wir schafften sogar unter der strengen Anleitung von Klaus nach dem guten Abendessen einen französischen Kanon zu singen und nach einigen deutschen und internationalen Seemannsliedern hatten wir eine Bombenstimmung in das Speiselokal gebracht. Helmut verliebte sich dann noch in eine Bedienung, von der er heute noch schwärmt. Mike konnte dann noch sein Auto in die Garage des Wirtes fahren. Man sieht es geht auch international.

Nach dem lustigen Auftakt in Meaux starteten wir zur letzten Etappe bis Paris. Kurz vor Paris ging es noch einmal durch zwei Tunnel hindurch, dann waren wir in der Seine und bogen bald in die Marina im ehemaligen Graben der Bastille ein. Von unserem Liegeplatz aus waren es nur wenige Schritte zur Metro, die dort oberirdisch fährt.

Im Gegensatz zum Wetter in Meaux hatten wir jetzt Kaiserwetter und konnten die Stadt erkunden. Nicht alle kannten bereits Paris und so gab es viel Sightseeing. Pete unser Amerikaner wünschte sich an einem Tag ein Mittagessen im Mc Donald’s an der Champs Elysee. Wir sagten ihm sehr deutlich, daß das gerade in Paris eine schlimme Sünde sei. Aber wir aßen dann doch dort und waren sogar noch froh, daß wir nur leicht angefeuchtet noch hineinkamen, bevor das Lokal bei einem Wolkenbruch völlig überfüllt wurde. Wir hätten einfach kein anderes Lokal mehr erreicht. So waren wir alle glücklich!

Nach einigen Tagen ging durch Paris die Seine hinunter. Vorbei waren die Tage mit engen Fahrwassern und Schleusen. In Conflans St. Honorine gab es wegen etwas Regen 1 Tag Stop mit einem Liegeplatz an einem alten Kai vor einer gemütlichen Hafenkneipe, wo wir sehr gastfreundlich aufgenommen wurden. Der weite Hafen dort ist auch ein interessanter Treffpunkt von Peniches, wie in einer schwimmenden Siedlung leben die pensionierten Eigner auf ihren Schiffen in ihrer gewohnten Umgebung. Daher war das Heimat- und Schiffahrtsmuseeum auch besonders liebevoll gestaltet.

Wir lernten wieder einmal viel über den Transport auf dem Wasser hinzu. Frankreich hat früh die Bedeutung und enorme Leistungsfähigkeit von Wasserwegen erkannt, natürliche genutzt und viele künstliche gebaut. Lange vor irgendwelchen Dampf- oder Motorantrieben wurden von Rouen bis Paris auf langen Strecken, wo nicht getreidelt werden konnte, Ketten auf dem Flußbett abgelegt. Schleppschiffe nahmen die Ketten auf und Pferde liefen im Göppel der das Kettenrad drehte. So gelangten Schleppzüge lange Zeit bis Paris und lieferten wertvolle Waren bis ins Zentrum des Landes. Sie brachten dann Rückfracht für die Segelschiffe im großen Seehafen von Rouen.

An einer Schleuse neben der Bahnlinie stiegen unsere Gäste dann wieder aus und fuhren zurück nach Meaux, wo sie das Auto abgestellt hatten.

Wir hatten noch viele Flußkilometer und legten sie mit unserer inzwischen erworbenen Routine zurück. Wir begegneten riesigen Schubschiffen und bewunderten die weiten immer wieder anderen Landschaften am Fluß.

Bald jedoch erreichten wir vor Rouen die letzte Flußschleuse. Je nach Gezeitenstand wird man mehr oder weniger tief hinuntergeschleust. Wir hatten eine hohe Tide gewählt damit wir schnell Ruoen erreichten.

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(Postkarte von der Kathedrale Rouen) 24.4.90
Liebe Mutti!

Heute schreiben wir zum letzten Mal auf Süßwasser schwimmend, denn morgen geht es mit ablaufendem Wasser in einem langen Rutsch nach Le Havre. Wir waren heute in der Altstadt, die uns sehr beeindruckte. Trotz der schlimmen Bombardierungen im April 1944 blieb viel von der herrlichen Altstadt erhalten und es wurde auch viel restauriert. Am Dom haben sie 16 Jahre restauriert, er war in Gefahr einzustürzen. Die Stadt war wie so viele, die wir gesehen haben, richtig nach Deinem Geschmack. Wir haben den heutigen Tag aber nicht nur für Besichtigungen genützt, sondern auch angefangen, eine ganze Reihe von Arbeiten am Schiff zu machen, damit aus dem Binnenschiff wieder ein Seeschiff wird.

Die Zeit mit Mike, Klaus, Helmut und Pete war sehr nett und schön war auch, daß Mike seinen Sohn Gernot mitbrachte (11 Jahre). Dafür, daß wir während dieser Zeit nicht geschrieben haben, habt Ihr sicher Verständnis.

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Bericht:

Sehr früh morgens legten wir in Ruoen ab. Diese letzte Strecke vor dem Meer ist lang und nicht während einer Tide zu erreichen. Es gibt auch keinerlei Anlegestellen wo eine Yacht bleiben könnte. Wir mußten also die Gezeiten so ausrechnen, daß wir möglichst viel mitlaufende Strömung haben. Ebbe und Flut sind gerade in einer Flußmündung mit hohem Tidenhub nicht so leicht und kurz zu erklären. Es bewegen sich da riesige Wassermengen, denn an der Mündung sind 10 m Gezeitenunterschied. Wir kamen schnell voran und erreichten ohne Probleme wie geplant den Kanal von Tanquerville. Dieser zweigt mit einer schleuse kurz vor der Mündung ab und führt in den Schleusenhafen von Le Havre. Dadurch liegen die meisten Schiffe in Le Havre bei immer gleichem Wasserstand. Nur die Fähren legen an beweglichen Rampen außerhalb an.

Wie wir über Funk bei der Schleuse uns ankündigten, erfuhren wir zu unserem Schreck, daß ein Frachter gerade das Schleusentor gerammt habe und die Anlage wenigstens 2 tage stillgelegt sei. Wir fragten bei der Radarleitstelle in einem Turm bei Honfleur, direkt an der Mündung an wie die Seegangssituation sei. Die Antwort war: "Völlig ruhig, kein Problem außen herum zu gehen"

Mit der immer schneller werden Strömung bogen wir um die letzte Biegung der Seine und dort kam leichter Westwind auf. Man muß nun wissen, daß Strömung gegen selbst leichten Wind zu kurzer steiler Welle führt. Wir waren schnell in der bedrohlichen Situation, daß die liegenden Masten anfingen sich zu bewegen und selbst mit noch mehr Tauen nicht zu bändigen waren. Wir dachten uns, jetzt haben die Masten 1.200 Km gut durch Frankreich gebracht und verlieren sie hier am Ziel im Fluß. Der nächste Hafen war Honfleur, leider fällt er bei Ebbe in der Einfahrt bis zur Schleuse völlig trocken. Wir mußten jetzt schnell handeln, denn wir waren kurz vor einer hohen Pier für Getreidefrachter. Wir entschlossen uns anzulegen. Mit zwei Personen an einer 12 m hohen Spundwand festzumachen ist nur alles andere als einfach. In der Spundwand gab es eine rostige eiserne Leiter, unsere einzige Chance. Ich wendete, konnte mühselig gegen die inzwischen immer schneller werdende Strömung die leiter erreichen, Dianne hielt das Boot am Mitschiffspoller und ich kletterte mit Lederhandschuhen und zwei 20 m Leinen zwischen den Zähnen die 12 m hinauf. Danach erst einmal tiefes Aufatmen. Wohl dem Schiff das Mitschiffspoller hat und mit nur einer Leine parallel zur Pier liegen kann. Mit einer "modernen" Konstruktion hätte es Bruch gegeben.

Wie wir ein Bierchen auf den Schreck tranken, rief von oben eine Stimme herunter, wollt ihr über Nacht da bleiben? Wir sagten:"Nicht wenn es sich vermeiden läßt". Es war einer vom Radarturm, den schlechtes Gewissen wegen der Auskunft hierher trieb. Es ist aber verzeihlich von einem hohen Turm eine Welle als "flach" einzuschätzen.

Wenig später kam er mit dem Hafenkapitän von Honfleur zurück und wir entwarfen einen Schlachtplan. Die Gezeitengewässer sind dort lokal sehr eigentümlich und schwierig. Ohne Rat und Hilfe hätten wir es nicht geschafft.

Wir mußten zunächst beim Kentern der Tide die 500 m bis zum Radarturm fahren und dort anlegen. Das wackelige Balkengerüst des alten Anlegers hatte dabei gerade 1,80 m Wasser. Fast wie in einer Schleuse wurde es aber sehr schnell tiefer und zu genau festlegtem Zeitpunkt legten wir ab und fuhren in die nahe Einfahrt des Hafens. Wir bogen um die Ecke und hatten nur 100 m vor uns bereits den trocken gefallen Grund der Zufahrt vor uns. Die Strömung war weg und ich konnte des Boot immer kurz vor dem Grund halten. Die Zunge Wasser fraß sich aber so schnell in die Zufahrt hinein, daß schon bald die Fischer, die jetzt in großer Zahl in die Zufahrt rauschten, ebenfalls Platz hatten. Sie ließen sich einfach treiben, da sie bei Ebbe ohnehin aufliegen und keine Angst vor Grundberührungen haben, sie sind auch dafür gebaut. Abends um 22.00 Uhr hatten wir die Mole vor der Schleuse erreicht und um Mitternacht schwammen wir im Hafenbecken des Schleusenhafens. Die vielen historischen Bauten spiegelten sich im Wasser und ein langer aufregender Tag fand sein gutes Ende. Am nächsten Tag gingen wir durch zwei Schleusen in den alten Getreidehafen, der Hafenkapitän hatte uns diesen kostenlosen Liegeplatz, wo wir ungestört arbeiten konnten und einen Kran hatten, persönlich angeboten. Ab und zu kam er vorbei und schaute wie wir das Schiff nach und nach wieder seetüchtig machten. Wir nutzten die Zeit auch für Besichtigungen und wurden auch immer wieder dem trocken gefallenen Hafenbecken der Fischer angezogen. Es sieht schon sonderbar aus wenn man von einer hohen Pier auf die Boote im Schlamm hinunterblickt.Honfleur mit Radarturm

An einem sonnigen Sonntagmittag liefen wir dann aus und segelten über den Kanal nach England hinüber. Wir kamen zwar kaum zu Schlaf, denn es gab viel Schiffsverkehr. Im Morgengrauen konnten wir bereits die Isle of Wight sehen, segelten in den Solent von Osten hinein und machten bald in Lymington fest. Bald waren wir bekannt wie bunte Hunde, mit unserem rotem Tandem.

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(Postkarte von Lymington) 18.5.90
Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deine Briefe, die uns alle pünktlich erreichten. Unsere Tage sind so ausgefüllt, daß man oft abends einfach müde in die Koje sinkt. Wir sind jetzt am Town Pier von Lymington und warten auf günstigen Wind nach Westen. Mit den Arbeiten am Boot sind wir fast völlig fertig und bereits seeklar. Diese Woche hatten wir auch viel Besuch an Bord, darunter 2 Herren mit 85 Jahren. So geht es recht gesellig zu. William Lampert, der später mit uns segeln wird (Atlantik) ist auch seit gestern zu Besuch, er wird diesen Brief gleich mitnehmen und in Deutschland einwerfen.

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(Postkarte von Lymington) 18.5.95
Liebe Eisenberger!

The Ship InnJetzt sind wir schon wieder 3 Tage im Wasser und haben am Town Quay vor dem Pub "Ship Inn" festgemacht. Ein sehr günstiger Liegeplatz direkt im Ort. Heute kam Euer Päckchen an, vielen herzlichen Dank. Da werde ich noch modisch auf meine alten Tage. Gefällt mir gut, traue mich nur selbst mit meinem konservativen Geist nicht. Vor mir auf dem Tisch stehen zwei herrliche Nelken - gelb und rot - aus Dads Garten, da blüht es übervoll. Ist recht warm und sonnig hier. Die Engländer laufen ganz entblößt herum, wir aber mit Pulli. Jetzt kommt gerade wieder ein Riesenhoch, das werden wir zum Weiterfahren nützen. Morgen in 1 Woche kommen Christine und Familie für 1 Woche zu Besuch. Hatten überhaupt viel Besuch an Bord, seit wir wieder im Wasser sind.

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Fit für die Weiterreise

(5 Postkarten von Poole, Corfe Castle, Old Harry Rock, Lulworth Cove) Poole, 21.5.90
Liebe Eisenberger, Oberdeuscher,

Jetzt ist die Zeit der Frühlingsarbeiten vorbei und wir sind gestern bei "frischem Wind aus der richtigen Richtung vom Wetterbericht" 1 Stunde gesegelt und den Rest mußten wir motoren, weil bei dem sonnigen Wetter die Thermik den Isobaren Wind an der Küste vernichtete. So hatten wir nur achterlichem Schwell vom Kanal und rollten vom Ebbstrom geschoben hierher. Wir machten wieder wie in Lymington am Town Quay fest und dann stellte sich heraus, daß wir genau vor dem Pub festgemacht hatten, wo wir vor Jahren schon einmal waren wo es uns so gut gefallen hatte. Das Pub ist praktisch ein Marine-Museum. Am Quay entlang sind die schönen alten Pubs aber dicht an dicht und so fällt die Wahl fast schwer. Wir bleiben auf jeden Fall einen ganzen Tag hier, da es 1. sehr schön ist und 2. einige Dinge zu erledigen sind. Wir haben heute gleich am Morgen das Schlauchboot zur Reparatur gebracht, der Schleppbesatz muß ausgetauscht werden. Wir haben das Originalersatzteil schon lange an Bord, aber solange das alte Schleppauge noch hielt, sparten wir die Reparatur auf, dann stellten wir in Frankreich fest, daß unser 2-Komponenten Kleber dafür verdorben war und hier ist gleich am Kai eine nette Reparaturfirma. Dann gingen wir zum Frühschoppen in den Pub auf ein Pint Bitter Ale und da so früh das Lokal noch leer war, konnte ich ideal filmen. Den Tresen mit den polierten Messing-Bierpumpen und die Wände voller gesammelter Marinesachen und nicht zuletzt der schöne offene Kamin, der das letzte Mal (da war Sauwetter) so schöne Gemütlichkeit ausstrahlte. Heute strahlte jedoch wieder die Sonne , allerdings nicht so klar wie gestern. Wegen des schönen Wetters waren gestern alle schwimmenden Untersätze auf dem Meer und abends hatten wir nicht nur einen unruhigen Liegeplatz wegen der hirnlos dahinbrausenden Motorbootfahrer, sondern auch einen Verkehrsstau auf dem Wasser. Ich habe noch nie so viele Boote auf so engem Raum gesehen. Es gibt hier hinter dem Arm mit der Town Quay noch eine Bucht mit einer Marina, aber da ist eine Klappbrücke davor und das gibt richtige Staus wie auf der Autobahn, denn das Fahrwasser ist lang und schmal durch die ganze Poole Bay. Am umseitig abgebildeten Handfast Point beginnt die Einfahrt nach Poole, denn es gibt viele Sandbänke und nur ein Fahrwasser vom tiefen Wasser bei den Felsen beginnend zum ganz engen Eingang zur riesigen Bucht, die aber z.T. sehr flach ist. Es wimmelt vor Tonnen und Pricken, da muß man sehr genau navigieren. Wenn das Wetter so hält, wollen wir morgen nach Weymouth entlang dieser Küste auf dem Photo. Ich hoffe es bleibt relativ ruhig und weiterhin mit östlichem Wind, denn an den Kaps gibt es hier bösen Seegang wenn die Gezeitenströme gegen die Windsee stehen. Die Wellen "stolpern" dann und brechen sich, was manche Schiffsbesatzungen dann zum Erbrechen bringt. Hahaha!

Am Samstag nachmittag werden Chris und Familie dann für 1 Woche zu Besuch kommen. Sehr netten Besuch hatten wir von William Lampert dem Regisseur des Jüdischen Theaters in Deutschland. Wenn wir alles früher gewußt oder geahnt hätten, hätten wir uns in Beaune bei St. Jean treffen können. Das ist doch die Partnerstadt von Bensheim, wo das JTD, ein Tournee-Theater beheimatet ist, und William wäre ohnehin beinahe mit der Abordnung der Stadt und der Musikkapelle nach Beaune gefahren. Wir waren zusammen mit Wolfgang dort, wie wir in März zurück nach Frankreich fuhren. Williams Vater war Offizier der britischen Luftwaffe und in Hannover stationiert. Nach der Scheidung der Eltern wurde William noch als Jugendlicher Deutscher und seinen israelischen Paß gab er vor 2 Jahren dem israelischen Botschafter in Bonn unter Protest zurück, weil er diesen Staat (er lebte auch einmal in Tel Aviv) nicht mehr mittragen will. Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden und er wird mit über den Atlantik gehen und auch später immer wieder mal mitsegeln, da er relativ unabhängig ist. Wir haben auf dem Marinagelände auch Garwin und Wendy kennengelernt, sie werden wohl heute in Poole einlaufen. Sie sind Farmer, bewirtschaften 3 Farmen (2 in Pacht) und wollen auch an Bord ziehen und segeln sobald an Land alles klar ist. Die Farmen versorgen dann ein Manager und der älteste Sohn. Bei einer Farm ist eine Truthahnzucht, die Wendy leitet, das sind 7000 Truthähne. Wie das Milchkontingent kam, mußten sie eine Herde verkaufen und schafften Schafe an, weil sie soviel Futter übrig hatten. Sie haben klein angefangen und sind richtig nette Leute geblieben. Meist verdirbt das Geld den Charakter! Wir haben uns viel über Landwirtschaft unterhalten und verstehen uns sehr gut - halt Bauern untereinander. Da die Pubs in England um 11 Uhr abends zumachen, mußten wir an Bord weiter ..., bis immer einer in der Ecke einschlief. Jetzt wartet Dianne, daß ich zum Lebensmitteleinkauf mitkomme - als Träger - und ich muß schnell fertig schreiben.

Dieses Corfe Castle haben Dianne und ich vor Jahren auch einmal besucht. Es ist hier in der Nähe gelegen. Ein englischer Prinz oder König wurde dort bei der Rückkehr vom Kreuzzug ermordet. Mutti wird das wissen, ich habe die Details vergessen. Lese aber z.Zt. jeden Abend Hefte der Zeitschrift "Damals", das bessert das Geschichtswissen auf.

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(Postkarte von Dartmouth)
Wir wollen versuchen von Plymouth aus einen Ausflug nach Dartmoor zu machen. Allerdings nicht zu dem berüchtigten großen Gefängnis, sondern zu der herrlichen Naturlandschaft dieses hügeligen Hochmoores. Wegen der Felsen darunter ist in ganz Devon die Humusdecke sehr dünn und in den Senken des Moores, die keinen Abfluß haben, sammelte sich Moor, auf den Hügeln ist Heidelandschaft. Wegen der Temperaturgegensätze Land/See (Golfstrom) gibt es dort im Herbst und Winter viel Nebel, was die Landschaft dann unheimlich macht.

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Brixham, 25.5.90
Liebe Brigitte und Familie!

Heute haben wir eine große Seefahrt über die Tor Bay gemacht: 3,7 sm. Torquay hat uns nicht nur wegen der Liegeplatzpreise nicht gefallen. Wie kann man nur eine Stadt in so schöner Lage in so einer schönen Landschaft so verbauen, daß ein derart häßliches "berühmtes" Seebad an der Riviera Englands daraus wird. Brixham hat eigentlich gar nichts Besonderes gemacht, es hat nur einiges nicht gemacht und das macht den Unterschied; hier ist es schön. Wir waren heute über 3 Stunden zu Fuß in der Stadt, unten an der Bucht, oberhalb und draußen am Kap Berry Head unterwegs. Habe viel gefilmt und wenn ich morgen den Film fertig bekomme bis Chris mit Familie ankommt, ja dann ist alles gleich in einem Umschlag.

Ich glaube ich habe zuletzt aus Poole geschrieben - wir sind noch einen Tag länger geblieben, wir hatten ja das Schlauchboot zur Reparatur gegeben und der Kleber braucht 72 Std. bei 21°C. Wir machten mit dem Bus einen Ausflug zu den Wareham Bears. Ab 1940 hat ein Ehepaar die Bären gesammelt und mit soviel Liebe ausgestellt. (Siehe Karten an die Kinder). Die Bären sind alle von "Tiere mit Herz", also nahe Verwandte von Teddy. Er durfte allerdings nicht mit. Wir wären dort damit aber nicht aufgefallen, denn es waren nur meist ältere Teddybärenliebhaber dort, die alle dem Reden nach besondere Beziehungen zu allen Sorten Teddies haben.

Wie wir zurückkamen lag "Farasha" (arabisch = Schmetterling) von Wendy und Garwin bei uns längsseits. In Wareham hatten die Pubs mal wieder in der glühenden Hitze (Tatsache!) geschlossen und so setzten wir uns gleich alle zusammen in der Sonne vor dem "Lord Nelson" zu ein paar Pint "Bitter" (=dunkles Bier- gut). Am nächsten Morgen drängte die Flut, bzw. die danach kommende Ebbe zu frühem Aufbruch und wir mußten noch tanken und das Schlauchboot abholen. Der Manager der Schlauchbootfirma kam extra schon um 8 Uhr und fuhr dann Dianne, die mit unserem Handwagen vorgefahren war, gleich bis zum Schiff. Alle Engländer sind so ausgesprochen höflich und hilfsbereit und auch im Gespräch kontaktfreudig, da könnten die Deutschen einiges lernen. (Wenn sie nur auch metrisch wären!) Ich hatte währenddessen bereits mit dem Tanken begonnen, wir hatten zuvor verholt um bei Öffnung um 8 Uhr gleich loslegen zu können. Wir tankten 400 l steuerbegünstigt für 20 Pence/l. Mit den Tiden hier - wir haben heute schon wieder Springtide - muß man ständig genau rechnen und vor allem das Passieren von Kaps genau planen. Es gibt hier bei sonst relativ ruhiger See, an Kaps mit vorgelagerten flachen Rücken tolle Strömungen und Strudel. Man sollte sie wirklich meiden. Portland Bill haben wir z.B. in gehörigem 4 Sm Abstand gerundet und trotzdem ging es auf und ab und hin und her. St. Alban's Head rundeten wir ganz dicht an den Felsen, da gibt es eine schmale Zone ruhiges Wasser. Dafür mußten wir danach weit raus, weil Artillerieschießen war. In Weymouth lag dann wieder Farasha bei uns längsseits. Weymouth ist auch ein schönes kleines Städtchen. Wir waren abends bei Wendy und Garwin zum Essen eingeladen, es war der Abschiedsabend. Sie gehen wieder nach Osten und wir sind um Portland herum über die weite Lyme Bay nach Torquay gesegelt. Portland ist ein großer Marinehafen mit riesigen langen Molen, die eine künstliche Bucht bilden. Portland war eigentlich eine Insel, die aber nach einer Sturmflut im vorigen Jahrhundert durch eine lange Kiesbank mit dem Land verbunden wurde. Diese Bank, heute befestigt und mit einer Straße darauf, ging nie mehr weg. Also eine Seite mühevoll künstlich, die andere Seite in einigen Stunden, natürlich! Vor Portland üben immer die NATO Kriegsschiffe. Wir sind mitten durch den übenden Verband durchgefahren, und machten Flaggengruß für die Fregatte "Köln", die den Geschwaderchef stellte. 6 Nationen fahren ständig in diesem Verband. Ein Crewkamerad von mir ist jetzt übrigens Kommandant des Zerstörers "Lütjens". In ein paar Jahre werden wohl 2 - 4 Crewkameraden Admiral sein. Klaus brachte die letzten Nachrichten dazu mit nach Frankreich.

Wie die Kriegschiffe immer näher kamen, hörte ich ein sirrendes Geräusch und wollte schon nach der Schiffswelle und dem Motor schauen, bis mir plötzlich einfiel, das sind die Sonar "pings" der Zerstörer und Fregatten. Habe es halt zulange nicht mehr gehört, daß ich nicht gleich daran gedacht habe!

Hier in Brixham liegt die größte englische Fischereiflotte und so werden wir morgen früh frischen Fisch einkaufen. In der Lyme Bay sind wir ständig Fischern begegnet. In Poole haben wir zugeschaut wie die großen Krebse 20 cm und Hummer ausgeladen wurden (Siehe Video).

Von Mum habe ich zum Geburtstag eine Kassette mit irischen Volksliedern in Instrumentalfassung von James Galway bekommen, von dem auch "The Magic Flute" stammt. Ich höre sie gerade und werde sie auch zum Vertonen des Video nehmen, wird Euch bestimmt gefallen.

Hier in der Marina gibt es einen schwimmenden Wellenbrecher, hinter dem wir liegen, da sitzen abends die Möwen. Da bei dem Wind oft auf der Videocamera zu viele Windgeräusche sind, ich aber Möwengeschrei "brauche", nahm ich eine Flagge, knatterte damit im Wind und scheuchte Hunderte von Möwen auf - Tonband lief - es ging zu, wie bei Hitchcocks "Vögeln". Die waren vielleicht böse und segelten schreiend in einem dichten Schwarm herum, bis sie sich verdrückten. Sie sind bis jetzt (2 St. und bereits dunkel) nicht zurückgekehrt. Ist auch gut so, denn die "Arion" soll nicht so verschissen werden wie die Pier. Auf unserem Spaziergang heute sahen wir viele brütende Seevögel in den Klippen von Berry Head. Wir wollen morgen sehr früh noch einmal dahin, um Lummen zu fotografieren, sie brüten auch. Heute stand die Sonne schon nicht mehr so günstig. Und da jetzt weder Sonne noch Mond günstig stehen, das Blatt Papier, der Wein und meine Energie zu Ende sind, gehe ich in die Koje.

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(Postkarte vom River Dart) 28.5.90
Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deinen Brief, der uns auf dem Umweg über Christine erreicht hat. Er war etwas lang unterwegs, weil Du bei der Anschrift die Straße vergessen hast. Vorgestern kamen Chris, Oliver und die Kinder mit der Bahn an. Wir haben jeden Tag strahlendes Wetter und gestern sind wir nach einem Spaziergang zum Kap Berry Head, wo wir Lummen und Möwenbrutkolonien besichtigten, ausgelaufen und bei etwas weniger Wind dafür altem Schwell hierhergesegelt und motort. Wir haben jetzt an einem Ponton im Fluß direkt vor dem Royal Naval College festgemacht. Die Marineakademie in Mürwik ist eine Kopie dieses Naval College. Kaiser Wilhelm ließ sie 1905 bauen. In Brixham, wo wir gestern waren, steht ein Standbild von Prinz William und auch die Marina ist nach ihm benannt. Damit ist aber nicht der heutige Prinz gemeint, sondern Wilhelm von Oranien, der in Brixham mit 14000 Mann landete (Glorious Revolution). Auf Berry Head ist wegen dieser Erfahrung eine Festung gegen eine Landung Napoleons gebaut worden.

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(Postkarte vom alten Eddystone Lighthouse)
Der Leuchturm auf dem Eddystone war der erste "moderne" Leuchtturm auf einem gefährlichen Felsen mitten im Meer. Es gab insgesamt drei Türme auf diesem gefährlichen Riff 15 Sm SW von Plymouth. Der erste Turm ist auf dem Bild zu sehen. 4 Jahre hat Winstanley an ihm gebaut, er wurde von Piraten verschleppt und schließlich hat das Meer ihn und den Turm 1703 verschlungen. Ein Mr. Smeaton hat dann 1756 - 59 den 2. Turm, der bereits ganz aus Stein war, gebaut. Dieser Entwurf ist sozusagen der Vater aller Leuchttürme geworden mit dieser speziellen Form. Erst durch Stahlbeton konnte man andere und höhere Türme bauen. Wegen der Bedeutung des Turmes wurde er beim Neubau nicht zerstört sondern nur als Museum nach Plymouth verpflanzt. Der heutige Turm steht noch unverändert seit über 100 Jahren, nur hat er jetzt einen Hubschrauberlandeplatz oben drauf - für das Wartungspersonal, denn er ist automatisiert. Der Bau der Leuchttürme war dort so schwierig, weil bei Springtide und bei Sturm der Fels von Brandung überspült wird. Smeaton hat daher alle Steine, die sich ineinander verzahnen, vorher an Land zusammenpassen lassen, damit sie, wenn einmal aufs Fundament gelegt, auch liegen blieben bis der Turm aus dem Wasser endgültig heraus war. Die beiden ersten Türme hatten nur 24 Kerzen, der 3. Turm zuerst Kerzen aber bereits mit Linsen und Spiegeln, dann Öl, Petroleum, Gas und heute elektrische Lichter. Heute ist sein Licht so hell, daß wir es bei Tage bei Auslaufen aus Plymouth gesehen haben. Mit dem Fernglas war im Dunst auch der Turm zu sehen.
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(Postkarte von Pendennis Castle)
Lieber Sepp, liebe Brigitte, diese Festung haben wir gestern nachmittags besucht. Von Heinrich VIII stammt nur der runde Teil der Festung, der Anbau, alle anderen Bauten und die Wälle entstanden später. In St. Maws auf der anderen Seite von der Einfahrt von Falmouth steht noch einmal das gleiche Gegenstück. Vorher waren wir im kleinen aber sehr interessanten Marinemuseum. Cornwall war eine wilde Gegend mit einer wilden Geschichte von Kampf, Abenteuer, Piraterie und Schmuggel. Das Buch von Daphne du Maurier "Jamaica Inn", es wurde auch im Fernsehen verfilmt, spielt ja hier. Die waren hier schlimmer als die Helgoländer und die Hafengebühren stammen wohl auch noch aus dieser Zeit der Strandräuberei. Da sind anderswo die Marinas billiger, hier wird man sogar für die Benutzung des eigenen Ankers auf dem Meeresgrund des Vereinigten Königreiches zur Kasse gebeten. Die Zinnminen, die es hier einmal gab, sind nicht mehr in Betrieb, aber es werden riesige Mengen von Kaolin (China clay) gewonnen und auch Kupfer wird noch abgebaut. Es gibt hier auch viele Steinbrüche und Landwirtschaft an der Küste. Im Landesinnern sind viele unwirtliche Hochmoore, die nur bei Sonne sehr schön sind. Bei Regen und Nebel entstanden dann die unzähligen Gespenster- und Gruselgeschichten, die es hier gibt. Aber ich glaube man wollte es nur auf Gespenster schieben, wenn unfreiwilligen Zeugen bei Nacht und Nebel etwas von Piraterie, Mord und Schmuggel sahen, halt wie bei "Jamaica Inn". Heute kann man sich auch mit fremder Flagge hier sehen lassen - sogar als Franzose - und heute sind wir - 2 Holländer, 1 Belgier, 1 Franzose, 2 Deutsche neben einigen Engländern an der Pier. Zur Zeit jagen sich etwas die Tiefs, morgen wollen wir unseren Automatikfeuerlöscher überholen lassen und bis Dienstag wird es dann wohl hoffentlich eine Winddrehung geben.

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(Postkarte von Brixham), 50°10'N, 23°47'W, 28.5.90
Liebe Eisenberger!

Jetzt habe ich am Samstag doch noch den Film fertig machen können. Es mußte etwas schnell gehen, weil wir nur in Brixham Landanschluß hatten, aber um 16.30 Chris und Familie schon kamen. Dianne machte Arbeiten "außer Haus" wie Einkaufen gehen und waschen, so bleibt mir das "Haus" für das Studio incl. der Hausarbeit. Da gibt es also im Film Längen und anderes wurde weggelassen, ich hoffe Ihr habt aber einen Eindruck von der Fahrt.

KüsteDie Küste hier ist ganz wild und zerklüfftet entlang dem Wasser, mit Felsen und Steilküsten, dafür aber weich und sanft die Hügel dahinter. Wir haben total flache See (heute) und so keine Probleme mit Ü.... an Bord!

Bis auf den Wind, der so unzuverlässig wie im Mittelmeer ist, haben wir mit dem Wetter tolles Glück. Ihr werdet es auf den Satellitenfotos der Wetterkarte sehen. Heute ist hier Feiertag und so geht die Post erst morgen ab.

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(Briefkarte von Fowey) Falmouth 31.5.90

Liebe Mutti!

Jetzt sind wir also fast in Land's End angekommen. Wir hatten bisher mit dem Wetter in England unwahrscheinlich viel Glück, dafür ist es jetzt ums Schiff "pottendick". Wir hatten schon auf der Fahrt von Fowey hierher schlechte Sicht, aber jetzt ist sie nur noch ein paar hundert Meter. Dafür waren wir gestern in Fowey in der schönsten Bucht in der ich je war. Wir hatten strahlenden Sonnenschein und, da wir am Nachmittag bereits da waren, konnten wir noch lange spazieren gehen. Wie auf Bild 2 zu sehen ist, liegen die Boote in diesem Seitenarm der Bucht praktisch hinter dem Kirchturm. Dort ist ein Ponton verankert, an dem wir festmachten. Mit dem Schlauchboot fuhren wir dann in den Ort Fowey auf dem Westufer. Wir gingen durch den Ort auf die Höhe hinauf und dann zur Burgruine am Eingang der Bucht hinaus. Den ganzen Weg entlang konnten wir auf die Bucht und den Fluß hinuntersehen. (Bild 2 und 5). Der Eingang führt zwischen Felsen hindurch und ist relativ schmal, dann weitet sich das Tal vor dem Ort und nach Osten biegt ein Arm ab. In diesem Arm (er biegt im Bild 2 im Hintergrund nach links ab) fuhren wir in der Abendsonne noch hinein. Wir sahen Reiher und allerlei andere Wasservögel. Große Fische sprangen im nahrungsreichen Wasser, denn der hintere Teil dieser Bucht fällt bei Ebbe trocken. Wir haben hier immerhin etwa 4m Tidenhub. Die großen Laubbäume stehen bis ganz ans Wasser heran und an der Ecke reicht eine Wiese bis ans Ufer herunter. Da grasten gerade Kühe, das war ein wunderbares, stimmungsvolles Bild. Heute früh bin ich noch einmal in diesen Seitenarm hineingefahren, bevor ich zum Broteinkaufen ging. Gestern abend kam noch ein großer Frachter herein, er wurde von einem Schlepper nahe bei uns gewendet und fuhr dann rückwärts zum Ladekai im Fluß. Wie wir einliefen, liefen gerade 2 Frachter aus. Es gibt hier in dieser Gegend Kaolingruben und dieser Rohstoff für die Porzellanherstellung wird im großen Stil exportiert. Kaolin fühlt sich wie ölige Kreide an, nur noch feiner als Kreide.

Heute vormittag spazierten wir dann noch einmal in den Ort hinein, d.h. wir setzten wieder mit dem Schlauchboot über und kauften noch etwas ein. So gab es heute Lengfilet auf Gemüse gedünstet. Es schmeckte allen hervorragend, nachdem das Mittagessen nicht allerseits willkommen war. Wir hatten etwas Seegang und so wurde wieder etwas geopfert, aber das gehört halt auch dazu, wenn Landratten zur See fahren. Wir haben das auch schon lange nicht mehr erlebt, denn die Eisenberger Allgäuer sind ja schon alte Salzbuckel.

In Plymouth sind wir einen Tag geblieben, wir hatten es ohnehin vor und ab nachmittags regnete es dann bis in die Nacht in Strömen. Wir machten vormittags erst einen Stadtrundgang und gingen dann in eine Art Museum mit Licht- und Tonbildschauen und allerlei interessanten Dingen zum Anschauen aus der Geschichte bis heute. Praktisch lebendig gemachte Geschichte. Es war sehr informativ und unterhaltend. Plymouth hat ja in der maritimen Geschichte Englands eine große Rolle gespielt. Drake, Raleigh, Cook, etc. immer war Plymouth der Ausgangspunkt - und auch das Ziel (außer bei den Pilgrim Fathers, die auswandern wollten).

Wir hatten gleich im Stadtzentrum in einer kleinen noch nicht ganz fertigen Marina festgemacht. Wir hatten den alten Stadthafen erwartet und waren erstaunt, dort ein Neubauprojekt vorzufinden.

In England, voran in Ost-London, werden alte Stadtviertel, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr "blühend" sind, neuen Zwecken zugeführt und unter der teilweisen Verwendung oder Integration der alten Bausubstanz wieder aufgebaut. So entstand hier im alten Hafenbecken eine Marina mit Appartmentwohnungen darum herum. Eine gelungene stilvolle Anlage. Im Londoner Osten gibt es auch einige gelungene Projekte.

Heute beim Einlaufen sind wir der "Fritz Reuter" aus der DDR begegnet. Der Wachoffizier auf der Brücke und die Mannschaft an Deck haben uns freundlich zugewinkt. Zum ersten Mal hat mir ein DDR-Schiff zugewunken. Welch schöner Wandel in so kurzer Zeit. Jetzt ist es Zeit für die Koje, der Rest der Besatzung schläft schon.

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Penzance,11. 6. 90

Liebe Mutti!

Wir sind jetzt etwa 1 Woche hinter unseren Planungen, da wir so lange in Falmouth auf günstigeren Wind warten mußten und jetzt sieht es so aus, als ob wir hier wieder warten müßten.. Die Großwetterlage wäre an sich zum Segeln als solchem nicht schlecht, stabil, kein Starkwind oder Sturm, wenig Niederschlag, aber die Windrichtung stimmt in dem Moment nicht mehr, wo wir um das westlichste Kap von England herumgehen. Das südlichste Kap von England haben wir gestern gerundet. Alle diese Kaps, die wir in den letzten Tagen und Wochen gerundet haben, sind Kaps der Seefahrtgeschichte. Leider wurden an diesen Kaps auch viele Seefahrten beendet, die Karten verzeichnen viele Wracks und in dem Seefahrtsmuseum in Falmouth, das mit so viel Liebe zum Detail zusammengestellt war, sahen wir viele Bilder solcher Ereignisse; vom alten Stich bis zur Farbfotografie. Insofern sind die z.T. sehr alten Leuchttürme dieser Küsten auch interessant und ich habe für Christian ja Karten vom Eddystone geschickt. Da ist die Geschichte von Leuchtturm schon ein Abenteuer. Hier in Penzance wurde Trinity House gegründet, hier ist auch immer noch die Zentrale und hier ist das Trinity House -National Lighthouse Centre-, ein Museum dieser sehr alten englischen Institution. Trinity House wurde gegründet, um für die Schiffe Seezeichen einzurichten und diese Aufgabe hat T.H. heute noch. Bei uns macht das das Deutsche Hydrographische Institut bzw. die jeweils örtlich zuständige Wasser- und Schiffahrtsdirektion. Von unserem Liegeplatz bis zum Museum haben wir nur 200 m.

Heute früh sind wir um 9.00 bei strahlendem Sonnenschein mit dem Bus quer über die "Halbinsel" nach St. Ives gefahren. Wir stiegen noch hoch über dem Ort, der in der Bucht liegt, aus und hatten in der Morgensonne einen prächtigen Blick auf die kleine Stadt und den noch vollen Hafen. Wir wanderten dann durch den Ort auf das Kap hinaus, wo es eine Nikolauskapelle aus grauer Vorzeit gibt und unterhielten uns eine Weile mit dem netten Wachhabenden der Coastguard Station gleich nebendran. Nach einem Frühschoppenbier in einer gemütlichen Kneipe von 1573 am Hafen, fanden wir diesen bereits völlig trocken vor. Ich ging die Stufen an der mächtigen Hafenmole hinunter und konnte unten, 4 m unter dem Hochwasserspiegel, Scharen von Möwen aller Rassen beim lautstarken Gezänk um den täglichen Fisch filmen. Ich hoffe die Aufnahmen sind gut geworden, denn ich filmte Möwen, die zu acht sternförmig an einer Makrele zerrten, bis eine sie schließlich in den Schlund bekam, gierig hinunter würgte bis nur noch der Schwanz herausschaute, dann wurde die schon vermeintlich gesättigte Möwe so von den anderen attackiert, daß sie entweder den Fisch "freiwillig" wieder herauswürgte, oder er einfach -rutsch- von einem anderen gierigen Schnabel herausgezogen wurde!! Sollte also auf dem nächsten Film zu sehen sein - und zu hören!

Wir sind dann zu den Klippen hinaus gewandert, wo wir im Windschatten mächtiger Felsen über der Brandung Cornish Pasties zu Mittag aßen. Cornish Pasties sind von Hand geformte Blätter- oder Mürbeteigtaschen, die mit Gemüse, Zwiebeln und Fleisch gefüllt sind. Sie schmecken ausgesprochen gut und man ißt sie warm. Wir marschierten dann noch einige Stunden an der Küste entlang und im Bogen wieder zurück, wobei wir dem alten Weg der Zinnminenarbeiter folgten. Im Cornwall gab es bereits seit den Phöniziern Zinnminen und heute noch sind überall die gemauerten Schornsteine, der meist seit der Jahrhundertwende aufgelassenen Zinnminen zu sehen. Die Cornish Pasties waren übrigens die Mahlzeit gerade auch der Zinnminenarbeiter, die z.T. bis tief unter das Meer hinaus ihre Minen vorwärtstrieben. Heute ist neben der Landwirtschaft der Tourismus der wichtigste Industriezweig, dafür weniger sehenswert. Wir haben aber heute besonders die Landwirtschaft beobachtet und auch mit Bauern gesprochen. Die Farmen sind aus geschichtlichen Gründen viel größer als im Allgäu, aber nicht so schön und traditionell. Werde da mehr im nächsten Film erläutern, aber etwas will ich gleich schreiben. Wir konnten gerade die Herstellung von Silage beobachten. Das Gras wird 1 Tag gewelkt, dann auf größere Reihen gerecht und mit einer Spezialmaschine aufgenommen, die wie eine Ladepresse gefahren wird, aber keine Ballen produziert, sondern riesige Rollen rollt und auf dem Feld ablegt. Diese Rollen werden dann mit einer weiteren Maschine mit schwarzer Hostaphan-Folie dicht umwickelt und so siliert. Die umwickelten Rollen werden auf großen Stapelplätzen gelagert. Der Bauer, mit dem wir heute sprachen, hatte 200 solche Dinger zu machen. Gleich neben dem Haus waren 2 Rinderherden, jeweils mit vielen Kälbern dabei und einem daher scheinbar stets emsigen Stier. Die Herden sind alle wenigstens über 50 Stück. Auf unserem Marsch kamen wir durch eine Weide mit einer Herde ohne Stier und Kälber, wo eine Kuh scheinbar gebläht war, wir sagten dann gleich bei dem nächsten Hof Bescheid. Auf den Weiden, wo der öffentliche Fußweg durchgeht, waren nie Herden mit Stieren und ein Bauer hat uns extra gewarnt vor Weiden, wo die Stiere dabei sind. Wir haben aber heute noch ein anderes lustiges Warnschild gesehen. "Warnung" alter grantiger Kater", stand auf einem Pappschildchen zu Füßen eines riesigen Katers, der sich in der Sonne auf seinem Stammplatz auf der Treppe zum Haus putzte. Dabei ist der Kater nur grantig, wenn ihn dumme Touristen anstupsen, denn das kann er nach Auskunft der Besitzerin, einer Malerin, überhaupt nicht ausstehen. Er mag auf seinem Platz nicht gestört sein, dann ist er ein Schnurrkater. Das Atelier ist nach dem Kater "The Cat's Gallery" genannt. Kommt auch im nächsten Film vor, der Kater war einfach köstlich.

Auf dem Rückweg zog sich der Himmel wieder zu und jetzt hängen die feuchten Wolken fast in den Niedergang hinein. Über Portland ist ein kleines Gewittertief, das sich aber auffüllt. Wenn es also morgen wieder sonnig ist, machen wir einen Busausflug zu den Burgen König Arthurs. Zu nennen sind da Tintagel Castle und wie es der Veranstalter nennt, König Arthurs Land. Sein Schwert Excalibur soll auch hier versenkt sein, es gibt in Cornwall unendlich viele Sagen und Legenden. Bald mehr darüber.

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Land's End

(Briefkarte North Cornwall), 50°43'N, 24°57'W Kurs 354
Fahrt 5,9 Kn 1022 Hp, 72%, 0Bf, 14.6.95

Liebe Eisenberger, liebe Oberdeuscher!

Ich muß Euch heute leider wieder mit einem handgeschriebenen Brief plagen, aber ich stehe an meinem Lieblingsplatz - der jetzt auch zum Sitzen eingerichtet ist - und bin außer Reiseschriftsteller auch noch Ausguck und Biertrinker. Steuern tut Gustav, was er bei totaler Flaute mit Leichtigkeit kann. Navigieren tun Loran und Transit-Sat.-Nav, sie kontrollieren sich gegenseitig, das ist Seefahrt der einfachsten Sorte, die alten Kapitäne, die hier an diesen sonst etwas unwirtlichen Küsten strandeten, haben davon nicht einmal geträumt! Heute früh hatte ich mal wieder eine nette Plauderei auf Kurzwelle mit Freunden in der Veruda Bucht (Peter aus München, Brigitte kennt ihn aus Split), Sardinien, Tunesien und Griechenland. Die Mittelmeerfahrer sind auch erst jetzt zum ersten Mal baden gewesen. Peter nur gezwungen, weil er sich auf Befehl von Gerti waschen mußte. Er hat es wie ich. Ich komme mir hier schon langsam wie ein Neger vor, weil ich immer einen dicken Pullover oder Anorak trage, während die Engländer sich nach dem Kalender kleiden und das bedeutet im Sommer Shorts und kurze Hemden. Sie gehen auch schwimmen und holen sich Sonnenbrände am Strand (Luft und Wasser 14°C Brrr!)

Die letzten Neuigkeiten bis Penzance und St. Ives (mit dem Bus und zu Fuß) habe ich im Brief an Mutti geschrieben. Wir lagen ja in Penzance in einem Schleusenhafen, der nur eine Stunde vor bis zwei Stunden nach Hochwasser öffnet. Somit ist der ganze Tag, wenn die HW-Zeiten gerade günstig liegen, kein Schiffsverkehr und auch kein Tidenhub. So konnten wir immer beruhigt wegfahren und etwas anschauen. Wir sind also vorgestern mit dem Bus mit dem indischen Busfahrer Carl, natürlich ein netter Kerl, nach Boscastle und Tintagel gefahren. Beide Orte liegen weit an der Nordküste von Cornwall und mit dem Boot wären sie nur bei Hochwasser und ruhigem Wetter erreichbar. In der Gegend von Boscastle, alles einmal Land von König Artus (ca. 600) - falls es ihn wirklich gegeben hat - gibt es Schiefer und dieser wurde in Steinbrüchen gewonnen und auch mit Schiffen aus diesem "Hafen?" von Boscastle gebracht. Bei Ebbe fielen die Schiffe trocken und bei schlechtem Wetter strandeten sie vor der wilden Küste (Bild 1). Die Küste ist in Wirklichkeit noch wilder als auf dem Photo. Wir haben alte Bilder gesehen, wo der Hafen voller Frachtsegler war! Es gibt mehrere solche Häfen hier, einer heißt sogar Mousehole, sollte eigentlich Rattenloch heißen oder Rattenfalle. Aber den Kaufleuten an Land brachte es Geld und arme Seeleute gabe es genug. Der Zipfel links im Bild, da geht das Meer in eine Schlucht mit senkrechten Wänden rein, wir spazierten darum herum und filmten die brütenden Vögel, Lummen, Möwen, etc. in den Felswänden. Es war gerade Ebbe und zwischen den beiden Molen und in die Bachmündung hinein war kein Wasser mehr. Die Molen und Hafenwände, auch die Häuser, alles ist kunstvoll aus Schieferplatten aufgebaut und geschichtet. Sieht ausgesprochen hübsch aus. Von Boscastel aus fuhren wir dann in das nahegelegene Tintagel. Zu dieser atemberaubenden Burgruine eines wohl einmal phantastisch schön angelegtes Schlosses gibt es mehr Fragen als Antworten. Am besten man betrachtet es von der romantischen Seite und schlägt in den Heldensagen von König Artus und seiner Ritter und bei Tristan und Isolde nach. Wir werden den Führer für die Anlage bei Gelegenheit schicken, da können die Kinder Geschichte und Englisch üben und lernen! (Da werde ich mich wohl beliebt machen?) Die Ruinen, die heute noch zu sehen sind, stammen aus dem Mittelalter bis zum 19 Jh. Earl Richard von Cornwall baute die Burg am Platz, bzw. auf die Ruinen der Burg König Artus! (1233-36). Nur die Kapelle in der Burg war in Gebrauch bis 1483 dann verfiel alles. 1813 und 1852 wurden Teile wieder aufgebaut und befestigt. Auch die Höhle des Zauberers Merlin ist zu sehen, sie kann bei Ebbe durchwandert werden, sie führt durch den "Flaschenhals" der Halbinsel. Die Ruine besteht aus einer Burganlage mit einem oberen und unteren Kastell auf der Landseite und aus Bauten, inkl. Kapelle und Befestigungen aus dem 19. Jhrh. auf der Halbinsel. Land und Halbinsel sind hoch und der Flaschenhals dazwischen, über den einmal die Zugbrücke führte, ist niedrig. Wie wir die Ruine besuchten, hatten wir Sonne und es war einfach schön anzusehen.

Auf dem Rückweg nahmen wir eine etwas andere Route und so sahen wir auch recht viel von der schönen abwechlsungsreiche Landschaft des Cornwall. Das für Menschen -außer Engländern- rauhe Klima ist aus der Sicht der Pflanzen sehr mild und angenehm. Deshalb blüht und grünt hier alles sehr üppig und es gibt sogar Palmen, da es keinen Frost gibt und die Engländer sprechen von Subtropical Gardens! Ich kenne aber wenigstens einen Gartenbesucher, der es nicht so warm ausdrücken würde. England reizt mich oft überhaupt zu etwas sarkastischen Äußerungen. Wenn es um Geschichte oder sonst etwas geht, werden gleich starke, dick aufgetragene Kommentare gebraucht. Wenn man dann genau hinschaut, bleibt altes Gelump und Wurschtelei übrig - aber mit Krawatte und Goldrand oder Royal... Man muß aber zugeben, daß vieles auch sehr liebenswürdig, beschaulich, hübsch, gemütlich (alte Kneipen) und voller Identität ist. Die nicht metrische Wurschtelei hat aber auch Vorteile. Jetzt hat schon der zweite Hafenmeister 10,85 m Schiffslänge nicht richtig in Fuß umrechnen können, trotz Taschenrechner. Es fehlte ihnen nicht nur am Rechnen, sondern auch am Augenmaß. Aber soll ich da metrisch belehren, wenn es billiger wird? Blitzschnell umrechnen tue ich nur bei Wassertiefen. Vorgestern abend habe ich mir auch eins gelacht, das war so typisch: Die Gäste am Tresen im Pub versuchten etwas in Metern umzurechnen, sie schauten Fernsehen - Fußball, da tauchte das Problem auf. Keiner konnte es richtig, aber alle sagten etwas, außer mir, ich grinste nur; es sollte es ein Elfmeter gewesen sein? Hahaha, aber God save the Queen!

Wie dann abends der Wetterbericht weiterhin nördliche Winde versprach und wir nicht wieder tagelang auf den richtigen Wind warten wollten, dachten wir ans Auslaufen obwohl ich das Leuchtturmmuseum noch nicht gesehen hatte. Wie die Schleuse dann öffnete, bekamen wir zwei Boote längsseits, die bestätigten, was uns der Hafenmeister bereits gesagt hatte: Padstow an der Nordküste hat seit heuer einen Schleusenhafen. So sind wir gestern bis nach Padstow gesegelt und heute motoren wir bei totaler Flaute Richtung Milford Haven. So haben wir uns eine Nachtfahrt bei Schwell und Gegenwind im dichtbefahrenen Bristol Channel gespart. Padstow ist auch ein nettes Städtchen, nur haben wir in der kurzen Zeit nicht viel und nur einen Pub von innen gesehen. Ankunft 21.00 Uhr - Auslaufen 9.00 Uhr. Heute wird es wohl nacht werden bis wir ankern, aber Milford ist tief, keine Schleuse und wir können jederzeit ein-und auslaufen. Hoffentlich sind die Ersatzbrenner für den Ofen in der Post. Versprochen sind sie.

P.S. Der Fischer, den wir gerade passieren, hat das ganze Deck bereits voller Hummerkörbe und holt einen nach dem anderen herauf. Nachschub für Fisch-Macs?

14.00 Uhr, etwas Wind, Segel und Motor 7 Kn, sonnig, W1-2 Bft

18.00 - 18.15 Ein gutes Dutzend Delphine (Delphinus delphis) spielen ums Boot. Lieblingsplatz Bugwelle, wir hörten sie singen.

16.6. 6.00 Ankunft Rosslare (Irland) längsseits Fischer, der uns gleich ca. 1 kg. Skampi (große) schenkte.

9.00 mit der Tide nach Arklow weiter.

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(Postkarte von der Book of Kells) Howth, 16.6.90
Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deinen ausführlichen Brief mit allen Neuigkeiten v. 6.6.90. Brigittes Brief ist auch heute nicht in der Post gewesen, aber er wird wohl noch kommen solange wir hier sind, denn das Wetter sieht nach Bleiben aus. Wir waren heute in Dublin und haben die alte Bibliothek der Universität besucht. Es ist unglaublich welcher Schatz an Originalen dort ist. Besonders interessant ist das Evangeliar von Kells. Wir haben dort in der Uni auch eine Tonbildschau über die Geschichte Irlands besucht. Wir hatten schon einmal so eine Multi-Media Schau in Malta gesehen und finden diese kompakte Vorführung über die Geschichte und Kultur eines Landes eine gute Methode, die Geschichte lebendig und anschaulich zu machen.Morgen wollen wir mit dem Zug etwas ins Land fahren. Ziel ist noch nicht beschlossen. Eventuell besuchen wir eines der großartigsten Dolmengräber. Der kreisrunde Hügel 40 m f ist aus Steinen aufgeschichtet. 97 Steinblöcke bilden den Fußkranz, außen herum stehen 35 Menhire. Die Grabkammer im Innern ist 6m hoch. Die Ornamente auf den Steinen sind denen in Malta gleich. Die Anlage ist etwa 4500 Jahre alt. Mehr im nächsten Brief.

Steinzeit

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(Postkarte von Howth) Howth, 18.6.90
Liebe Eisenberger!

Euer Brief ist leider noch nicht eingetroffen. Die Post zu diesen Inseln im Atlantik funktioniert anscheinend nicht richtig. Wir ließen uns doch einen Ersatzbrenner für den Ofen nach Milford Haven in Wales schicken. Er wurde am 29.5. in "D" abgeschickt und war am 15.6. noch nicht da. Ich war fürchterlich wütend auf diesen miserabel organisierten Postbetrieb in England. Die Franzosen sind da schneller. Aber England blickt immer gerne und stolz mit großartigen Worten auf die glorreiche Geschichte des Empire zurück und dabei vergessen sie, daß sie die Probleme von heute schleifen lassen. Dabei hätten sie es nötigst, einige alte Zöpfe und Mißstände zu ändern. Einige Engländer, z.B. Prinz Charles, erkennen das sehr wohl. In einem Leserbrief in der Times stand "...oder bevorzugen wir hübsche Eisenbahnmuseen gegenüber modernen Transportsystemen?"

Wir hatten heute nacht den ersten Regen seit Falmouth und er hat das reichliche Salz von der Gischt an der Küste von Nord Cornwall abgewaschen. Morgen sind bis zu 8 Bft angesagt, da werden wir noch hier bleiben. Zum Glück ist hier der Himmel nie lange grau, die Wolken ziehen so schnell und der Lichtwechsel ist wirklich eindruckvoll und schön zu beobachten. Howth ist ein kleines Nest, hat aber gute Pubs. Wir waren in einem wo einige Gäste Instrumente dabei hatten und Volksmusik spielten. Es herrschte eine gute, heitere und entspannte Stimmung. Z.Zt. laufen sie hier alle mit Fußball-T-shirts herum und alles zeigt sich in den Nationalfarben. Die Iren sind sehr stolz, zum ersten Mal dabei zu sein.

Auf der Fahrt von Padstow nach Milford wurden wir für mindestens ¼ Std. von einer großen Schule Delphine begleitet. Da das Wasser absolut glatt war, konnten wir sie sehr gut sehen und sie uns, denn sie drehten sich immer wieder herum und oft waren fünf direkt vor dem Bug, die dann von anderen abgelöst wurden und mit einem Dreher und Platscher seitlich verschwanden, bis sie wieder dran waren in dem Reigen. Da sie helle Flecken auf der Haut hatten, konnten wir sie unterscheiden. Sie waren etwa 1-2m groß, die meisten eher 2m. Wir waren ganz begeistert, denn so ausführlich und deutlich konnten wir sie noch nie beobachten. In Dingle Bay, wo wir noch hinkommen, soll ein zahmer wilder Delphin sein, mit dem man herumschwimmen kann, er soll ganz zutraulich und neugierig sein. (ob Karl da schwimmen geht?)

Wir haben Christl wegen des Treffens in Dublin geschrieben, sie wird uns noch Videokassetten besorgen, aber sie weiß noch nicht, daß sie auch den reparierten Ofenbrenner, der hoffentlich noch rechtzeitig von der Fa. Hock in Frankfurt geschickt wird, mitbringen möchte. Könntest Du bitte auch noch 2-3 Nachfüllpackungen Salatgewürzmischungen besorgen. Die Engländer würgen den Salat so runter, so etwas gibt es einfach nicht. Den 2. Ersatzbrenner, der in Milford noch nicht da war, lassen wir von dort nach Cork weiterleiten. Sie hatten nicht einmal ein Formular als Nachsendeantrag. Es wurde auf einem Stück Pappe notiert, bin gespannt, ob das funktioniert, sonst geht er nach Frankfurt zurück und von dort dann an Dich.

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Warrenpoint, Lough Carlingford 23.6.90

Liebe Mutti!

Zunächst einmal vielen Dank für Deine beiden Briefe, die uns in Howth erreicht haben. Der erste wartete bereits auf uns, der zweite kam am nächsten Tag. Nur der Brief von Brigitte ist bis zu unserem Auslaufen nicht aufgetaucht und auch unsere Nachforschungen blieben erfolglos. Aber bis wir wieder dort hin kommen, wird er wohl eingetroffen sein. Funktionierende Organisation ist nicht gerade die Stärke der beiden "Inseln im Atlantik."

Dafür läuft das Leben recht geruhsam und jeder ist recht freundlich. Wir werden hier auf der Mole von jedem gegrüßt, wie wenn wir vom gleichen Club wären. Wir ankerten ja zunächst draußen in der Bucht vor dem nächsten kleinen Ort und kamen am Donnerstag nur mit dem Schlauchboot hierher zum Einkaufen. Dabei entdeckten wir diese Schwimmpier an der Hafenmole und gingen zum Hafenkapitän des Handelshafens zum Fragen. Da Hochwasser war, sah alles recht tief aus, Der Hafenkapitän meinte jedoch, daß diese Ecke des Hafens vom Wassersportclub verwaltet würde. Seine Sekretärin schrieb uns gleich den Namen des Präsidenten auf und rief ihn auch gleich am Telefon an und übergab Dianne den Hörer. Wir erfuhren, daß wir anlegen könnten und daß sogar bei Springniedrigwasser noch Wasser am Steg ist. Im übrigen sei der Boden weicher Schlamm. Wie wir dann gerade mit dem Schlauchboot ablegten, kam ein Herr mit dem Fahrrad und winkte uns. Das war dann Dr. Bradley der Präsident des Clubs und wir hatten einen netten Schwatz miteinander. Da wir wegen der instabilen Wetterlage erst mal bleiben, ist es wirklich gut, daß wir diesen Gratisliegeplatz bekamen. So können wir beruhigt an Land Ausflüge machen. Denn bei der Rückfahrt mit dem Dinghi zum Ankerplatz wurden wir von der Gischt auch noch recht naß und mußten ständig schöpfen. Am Steg ist das immer einfacher. Aber das ist auch wieder typisch für die freundliche persönliche Art der Iren. Wenn man irgendwo nach etwas fragt, gehen die Leute gleich mit einem ums Haus, damit sie einem auch zeigen können, wohin es geht usw. Das machen zum Beispiel sogar Schalterbeamte der Eisenbahn.

Heute früh wollten wir eigentlich den Fluß entlang bis zur Burg am Wasser und zu einem kleinen Schloß spazieren. Einige dunkle Wolken, die dann auch einiges an Wasser fallen ließen, hielten uns jedoch davon ab. So gingen wir nur zum Einkaufen und auf der Suche nach Brennspiritus kamen wir in eine Drogerie, die auch Fotozubehör hatte. Dianne ist schon lange auf der Suche nach einer Gelegenheit für eine gebrauchte Minolta als gleichen Ersatz für ihre alte Minolta, deren Sucher dejustiert ist. Dieser Typ wird schon lang nicht mehr gebaut und wegen der starken Nachfrage ernsthafter Fotoamateure ist dieser Typ relativ teuer. Dianne sucht auch schon lange ein günstiges Objektiv 28 - 70 mm Zoom. Heute fanden wir nun eine Minolta X 300s - wir haben bereits eine X 300 - mit einem Original Minolta Objektiv für wenig mehr, als eine gebrauchte Kamera kosten würde. Die haben wir dann gleich mit dem Brennspiritus gekauft. Jetzt braucht Dianne nicht immer die Entfernungseinstellung laut Sucher mit einer selbsterstellten Korrekturliste nachjustieren. Jetzt sitzt der "Fotofix" auf dem Achterdeck in der Spätnachmittagssonne und "arbeitet" mit seinem neuen Spielzeug. Erwachsene sind wie Kinder, nur die Spielzeuge sind teurer! Siehe ARION.

Die Wetterwechsel hier sind beeindruckend. Den großen grauen Landregen von 14 Tagen Dauer gibt es - zumindest im Sommer - nicht. Man ist weder vor Regen, Wolken oder Sonne sicher. Die Wolkenlandschalten jagen oft mit gigantischen Gebilden und wunderbaren Lichteffekten über die wechselnd grüne Landschaft. Heute sollte ja im Stadtpark ein Konzertwettbewerb für Blechblasorchester sein. Das hätte dann auch etwas zum Filmen hergegeben.

Leider wurde die ganze Veranstaltung in die kleine Stadthalle verlegt, da zuviele dunkle Wolken zwischen den blauen Abschnitten waren. Wir sind jetz fast 4 Stunden bei diesem hervorragenden Gratiskonzert gewesen. Die 7 Kapellen, eingeteilt in 2 Leistungsstufen, waren jeweils 20 - 28 Musiker und -innen. Die Besetzung ist anders als bei unseren Blasmusikkapellen. Es gibt nur Blechbläser mit Bechermundstücken, also auch kein Saxophon. Sehr stark waren jeweils auch die Hörner und Cornetts vertreten. Vor allem die 2. Gruppe, auch "nur" Amateure, spielten beste Orchestermusik. Viele sehr schwierige Stücke und Soli von Bariton, Zugposaunen, Soprancornett, Trompete in B, Jazztrompete und Trompetentrio. Alles hervorragend gespielt. Ein richtiger Ohrenschmaus. Die Iren mögen halt Musik und machen sie auch selbst. So haben diese Orchester offensichtlich keine Nachwuchssorgen. Es gab sogar ein Ehepaar Tenorhorn/Kornett. An andere Klänge müssen wir uns erst beide gewöhnen und das ist das irische Englisch mit dem Tonfall, der Intonation des Keltischen Irisch gesprochen. Klingt angenehm sofern man's versteht. Es war z.B. lustig, daß ich den irischen Fischer, der uns die Skampi schenkte, nicht verstand und Dianne schoß sofort unter Deck heraus, wie sie bemerkte, daß ich nicht verstand, daß er uns Skampi schenken wollte. Wäre ja wirklich schade gewesen.

Jedenfalls werden wir heute abend in einen Pub gehen, wo es einen "sing along" gibt. Es gibt zwar einen Vorsänger, aber im übrigen singen die Gäste selbst. Das wird bestimmt schön werden, denn schöne irische Lieder gibt es in Mengen. Wenn man etwas länger an einem Ort ist, bekommt man mehr vom Leben der Leute mit. Die Iren haben auch immer Zeit zu einem Schwatz, beginnen auch gerne selbst einen und so erfährt man alles. Gestern kam ein Zollbeamter an Bord, sah aus wie Louis de Funes, auch die gleiche Größe und der hatte auch Zeit. Von dem erfuhren wir einiges über die politische Lage und die verschiedenen Kontrahenten. Ich glaube er wollte eigentlich nur das Boot sehen und sich unterhalten. Auch Kinder sprechen einen ganz unbefangen an und fragen einen total aus. Kinder gibt es übrigens in Irland in riesigen Mengen. Man muß das so sagen, denn es ist einfach so auffallend. Die Italiener und Griechen sind da vergleichsweise als kinderarme Länder zu bezeichnen. Im katholischen Irland fallen halt die Weisungen des Papstes noch auf fruchtbaren Boden! In Dublin fanden wir eine "Welt" mit einem Interview mit dem Autor Arthur Hailey, der ja Spezialist für die "Faction" ist. Die Mischung von recherchierten Fakten in einer spannenden erfundenen Romanhandlung. Er nannte die Bevölkerungsexplosion die vielleicht größte Bedrohung unserer Welt und sagte; "Dieser Papst ist eine Gefahr - Warum sagt das niemand?". Wenn wir wieder einmal einen großen Umschlag schicken, sende ich den Artikel mit. In Irland führt es (noch) nicht zu Problemen, aber bei seinem Besuch in Mexiko sah das anders aus. Angesichts der Probleme kann man ihn nur als Zyniker mit Menschenverachtung bezeichnen, oder ist ihm nicht bekannt, was mit den (zu)vielen Millionen Kindern geschieht?

Daß Du so netten Besuch von Frau Filser mit Begleiter hattest, ist ja schön. Ich werde ihr mal wieder eine Karte schicken, das wird sie sicher freuen. Schön, daß Dir auch der niederbayrische "Poet" wieder geschrieben hat. Es gibt halt doch mehr so "Historiker" auf der gleichen Wellenlänge.

Daß Mariele schlechtes Wetter in Florida hatte, wundert mich nicht, denn ich habe kürzlich am Funk einen Deutschen aus Costa Rica gehört, der über den beschissenen Sommer dort klagte. Unser Funk ist übrigens immer wieder eine nette Verbindung. Wir unterhalten uns oft mit Freunden im Mittelmeer und konnten so auch schon zweimal Grüße an Bekannte in Sardinien und Malta übermitteln lassen. Die Schweizer in Sardinien waren ganz baff, wie ein fremder Segler sie mit Namen ansprach und dann Grüße von uns ausrichtete. Aber wir hatten die Namen von Boot und Besatzung durchgegeben und soviele Segler aus der Schweiz mit Kind und Hund gibt es nicht. Den Schweizer Markus, mit dem wir schon in der Türkei und in Griechenland waren, haben wir in Malta aufgestöbert. Vor den schnellen Ätherwellen ist niemand sicher. Jetzt wird es Zeit zum Abendessen richten, morgen wieder weiter, denn die Post geht vor Montag ohnehin nicht weg.

Heute früh alles grau in grau, stürmischer Wind mit Regen aus Südost. Zeit zum Briefeschreiben und ich habe heute auch schon einige dichtgeschriebene Blätter produziert. Wenn man erst einmal zu schreiben beginnt, merkt man wieviele Briefe man in Verzug ist. Wir kennen einfach zuviele Leute.

Jetzt haben wir gerade schon wieder jemanden kennengelernt. Gestern abend kam ein kleines Boot an den Steg hinter uns und nachdem es heute nicht so feines Wetter war, sagte ich zu Dianne, lade die Leute doch zum Kaffee ein. Es stellte sich heraus, daß er Journalist bei BBC Belfast ist. Gerade eben war er noch einmal an Bord und machte ein Rundfunkinterview mit uns für das lokale UKW-Programm.

Da der Gesangsabend gestern nicht so ganz das war, was wir erwartet hatten, der Fernseher mit Fußball störte es etwas, werden wir heute abend zu einem anderen Pub gehen, den Rowan, der Herr von BBC empfahl und wir werden ihn dort wieder treffen. Man trifft immer wieder so leicht richtig nette Leute. Insofern ist es viel netter wenn man, auch vom Wetter gezwungen, an einem Platz länger bleibt. Die ganze Welt kann man sowieso nicht sehen, da ist es besser etwas richtig zu sehen und den Rest wegzulassen. Und da sind die kleinen Orte viel besser als die großen Städte, wo man nur unpersönliches Sightseeing macht.

Von Dublin aus fuhren wir übrigens nach Newgrange zu einem 5000 Jahre alten Hünengrab. Es gibt drei große und mehrere kleine (ca. 100) in der Gegend. Nur einige kleine und ein großes sind ausgegraben und erforscht. Der aus Steinen aufgeschichtete Hügel mit dem Dolmengewölbe in der Mitte hat etwa 80 m Durchmesser und war von einem Kranz von Menhiren umgeben. Von diesen 35 Menhiren sind aber nur noch 17 erhalten. Im Süden führt ein schmaler Stollen in die Grabkammer im Innern, die drei Nebenkammern hat. Über dem Eingang ist der seperate, mit geschmückten behauenen Steinen umgebene Lichteintritt, durch den zur Wintersonnenwende für 17 Minuten die Grabkammer direkt beleuchtet wurde. Welche übernatürliche Macht muß das den wissenden Priestern gegenüber den nicht astronomisch gebildeten Menschen dieser Zeit gegeben haben. Bis heute hat sich übrigens diese Zeit um 4,5 Minuten verschoben, weil wegen der Kreiselgesetze die Erdachse etwas anders im Raum steht. Wir konnten mit unserem laienhaften Verstand eine Menge Parallelen zu den steinzeitlichen Tempelanlagen in Malta sehen. Ich glaube sicher, daß sich diese Kultur von dort aus ausgedehnt hat. Wir waren mit dem Zug in diese Gegend gefahren und hatten erst dort bemerkt, daß es auf dem Land nur wenige, nicht täglich verkehrende Busverbindungen gibt. So nahmen wir ein Taxi und einigten uns auf einen Gesamtpreis für eine Rundtour zu mehreren Sehenswürdigkeiten. Wir besuchten also noch die Ruinen von Mellifont Abbey, das von Hl. Malachias, einem Freund des hl. Bernhard 1142 gegründet wurde. Bis zur Auflösung 1539 war das Zisterzienser Kloster, das Mutterhaus von 20 Klöstern war, das zweitreichste Kloster in Irland. Danach wechselte das Kloster mehrmals den Besitzer, bis es der Staat als Nationaldenkmal übernahm. Danach fuhren wir nach Monasterboice, auch eine Klosterruine, wo aber vom Kloster nur mehr wenig zu sehen ist. Zu sehen sind dort noch ein Wachturm aus der Zeit der Wikingerüberfälle und einige der schönsten keltischen Grabkreuze aus dem frühesten Mittelalter. Man nennt sie auch Hochkreuze und sie sind reich verziert mit Geschichten aus dem Evangelium, schöne Steinmetzarbeiten. Das Muiredach-Kreuz stammt z.B. aus dem 10. Jhrh.

Auf dem Rückweg kamen wir dann noch an einem modernen Denkmal mit einem großen Kreuz vorbei, wo der Papst eine Messe gehalten hatte. Dort hielten wir nicht. Wer weiß, ob nicht spätere Generationen dieses Denkmal aus gutem Grund abreißen werden.

Über unsere Bergwanderung von hier aus habe ich bereits in meinem Brief an Gottfried geschrieben. Zu unserer Wanderung entlang dem Fluß sind, wir noch nicht gekommen, aber wir werden noch Zeit dazu haben, denn so wie es jetzt aussieht, werden wir von hier nach Howth zurücksegeln, um dort Christl zu treffen. Es könnte gerade mit der Großwetterlage so rausgehen, daß bis dahin sich das Azorenhoch wieder ausdehnt und den Sommer mit westlichen bis nördlichen Winden zurückbringt.

Von unseren Freunden im Mittelmeer hören wir zwar, daß sie dort schwimmen, aber sonst ist das Wetter dort auch nicht zu berühmt und bei Euch auch nicht. Vorhin traute ich meinen Augen kaum, wie ein Junge mit seinem Vater naß, in Badehosen über den Steg ging. Da friert es mich vom Zuschauen. Den gleichen Jungen habe ich jetzt schon einige mal im Wasser gesehen. Das muß ein harter Bursche sein. Ich empfand es heute früh so angenehm wie die Heizung lief. Mittags war es dann schön warm weil es Hähnchen aus dem Backofen gab, das heizt auch ganz schön.

Jetzt habe ich gerade den sehr interessanten Presseclub in der deutschen Welle gehört. Das ist eine Sendung wie der frühere Internationale Frühschoppen und das heutige Thema waren die RAF Terroristen in der DDR. Mich wundert das alles nicht, habe ich doch immer schon beruflich "Kontakt" zum Ministerium für Staatssicherheit gehabt. Über vieles konnte ich nur nicht reden. Aber ich erinnere mich an so manche Gelegenheit, wo man als Kriegstreiber beschimpft wurde, wenn man aus allgemein zugänglichen Quellen Schlußfolgerungen zog und behauptete, daß Honneckers DDR kein Hort des friedlichen Sozialismus sei. Es gibt ja auch heute noch viele trauernde Hinterbliebene am Grabe des Sozialismus. Damit möchte ich aber unseren System nicht das ewige Leben und die Heiligsprechung voraussagen. Gestern hörte ich auch, daß der Spartakus, der kommunistische Studentenbund, gegen den ich noch als RCDS Studentenvertreter einen so harten Stand hatte, sich selbst aufgelöst hat. Innere Streitereien und das mangelnde Geld aus dem Osten erledigte diese fünfte Kolonne. Nur wenn ich früher derartiges behauptete, wurde ich angefeindet. Auch bei den Grünen und der "Friedensbewegung" haben sich mangels DDR Zuwendungen, plötzlich die Töne verändert. Das war alles Teil des "Antiimperialistischen Kampfes". Das ganze rotte System wäre meiner Meinung nach bereits früher zusammengebrochen, hätten nicht so viele den Laden hoffähig gemacht und direkt oder indirekt unterstützt. Aber dann hätte man sich ja aktiv mit der Problematik auseinandersetzen müssen und hätte sich gegen den Vorwurf des "Revanchismus" zur Wehr setzen müssen. Da war es einfacher und wählerwirksamer sich friedlich und fortschrittlich zu geben. Da nehme ich Konservative nicht aus! Hoffentlich merken sich die Wähler die sonderbaren Wandlungen und Wendungen der SPD und linksgestrickter Wendehälse in Ost und West. Wendehälse gibt es allerdings auch in anderen Lagern und auch da sollten sich die Wähler zumindest länger als ein Jahr zurück erinnern. Ich wäre ja für eine Amnestie für die alten Vergehen, nur sollte sichergestellt werden, daß die Vetreter des Apparates nicht auch noch mit Ämtern im neuen gemeinsamen Staat belohnt werden. Es wurde zwar der Unsinn der "Entnazifizierung" gestoppt aber dann wurde der Fehler gemacht, daß zu viele alte Nazis in die Spitzen rutschten. Bestes Beispiel dafür ist die Justiz und ich befürchte, das es noch einmal so geht. Nur diesmal: ... streiche Nazi, setze Kommunist. Aber andere Völker haben ihre Vergangenheiten auch nicht besser bewältigt und die Zeit bügelt alles aus. Es ist nur eben nicht gerecht und fair denen gegenüber, die gelitten haben. Aber damit genug der Politik.

Wir werden bald zum Pub aufbrechen und vorher muß ich auf Kurzwelle noch das "Wetter machen"! Unser Barograph schreibt wilde Kurven rauf und runter. Kein Wunder, daß man sagt Irland sei die Heimat aller Regenbogen. Ich lese gerade den Reisebericht von A.E. Johann über Irland. Das ist passende Hintergrundinformation.
 
 

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Lough Carlingford, 28. 6. 90
Liebe Eisenberger!

Morgen werden wir, wenn das Wetter mitmacht, wieder nach Süden aufbrechen. Wir hoffen dann, daß wir in Howth Euren Brief endlich vorfinden. Wir werden die Fahrt nach Howth in netter Gesellschaft verbringen, da uns ein Teil der Familie Hand begleiten wird. Rowan Hand wird mit einer Tochter abends im eigenen kleinen Boot nachfolgen und wohl Samstag früh eintreffen. Wir haben durch den Kontakt mit Rowan hier viele nette Freunde gewonnen und haben seitdem immer wieder Besucher an Bord. Das ist der Vorteil eines längeren Aufenthalts an einem Ort: Man lernt Land und Leute kennen. Es begann am letzten Wochenende damit, daß wir Rowan, dessen Unsere FreundeBoot sonst an einer Boje liegt, zum Kaffee einluden, wie er bei Regen mit seinem Boot am Steg hinter uns festgemacht hatte. Er war zusammen mit John, der ein Malergeschäft hat. Abends trafen wir uns dann in einem Pub, wo irische Volksmusik gemacht wurde. Da wird vom Publikum kräftig mitgesungen und da traten echte Stimmen ans Mikrophon. Rowan und John sangen auch. Rowan sogar auf einem Stuhl auf dem Kopf stehend, während Ruth seine jüngste Tochter (10) das Mikro hielt. Rowan arbeitet für BBC und macht das Morgenprogramm. Dafür machte er auch ein Interview mit uns an Bord. Die Musiker stellten uns den Leuten im Pub vor und eigentlich hätte ich auch etwas singen sollen,.... aber... ich zog mich mit einigen netten Worten über und an die Iren aus der Schlinge. Ihr könnt Euch nicht vorstellen mit welcher natürlichen Herzlichkeit die Iren in Nord und Süd einem begegnen. Am Montag abend waren wir dann zum Barbeque zu Rowan nach Hause eingeladen und lernten die ganze Familie kennen. Er hat 5 Töchter, vier sind schon erwachsen, eine hat einen Sohn, David, drei Jahre, ein aufgewecktes Bürschchen, der gestern abend mit den Großeltern an Bord war und auch mit nach Dublin segeln wird. Heute abend gehen wir alle zum Chinesen zum Essen, Rowan und Marie haben 25 jährige Hochzeit und haben uns eingeladen. So vergeht die Zeit hier recht kurzweilig. Gestern nachmittag fuhren wir noch mit dem Bus nach Kilkeel. Dort wurde der alte Hafen großzügig als Fischereihafen ausgebaut und es war recht interessant dem Treiben der vielen Fischkutter dort zuzuschauen. Wie wir dann von der Hafenmole ins Hafenbecken schauten, trauten wir kaum unseren Augen, wie wir einen Seehund auftauchen sahen. John erzählte uns gestern abend, daß Seehunde hier den Fischern zu den Häfen folgen und wenn diese die Fische schlachten, fressen sie die Reste, das ist bequemer als den ganzen Fischen nachzujagen. Von Kilkeel aus hatten wir auch einen sehr schönen Blick zu den Mourne Mountains. Auch die Fahrt dorthin und zurück, entlang dem Lough und dann um die Ecke, über das Vorland vor den Bergen, das von sattgrünen Rinder- und Schafweiden eingenommen wird. Viele der Schafe waren frisch geschoren. Ein schloßähnliches Anwesen hatte auch Koppeln mit Dammwild und verschiedenen Rinderrassen, darunter schottisch Highland-Cattle. das sind die mit den langen Hörnern.

Zum Wochenende wollen von hier etwa 10 Boote nach Dublin segeln. Daher wird überall an den Bojen seeklar gemacht. Heute Nacht kam auch die erste Yacht "Rothman's" ins Ziel des Round Ireland Races. Es war ja teilweise recht stürmisch und viele Yachten hatten aufgegeben. Wir hatten einige Teilnehmer in Howth im Yachtclub kennengelernt. "Rothmans" machte das Rennen über mehr als 700 Meilen in 84 Stunden. Rothmans war auch 2. im Round the World Race. In Dublin (Howth) sahen wir auch die "Spirit of Galway", die schon zum 7. Mal um die Welt war. Ein riesiges Boot mit einem noch riesigeren Mast, schon 18 Jahre alt.

Gestern wollte Dianne noch einmal die Firma Hock wegen der Brenner anrufen, sie erreichte zwar jemanden, konnte aber keine Nachricht hinterlassen, weil dort gerade ein Unwetter niederging. Heute haben wir jetzt im Radio gehört, daß im Südwesten schwere Unwetter waren. Bei Euch hat es aber nichts gemacht, oder?

Hier ging gerade auch wieder ein Schauer durch, nachdem der Vormittag sonnig und trocken war. Es wechselt hier in letzter Zeit sehr schnell und nach einem schönen Mai, war der Juni äußerst wechselhaft. Wir hoffen, daß sich das Wetter bis zur Ankunft von Christl ausgesponnen hat und daß wir bereits in Südirland sind, bis sie eintrifft.

So das waren so die letzten Neuigkeiten, alles andere vorher könnt Ihr in den langen Briefen an Gottfried und Mutti nachlesen, das war jetzt nur die Nachlese.

P.S. Hier sind gerade gebrauchte Armee-klamotten in und so laufen viele in Olivhemden der Bundeswehr mit schwarz-rot-gold herum. Gestern sahen wir einen, der noch ein gesticktes Namenschild darauf hatte und was denkt Ihr wie der deutsche Uniformträger geheißen hat!? VÖLK!

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weiter der Reihe nach

Kapitel  7, d.h. die Weiterreise über Irland Spanien, Portugal, Madeira zu den Kanaren,

oder bereits jetzt den Atlantik überqueren?

Schauen Sie wieder einmal auf der Seite vorbei, bereits in wenigen Tagen geht es weiter.
Nicht vergessen "Lesezeichen setzen!" Es werden auch noch mehr Bilder in die Kapitel so nach und nach eingestellt werden.
 
 
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