Kapitel 5

Liparische Inseln, Sizilien, Malta, Tunesien, Sardinien, Korsika, Italien, Frankreich, Rhone,Saone, Beginn Kanalfahrt

(Postkarte von Milazzo.) 6.7.89
Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deine lieben Briefe, die Paul am 3.7. mitbrachte. Sie werden bald im Einzelnen beantwortet. Ich schreibe auf See, deshalb etwas mehr Fahrer als sonst in meiner Schrift.

Insel VulcanoWir sind jetzt kurz vor der Insel Vulcano. Gestern haben wir die Festung auf dem Bild besichtigt. Sie wird z.Zt. restauriert. Man sieht auf dem Bild nur den inneren älteren Teil, die Anlage zieht sich aber noch bis nach rechts vorn über die Stadt. Dieser Teil wurde von den Spaniern unter Karl V gebaut. Der älteste Teil stammt von 900. Es bauten Araber, Sarazenen, Normannen, Friedrich II (v. Schwaben), Aragonier usw. daran bis Ende 17 Jh. Leider haben wir nicht viele Unterlagen darüber und von der italienischen Führung haben wir nur Bruchstücke verstanden.

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(Postkarte von der Insel Lipari) 6.7.89 Lieber Christian!
Vor 2 Tagen sind wir durch die Straße von Messina gefahren. Wir sind dabei vielen Spezialfangbooten für Schwertfische begegnet. Diese Fischkutter haben einen ca. 20m hohen Gittermast auf dem 2 Mann Ausguck stehen und der Kapitän, der von dort oben steuert. Auf einem genau so langem Ausleger am Bug, alles mitSchwertfischfänger Drahtseilen abgespannt, stehen die Harpuniere. Die Schwertfische schlafen am Tag an der Oberfläche und jagen nachts in der Tiefe in den fischreichen Strudeln der Meerenge, in der es immer Strömung gibt. Wir haben Schwertfische von über 100 kg gesehen und noch größere Thunfische. Unsere Überfahrt über das Ionische Meer dauerte 61,5 Stunden für die 230 Sm bis zum ersten Hafen. Es war dies ein großer Handelshafen für ein Industriewerk südöstlich von Reggio. Es war aber eine totale Fehlplanung und so sind weder die Fabrik noch der Hafen in Betrieb. Die letzten zwei Tage waren wir in Milazzo, einer sehr alten schönen Stadt mit einer Festung, die wir gestern besichtigten. Jetzt fahren wir gerade unter Motor, weil der ganz leichte Wind von vorne kommt und wegen der Dünung ein Kreuzen witzlos ist. Ich habe gerade eine Angel repariert und hoffe, daß Paul etwas fängt, bis jetzt sieht es aber nicht danach aus und mein Einkauf auf dem Fischmarkt war gestern viel erfolgreicher.

Über Deinen langen Brief haben wir uns sehr gefreut. Vielen Dank! Deine Schrift scheint einmal genau so miserabel zu werden wie meine, Du wirst bei diesen Zeilen sehen, wie schlimm das ist. Aber bei mir kann manSchwertfischtransport leider nichts mehr richten, wer's lesen will muß da halt durch. Bei Dir könnte sich allerdings eventuell noch was machen lassen, oder? Aber jetzt erst mal viel Spaß in den Ferien!
 
 

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(Panoramapostkarte von Vulcano) 6.7.89
Liebe Martina!

Wir sind jetzt seit 1½ Std. unterwegs zu den Liparischen Inseln und wollen in die auf dem Foto hintere Bucht einlaufen. Es gibt dort gleich am Ankerplatz heiße Quellen im Meer und Schlammfumarolen am Ufer. Bis 50° C! Schwefelfelsen an der BadebuchtDie nächsten 2-3 Tage wollen wir die ganzen Inseln etwas anschauen und dann nachts um den Stromboli segeln, denn dann kann man die ausgespuckten glühenden Steine und die rote Lava sehen. Ich weiß nicht, ob er jetzt gerade sehr aktiv ist, denn dann kann man die flüssige Lava bis ins Meer fließen sehen. Vor jetzt 20 Jahren war ich schon einmal hier, aber nicht an Land.

In der Straße von Messina hatten wir sehr starke Strömung, wir standen manchmal fast auf der Stelle und dort, wo der Meeresgrund bis auf 60m Tiefe ansteigt gab es sehr starke Strudel, die einen plötzlich drehten und man mußte dagegensteuern. Kein Wunder, daß man in der Antike an das Meeresungeheuer von Scylla und Charibdis glaubte. Der Ort Scylla ist allerdings sehr schön gelegen. In der Straße von Messina werden auch viele Schwertfische gefangen.

FangobadLetzte Nachrichten: Haben bereits unser erstes Bad in den blubbernden heißen Quellen, wo immer Gas mit herauskommt, hinter uns. Chris und Claudia haben sich mit dem grauen Fangoschlamm von Kopf bis Fuß eingeschmiert. Das Wasser ist stellenweise zu heiß zum Hineingehen. An manchen Stellen am Strand kann man im Sand graben, dann kommt plötzlich heißes Wasser und Gas heraus. Wir haben gespielt und geplanscht wie die Kinder. Für mich gerade die richtige Temperatur, war fast zwei Stunden im Wasser. Dafür stinken wir jetzt wie die Teufel nach Schwefel.

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(Postkarte von den Liparen.) Straße von Messina 9.7.89
Liebe Mutti!

Da wir z.Zt. mit Besichtigungen, Gästen etc. beschäftigt sind, vor dem versprochenen Brief auch eine Karte vorab. Wir sind heute nacht vom Stromboli nach der Straße von Messina gesegelt und motort. Gestern abend nach Einbruch der Dunkelheit sind wir am Stromboli angekommen und haben uns dort treiben lassen. Man sah schon aus großer Entfernung die Rauchwolke über dem Krater. Als es ganz dunkel war, sah man auch zunächst den Widerschein des "Höllenfeuers" in den Rauchwolken. Dann kam die erste Eruption, der dann alle 10 - 30 Min. die nächste folgte. z.Zt. ist die Aktivität allerdings wesentlich geringer als vor 20 Jahren, als ich hier vorbeifuhr. Man sieht aber richtig die glühenden Brocken senkrecht in die Luft fliegen. Das ist schon ein eindrucksvoller Anblick. Jetzt werden wir zum Wasser und Diesel tanken kurz nach Reggio di Calabria einlaufen und dann geht es an der Küste von Sizilien nach Süden. Nach dem Einlaufen werde ich mich erst mal ein Stündchen aufs Ohr legen, denn heute nacht gab es nicht viel Schlaf.

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zwischen Catania und Syrakus, 14.7.89
Liebe Brigitte, lieber Sepp, liebe Martina, lieber Christian,

Heute haben wir ein ruhiges Segeln. Mit 3 - 4 Knoten geht es in ruhigem Wasser dahin und da kann ich nebenbei schreiben. An Land haben wir in letzter Zeit soviel Programm, daß ich nicht dazukam. Es ist hier eine interessante Gegend. Gleich 3 tätige Vulkane in einer Woche hat uns wünschen lassen, wir würden mehr über Geologie wissen. In der Schule hatte man das Lernen satt und jetzt schafft man nicht alles was man noch in den hohlen Kopf hineinbekommen möchte.

Karl hat schon von unserem Spaziergang auf Vulcano und unserem Baden im heißen schwefeligem Meer erzählt. Auch daß wir um den Stromboli fahren wollten, aber noch nicht vom Stromboli selbst. Nun, wir sind nachts herum, um so besser sehen zu können und sahen ihn tatsächlich ständig qualmen. Von der Seite, wo der Kraterrand am niedrigsten ist, konnten wir den Feuerschein der Eruptionen im Krater sehen. Das passiert im Schnitt alle 20 Minuten aber unregelmäßig. Wir ließen uns treiben und sahen eine ganze Weile zu. Zweimal waren die Ausbrüche dann so, daß wir eine "Fontäne" von Feuer und Gesteinsbrocken hinaufschleudern sahen. Aber im Großen und Ganzen ist Stromboli zur Zeit recht zahm. Karl hat ihn vor 20 Jahren, wie er mit der Marine hier war, anders erlebt.

Unser dritter Vulkan war der Ätna, der jetzt gerade im Kielwasser vom Dunst verschleiert wird. Bei weitem der höchste der drei (Vulcano 391m, Stromboli 924m Ätna z.Zt. 3340m) ist er weithin sichtbar. Wir haben gestern eine Bahnfahrt mit einer Schmalspurbahn rund herum gemacht. Die Fahrt ist 140 km lang, der höchste Punkt 976 m. Es gibt zwar eine Seilbahn zum Hauptkrater, aber wir entschieden uns deshalb dagegen, weil man immer noch einen gehörigen Fußmarsch mit Bergführer vor sich hätte und zur Zeit wegen der großen Aktivität sowieso nicht an den Krater heran kann. Während der Bahnrundfahrt sahen wir Lavafelder, die noch schwarze unbewachsene Striche in der Landschaft bildeten. Älteres verwittertes Lava wird zu einem fruchtbaren Boden für Wein, Zitrusfrüchte, Pfirsische, Haselnüsse und Getreide. Der Ätna hat einige hundert Nebenkrater, die wie Pickel auf der Haut aus den Hängen ragen. Wir stiegen zweimal unterwegs aus - in Maletto und in Ragazzo. Der erste Ort ist recht steil am Hang gebaut. Beide Städte waren größer als wir uns vorgestellt hatten. Wir erwarteten kleine sizilianische Bergdörfer und kamen durch ansehnliche Städte mit Neubautätigkeit. In Ragazzo war eine Altstadt mit Kirchen und Häusern aus dem 12. - 16. Jahrhundert! Scheinbar konnten zu allen Zeiten die Leute mit der Gefahr leben und recht viel Altes hat die vielen Ausbrüche überlebt. In Catania gibt es ein Schloß aus der Staufferzeit, es hat ein Erdbeben überdauert und war mal von Lava komplett umgeben. Im Burggraben ist ein Teil wieder entfernt worden, so daß man die Fundamente sehen kann, wie sie im Lava steckten, aber die Burg selbst steht noch nach wie vor!

In Lipari gingen wir ins Museum aber die Abteilung Vulkanologie ist noch nicht ganz fertig. Zwei kleine Räume bildeten eine Einführung aber alles nur auf italienisch. Wir lernten zwar einiges dazu, aber wir hätten gerne mehr gesehen und verstanden. Wir haben auf Vulcano Steine eingesammelt. Sie liegen gerade vor mir, da ich gerade ein paar für meine englischen "Kinder" zusammengepackt habe und nachher treffe ich eine Auswahl für die deutschen "Kinder". Die einzigen, die wir mit Bestimmtheit identifizieren können sind die gelben Schwefelablagerungen, die wir direkt an den Fumarolen sammelten, das schwarze glänzende Obsidian, das in der Antike als Rasiermesser verwendet wurde, und der heute noch in Verwendung befindliche Bimsstein.

Wir haben es hier öfter recht heiß und stickig. Die Windstille war zwar für unseren Ausflug zu den Liparischen Inseln recht günstig, da wir dann direkt an die Felsnadeln und Grotten fahren konnten und vor Stromboli treiben konnten. Heute sind wir jedoch um den Segelwind froh, der uns nicht nur gut voranbringt, sondern auch eine kühle Brise unter Deck leitet. Da ist es ungewohnt in Eurem Brief von Schafskälte zu lesen. Haus und Garten müssen jetzt schön aussehen, bei jedem Oleander denken wir an Euch - das ist recht häufig! Die Häuser hier haben vielfach schmiedeeiserne Balkone, und Blumenkästen sind auch recht häufig aber nie so üppig voller Blüten wie im Alpenraum.

Syrakus, 15. Juli 89
schönes SyracusMeine Vorstellung von Sizilien umfaßte Begriffe wie Mafia, Armut, Dreck, Kriminalität, Wein, Zitrusfrüchte und Geldwaschen. Nun ist es hier sehr verschieden. Erstens ist Sizilien dichter besiedelt, zumindest die Ecke, die wir gesehen haben, und es wird viel gebaut. Arm können die Leute nicht sein, denn Lebensmittel sind nicht gerade billig. Manche Städte sind entsetzlich dreckig - in Aci Trezza war der Pier voller Müll und Öl. Auch in Catania war der Hafen unordentlich und sogar in einem aufstrebenden Touristenort wie Giradini/Naxos stanken die überfließenden Mülltonnen. Syrakus dagegen ist schön und wir sind alle hellauf begeistert. Wir liegen mit dem Heck an einer breiten Promenadepier. Eine doppelte Baumreihe spendet Schatten entlang der Stadtmauer. Oberhalb dieser Bäume dehnt sich die Stadt mit vielen barocken Palazzi und Kirchen. Der Domplatz ist von Oleanderbäumen gesäumt, die in allen Farben blühen. (In den Städten sieht man oft die Oleander als Baum statt Busch. Das sieht schön aus und beengt die Gehwege nicht). Die Stadt ist eine Halbinsel und an der Spitze steht eine Festung von Friedrich II., die leider als militärische Zone nicht zugänglich ist. Dadurch, daß die Stadt auf den Felsen etwas höher liegt, hat man einen schönen Blick hinunter auf den Hafen. Direkt am Meer entspringt auch eine Quelle, die schön im Halbkreis eingefaßt und von Bougainvillea umgeben ist. Papyrusstauden bilden Inselchen im Wasser und die Enten lassen sich zur Mittagsruhe auf dem langsam fließenden Wasser treiben.

Von Kriminalität sind wir nicht behelligt worden und Schauermärchen wie letzten Herbst in Apulien haben wir auch nicht gehört. Aber wir schließen immer ab und passen auf.

Morgen fahren wir Richtung Malta los. Ob wir am Kap nochmals übernachten, wird der Wind bestimmen.

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Ätna

(Postkarte vom Ätna)
Liebe Allgäuer!

Das ist der Ätna um den wir mit einer Schmalspurbahn gefahren sind. Von Catania bis Riposto 110 km, dann noch mal 30 km mit der Staatsbahn an der Küste entlang nach Catania zurück. Wir sahen riesige Lavafelder von den letzten Ausbrüchen. Es gibt ja mehr als 100 Krater. In Catania steht auch ein Kastell Friedrichs II, der Burggraben war ursprünglich mit dem Meer verbunden, der große Ausbruch von 1669 hat den Burggraben mit Lava gefüllt und heute kann man noch gut den Brocken sehen, der da erstarrt im Graben liegt. Auch in Syrakus gibt es ein Kastell Friedrichs II, man kann es leider nicht besuchen, da die ganze Südspitze der Halbinsel Militärgebiet ist. In Aci Trezza (nördlich Aci reale) sind einige Felsinselchen, das sollen die Felsbrocken sein, die der Polyphem dem Odysseus hinterher warf, nachdem dieser ihn geblendet hatte und geflohen war. Die Höhle des Polyphem ist natürlich auch dort. Wir waren jetzt schon an vielen Orten des Odysseus. Jetzt sind wir dort wo der Apostel Paulus Schiffbruch erlitt, nachdem er nach Rom zum Prozeß gebracht werden sollte. Hier gibt es immer Geschichte und Geschichte und nochmals Geschichte.

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Ohr des Dionysios Syracus

(Postkarte von Syrakus - Ohr des Dionysius)
Liebe Martina!

Dieses Ohr mit seiner 6-fachen Schallverstärkung könnte ich zur Zeit brauchen. Seit einer Woche nach dem Baden ist mein linkes Ohr zugefallen.

Hier soll der Tyrann Dionysius die Gefangenen in den Steinbrüchen belauscht haben. Die Höhle mit der tollen Akustik entstand durch den Abbau von Gestein, es ist ein Teil der großen Steinbrüche von Syrakus, wo das Baumaterial für die Theater und das Stadion usw. gebrochen wurde. Syrakus hat uns sehr gut gefallen. Wir waren auch in riesigen Katakomben und haben das Grab von Archimedes besucht. Er stammte aus Syrakus. Die Stadt war sauber und ehrlich, in Italien nicht selbstverständlich, leider!

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(1 Postkarte von Syrakus und 2 von Malta)
Lieber Sepp, liebe Brigitte!

Jetzt sind wir bereits in Malta, mit der herrlichen Stadt Valetta. Ich habe aber noch so schöne Karten, daß ich Euch eine italienische und eine aus Malta schreibe. Syrakus war eine sehr schöne Überraschung für uns, nachdem Catania zwar eine schöne alte Stadt, aber einfach schmutzig und heruntergekommen ist. Keine ordentliche Stadtreinigung etc. In Syrakus eine tolle Promenade, blitzsauber und abends alle Familien beim Abendspaziergang auf der Promenade.

Viel Volk zum sehen. Die Gebäude der Stadt einfach herrlich. Wir besichtigten auch den Parco Archeologico mit griechischem Theater etc. und die Katakomben unter einer Kirche. Seit Reggio hatten wir auch guten Segelwind und sind fast nicht motort; dabei aber nie starken Wind, immer gerade genug für 2 - 5 Kn. bei ruhiger See, wo man ein Glas stehen lassen kann. Nur nach Malta herüber mußten wir etwas motoren. Es gab Dünung und da standen die Segel bei dem leichten Wind nicht mehr. Wir sind morgens um 3.00 in Italien los. Um 15.45 waren wir dann im Masamxett Hafen im Lazaretto Creek fest und klarierten bei den Behörden, die richtig britisch sind ein. Freundlichkeit und Zuvorkommenheit sind hier ganz normal. Echt toll. Südländisches Leben und Extrovertiertheit lassen mischen sich mit angelsächsischer Korrektheit, z.B. beim Warten auf den Bus oder in der Bank etc. und immer freundlich! Die Bauten Maltas und seine Geschichte sind faszinierend. Wir haben eine einstündiges Multimedia Show über die 5000 Jahre Geschichte von Malta gesehen. War gut gemacht und sehr lehrreich. Malta hat auch wirklich eine einmalige Geschichte. Die Bauten sind natürlich jünger als in Rhodos, aber dafür viel größer und mächtiger, denn nach der erfolglosen Belagerung durch die Türken unter Suliman dem Prächtigen zahlte ganz Europa großzügig an die tapferen Ritter. Also Geschichte auf Schritt und Tritt. Aber auch heute werden noch schöne Bauten gefertigt,. Alles aus weichem Kalkstein, der sich gut sägen läßt. Moderne Bauten müssen nicht häßlich sein.

Jetzt haben wir gegessen, der Wind ist fast eingeschlafen und wir haben den Blister geborgen. Wir haben noch etwa 2 - 3 Meilen zur Blauen Lagune auf Comino, wo wir baden wollen. - Bereits kurz nach dem Einbau des reparierten Funkgerätes fing es wieder an zu spinnen. Ein Thyristor hängt und so ist es oft ungewiß, ob wir Empfang haben. Senden geht immer. Deshalb haben wir in Malta ein Ersatzgerät gekauft. Es ist ein relativ billiges Seafarer RT 650. Da wir nun schon lange Gedanken wegen eines SatNavs oder Loran C gemacht haben und die Preise in Malta günstig waren, haben wir uns ein Furuno Loran C (LC 90) zugelegt. Der kleine Metallkasten kann alles, was in der Navigation möglich ist. Wir haben jetzt ständig alle Koordinaten auf zwei Kommastellen genau, z.B. 36° 01,08'N und 14° 21,78'E und alle daraus ableitbaren Werte. Er speichert 99 Wegpunkte usw. Wenn also ein Scheck über £ 828 eingelöst wird, ist es OK. Durch die britischen Pfund haben wir noch mal gespart. Wir haben uns nämlich überlegt, daß es vernünftiger ist, das Ding jetzt zu kaufen und schon zu nutzen als erst in England. Der Einbau ist bereits erfolgt. Ich navigiere heute schon den ganzen Tag damit, da alles OK erscheint muß ich dann nur die Kabel und Antennenleitung endgültig (unter Putz) verlegen. Christian hätte mit dem piepsenden Kasten und den vielen Zahlen auf dem 8 x 8 cm großen LCD Bildschirm sicher viel Spaß. Werde im nächsten Video, das Paul mitnimmt, eine Kostprobe geben. Ein Hauch Flugzeugcockpit! (schönes Spielzeug für alte Buben). Aber was nützlich und gut ist, darf ja auch Spaß machen. Jetzt tauchen die ersten Buchten von Comino auf, wir sind im North Comino Channel und ich muß mich etwas mehr ums Steuern kümmern, habe die ganze Zeit nebenher geschrieben. Ein Langkieler findet eben fast alleine den Weg.

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(Postkarte von der Feste St. Angelo, Malta)
Festung MaltaLiebe Mutti!

Nun sind wir bereits seit 3 Tagen in Malta und sind hellauf begeistert von dieser Stadt und Insel, und zwar in jeder Hinsicht. Das Wetter ist herrlich, die Leute so freundlich und alles läuft hier fast perfekt. Die Engländer haben da viel geprägt. Heute sind wir ausgelaufen und segeln gerade unter Blister von Valetta nach Comino und Gozo, den beiden kleineren Inseln. Wir haben auch schon einiges besichtigt und die Stadt ist einmalig. Die Geschichte dieser Insel ist nicht weniger einmalig in Europa. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Dabei waren wir zuletzt in Syrakus und das war ebenfalls eine herrliche Stadt mit wunderbaren Bauten von der Antike bis heute, wobei die heutigen Bauten in Malta genauso schön in Kalkstein ausgeführt werden wie früher.

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An Bord, Qala Salina, 24.7.89
Liebe Mutti und alle anderen miteinander!

Ich schicke den Brief stellvertretend an Dich, weil Du am meisten geschrieben hast, aber alle anderen Briefe auch beantwortet werden sollen. Den aktuellen Fortgang der Reise habe ich ja bereits im wesentlichen auf Karten auf die einzelnen Adressaten aufgeteilt beantwortet. Paul hat ja einen ganzen Stapel Post mitgebracht und wir haben uns wie immer darüber sehr gefreut. Posttag ist ein besonderer Tag, weil ja bei uns nicht immer so kleckerweise Post eintreffen kann. Wobei ich hoffe, daß bei Euch die Post so einigermaßen gleichmäßig hereinkleckert. Also vielen Dank für die ganze Post.

Deine Briefe sind jetzt schon wieder ein bis 2 Monate alt. Das zögert sich doch alles etwas hin, bis die Post an Bord ist, aber wenn man sich vorstellt wie das einmal früher ohne Flugzeuge war? Da wurden die Briefe immer mindestens so alt.

Ich werde daher beim Antworten und erzählen wieder etwas weiter ausholen und vor 2 Monaten aunfangen.

Die ganzen Malerarbeiten und Renovierungen am Hof habe ich mit Freude vernommen. Wir sind schon ganz gespannt wie alles aussieht.

Deiner Vorliebe für Genealogie könntest Du hier hervorragend frönen. Münzen, Baudenkmäler, Ortsnamen usw. legen ständig Zeugnis ab für die verschiedenen Persönlichkeiten und Geschlechter, die die Gegend geprägt haben. Und es haben ja wirklich alle von Rang und Namen mitgemischt, hier im Mittelmeer, dieser Wiege unserer Kultur. Gerade in Malta haben wir Neues dazugelernt mit den neolithischen Tempelanlagen von ca. 2500 v. Chr. Wir legen zwei kleine Büchlein bei.

Doch jetzt etwas der Reihe nach, denn der letzte große Brief war am 15.6. von Ayos Ephimia/GR aus und seither ist viel Wasser an der Bordwand entlang gerauscht.

Die letzten Tage in Griechenland haben wir so richtig genossen und die Ionischen Inseln waren so richtig für entspanntes Segeln und für Landausflüge. Da sie bewaldet sind, kommen sie unseren Vorstellungen von schöner Natur viel näher als die Felsen der Ägäis, Vlikho auf Lefkas war z.B. eine Bucht, das hätte der Tegernsee sein können. Völlig geschlossen und ruhig. Wir waren die einzigen Gäste der Taverne.

Hafen von Fiskardo
Fiskardo auf Kephalinia war dann wieder ein ganz entzückender kleiner Ort und wir hatten direkt vor den Häusern festgemacht (4m zum nächsten Hauseck). Falls ich den Videofilm noch fertig bekomme, wird der mehr erklären. In Argostoli haben wir dann einige bekannte Segler, auch "Koala", wieder getroffen und warteten gemeinsam auf eine günstige Wetterlage. Wir haben die erwartete Wetterlage auch anscheinend angetroffen, denn die anderen, die nicht mit uns ausliefen, gingen nach 60 Meilen wieder zurück in verschiedene Häfen und wo sie jetzt sind, wissen wir nicht. Wir haben nur zufällig nach unserer Rückkehr von den Liparischen Inseln einen Segler getroffen, der es uns erzählte. Normalerweise hätten wir uns in Malta wieder treffen wollen, aber manchmal läuft es eben anders.

Wir sind jedoch mit leichten Zeitverschiebungen unseren Plänen immer treu geblieben und es kam auch nichts dazwischen.

Die Überfahrt über das Ionische Meer war problemlos, aber das habe ich ja schon geschrieben. Auch über die sehr interessanten Ausflüge am Ätna und auf Vulcano haben wir schon berichtet. Kalabrien und Sizilien haben auf uns einen viel besseren Eindruck gemacht als im vergangenen Jahr Apulien. In der Heimat der Mafia und Camorra sind die Leute scheinbar ehrlicher. Wir haben jedenfalls das Boot oft alleine gelassen und es gab nie Probleme oder Warnungen. Hier in Malta ist es da auch ganz gut!

Italien ist leider nicht nur in punkto Umweltschutz eine Katastrophe!!! Die Orte stinken teilweise vom Müll und das Abwasser geht alles ins Meer. Wir verfolgen zur Zeit am Radio die Algenplage in der Adria. Geschieht denen ganz recht. In den Jahren wo mit steigenden Tourismus das große Geld kam, wurde nicht investiert, jetzt sind die Problemlösungen überfällig und das Geld bleibt zunehmend aus. Ich hoffe nur, daß die EG da nicht wieder mit Geld einspringt. Wenn man nicht vernünftig und rechtzeitig handelt, muß es hinterher weh tun, sonst tritt der Lerneffekt nicht ein. Und lernen müssen die noch viel. Wir haben allerdings auch positive Ausnahmen erlebt, wie in Syrakus.

Catania wäre eigentlich von der Bausubstanz her auch eine herrliche Stadt, aber die alten Gebäude müßten dringend renoviert oder gereinigt werden und bei der Stadtreinigung fehlen die fleißigen Türken.

Eine interessante Sache war aber die Burg von Friedrich II, deren Burggraben z.T. voll Lava floß. Die Burg selbst wird z.Zt. renoviert und war daher nicht zu besichtigen.

Syrakus war dagegen eine interessante und schöne Stadt. Wir haben es richtig genossen, in der Stadt zu spazieren. Wir besichtigten auch die antiken Stätten. Dieses ganze große Areal ist heute ein archeologischer Park. Es war auch angenehm, daß wir nur wenig Tourismus antrafen.

Handelshafen von Valetta
Hier in Malta gibt es etwas mehr Tourismus aber nicht störend und wir sind von Malta so begeistert, daß wir mehr als doppelt so lange bleiben, wie geplant. Über die meisten Sachen kann das Videoband mehr erzählen, aber vom Josephsfest in Msida gibt es keine Aufnahmen, weil wir abends hingingen und ich nicht immer die Tasche mit herum tragen wollte. Vom Licht her wäre es schon gegangen. Diese Feste sind Veranstaltungen der jeweiligen Pfarrei und werden jeweils für ein ganzes Wochenende lautstark und farbenfroh gefeiert. Es gibt verschiedene Prozessionen mit unterschiedlichem Publikum. Die gehen von ernsthaft religiös bis Karneval, wobei Feuerwerk bei Tag und Nacht mit Licht und Ton, bei Tag mehr Ton (Böllerraketen) auf jeden Fall dazugehört. So ein Feuerwerk kann 4 Stunden dauern, wobei dann natürlich nur alle paar Minuten eine große Rakete oder ein Böller geschossen werden. Wenn aber der Heilige in der Kirche verschwunden ist, steigert sich das Schauspiel zum Crescendo. Der Umgang der Feuerwerker mit den Säcken voller Munition, die sie dann in vorbereitete aufgestellte Röhrenbatterien zum Zünden stellen, ist mehr als locker, aber es passiert nichts, weil die Leute hier noch selbst aufpassen und sich nicht wie in Deutschland darauf verlassen, daß das was genehmigt ist, nicht mehr gefährlich sein kann. (Gummizellenverhalten nenne ich das immer). Habe da kürzlich mit Verärgerung von einem Urteil gegen eine Stadtverwaltung in Deutschland gehört, weil eine Gehwegplatte ganze 5 mm hochstand. Wer hier in ein Loch tritt, ist selbst schuld, man muß eben schauen, was man tut. So manches in "D" klingt schon sehr kurios, wenn man es aus der Ferne betrachtet.

Aber zurück zum St. Josephs Fest. Die überaus schöne barocke z.T. üppig vergoldete mannsgroße Figur mit Jesuskind auf dem Arm (ungewöhnlich!) wurde von etwa 15 Männern getragen, die sich gegen eine Ablösung sträubten aber die Ablösung aus dem Publikum drängte sich zum Tragen. Zumindest ging man kurz vorbei, berührte den Sockel und bekreuzigte sich. Die Malteser sind traditionell sehr religiös (katholisch). In den z.T. sehr alten Bussen sind sogar sehr kleine kitschige Altäre mit Figuren (Heilige Familie) hinter Glas angebracht. Einen Mangel an Pfarrern und Ministranten kann man hier auch nicht beobachten. Das Beste an den Maltesern ist jedoch ihre unwahrscheinliche Freundlichkeit und Gastfreundschaft. Man kommt mit Jedermann sofort in ein freundliches Gespräch. Was auch noch auffällt ist, daß die Mädchen und Frauen hier oft auffallend hübsch sind (gute Mischung) und daß viele Männer oft stark, Frauen auch häufig, aber weniger umfangreich tätowiert sind. Dabei sind die Tätowierungen meist sehr künstlerisch gestaltet und nur selten einfache blaue Tinte.

Wie einmalig die Bauten sind, könnt Ihr am besten auch im Video sehen. Werde jetzt Schluß machen, damit ich zumindest mit dem Dreh/Schnitt-Buch für den Videofilm anfangen kann. Wir sind heute wieder ausgelaufen und so werde ich mit Bordstrom arbeiten und die anderen zum Schwimmen und Surfen von Bord jagen, damit im Filmstudio Ruhe herrscht.

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(4 Postkarten von Malta)
Lieber Sepp mit Familie!

Heute werde ich versuchen einmal anzurufen. Overseas calls sind aber von Malta aus nicht überall möglich. Gestern haben wir den Palast der Großmeister und einige Museen besucht. Nachmittags fahren wir noch nach Mdina, der alten Hauptstadt, die unverändert innerhalb der starken Festungsmauer überdauert hat. In Malta gibt es so viele Festungen, daß man eigentliche sagen muß, Malta ist eine Festung. Die meisten Anlagen entstanden nach der großen Belagerung durch die Türken, die schon bald nach der "Umsiedlung" der Ordensritter von Rhodos nach Malta stattfand. Damals stand dort, wo die Postkarte aufgenommen wurde, noch nichts. Erst der Großmeister La Valette gründete auf der mittleren Halbinsel zwischen den beiden Hafenbuchten (Ost/West) die Stadt Valetta mit ihren starken Bastionen. Die Stadt wurde nach einem Plan sehr schnell von den besten Architekten und Festungsingenieuren Europas erbaut. Daher auch das einzigartige Straßenbild. Es gibt hier soviel schöne Bauten, es sollten unsere Architekten alle einen Pflichtausflug nach Malta machen. Wir ankern jetzt mitten im Lazaretto Creek mit Blick auf die St. Michaels und St. Andrews Bastionen (ganz rechts im Bild auf Postkarte II). Der runde Platz (Karte I) ist der Busbahnhof, wo die zum Teil abenteuerlich alten Busse abfahren. Gestern fuhren wir mit einem Leyland Baujahr 1940.Stadtbus Valetta Das war der älteste von den vielen alten. Sie haben Bodenplatten aus Riffelblech und rattern schlecht gefedert durch die Schlaglöcher. Die Busfahrer sitzen ganz locker auf ihren altmodischen Sitzen und brausen mit ihrer losen Verkehrsmoral durch die Kurven. Bergab ist immer der Gang heraus. An den Pedalen vorbei sieht man die Straße, die Frontscheiben sind etwas ausgestellt, so daß der Wind herein kann. Ein tolles Fahrerlebnis. Die versprochenen Antwortbriefe werden noch etwas dauern, weil wir vor lauter Programm keine Zeit zum Schreiben haben und abends zu müde sind.

Heute ist eines der vielen Stadtteilfeste in Msida. Gestern abend waren in Msida und Sliema ein Feuerwerk. Wir schauten von Deck aus zu und wußten nicht wo wir zuerst schauen sollten, denn Sliema ist im NO und Msida im SW vom Ankerplatz. Dieses Foto zeigt die blaue Lagune, wo wir kürzlich waren, die Nacht verbrachten wir allerdings in der Quala St. Marija, die etwas geschlossener und geschützter ist. Das Fest, zu dem wir heute hingehen, mit großer Prozession mit Musikkapellen durch die geschmückte Straßen, ist das St. Josephs-Fest. Werde dabei an Dich denken, Sepp! Heute nachmittag wollen wir auch noch einen Rundflug mit einem kleinen Flugzeug über Malta unternehmen.

Habe noch etwas Zeit bis wir losgehen, weil der Kühlschrank noch nicht kalt ist und die Maschine noch läuft. Wir werden jetzt zuerst zu den Tempelbauten aus der Steinzeit und Bronzezeit gehen. Älter als die Pyramiden! Riesige Monumentalbauten z.T. überirdisch, z.Z. unterirdisch in 4 Stockwerken aus dem gewachsenen Fels ohne Metallwerkzeug gehauen.

Am Donnerstag werden Paul und Traudl heimfliegen, die werden dann Post mitnehmen, u.a. Fels von Vulcano für die Kinder und Video, wenn ich’s noch fertig bekomme.

Die Festung auf dieser Karte ist die älteste, die von den Türken belagert wurde. Die Halbinsel mit der Kuppel ist Valetta, dort standen die türkischen Kanonen. Lazaretto Creek wäre ganz links oben, ist aber verdeckt. Nur die Einfahrt ist sichtbar.

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Boot in Gozo

(2 Postkarten von Malta)
Auf diese Festungen haben wir von unserem Ankerplatz in Valetta immer geblickt. Jetzt (25.7. 15.00 Uhr) sind wir gerade in der Bucht Saline Anker auf gegangen und fahren nach Gozo. Ich laufe unter Maschine etwas Höhe heraus, bis der Kühlschrank aus ist, dann werden wir bei schwachem Wind einen Anlieger segeln können. In der Bucht "bacherlwarmes" Wasser. Gerade richtig für mich zum Baden. Der Kühlschrank hat Hochkonjunktur. Wir "saufen" literweise Wasser mit etwas Wein. Wir nehmen Tankwasser, das wir extra filtern. Mit gekauftem Wasser und Bier kann man den Nachschub nicht bewältigen. Wir haben nachts 24° und am Tag 35° (ohne Mondlicht, im Schatten). Gestern abend sahen wir vom Ankerplatz aus schon wieder ein Feuerwerk über der Insel. Die Malteser sind Pyromanen. Aber wir können diese Begeisterung nachempfinden. Ist doch schön wenn es kracht und blitzt - in allen Farben, oder? Rudergehen und Kartenschreiben wird bei diesem leichten Wetter mein neues Hobby.

Jetzt habe ich vor Anker doch noch die Videocassette geschafft. Ich war aber erstaunt, wie plötzlich der automatischer Rücklauf kam -Bandende. Ich hatte vergessen, daß ich in Kreta den 2. Teil auf einer kleinen Kassette aufgenommen hatte, damit Ihr schneller wieder ein Video bekommt. Das führt jetzt dazu, daß Ihr auf den Rest etwas länger warten müßt. Werde wohl irgendwo in Tunesien wieder schneiden, denn von Sizilien und Malta habe ich noch viel Filmmaterial. Im Winter wollen wir alle Masterbänder für uns "perfekt" schneiden mit PCM-Ton und dann die alten Masterbänder auslagern, denn so viel Filmmaterial ist doch nicht das Wahre. Aber das weiß man vorher nicht. Löschen ist möglich, noch mal hinfahren nicht.

Diese Karte zeigt die Auberge Castille, die "Herberge" der kastilischen Ritter. Solche Herbergen gab es für die Ritter jeder Gegend. Es sind lauter prächtige gut restaurierte Gebäude.

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Malta, aber(Postkarte von Vulcano!)
Die alten Karten werden als Briefpapier aufgebraucht. Gewicht spielt keine Rolle, Paul, nimmt die ganze Post mit. Auch die Steine von diesem Vulkan für die Kinder (Jugendlichen?) Wir sind rechts über die Fumarole hinauf zum Krater, dann links bis zu den Fumarolen (Weg) gelben Flecken rechts am Krater, zurück zum Weg und dann rechts den hinteren Bogen um den Krater bis zum höchsten Punkt (links hinten am Bildrand) Überall dort wo es gelb ist (Schwefel) kommt Rauch aus dem Boden, das seht Ihr im Video. Steine und Gesteinsformationen habe ich noch jede Menge gefilmt, aber nicht überspielt.

Jetzt laufen wir bald in Gozo ein, hoffentlich gibt es einen Platz für uns, denn hier gibt es viele einheimische Boote. Charterer gibt es hier nicht und schon gar keine Flottillen, zum Glück. In Valetta haben wir wieder ein Boot von TO getroffen. Es gibt doch viele Dauersegler.

26.7.: von Gozo zurück unter Segel mit bis zu 7,4 Kn. über Grund!! Vollzeug! Brausefahrt!

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(Postkarte von Mdina, Malta)
Liebe Mutti!

Ganz schnell noch einige Zeilen bevor wir losgehen, die Tempelanlagen zu besichtigen. 5000 Jahre alt. Wir haben kaum Zeit und oft schwirrt uns der Kopf vom vielen Schauen. Daher wird der Brief wohl etwas dauern, ich hoffe, daß Paul ihn mitnehmen kann. Mdina, Sitz des Erzbischofs und der Kath. Theol. Fakultät haben wir gestern besichtigt. Eine kleine mittelalterliche Stadt und ehemalige Hauptstadt.

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(Postkarte von Lampedusa) 29.7.89
Liebe Eisenberger, besonders aber das Geburtstagskind!

Wir sind heute früh um 8.00 nach 100 Sm unter Segel bei Brausewind und unter Salzwasserdusche hier eingelaufen. Die Insel ist nicht mehr so abgelegen und einsam wie einst. Viele italienische Urlauber hier, z.B. lärmende Römerinnen am Nachbartisch - wie in YU im August! Ich schreibe im Café. Es gibt hier sehr viele Fischdampfer im Hafen. Wir ankern zwischendrin. Der Hafen ist recht geschützt. Wir hoffen, daß wir jetzt auch einmal Fische fangen. Heute nacht kam ein kleiner fliegender Fisch freiwillig an Bord geflogen. Dianne hat ihn hinterm Schlauchboot gefunden. Gestern abend sahen wir große Fische aus dem Wasser springen. Es muß hier also tatsächlich viele geben. Am Montag oder Dienstag werden wir nach Sfax segeln, wenn es wieder so guten Wind gibt. Nur der Seegang dürfte etwas weniger sein. Wir sind aber die 100 Seemeilen mit Genua und gereffter Groß ohne Segelmanöver am Wind durchgesegelt. Niemand mußte an Deck, sehr bequem! Bis der Brief ankommt, hast Du Geburtstag. Von uns die allerbesten Wünsche und viele viele Grüße. Wir werden am 7. jedenfalls ein paar Fläschchen tunesischen Wein auf Dein Wohl trinken. Segler von TO haben uns in Malta erzählt, daß der Wein dort gut ist.

30.7. Heute totale Flaute 32° C um 9.30 und wir wollen mit dem Bus zum Baden fahren.

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(Postkarte von Lampedusa) 30.7.89
Liebe Mutti!

Viele Grüße von dieser kleinen Insel, die wohl auf vielen Karten gar nicht drauf ist. Leider haben wir bis jetzt nicht viel über die Geschichte der Insel gefunden, außer daß bereits vor dem Einfall der Araber auf Sizilien eine Eremitage auf der Insel war. Sie war auch noch z.Zt. des Kreuzzuges von Ludwig IX (1250) vorhanden. Es entwickelte sich ein Klosterbezirk, der im 18 Jh. von den Maltesern restauriert wurde. Alle Pelagischen Inseln sind vulkanisch, auf Linosa sind 3 erloschenen Vulkane , Lampedusa ist flach und völlig verwittert. Nur die Steilküsten sind von der Höhe übriggeblieben. Pantelleria liegt relativ weit im Norden, bei Tunesien. Lampione ist nur ein Fels mit Leuchtturm. Aber die Insel ist sehr lebendig. Man fängt Fische und Touristen (italienische) und lebt scheinbar nicht schlecht davon, denn auch hier ist der Bauboom! Arme Mittelmeerländer? - ich kann nur lachen. Es wird wohl Arme geben, wie bei uns, aber das ist nicht das Typische, die Reichen verbergen ihr Geld jedenfalls geschickt vor den übrigen Europäern.

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(Postkarte vom röm. Mosaik, El Djem)
Liebe Mutti!

Sind vor wenigen Stunden hier in Monastir eingelaufen. Konnten bis heute früh/nacht um 1 Uhr segeln, dann 7 Stunden Motor bei totaler Flaute und leichter Dünung. Was wir bis jetzt in den wenigen Stunden mitbekommen haben, ist schon positiv und schön. Wir sind vom ersten Eindruck begeistert und glauben, daß es uns auch in Tunesien gut gefallen wird. Lesen jetzt in einem Führer nach, was es alles gibt, damit geplant werden kann. Die Leute hier sind alle auffallend freundlich. Bei Polizei und Zoll wurden wir mit Handschlag begrüßt und verabschiedet. Die Marina Monastir ist eine große Anlage im Hotel- und Ferienkomplex integriert, aber nicht sehr stark belegt. In der Capitaneria wurde uns gleich ein Stapel Briefe überreicht. Vielen Dank für Deine beiden Briefe. Antwort kommt gesondert. Die Karte ist eine Einlaufmeldung und das Bild ein vorab Eindruck, was es zu sehen gibt. Gestern kam im Radio, Dt. Welle, eine Sendung über Karthago und Hannibal. Sehr passende Einstimmung während der 100 Sm Überfahrt. Übrigens: Wildschweine, wie im Mosaik abgebildet, werden in Nordtunesien heute noch gejagt. Dort gibt es Bergdörfer, die wie in den Alpen aussehen.

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Monastir mit Festung = Ribat

(Postkarte vom Ribat von Monastir)
Lieber Sepp und Familie!

Gestern abend beim Telefonieren war plötzlich das Kleingeld weg, aber es war schön mit Euch zu sprechen. Vielen herzlichen Dank auch für die Briefe, die wir gestern gleich nach dem Einlaufen geholt haben. Das Hafenbüro ist nur 50m vom Boot weg. Der Hafen liegt in einer Ferienanlage gleich rechts von dem Bild. Hinter dem befestigten Kloster Le Ribat liegt die Altstadt, die auch noch von Mauern umgeben ist. Vor den Stadttoren ist gleich die Markthalle, wo es alles frisch gibt. Geflügel, Hasen, Schafe und Ziegen werden noch lebendig angeliefert und meist lebendig verkauft. Das spart den Kühlschrank. Sahen einen Mann mit fünf Truthähnen in der Hand (Kopf nach unten) in seiner Galabia mit rotem Fez durchs Stadttor gehen. Das ist ein Bild wie aus einer anderen Zeit. Wir lesen z.Zt. fleißig Reiseführer, damit wir das "Programm" planen können. Ein Brief folgt bald, wenn es mehr von hier zu erzählen gibt. Gestern abend gab es gleich ein wenig Folkloreprogramm, hier im Hafen eineinhalb Stunden. Tunesischer "Heimatabend". Wir konnten von Bord aus zusehen.

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Monastir, den 4.8.89
Liebe Eisenberger!

Zieht die Brillen an, legt die Lupen heraus, ich kann leider nicht per Maschine schreiben, denn ich sitze auf dem "Dach eines englischen Videostudios" und darf keinen Lärm machen.

Aber wer gut hören kann, kann auch gut schreiben und seit 3 Stunden höre ich wieder sehr gut und heimliche Verabredungen zur Meuterei sind zum Scheitern verurteilt, denn so gut wie jetzt, habe ich schon lange nicht mehr gehört. Ich war in Lampedusa beim italienischen Arzt (gratis), bekam Tropfen zum Aufweichen verschrieben und habe seitdem die Ohren innerlich eingeweicht, denn bis in Lampedusa hörte ich fast nichts mehr. Heute ging ich hier in die Klinik (sehr modern) und ließ mir die Ohren aussaugen. Man sollte nicht meinen, was aus so einem Ohrwaschel alles herauskommen kann. Mich wundert, daß da keine Radi gewachsen sind und daß ich nichts oder nur noch schlecht hörte war vollkommen klar. Das kommt vom Schwitzen, sagte der Arzt. Ja wenn es danach geht, muß ich wohl zuviel gearbeitet haben, ha, ha ,ha! Werde mich ab sofort bremsen und andere arbeiten lassen, kann ja meine Gesundheit nicht leichtsinnig ruinieren.

Chris hat heute noch mal Post hierher bekommen. Ging recht schnell, Eilbrief 4 Tage. Ich hoffe unsere Post ist so nach und nach auch eingetroffen, sogar aus Italien, denn dort dauert es wohl etwas länger. Wieder herzlichen Dank für Eure beiden Briefe nach hierher. Heute will ich mal richtig beantworten, werde noch einen an Mutti schreiben, damit nicht immer nur so darauf los geschrieben wird, obwohl ich einfach lieber so von der Leber weg schreibe, was ich sehe und empfinde und da geht dann der Kuli flott übers Papier. Dianne ist da präziser. Paul wird Euch inzwischen alle Neuigkeiten berichtet haben und da kommt dann mehr Information rüber als in einem Brief, da kann man auch nachfragen, das dauert bei den Postlaufzeiten doch etwas länger.

Daß in meinen Briefen das Wort "Taverna" oft vorkommt kann nicht stimmen, denn wir waren nur kurz in Griechenland und nur dort gibt es Tavernen. Aber selbst da habe ich sie selten besucht, aber sie sind mir natürlich rein optisch im Straßenbild aufgefallen. Mir wird hier also etwas unterstellt!!

Aber so Häfen für Dich Brigitte, die gibt es hier häufig. Die Marina Monastir wäre geradezu ideal. Wir sind hier in einer Hotel/Ferienwohnanlage integriert und abends wird gleich hinter der Arion unter Palmen flaniert. Es gibt hier Urlauber aus vielen Ländern, auch viele Tunesier und so ist der abendliche "Auftrieb" recht bunt und dauert bis Mitternacht. Die Temperaturen sind auch dementsprechend. Nächtliche Tiefstwerte 25° C, sehr angenehm! Wie ich aus Eurem Brief und dem Radio (dt. Welle, Bayr. Rdf., österr. Rdf.) entnehme, ist es z.Zt für Euch nicht so toll. Aber da mußten Sepp und Klaus bei ihrer Bergtour wenigstens nicht soviel schwitzen, ist bekanntlich schlecht für die Ohren!

Das Unwetter bei Euch muß ja enorm gewesen sein. Wir haben auf unserer Bordwetterkarte eine Front verfolgt, die von Norden herunterzog und ich habe in Malta erfahren, daß es in Rom zu Problemen für die Flugzeuge kam. Seit einigen Jahren gehen die Fronten immer über die Alpen herüber. Schade daß es den Garten so verhagelt hat, denn man kann ja nicht schnell ein Netz spannen. Wir haben heuer nur sehr wenig Niederschlag gehabt, obwohl es gerade in Reggio sehr wolkig war. Und wie immer, wenn jemand wegfährt, war es am Tag von Paul und Traudls Abfahrt bewölkt und sehr windig. Es kam aber nicht so toll wie nach Eurer Abfahrt letztes Jahr in YU. Heute früh war es aber auch hier bewölkt, aber nach 2 Stunden Sonne war alles weg. Wir haben heute OSO - Wind. Hier sind so etwa zur Hälfte SO und NW Winde, im Norden sind dann die NW häufiger, wie fast überall im Mittelmeer.

Ganz tolle Nachrichten, daß Martina die Prüfungen gut geschafft hat, werde noch extra schreiben und gratulieren. Da hat man sich den Tanzkurs natürlich redlich verdient. Der Abschlußball wird ja inzwischen schon gelaufen sein, wie war es? Ja, aus den Kindern werden junge Leute - werden wir eigentlich genauso schnell alt? Manchmal komme ich mir eher wie ein alter Kindskopf vor.

Daß Du Jaro das erbetene Geld gegeben hast, ist natürlich OK. Man kann die Leute nicht hängen lassen, denn für ihre beschissene komunistische Regierung können sie ja nichts. Je mehr Kontakte es gibt, um so mehr geht dort der Virus der Freiheit um und das wird langfristig die Systeme beseitigen - siehe Polen und Ungarn. DDR und Tschechei sind leider negative Ausnahmen, aber auf die Dauer werden es die alten Stalinisten auch dort nicht aushalten können, das ist, wie wenn man einer starken Festung das Wasser abgräbt, wenn der Westen aber immer noch Geld in die maroden Systeme pumpt, wird das Ende nur hinausgeschoben, dafür trifft es aber dann die Bevölkerung noch härter.

Aus unserer Bahnfahrt in den Süden wurde nichts, die Linie, die wir fahren wollten, wurde aufgelöst und die andere zum gleichen Ziel - Tozeur - wäre ein Nachtzug. Das ist klar, daß die Leute hier lieber im Nachtzug fahren, aber für einen Videotouristen ist ein "Negerkampf im Tunnel" eben nicht interessant. Wir werden aber jetzt morgen früh mit einer Landroverkaravane (je 8 Personen/Jeep) für 3 Tage ins Landesinnere zu den Oasen, in die Wüste, zu den antiken Stätten und Salzseen fahren. 3 Tage inkl. Hotel und Vollpension mit Führungen usw. für DM 160,-/Person, das geht. So werden wir wohl einige sehr interessante Sachen sehen können. Wir wollen das von Monastir aus machen, weil hier der Hafen absolut sicher und billig ist. Da kann man die Arion gut allein lassen. Die Leute sind hier sehr nett, hilfsbereit und ehrlich, das ist das angenehmste in den moslemischen Ländern. In Italien hatten wir zwar auch keine Probleme, aber man weiß nie wem man 100% trauen kann, da bleibt immer ein Rest Spannung und man tut bestimmt vielen Italienern Unrecht.

Heute früh sind fünf Boote ausgelaufen, jetzt sind wir nur noch 5 bewohnte Boote in der Marina, dabei ist die Marina eine ganz tolle Anlage. Julian und Ruth-Ann waren Anfang Juli hier. Wir werden sie wohl nicht mehr treffen. "Koala" und "Little Tramp" haben wir auch verloren. Sie haben entweder Probleme oder haben die Route geändert. Bei uns läuft allerdings alles gut. Nur beim Einlaufen nach Gozo fiel der Bolzen aus dem Lichtmaschinenträger 24V. Eigentlich kein Problem und war auch schnell wieder gemacht, aber diese Lichtmaschine ist halt ganz tief unten drin und da muß man viel schwitzen, bis der Bolzen wieder drin ist und der Keilriemen drauf. Siehe oben wg. der Folgen! Aber mit ein wenig Fluchen geht das bei mir immer.

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Monastir, 4.8.89
Liebe Mutti!

Ich sitze hier unter der Persenning im Schatten an Deck, höre von unten "Filmmusik" und oben arabische Musik aus dem Lokal hinter mir. Es weht ein frischer Wind aus Südost und so kann man es gut aushalten. Ich werde Deine Briefe dann unter Deck beantworten, denn ich habe schon mit Brigittes Brief gekämpft und jetzt weht es noch etwas mehr. Das Briefpapier habe ich auf einem Klemmbrett, da kann nichts flattern.

Von Malta habe ich wohl so das Wichtigste erzählt und der Rest kommt dann noch auf dem nächsten Video, das ist dann etwas anschaulicher. Paul und Traudl hätten uns beinahe das gute Wetter mitgenommen und wir befürchteten schon, daß wir nicht auslaufen könnten. Abends als ich die Papiere fertigmachte, blies es recht kräftig, wir hatten Mühe, daß die Wäsche auf der Leine blieb, denn der Tag der Abreise war dann Waschtag, nachdem wir einen Pierplatz bekommen hatten. Am nächsten Morgen entschloß ich mich nach langem Überlegen fürs Auslaufen und nach 3 Stunden Gegenanmotoren bis Comino hatte ich es schon fast bereut, aber dann lief es unter Segeln richtig gut. Wir hatten zwar viel Wasser an Deck, aber es wurde eine schnelle Überfahrt. Im Morgengrauen lag dann Lampedusa, diese kleine Felseninsel vor uns. Wir hatten uns die Insel allerdings abgeschiedener vorgestellt. Sie war voller italienischer Urlauber und auch dort wurde wieder viel viel gebaut. Wir haben aber den Aufenthalt genossen und hatten viel Spaß beim Schwimmen im kristallklaren warmen Wasser am Strand bei der Kanincheninsel. Wir sind auch in eine Höhle hineingeschwommen. Es gab dort an der Felsküste viele bunte Fische und sonstige Lebewesen im Wasser. Auf die vielen Zweibeiner hätten wir verzichten können. Am Montag früh segelten wir dann bei einer ganz leichten Brise los (2Kn Fahrt). Es wurde dann aber besser und wir machten ca. 4 - 4,5 Knoten bei völlig ruhiger See. Wir segelten ganz dicht an Lampione vorbei, ein winziges Eiland am Kurs, das den richtigen Namen hat, es trägt ein Leuchtfeuer. Nach Mitternacht schlief der Wind dann ein, wir hatten es nicht so gut und mußten weiter Wache gehen. Seit Dienstag sind wir jetzt hier und sind von diesem Land begeistert. Haben hier bereits das Ribat mit Museum für islamische Kunst besucht und die Altstadt um- und durchwandert. Vorgestern war auch Großeinkauf auf dem Markt mit Gemüse und frischen Fisch (Hai und Garnelen). Die Altstadt ist völlig von einer Stadtmauer umgeben. Der Ribat, eine Festung mit Kloster eines "islamischen Ritterordens" - die Idee machte wohl Schule - stammt aus dem 8/9. Jh. Im Innenhof werden heute Konzerte und Theater aufgeführt, vom Turm hatten wir eine gute Aussicht auf ganz Monastir. Monastir ist eine wachsende moderne Stadt außerhalb der Mauern und hat eine riesige medizinische Fakultät der Uni. Dort habe ich mir auch die Ohren für DM 20,- "putzen" lassen. Gestern fuhren wir mit der Metro nach Sousse, die dortige Medina = Altstadt wurde wieder so aufgebaut, nachdem sie von den Alliierten im Krieg bombardiert worden war, da dort deutscher Nachschub lag. Auch der dortige Ribat, dessen Grundriß eine Burg von Friedrich II war, sowie die Stadtmauern und die Kasbah (=Festung) mit Museum wurden herrlich restauriert. Die Videobildern werden Euch gefallen. Im Museum haben wir die herrlichsten Mosaiken gesehen, die ich mir vorstellen kann. Nicht nur Ornamente, sondern völlig naturalistische Bilder aus dem 3.-4.Jh.. Tunesien hat eine mehr als wechselhafte und interessante Geschichte. Jedenfalls die vielen Mosaiken waren einfach prächtig. In El Djem, wo es auch noch ein Amphitheater gibt, werden wir noch mehr davon sehen. Aber ich will dem nächsten Brief nicht vorgreifen.

Auf der Fahrt nach Sousse kamen wir an riesigen Salinen vorbei, das Land ist hier teilweise sehr flach und hat sich wohl aus ehemaligen Lagunen gebildet. Das Meer zwischen Sizilien und Tunesien ist ohnehin recht flach. Zwischen den Lagunen bzw. Salzpfannen liegt auch der Flugplatz Monastir. Der war einfach zu bauen, planieren mußte man da jedenfalls nichts. Bei der Rückfahrt sahen wir dann große Scharen von Flamingos im Wasser stehen. Ein schönes Bild. Auf dem Heimweg buchten wir gleich unsere Rundreise ins Landesinnere und saßen abends in der milden Luft noch lange an Deck. Jetzt tagsüber haben wir 32° C im Schatten und da wir gut an die Temperaturen gewöhnt sind, ist das recht angenehm. Heute auf dem Weg zum Hospital haben wir uns Strohhüte gekauft, die sollen uns in der Wüste vor der Sonne schützen. Meine ägyptische Galabhia ist auch recht praktisch.

Vorgestern abend gab es Fischsuppe mit Hai (ohne Gräten) und große Garnelen, Fisch gibt es hier wirklich viel und er ist sehr billig. Heute abend gibt es ein Risotto mit frischem Gemüse, Tintenfisch und Sardinen. Die habe ich für DM 3,- (1 kg) heute früh gekauft, geputzt, eingelegt und jetzt kühlen sie im Kühlschrank. Unser Kühlschrank ist einfach Gold wert. Wir haben riesige Mengen Wasser am Kühlen, den im Gegensatz zu Kakteen muß man uns regelmäßig gießen. Wir haben jetzt auch die Früchte der riesigen Löffelkakteen gegessen. Sehr schmackhaft und vitaminreich, aber viele harte Kernchen. Ein Tunesier hat Dianne erklärt, wie man diese stacheligen Kakteenfeigen schält, das ist nämlich nicht so einfach, wenn man den Trick nicht kennt.

Frau Filser werde ich demnächst eine Karte schicken. Habe ihr bereits einmal geschrieben. Schön, daß Ihr zum 50-jährigen Jubileum des Filser-Hofes eingeladen seid.

Eure Telefonate kann ich mir vorstellen, wir politisieren hier auch viel und bewirken auch wenig. Das ist das Dilemma der Demokratie, daß das Spiel nur dann funktioniert, wenn alle politisch denken und mitmachen. Für den Einzelnen bleibt oft nur Frust. Von der MIG, die abstürzte, haben wir nichts gehört. Bis die Sowjetunion ein offener Staat ist, das dauert noch lange und wir sollten unsere Optionen nicht vorschnell aus der Hand geben.
Wer den Preis für die Freiheit, die Wachsamkeit (=Landesverteidigung mit ziv./milit. Mitteln) nicht bezahlen will, wird sie verlieren! Aber das kann man vielen Traumtänzern von Rot bis Grün nicht klar machen. Dabei und gerade deswegen sollte man der Verteidigungspolitik, die leider oft nur eine Rüstungswirtschaftspolitik ist, nicht unkritisch gegenüber stehen. Unbesiegbar sind in erster Linie Gehirne und Gedanken, nicht perfekte Waffen, das haben viele Befreiungskriege gezeigt. Aber auch realitätsferemde "Friedensträumer" sind äußerst gefährlich.

Daß die "Deutschland" verschrottet wird, war lange zu erwarten. Die Technik hat sie überholt und die Krämerseelen wollen sie ganz einsparen. Deutschland ist reich an Geld aber immer noch arm an Ideen und Konzepten, und maritim wurde hier noch nie gedacht. Siehe erfolglose Warnungen der Kriegs-Marine vor dem Krieg! In Malta hatten wir öfters deutsche Zeitungen und sonst versorgt uns das Radio mit guten Sendungen. Wir sind also vom Rest der Welt nicht abgekoppelt und haben mehr Zeit, weniger Nachrichten, besser zu verarbeiten.

Inzwischen haben die Kinder Ferien und wir hoffen, daß das Wetter auch bei Euch ferienhaft ist. Leider läßt sich Sonne nicht einpacken. Soviel zu Deinen Briefen, für die ich nochmals herzlich danke. Wir werden auf der Fahrt vom Süden Tunesiens nach Norden noch einmal hier hereinschauen, dann gibt es wieder noch einmal Post. Nächste Adresse nach Monastir (2x) ist dann Sardinien, Cagliari, Poste Restante.

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Monastir, den 8.8.89
Liebe Eisenberger!

Gestern war ein guter Tag, wir kamen voller Eindrücke von unserer Reise zurück, fanden Eure Briefe vor und das Telefonieren hat auch noch geklappt. Da will ich gleiche heute abend (22.30 Uhr) noch antworten. Erst mal vielen Dank für die vielen Briefe, auch an Mutti. Richtige Beantwortung folgt noch, jetzt nur kurz vorab einen Brief, damit die Videokassette nicht leer weggeht.

Na, wie war die Geburtstagsfeier? 40 Jahre, sind doch eine tolle Sache, haben mir jedenfalls letztes Jahr nicht geschadet und weh hat es auch nicht getan. Also Wärme zum draußen sitzen hätten wir Euch gestern genug abgeben können. Die Kleidung aus unserer Reisetasche kam beim Auspacken wie heiße Bügelwäsche heraus. Ausritt mit RennkamelAlso Wind mit 50° C über noch heißerem Boden mit seiner Strahlungswärme ist auch nicht das Wahre. Ich hätte gern mit Mutti getauscht, die in ihrem Brief von Regenplätschern schrieb. Und Sand mag ich schon gar nicht, aber "halb" Afrika ist wohl daraus gemacht. Habe Sandstrandurlauber noch nie verstanden, aber "ja mei wer's mag"! Aber für kurze Zeit alles höchst interessant. Wir haben auf den 1400 KM durch Südtunesien jedenfalls jede Menge gesehen. Das Fahren ist allerdings teilweise anstrengend, denn wir sind im Süden viel auf unbefestigten Pisten gefahren, z.T. die Route der Rallye Paris - Dakar. Wir haben so unterschiedliche Landschaften erlebt, endlose Getreidefelder, 550.000 Ölbäume am Stück, Seeoasen, Wüstenoasen, Bergoasen, ausgetrocknete Salzseen über und unter dem Meeresspiegel, Quellen in der Wüste, Thermalquellen aus 1200m Tiefe, Wanderdünen, riesige Palmenwälder, Bäche in der Wüste, z.T. mit Wasserfall, Schotterebenen, Phosphatminen, 100 km gerade Straße und vieles andere mehr. Das kann man alles gar nicht so schnell im einzelnen beschreiben.

Heute war wieder Waschtag und ich habe während dessen das Videoband geschnitten. Das letzte habe ich in einer Bucht vor Anker geschnitten. Ich hoffe, Du kannst den handgeschriebenen Brief lesen, als Schriftgelehrte!

Die Nachricht von "Koala" Karl ist ja schlimm. Die beiden haben schon soviel Pech gehabt. Motor, Tank, Rigg, etc. und jetzt das. Wir haben denen heute geschrieben, hoffe, daß sie bald antworten.

Toll, daß die jungen Damen mit der "älteren" Dame nach Mainz fahren. Finde ich ausgesprochen gut. Gut auch die Zeugnisse. Bei Christian geht es nur ums Mitkommen im Moment und wenn er weiterhin Spaß daran hat, wird es automatisch mal besser. Ich habe auch meine Höhen und Tiefen gehabt. Man darf nur nicht schlapp machen, gel Chrisu! Und lernen lohnt sich, denn es gibt so unendlich viel, das man lernen könnte, sollte, möchte! Es ist nur ein Jammer, daß man dann, wenn man es endgültig kapiert hat, nicht mehr so leicht lernt. Wie sagte der alte Pfrontener zum Prinzregenten Luitpold,"... ja, ja, der Sä lot ahäba noh!" (die Sinne lassen langsam nach)

Wenn es planmäßig so weiter läuft, werden wir Ende Sept. in die Rhône gehen. Dann kein Zeitplan mehr. Jürgen kann sich frei einrichten. Die Kollegen von Claudia kommen jetzt in Sept. doch nicht.

Wir werden jetzt erst mal nach Mahdia, Chebba und Sfax gehen, ob wir dann noch nach Djerba gehen ist ungewiß, da ist es so heiß und die Küste des Golfs von Gabes ist eine langweilige flache Sandküste. Ich liebe Steilküsten. Eine Küste, die kein Echo im Radar gibt, ist "keine" Küste. Werden wohl etwas mehr dann im Norden verweilen. Tunesien hat sehr viel zu bieten.

Heute früh waren Chris und ich wieder auf dem Markt zum Einkaufen. Das macht Spaß alles frisch von den Ständen zu kaufen. Haben auch wieder Fisch gekauft: 2 große Gelbstriemen (4 Portionen) für 2,80 DM. Fisch kann man hier richtig im Überfluß haben. Die Gewässer sind sehr fischreich. Bin jetzt gespannt, ob es in den kleineren Fischereihäfen so ist, wie andere Segler berichteten. Sie bekamen immer Fisch geschenkt. Hier in Monastir ist halt zuviel Tourismus, obwohl jetzt abends auf der Pier bestimmt mehr Tunesier sind als Fremde. Die Tunesier sind alle sehr nett, die aber ständig mit Touristen zu tun haben, verachten diese eigentlich. Haben gestern uns noch mit unserem Führer unterhalten. Er hatte keine gute Meinung von den Touristen und ich muß ihm voll recht geben. Wie sich z.B. die Weiber hier aufführen ist unmöglich. Man kann oder sollte halt nicht im knappsten Badeanzug in Oasen rumrennen, wo die Frauen traditionell gekleidet sind, auch wenn es noch so heiß ist. Abgesehen davon, ist es für den Körper nicht gut in der Sonne. Tourist ist ein Wort wie Asylant bei uns - dem Vorurteil liegt zuerst ein begründetes Urteil zugrunde, das dann verallgemeinert wird. Schade, daß es immer so schwer ist, die Spreu vom Weizen zu trennen. Dabei sind die Deutschen in unserer Gruppe gar nicht einmal so negativ aufgefallen. Schweizer, Italiener und Franzosen schon mehr. Wobei es überall in der Gruppe auch das Gegenbeispiel gab, aber das fällt eben nicht so auf. Die Tunesier machen übrigens (dank franz. Kolonialzeit) einen weltoffeneren Eindruck als die Türken oder Ägypter, jedenfalls könnte ich mir Tunesien besser als EG-Mitglied vorstellen als die Türkei.

Genug für heute, jetzt gehe ich noch unter die Dusche, alles klebt. Auf der Pier ist noch Musik und High life (23.30).

P.S. Werde beim Aufgeben der Sendung probieren, ob für gleiches Porto noch Steine mitgeschickt werden können. Falls sie beiliegen handelt es sich um Mika (=Glimmer), glasartig in Scheiben, leicht spaltbar, und Felkskristalle aus der Bergoase bei Chebika an der algerischen Grenze im Süden.

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Monastir, den 9.8.93
Liebe Mutti!

Vorgestern lagen bei unserer Rückkehr aus der Wüste gleich drei Briefe von Dir vor. Vielen Dank für die reichliche Post. Du erinnerst Dich schon richtig: Ley war einer der Theologiestudenten, die als Praktikanten und Diakone bei uns im Schülerheim waren. Es wundert mich nicht, daß er es in relativ kurzer Zeit zum Provincial gebracht hat. Der Abt von Benediktbeuren ist nämlich Chef der Salesianer im ganzen Südbezirk. So eine Art Ordensbischof ohne Bischofsweihe. Hat Martina ihn bei Ihrem Besuch im Kloster angesprochen?

Ich finde es schön und gut, daß die Großfamilie so viel beisammen ist und wäre natürlich selbst gerne mal wieder dabei, selbst wenn es regnen sollte bei einem Grillfest. Ich sitze hier bei 35° C im Schatten unter der Sonnenpersenning an Deck, Dianne schneidet heute unter Deck Video. Die anderen beiden sind an den Swimming Pool des nahen Hotels gegangen.

Schade, daß heute die jungen Leute selbst bei einem Abschlußball nur in der Ausnahme ordentlich gekleidet kommen. Ich habe den Eindruck, daß die Leute heutzutage zwar alles und jedes beklagen, aber gar nicht merken, daß sie an dem blassen Einheitsbrei, der ihnen stinkt, selbst schuld sind. Man muß sich eben selbst Höhepunkte und Farbtupfer setzen, z.B. mit Krawatte und Anzug!

Noch ein Vorschlag, nachdem das Holzkreuz am Hof wieder zurück ist. Eine kurze Geschichte des "Bergerhofes" - Auszug aus dem Buch Guggemoos - auf einem Schild am Haus. Fast 200 Jahre Reichart und sonst seit dem 30-jährigen Krieg immer in der Familie, wenn auch mit "weiblicher Erbfolge". Ich denke da sehr dynastisch und das ist auch mit ein Grund warum ich an dem Hof so hänge.

Ja, sage den Kindern nur immer wieder, daß eine solide Bildung in Geschichte und Kultur später einmal wichtiger und für das Selbst-verständnis der Menschen (Zoon Politicon) besser verwertbar ist, als schnell erlerntes und für Prüfungen gut reproduzierbares "Fachwissen". Leider ist es für die Schulen halt auch einfacher solches Faktenwissen abzufragen und in meßbare und leider auch verwaltungsgerichtlich nachprüfbare Noten und Punktesysteme umzusetzen.

Aber derartige Themen gäbe es genug, denn wenn man die Gelegenheit und Muße hat, die Politik und Entwicklung der Länder aus der Ferne mit Abstand zu betrachten, fallen einem die vielen Fehler auf. Da aber alle in der Tretmühle des Alltags stecken, erkennen sie den Zeitpunkt für die Änderung erst zu spät, obwohl ihnen die Problematik bereits sicher vorher schon einmal aufgefallen war. Habe gestern abend nach Mitternacht noch eine Sendung über Umweltpolitik im Mittelmeerraum gehört. Da bahnen sich Katastrophen an, jeder weiß es, keiner tut wirklich etwas. Und die Industriestaaten des Nordens sind über ihre Wirtschafts- und Preispolitik wirklich nicht unschuldig daran. Beispiel Holzhandel mit tropischen Hölzern und die Aluminiumproduktion für die USA in Brasilien. Brasilien holt nicht einmal die Kosten herein und zerstört seine für uns alle lebenswichtigen Urwälder. Einige wenige verdienen sich aber eine goldene Nase daran. Und da schließt sich der Kreis - wir haben gelernt auf den Mond zu fliegen, aber als Menschheit haben wir uns nicht so weiterentwickelt wie es die Anforderungen verlangen würden. Dabei ließen sich aus der Geschichte fast alle Lehren ziehen. Der notwendige, unabwendbare Untergang von Kulturen läßt sich in seinen Ursachen studieren; das kann man anhand der Geschichte machen, aber wir ziehen es scheinbar vor, alles noch einmal im Großversuch neu zu probieren! Aber ich bin trotzdem kein Pessimist!

Gut, daß Ihr eine so schöne Busfahrt gemacht habt. Ich finde es auch gut, daß Du mit den beiden "Großen" nach Mainz fährst. Mit den heutigen Intercity-Zügen ist das ja eine bequeme Sache. Bei uns wurde es mit der angekündigten Bahnfahrt nichts, wir fuhren nur mit der S-Bahn nach Sousse. Die Bahnlinie, die wir uns ausgesucht hatten, ist aufgelöst worden. Das Straßennetz wurde hier wie überall erweitert und die Bahnen blieben auf den unrentablen alten Strecken sitzen. Außerdem gab es hier noch Schmalspurbahnen und in der Hitze sind Gleissysteme zumindest für höhere Geschwindigkeiten und eine sichere Personenbeförderung wegen der Gleisverwerfungen nicht ganz unproblematisch. So haben wir bei einem Reisebüro, eine 3-Tagesrundreise mit einem Toyota Landcruiser gebucht. Über die Fahrt nach Sousse findet Ihr gleich im nächsten Video etwas, das ich heute früh zur Post gebracht habe. Doch jetzt zur Reise in den Süden. Wir waren 87 Leute in 11 Landrovern aus 7 Nationen. Bei uns im Auto waren noch eine Französin mit 16-jähriger Tochter sowie zwei sehr nette ca. 45/50-jährige Italiener (Pärchen). Scheinbar sind nur dann Italiener nett, das ist jedenfalls meine Erfahrung mit denen der Oberschicht. Die Italiener und Italienerinnen, die sonst dabei waren -- ich kann nur sagen "Motorbootfahrer", Brigitte und Sepp werden wissen, was ich meine!!

Wir fuhren morgens kurz nach 7 Uhr los und besuchten zunächst in El Djem das dortige Amphitheater. Es hat baulich Verwandschaften mit mit dem Kolosseum in Rom, ist aber mit einer Arena 120 x 140 m und 36 m Höhe wesentlich kleiner. El Djem liegt an der alten (und neuen) (Römer)-straße, die den Süden mit dem Norden verbindet. An diesem strategisch wichtigen Punkt mitten in der Ebene wurde das Theater errichtet. Tunesien hat 3 Landschaften. Die "feuchten" Berge im Norden, den Sahel in der Mitte (Hochland mit fruchtbaren Ebenen mit genügend Niederschlag und Wasser) und die Wüste im Süden mit sehr wasserreichen Oasen, z.T. 200 große Quellen in einer Oase!! Dabei ist die Wüste zu Libyen hin flacher, z.T. Sandwüste und zu Algerien hin bergige Felswüste bis 700m.

Von El Djem fuhren wir durch riesige Felder mit Olivenbäumen. Zwischen den regelmäßig aber entfernt gepflanzten Bäumen wird Getreide angebaut. Es gab aber auch riesige Getreidefelder ohne Bäume. Dazwischen immer wieder trockene Brachflächen, z.T. mit Löffelkakteen bewachsen. Diese sind Viehfutter für Dürrezeiten. Sie werden erst "rasiert" und dann gehäckselt. Die Früchte werden geerntet und sind als Obst sehr vitaminreich. In Richtung Gabès wird es dann immer trockener und die Küste ist trostlos flach. Bei Gabès besichtigten wir aber den ersten Oasentyp, die Seeoasen. See = Meer. Sie erinnerten uns lebhaft an den "Garten Eden" in Ägypten. Wir fuhren mit einer Pferdekutsche durch einen kleinen Teil der Oase, die riesig groß ist. Es wachsen dort Dattelpalmen, Kokospalmen, Wein rankt an den Palmen hoch, dazwischen Bananen. Überall Felder mit Luzerne, Gemüse, Henna und Blumen, einfach paradiesisch. Es gab dort sogar ein Reservat mit Krokodilen, die aber sonst in dieser Oase ausgestorben sind. Von Gabès fuhren wir dann immer noch auf sehr guten Straßen bis nach Matmata auf 515 m hinauf. Dort leben Berber heute noch in Erdwohnungen, die von einer Familie aus dem weichen aber festen Boden in etwa 4 Wochen herausgearbeitet werden können. Man sucht sich einen Steilhang eines Wadi aus und gräbt eine kreisrunde Vertiefung in die höhere obere Ebene, so daß eine "Mauer" zum Steilhang stehen bleibt. In diese Mauer kommt die Tür zum Hof. Vom Hof aus gräbt man dann die einzelnen Räume in die hangseitigen Wände des runden Hofs. In die Eingangslöcher werden Türen oder Vorhänge gesetzt und schon hat man eine sehr angenehme geschützte und klimatisierte Wohnung. Billig und nicht zu verbessern! Neben den Weg vom Wadi herauf gräbt man dann noch einen Stall für die Schafe und Ziegen, ein Loch für den Ofen (Erdofen zum Backen und Garen, nicht Kochofen, denn der steht in der Küche) und eine Zisterne fürs Vieh.

Die Frauen dieser Berberstämme sind alle im Gesicht tätowiert (Stirn, Backenknochen und Kinn). Das wird im Alter von etwa 12-14 Jahren gemacht, zeigt die Stammeszugehörigkeit und ist das Zeichen, das sich jetzt Bewerber an die Mutter wenden können. Die Berberinnen haben auch andere Trachten und ihre Umhänge werden mit Fibeln gehalten, die den römischen ähnlich sind.

Von dort fuhren wir dann im mörderischen Tempo eine Piste mit Schlaglöchern entlang nach El Ksar. Sand, Steine, Staub und kein Bier. Wir beginnen, literweise Mineralwasser ohne Kohlensäure zu trinken. Die meisten Liter verlassen uns gleich als Dampf. Wir fahren mit offenen Fenstern und ohne Klimaanlage, das ist besser als der ständige Temperaturwechsel und wir haben auch nur 40° C. Man kann noch barfuß im Auto den Boden betreten. Dann 119 km in 10 Km Stücken immer geradeaus. Es würde also genügen alle 10 Km zu lenken. Dann kommen wir in die große Oase Kebili und stehen plötzlich an einem kleinen See in den ein Bach fließt, der aus dem dichten Palmenwald kommt. Wir stürzen auf den See zu, sehen schon einige Einheimische am Wasser planschen, greifen ins Wasser und Oh Schreck - brühheiß! 45 Grad. Das Wasser kommt aus 1200 m Tiefe an die Oberfläche.

Dann fahren wir weiter nach Süden zur "Grand Erg Oriental", Teil der Sahara. Ziel ist Douz, eine Oase in der Sandwüste. Das einfache aber gute Bungalowhotel liegt in einem Palmenwald und abends gehen wir noch ins Dorf zu traditionellen Tänzen auf dem Platz vor dem Dorfcafé. Im Zimmer ist es selbst spät abends noch so heiß, daß man am liebsten gar nicht schlafen möchte. Viele stellen ihre Betten einfach vors Haus unter die Palmen, aber wir haben ein französisches Doppelbett, das müßte man zuerst zerlegen. So schwitzen wir halt die kurze Nacht durch, denn um 4.45 Uhr stehen wir schon auf, um noch in der Nacht mit einer Kamelkarawane in die Wüste zu reiten und dort zwischen den Wanderdünen den Sonnenaufgang zu beobachten. Dianne hat als einzige ein weißes Kamel, meines ist braun aber gleicher Typ und sie sehen für Kamele recht nett aus, jedenfalls netter als viele andere. So ein Kamel ist ein Unikum. Sie lieben es, während des ohnehin komischen Gangs mit dem Hinterhuf den Bauch zu kratzen. Da sie Paßgänger sind, meint man, der Bock fällt um, aber die Biester sind recht gut zu Fuß. Ein tolles Erlebnis, so ein Ritt auf einem Wüstenschiff. Kurz vor 8 Uhr sind wir dann wieder im Hotel, frühstücken und dann geht es mit dem Landrover mit Vierradantrieb durch die Sandwüste, durch die Wüstenoasen zurück nach Kebili. Wir hätten auch die Straße wie am Vortag nehmen können aber so war es entschieden interessanter. Ich habe Oasen immer etwas bilderbuchhaft als Wasserloch mit Palmen herum vorgestellt. Es sind aber riesige Wasservorkommen und Quadratkilometer Palmenwälder und Anbauflächen, wobei immer der Ort oder die Ortsteile in der Wüste stehen. Heutzutage werden soweit die Wassermengen es zulassen, auch noch Wasserleitungen zum Bewässern und Versorgen der immer größer werdenden Orte gebaut. Teilweise Rohre von 70 cm Durchmesser. In dieser Beziehung wird in ganz Tunesien sehr viel getan. Dann fuhren wir durch den Chott el Jerid, einen Salzee 20 m ü.d.M., der von einem Damm schnurgerade durchquert wird. Im Frühjahr steht das Wasser bis 2m hoch, jetzt gab es nur einige Rinnen mit Wasser neben dem Damm, wo Baumaterial ausgegraben worden war. Wir fuhren auch ein Stück imSee selbst. Absolut eben mit 140 Sachen durch den feuchten salzigen Sand. Wir sahen auch mehrere Fata Morganas auf diesem Stück. In Tozeur besuchten wir einen Zoo der Wüste mit allen Wüstenbewohnern einschließlich Schlangen und Skorpionen. Da habe ich mich bei der Vorführung "bescheiden" in die dritte Reihe gestellt, damit die kleineren besser sehen konnten. So ein Sandviper bewegt sich ganz schön schnell, sie durfte frei laufen und wurde nur mit einem Stock dirigiert. "Biß, 2 Minuten bis zum sicheren Tod!" Beim gelben Skorpion, 3 Tage Fieber und dann Tod, war der trockene Kommentar des Schlangenmenschen! Da kraule ich lieber den Berberlöwen hinterm Ohr, denn der war so faul in der Hitze, daß er kaum geguckt hat. Aber die meisten Skorpione sind nicht oder nicht sehr giftig, vor einigen Tagen lief sogar ein kleiner über die Pier.

Anschließend fuhren wir ca. 40 Km Piste von der Rallye Paris-Dakar und hinauf zu den Bergoasen, wobei wir durch den Chott el Gharsa, 16m ü.d.M. fuhren. Wir besuchten die Bergoase von Chebika, wo zwischen absolut kahlen Bergen aus einer Schlucht ein Bach fließt und üppige Vegetation in der Schlucht und der Oase davor ermöglicht. Wir folgten dem Bachlauf, kamen an einen kleinen Wasserfall und schließlich zu einer Felsspalte, aus der das Wasser sprudelte. Die eigentliche Quelle befindet sich 500m tief im Fels drin. Vom Quellplatz stiegen wir aus der Schlucht hinauf und gelangten oben über dem Eingang zur Schlucht zu den Ruinen der römischen Wehrsiedlung, die das Wasser und somit die Berber kontrollierte.

Über eine abenteuerlich steile, schmale und kurvenreiche "Straße" gelangten wir in ein anderes Tal mit einem Fluß/Bach mit Wasserfall. Dort konnten wir baden und fuhren erfrischt in diesem Tal kurz weiter zu unserem "Hotel" sprich Hütten direkt oberhalb der Schlucht mit einem weiteren Wasserfall auf der grünen Seite in einem Palmenwald. Die Hütten und Gebäude waren völlig aus Material der Palmen gebaut. Wir hatten zu viert eine Hütte direkt oberhalb des Wasserfalls mit Blick auf die Schlucht. Es gab sogar einen Swimming Pool mit fließendem Wasser. Der Fußboden bestand außer in den festen Gebäuden nur aus Sand. Ich trug nur Unterhosen, Galabhia und Sonnenbrille. So ging ich zum ersten Mal barfuß in einen Hotelspeisesaal. Abends saßen wir dann noch am Rand des Pools bei Bier und schauten Einheimischen und den Fahrern beim Musikmachen und Tanzen zu. Ein paradiesisch schöner Fleck. Aber heiß zum Verr....n. Beim Mittagessen in Tozeur hatten wir 50 Grad und der Wind kam wie aus dem Feuerloch einer Dampflok. Der Sand strahlte so heiß von unten gegen das Auto, daß man nicht mehr den Boden des Autos barfuß betreten konnte. Beim Ein- und Aussteigen mußte man aufpassen, daß man sich an der Karosserei nicht verbrannte. Nach einem Bad im Wasserfall mit Morgenspaziergang in der Schlucht und trockenen Seitenschlucht (nur in der Regenzeit voll Wasser) fuhren wir aus der Oase heraus und oberhalb des anschließenden Wadi entlang. Dieses breite Wadi kommt aus Algerien und kann sehr viel Wasser führen. So blickten wir auf die Ruinen des alten Dorfes Tamerza, die auf einem Felsrücken zwischen zwei Wadis liegen. 1969 wurde das Dorf von einer Flutwelle zerstört. Hochwasser in der Wüste!

Wir fuhren 10 m an den Grenzschildern zu Algerien vorüber. Es gab zwar im nächsten Dorf Police de frontière, aber im übrigen gilt für die Bewohner beiderseits der Grenze freie Passage, besonders auch für Nomaden. Wir kamen dann in das Phosphatminengebiet von Metlaoi und durch die Gorges du Sedja. Nach dem Mittagessen in Gafsa fuhren wir 100 Km absolut geradeaus und eben bis Bir el Hafey. Dort eine kleine Kurve nach rechts und wieder 28 Km geradeaus. In Sidi Bou Zid machten wir in glühender Wüstenhitze Pause zum Wassertanken. Meine Galabhia war am Rücken klatschnaß geschwitzt, trotz Klimaanlage im Auto, die auf den langen Geraden lief, aber nach 5 Minuten im Wüstenwind war sie wieder knochentrocken. Auf der Strecke nach Kairouan wurde die Landschaft wieder etwas abwechslungsreicher und die Vegetation nahm zu. Es gab lange Wasserpipelines, angelegte Eukalyptuswälder und beginnenden Anbau von Ölbäumen, auch Gartenbau neben der Wasserleitung. Und überall Wassertankstellen mit kleinen zweirädrigen Tankwagen davor, die von Eseln gezogen werden. So wird das Wasser weiter verteilt. Bei Sidi Saad gab es auch einen Stausee für Bewässerung. Auf den Feldern an Hängen und zwischen den Plantagen werden überall kleine Erdwälle aufgeschüttet. Das hat doppelten Nutzen. Einmal kann das Wasser nicht so schnell ablaufen, sondern wird gezwungen langsam einzusickern, denn die trockene Erde nimmt bei einem Regenguß kein Wasser auf und alles Wasser würde entlang der Wadis davonschießen. Zum anderen verhindert der Damm Wind- und Wassererosion.

Nach einer Besichtigung des alten Kairouan kamen wir abends müde, trocken und staubig in Monastir an. Wenn es in der Wüste auch heiß war,... aber an der Küste war es dazu auch noch schwül. Das hat sich zum Glück jetzt wieder geändert und 30 Grad nachts empfinden wir schon als angenehm, da wir uns inzwischen ganz gut an das Klima im Süden gewöhnt haben. Ich fürchte mich aber jetzt schon vor dem ersten Mistral im Rhonetal, Brhrh!

Martina habe ich als Vorhut zwei Steine aus der Wüste geschickt. Es folgen noch mehr im Herbst. Es gibt da die tollsten Kristalle. Einige habe ich nur gefilmt. Die Steine sehen äußerlich ganz normal aus, wenn man sie aber aufschlägt, sind im Innern die schönsten Kristalle. Ich habe eine Knolle mit passenden Hälften, die anderen sind keine Pärchen. Habe jetzt gerade versucht in unseren Nachschlagwerken etwas über die Entstehung dieser Kristallformen nachzulesen. Leider ohne Erfolg. Die Erklärungen des Führers waren mir als Techniker zu vage. Der hatte wohl ein humanistisches Gymnasium besucht! So wie es der erklärte, können überhaupt keine Kristalle entstehen. Also die Kinder anspitzen, die Phänomene nachzuschlagen und zu ergründen. Wir bringen auch noch Sandrosen mit. Eine Scheibe Mika hat zwischen den Schichten herrlich bunte Newtonsche Ringe, das ist das, was man bei glasgerahmten Dias nicht haben will.

So, jetzt ist Dianne mit Video fertig, ich werde ein Bier trinken und dann in meiner frisch gewaschen Galabhia einen Hafenspaziergang machen. Muß die Beine ausschütteln, denn an Deck an der Schreibmaschine zu sitzen verbiegt etwas die Haxen. Im Hafen liegen jetzt wieder mehr Boote, heute sind schon 4 oder 5 hereingekommen. Einen etwas sonderbaren Hafenlieger haben wir auch hier, der Christian Spaß machen würde: ein Leichtflugzeug, sog. Ultralight. Er startet im Hafenbecken und landet auch im Hafen. Eine wilde Kiste aus Stoff, Draht, Schwimmer, 2 Sitze und ein "Rasenmäher" mit Propeller.

Damit genug für heute.

P.S. Spaziergang und Schwimmen im Hotelpool mit Dianne beendet. Im Meer waren Quallen einer Sorte, die wir noch nie gesehen haben. Dianne hat es am Bein erwischt. Sie sehen aus wie kleine Drahtkörbchen mit Fäden nach unten. Die Gelee zwischen den "Drähten" ist unsichtbar.

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In See, Golf von Hammamet, 14.8.89
Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deinen Brief vom 8.8., der uns schnell erreichte und gerade vor dem Auslaufen uns ausgehändigt wurde. Schön, die Nachrichten von Brigittes Geburtstagsfeier so schnell erhalten zu haben. War ja wohl eine schöne Feier mit vielen Teilnehmern und da wären wir auch gerne mit in der Runde gesessen. Bis dieser Brief ankommt, wirst Du auch schon wieder, oder gerade aus Mainz zurückgekehrt sein. Wenn im Allgäu der Sommer nicht so richtig will, war es bestimmt in Mainz sommerlicher. Wir haben Südostwind, der zum Segeln ideal ist. Wir laufen z.Zt. mit 5,5 Knoten nordwärts, aber dieser Wind bringt feuchte Luft und schlechte Sicht und das bedeutet schwitzen beim Nichtstun (32° C 80%). In Anbetracht der Großwetterlage mit einem Hitzetief in Südtunesien haben wir uns entschlossen, nicht weiter südlich zu gehen und nutzen die günstigen Winde aus, um in den nächsten Tagen Cap Bon zu runden. Gestern haben wir einen interessanten Ausflug nach Kairouan gemacht, um von der Stadt, die einmal Zentrum des Islam und Hauptstadt war, noch mehr zu sehen. Auf der Rückreise von der Sahara waren wir für eine Stunde schon einmal dort gewesen.

Wir fuhren zuerst mit der S-Bahn nach Sousse, suchten den "Busbahnhof" für einen Bus dorthin und warteten dann zwischen lauter Einheimischen eine halbe Stunde im heißen Bus auf die Abfahrt. Die Fahrt habe ich dann zu 80% verschlafen, denn die Hitze macht müde. Von der großen Moschee (S. Postkarte) waren wir dann überwältigt. Vorläufer dieser Moschee waren 688 zerstört und wieder aufgebaut worden. Im 9. Jh. wurde dann die heutige Moschee unter Ibrahim Ibn Al-Aghlab (Begründer der Dynastie der Aghlabiten) erbaut. Der riesige Vorhof, unter dem sich Zisternen befinden, wird von einem überdachten Säulengang mit 3 Reihen von Säulen umgeben. Daran schließt sich dann der Gebetsraum mit etwa der halben Grundfläche des Vorhofs an. Dieser Raum ist wie bei allen sehr alten Moscheen eine relativ niedrige Säulenhalle im Gegensatz zu den späteren Kuppelbauten, die eigentlich Nachahmungen der Hagia Sofia in Istanbul sind. Der Architekt Sinan führte diesen Bautypus ein, der bis heute modellhaft ist. Die verwendeten Säulen, es sind dies Hunderte, sind Säulen aus zweiter Hand wohl aus antiken oder byzantinischen Bauten. Alle mit korintischem Kapitell und nicht gleich lang. Daher sind die Sockel der Säulen unterschiedlich, damit die Kapitelle für die Deckenbogen wieder gleiches Niveau haben. Wir besichtigten dann noch 2 Bauwerke, die als Moschee gebaut wurden, aber nur eines dient noch als Gotteshaus. Es fanden dort gerade Beschneidungen statt und die Gebetsräume dürfen hier, im Gegensatz zu Ägypten und Türkei, von Nichtmoslems nicht betreten werden. Das erste, ein Mausoleum in der Altstadt, der Medina, gelegen, war ein sehr gut restauriertes kleineres Bauwerk mit sehr feiner Architektur. Mehrere schön verzierte Räume und offene Höfe. Die andere, außerhalb gelegene, Moschee hat einen relativ einfachen Vorhof mit seitlich anschließenden großen Gebäuden, die wir nicht betreten durften und die wohl irgendwie bewohnt erschienen. Am Ende des Hofs gelangte man dann durch ein mit handbemalten Kacheln reich geschmücktes Tor durch mehrere ebenso schön ausgeschmückte Vorräume in einen kleinen Kuppelraum mit ganz wunderbaren filigranen Marmor-"schnitzereien". Man kann ja Alabaster regelrecht schnitzen und dieser Raum war völlig aus diesem ausgearbeiteten Marmor gefertigt. Von dort ging es dann in einen hellen von Säulen umgebenen Hof, auch dort wieder Kacheln an den Wänden und Marmorarbeiten als Deckenabschluß, die Decken im Säulengang aus geschnitztem und bemaltem Holz. Der Gebetsraum mit dem Grab des Kalifen, der im Besitz von 3 Barthaaren Mohammeds gewesen sein soll, war dann wieder nicht zu betreten. Du wirst von den Videoaufnahmen dieser Gebäude begeistert sein. Die Moschee hat den Beinamen Moschee des Barbiers!

Abends gegen 19 Uhr kehrten wir wieder zurück und dann gab es Hai in Currysoße mit Melonenstäbchen, Weintrauben und Oliven darin. Habe das Rezept selbst erfunden und hat allen gut geschmeckt. Dianne hat in den letzten Tagen 5 Fische mit der Schleppangel gefangen, sie wurden alle gleich zu Fischgerichten verarbeitet. Es gibt hier tatsächlich viel Fisch. Jetzt machen wir aber so gute Brausefahrt mit raumem Wind, daß wir für die Fische zu schnell sind. (so dachten wir damals!) Da werden die 42 Sm bis Beni Khiar schnell zurückgelegt sein, mehr als die Hälfte haben wir schon.

Wir sehen hier kein Land, nur ab und zu einen Fischdampfer, andere Segler sind hier auch rar. Nur in Mahdia waren wir von italienischen Charterern umzingelt. Die zugegeben hübschen Damen in ihren knappen Bikinis hatten ständig das Bedürfnis unter dem Wasserschlauch auf der Hauptpier des Fischereihafens öffentlich duschen zu müssen. Hirnloses Volk ohne Gespür für andere Länder. Deutsche sind hier ganz selten und wir haben nur ein bewohntes deutsches Boot angetroffen.

Soviel für heute

P.S. Nach einem herrlichen Segeltag ereilte es uns in der Einfahrt. Eine Untiefe direkt in der Einfahrt in keiner Karte, keinem Handbuch. Nur eine 20 cm große weiße Plastikkugel als Markierung. Die Leute auf der Pier schauten ruhig zu, bis wir im weichen Sand festsaßen. Mit einer Leine quer über die Einfahrt zogen wir uns mühsam wieder frei. Nachdem wir schon an der Pier waren, lief ein Italiener ein; den konnten wir gerade noch warnen, sonst wäre es ihm auch so gegangen. Jetzt liegt er bei uns längsseits. Hat guten italienischen Rosé an Bord. In einem "trockenen" Land doppelt gut.

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(Postkarte von der Großen Moschee, Kairouan) 15.8.89
Heute bei etwas schwächerem Wind und leichter Bewölkung unterwegs nach Kelibia, südlich Cap Bon. Wenn wir einen guten Liegeplatz bekommen, wollen wir eventuell ein oder zwei Tage bleiben. Wir segeln mit 4-4,5 Knoten entlang der Küste, die relativ stark bewaldet ist. Nach dem dürren Süden ein schöner Anblick. Dazwischen immer wieder kleine Orte mit weißen Häusern.

Heute beim Auslaufen nochmals bange Minuten. Die Schraube wirbelte schwarzen Dreck auf, das Echolot zeigte fast schon zu wenig. Das ist ein Problem hier im Süden. Da wird etwas neu geplant und gebaut, wenn es dann z.B. versandet oder sonst unbrauchbar wird, kümmert sich keiner mehr darum. Dabei machen Wartung und Pflege langfristig erst Qualität aus. Da gibt es halt noch viel zu lernen und Mentalitäten zu ändern. Dabei sind sie alle nett.

Der Italiener hat uns gerade überholt. Er ist geringfügig schneller. Nette Leute aus Mailand. Sprachen alle sehr gut englisch, das ist bei Italienern ungewöhnlich. Familie mit zwei jugendlichen Töchtern. Sie haben ein Schwenkkielboot, Tiefgang 1,5 - 3,5 m! Haben in letzter Zeit mehr Kontakt über Funk zu anderen Seglern in der Adria und der Türkei. Peter (Brigitte kennt ihn - Dr. Arnold von der Pegepewi) wurde Vater eines 3. Buben. Er segelt z.Zt. um Palmizana. Fritz von der "Penelope" mit dem netten Hund ist auch dort. Das ist der ältere Weltumsegler, den Du auch kennst.

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(Postkarte von Kelibia) 16.8.89
Lieber Sepp und Familie,

Gestern sind wir hier in diesen neuen Hafen der alten Stadt eingelaufen. Wir liegen 1 Pier weiter rechts, die für Yachten reserviert ist. Die Stadt wurde von Agathokles dem König von Syrakus im 3. Jh. v.Chr. als Vorposten gegen die Karthager gegründet. Die Festung, die ich durch die Frontscheibe von hier sehe, stammt aus dem 6. Jh., wurde natürlich erweitert und umgebaut, denn Kelibia war auch schon türkisch und spanisch. Bei den Griechen hieß es Apsis, von Scipio (Publius Cornelius 185 - 129 v.Chr.) wurde es 146 zerstört und als Clupea wieder aufgebaut.

Wir wollen hier etwas bleiben und die Gegend anschauen. Es gibt hier viele Bäume und wie überall genügend Wasser. Bei Hammamet gibt es große Mineralwasserquellen, deren Wasser z.T. abgefüllt, bzw. in einer Pipeline nach Tunis geleitet wird. Die Römer hatten ein Aquädukt quer über die Halbinsel von Cap Bon gebaut, das noch z.T. erhalten ist. Wir hätten früher nie gedacht, daß Tunesien so interessant ist. Nur die öffentlichen Verkehrsmittel sind nicht so gut organisiert, aber das liegt wohl daran, daß die Tunesier nicht so viel reisen. Der Wohlstand der Bevölkerung ist relativ hoch und es ist erstaunlich daß praktisch alle zweisprachig sind. Problematisch ist nur das rasante Wachstum der ohnehin jungen Bevölkerung. Wer mit Touristen zu tun hat, spricht oft 4 Sprachen und das lernen die so einfach selbst vom Hören. Die sind da erstaunlich begabt. Erstaunlich auch das Wissen über Deutschland, das sie alle sehr gut finden und bewundern.

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(Postkartenbrief von Kairouan) Cap Bon - Tunis, 20.8.89
Liebe Mutti!

Hier ein Postkartenbrief mit Bildern der Moscheen von Kairouan, die wir besucht haben und von denen ich bereits im letzten Brief erzählte. Wir waren von Monastir aus dort hingefahren. Von Monastir ging es dann recht flott, alles unter Segeln die ca. 70 Sm bis nach Kelibia, wo wir jetzt einige Tage in dem sehr netten und sicheren Hafen verbracht haben. Es waren dort auch viele andere Segler. Eine französische Seglerfamilie kannten wir vom letzten Jahr in Fethiye her, ein paar Tage lagen wir bei denen an der Pierkante außen im Päckchen, bis wir einen eigenen Platz mit Heck an der Pier bekamen. Wir lernten auch noch eine andere sehr nette französische Familie kennen. Alles Langzeitsegler. Gestern abend betrachteten wir den Mond und den Saturn im Himmelsfernrohr und im Nu hatten wir eine "Volkssternwarte" auf der Pier. Tunesier, Polizisten, französische Kinder und Erwachsene, und einige italienische Familien umringten uns und staunten über die "Durchblicke". Die Italiener waren mit mehreren Motorbooten da, hatten auf der Pier eine lange Geburtstagstafel zum Abendessen gedeckt, wir bekamen dann auch noch Sahnetorte. Sogar der Nachtwächter des Tragflächenbootes schaute durch das Fernrohr und bemerkte sofort, daß man den Mond verkehrt herum sieht.

Heute früh liefen wir dann nach nur wenigen Stunden Schlaf um 4 Uhr aus, da die Strecke bis Tunis - La Goulette am Cap Bon doch recht weit ist, wenn man noch bei Tageslicht einlaufen will. Von Kelibia aus haben wir einige schöne Ausflüge und Besichtigungen unternommen. Am ersten Tag gingen wir zu Fuß auf den "Berg" mit der Festung aus dem 6 Jh. Die heutige Form stammt von den Türken und Spaniern mit Ergänzungen im Innern durch die Franzosen. Auch Generalfeldmarschall Rommel war für 6 Monate dort. Also eine bewegte wechselvolle Geschichte. Von der Höhe aus hatten wir einen herrlichen Blick entlang der Küste, die aus sandigen Einbuchtungen und kleinen Felskaps besteht. In den abgeernteten Getreidefeldern weideten Kühe und Ziegen. Nach der Besichtigung der Festung, die z.Zt. unter deutscher Leitung restauriert wird, setzten wir uns in ein ehemaliges Marabut, das jetzt Café ist und genossen den schattigen Ausblick. Unten am Meer weißgetünchte herrliche Villen im maurischen Stil (z.T. mit Innenhof). Am nächsten Tag machten wir auf dem Markt unsere Einkäufe und erfragten allerlei über Sehenswürdigkeiten und Transportmittel. So, gut informiert, fuhren wir dann mit einem Taxi zu einem Pauschalpreis (hartes Handeln) zum punischen Dorf Kerkouane. Die Stadt ist mit ihren ca. 0,5 - 1 m hohen Grundmauern, Böden, Mosaiken, Bädern, Wasserleitungen etc. fast völlig erhalten und man kann durch die "Straße" spazieren und in jedes Haus und jeden Raum hineingehen. Die Stadt stammt aus dem 5. Jh. vor Christus, jedenfalls hat man aus dieser Zeit Stücke datieren können, über die Zeit vorher ist nichts bekannt. Das Museum dort zeigt sehr schön ausgestellt, z.T. herrliche Exponate, Keramiken und Goldschmuck. Die Stadt liegt bzw. lag in bester Lage direkt am Meer inmitten der fruchtbaren Felder, Weinberge und Wälder. Hier wurde u.a. der kostbare Purpur aus den Purpurbrandschnecken hergestellt.

Am Freitag fuhren wir schon früh morgens zum Wochenmarkt nach Nabeul. Von Beni Khiar aus wäre es zwar näher gewesen, aber dort taugte ja den Hafen nichts. Wir fuhren mit einem Sammeltaxi für DM 10,80 zusammen hin (65 Km). Diese Sammel- und Linientaxis sind eine tolle und billige Einrichtung. Daß die Tür keine Verkleidung mehr hat, der Sitz ein Loch, alles klappert und quietscht, darf einen nicht stören. Der Kamelmarkt dort ist leider nur noch touristische Veranstaltung mit Reitern (auf Pferden) in Tracht und Reiterkunststücken. Aber trotzdem sehenswert und bei guter Kameraführung bekommt man die Touristen aus dem Bild! Der Viehmarkt für Stiere, Kühe, Kälber, Ziegen, Schafe, Esel, Mulis und Pferde wird dagegen von den Touristen fast nicht besucht, sie trauen sich wahrscheinlich nicht unter die "wilden" Tiere, wenn es nicht in einem Stadion organisiert ist wie bei den Kamelen. In Nabeul arbeiten auch viele Handwerker, Kunsthandwerker und Töpfereien. Wir haben Schmiede in finsteren Löchern arbeiten sehen, Buben, die den Blasebalg bedienten, alle kohlrabenschwarz wie die Rauchwolken über der Esse. Daneben wurden beim Kesselschmied Kupfer- und Eisenbehälter und -töpfe verzinnt. Alles über offener Flamme ohne Rauchabzug. Die Schreinereien, wo auch schön handgeschnitzte Möbel hergestellt werden, sehen bereits viel moderner aus. Die Keramikwaren werden schon mehr in Betrieben als einzeln hergestellt. Es gibt auch Kooperativen wie in der Landwirtschaft. Freitags ist in der Stadt zum großen Markt alles auf den Beinen. Dazu kommen noch die vielen Touristen, aber die bringen eben Geld und lassen sich für viel Geld wenig andrehen. Sie werden "verarscht", ohne daß sie es merken. Uns sind die Leute teilweise richtig peinlich. Zurück wollten wir auch wieder mit einem Sammeltaxi, aber wir haben es nicht geschafft. Da bis zum Freitagsgebet der Markt beendet sein muß (ca. 13 Uhr) brechen alle gleichzeitig auf und das Erobern eines Taxis geht nicht nach der feinen englischen Art mit Warteschlange. Wenn das Taxi sich dem Hof nähert, werden die Türen aufgerissen und 5 Fahrgäste setzen sich zu den bereits im Taxi befindlichen dazu. Kommt das Taxi dann zum Stehen, läßt man die alten Fahrgäste einzeln hinaus und achtet darauf, daß sich niemand dazwischen mogelt. Das geht natürlich nicht ohne Streit ab. Dabei sind die Tunesier sonst ruhige höfliche Menschen. Aber der Bus kam auch gleich und da waren wir erfolgreich und bekamen sogar noch Sitzplätze im überfüllten Bus, wo sich Einkäufe und Menschen fast stapelten. Gestern liefen wir dann wegen der falschen Windrichtung nicht aus, machten uns einen angenehmen Tag, brachten ein Geburtstagspäckchen nach Oberdeusch (bzw. Eisenberg) auf den Weg und telefonierten mit Christian. Heute früh mußten wir zuerst motoren, dann segelten wir ein paar Stunden und z.Zt. motoren wir wieder für 2 Stunden, um in Zeitlimit zu bleiben, d.h. damit wir auf jeden Fall noch bei Tageslicht einlaufen. 35 Sm haben wir heute schon zurückgelegt.

Gerade haben wir im Radio gehört, daß in der Gegend von Patras der Notstand ausgerufen wurde und daß es an 20 Stellen in Griechenland brennt. So wie die mit der Natur seit Jahrhunderten umgehen, muß es ja so kommen. Wenn natürlich der Ministerpräsident jahrelang sich lieber um seine Geliebte kümmert, Geld in die eigene Tasche steckt und international überall querarbeitet, bis zu äußerst engen Verbindungen zu allerlei Terroristen!!, dann braucht man sich nicht zu wundern, daß aus all den versprochenen Programmen zur Landesentwicklung, Dezentralisierung, Aufforstung etc. nichts geworden ist. Die Gegend um Athen inklusive Meer ist ökologisch tot. Von 60 Fischarten haben nur 12 (bis jetzt) überlebt. Gestern sah ich z.B. einen italienischen Motoryachtskipper, wie er mit einem Schlauch seinen Motorraum ausspritzte und das Wasser mit all dem Öl (kaputte Dieselleitung) einfach in den Hafen pumpte. Ich habe ihm deutlich meine Meinung gesagt. Die haben es im Süden zu lange zu gut gehabt, mußten sich nie der "Mitwirkung" der Natur versichern wie die Nordländer und haben deshalb keine Empfindungen für die Natur. Da muß es erst noch einige Katastrophen geben. Hoffentlich bald, damit es danach besser werden kann. Durch Vernunft zu lernen ist den Menschen zu einfach.

Damit genug für heute, das Meer ist herrlich blau um uns herum und wir genießen den schönen Tag auf See.

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Tunis - Bizerta, 25.8.89
Liebe Eisenberger und Oberdeuscher!

Wir sind vor 1 Stunde ausgelaufen und segeln mit einer guten Achterstagsbrise mit 4 - 4,5 Kn auf Kap Karthago zu, wo wir Kurs auf 351° ändern und Kap Farina ansteuern. Die dortige Windrichtung entscheidet dann, ob wir am Kap ankern oder weitersegeln können, denn dann wird der Kurs NW und W. In Tunis lagen wir in einem Yachtclub in La Goulette, das ist der Hafen an der Einfahrt in den See von Tunis, der von einer gebaggerten Rinne bis Tunis durchzogen wird. Naben der Baggerrinne verlaufen zwei Dämme, auf dem nördlichen verläuft die S-Bahn und die Straße von Goulette nach Tunis. Den ersten Tag in Tunis verbrachten wir mit dem Einholen von Informationen und am 2. Tag fuhren wir schon im Morgengrauen mit dem Zug bis Jendouba, das ist ein Stück vor der algerischen Grenze an der Bahnlinie Tunis - Casablanca. Dorthin, das wäre auch eine tolle Fahrt gewesen, und billig!. Aber 36 Stunden reine Fahrtzeit, so lange kann man die Arion nicht alleine lassen. Im Zug filmte ich durchs Fenster die Landschaft und da ich die Kamera aufnahmebereit in der Hand hielt, dachte der wichtigtuerische Schaffner, ich filme auch Anlagen und Kasernen - also Spionage. Er sagte das Filmen aus dem Zug sei verboten und er befürchte, daß die Polizei in Jendouba kommen würde. Daß er sie zwei Stationen vorher benachrichtigte, sagte er nicht. Ich habe aber den Braten gleich gerochen und beobachtete ihn in Jendouba, wie er mit einem "Zivilen" sprach. Wie wir zum Bahnhofsgebäude gingen, kam auch prompt dieser "Zivile" mit einem Polizisten auf uns zu und bat uns höflich zum Chef auf der Polizeistation mitzukommen. Dieser schaute sich dann im Sucher einen Teil der Landschaftsaufnahmen an, schaute mein Paß an, schrieb die Personalien auf, informierte uns, was gefilmt werden darf und was nicht und ich hatte den Eindruck, daß ihm alles peinlich war und er das Gesicht wahren mußte. Der "Zivile" ging dann noch mit auf die Straße und zeigte uns freundlich den Weg zum Busbahnhof. Dort trafen wir auf einen netten interessierten Taxifahrer eines Linientaxis und da er noch billiger als der Bus war, fuhren wir gleich mit ihm, was uns 1 Stunde Warten ersparte. Er versorgte uns während der Fahrt mit vielen guten Informationen über Land und Leute. So fuhren wir für 2 DM/Person die 45 Km nach Ain Draham in den Bergen. Während wir von Tunis bis Jendouba in einem weiten fruchtbaren Flußtal, besser eine Ebene, gefahren waren, kamen wir jetzt in ein Hügelland, wo zwar immer noch große Getreidefelder waren, aber es tauchten immer mehr Bäume auf. Die Felder waren gerade erst abgeerntet worden. Der Taxifahrer erzählte uns, daß der Boden relativ viel Wasser braucht und es in Jendouba zwei Jahre zu wenig geregnet habe, die Qualität der Ernte sei also nicht gut gewesen. Man hat das Getreide nicht einmal geerntet, sondern vom Vieh abweiden lassen! Im Hügelland nur wenig nördlich davon, sei die Ernte hingegen sehr gut gewesen. Wenige Km weiter, wir kamen langsam höher, wurde es dann waldig. Richtige Wälder, Pinien und Korkeichen. Wir fuhren über einen Paß mit 900m und dann kam im Hochtal Ain Draham. Wenn nicht die Moschee und einige Kuppelbauten gewesen wären, hätte man denken können, wir wären in den Alpen. Die Häuser mit roten Ziegeldächern und steile Dächer, denn es gibt dort sogar Schnee im Winter. Wir hatten 2 1/2 Stunden Zeit, um durch den Ort und die Umgebung zu spazieren und wir sahen auch wie man die Korkeichen nutzt und ihnen die dicke Korkschicht abnimmt. Die Eichen sind meist nicht so groß und der Stamm wird so ca. 2 - 2 1/2 m hoch abgeschält. Man sieht dann den Bast, der sich rot färbt. Nach und nach wächst dann das "dicke Fell" wieder nach. Um 12.15 Uhr nahmen wir den Bus nach Tabarka, das an der Küste liegt. 35 km für 1 DM/Person. Tabarka liegt sehr schön an den bewaldeten Nordhängen der Küstenberge, die kleinen Kaps formen z.T. Felstürme, die frei im Wasser stehen und dazwischen ist Sandstrand, endlos und menschenleer! Der Hafen wurde neu ausgebaut und soll einen Teil als Marina ausgestattet bekommen, der Rest ist für die Fischer. Ein vorspringendes Kap, das nur durch einen Landrücken mit dem Ufer verbunden ist, trägt auf seinen halbinselförmigen Hügel eine alte genuesische Festung. Ein sehr malerisches Bild mit dem blauen Meer herum. Um 15.30 nahmen wir dann den Bus über Mateur nach Tunis. 3 1/2 Stunden Fahrzeit, durch die schönsten Landschaften mit Landwirtschaft und Viehzucht. Zwischen Mateur und Tunis wo es flacher wurde, kamen dann riesige Weinberge, d.h. Weinebenen! Ich nehme an, von frz. Weinbauern im vorigen Jh. begonnen, denn die Höfe waren richtig große Güter in einem anderem Baustil. Und dann verfinsterte sich der Himmel. Wir hatten schon vorher die imposanten riesigen Cumulustürme in der hellen Sonne beobachtet aber jetzt verschwammen die weißen Konturen im Grau und Schwarz und bald zuckten die Blitze. Wie wir dann nach Tunis fuhren und besonders auf dem Weg vom Busbahnhof zur Linienbushaltestelle, regnete es bereits in Strömen und wir genossen richtig die Dusche. Wir hatten aber einige bange Gedanken wegen der offenen Luken der Arion. Aber in La Goulette regnete es keinen Tropfen. Wir setzten uns auf die Terrasse des Yachtklubs, aßen dort zu Abend, tranken ein paar Bier und dann zur Feier des Tages noch eine Flasche guten tunesischen Rosé, der aber fast wie Rotwein und auch sehr stark ist. In der Dämmerung lief noch ein Boot mit 2 Schweizern ein, die setzten sich zu uns und auch gestern abend saßen wir mit ihnen in netter geselliger Runde im Club. Es war auch noch ein frz. Ehepaar mit einer größeren Segelyacht im Hafen, mit denen tauschte ich Seekarten. 2 Tage vorher haben wir in Sidi Bou Said Holländer kennengelernt, er aus Curacao, sie aus Holland, sie kamen aus England und schenkten uns ihre Karten und Handbücher von der englischen Südküste. Jetzt sind wir wieder billig mit guten Karten versorgt. Man trifft eigentlich immer wieder ausgesprochen nette Leute.

Gestern waren wir im Nationalmuseum in Tunis und dort fielen mir wieder die häßlichen Touristen auf, die dauernd fett, schwitzend und krebsrot ins Bild der Kamera liefen. Da werde ich viel schneiden müssen.

Aber das Museum war ganz einzigartig. Im Palast des Bey von Tunis einem prächtigen Bau, sind das Parlament und das Nationalmuseum und eine Ausstellung des Volkskundemuseums untergebracht. Die verschiedenen Räume, Säle und Lichthöfe des Palastes gaben natürlich einen herrlichen Rahmen ab, um die Schätze einer so geschichtsträchtigen Gegend auszustellen. Wir sahen so herrliche Mosaike, daß man nicht wußte, wo man hinschauen sollte und manchmal pendelte das Auge unentschlossen zwischen den Mosaiken am Boden und an der Wand und der geschnitzten und gemalten Decke des Palastes hin und her. Am späten Nachmittag fuhren wir erst wieder zurück und verbrachten noch einen geruhsamen Abend im Hafen. In der Stadt regnete es wieder etwas und wir hatten aber in La Goulette bald wieder blauen Himmel und nachts ging die Temperatur bis auf angenehme 22° C herunter, so mußten wir uns sogar zudecken.

Jetzt kam es doch anders. Wir sind jetzt um 17.00 Uhr nicht in Bizerte sondern in Ghar el Melah, einem kleinen verlassenen Nest mit neugebautem Fischereihafen südlich Kap Farina. Nachdem sich der Tag mit dem Wind gut angelassen hatte, drehte er über Flaute nach Nord und briste so auf, daß wir nur noch 2 1/2 Knoten unter Maschine voll gegenan machten. So entschlossen wir uns vor dem Kap aufzugeben und vor der Küste zu ankern. Der Anker hielt im fließenden feinen Sand erstmal nicht und und dann kam ein großes Schlauchboot der Nationalgarde (maritim) und sagte, sie würde uns lotsen, der Hafen sei erst vor 3 Wochen gebaggert worden. Das war bei 6 Bft eine angenehme Überraschung, denn im Handbuch war der Hafen noch mit einer 0,5 m Stelle innerhalb der Einfahrtsmole verzeichnet und somit für uns nicht geeignet. Der Saugbagger ist sogar noch im Hafen. Gleich hinter dem Hafen befindet sich ein Lagunengebiet unterhalb der hohen Felsen des halbinselförmigen Kaps. Die anderen werden gleich dorthin zum Spazieren gehen, es gibt allerlei Wasservögel dort, eventuell auch Flamingos. Ich bleibe an Bord weil ich wieder meinen sommerlichen "Stimmbruch" mit etwas Fieber habe. Das ist auch die "Ausrede" für einen Zitronengrog aus dem letzten Rum. Wird Zeit, daß wir aus dem trockenen Reich Mohammeds verschwinden. In Sardinien werden wieder alle "Quellen" sprudeln. Denn Erkältung ohne Rum ist doppelt schlecht. Aber bei der Hitze sucht man halt jeden Lufthauch selbst wenn es Zugluft ist. Aber an 1x jährlich bin ich gewöhnt und die Stimme ist noch hörbar.

z.Zt. lese ich das Buch von der Gräfin Metternich, sehr interessante Erinnerungen über die neueste Geschichte. Leider gehen die hohen Ideale und auch Anforderungen an die Menschen, speziell an die, die Führungsrollen haben, langsam vor die Hunde. Sie beschreibt sehr fein so manchen wertvollen Charakter und sie ist ja praktisch mit allen, die Rang und Namen haben zusammengetroffen. Was sind da viele heutige Vertreter des Adels für "bunte Papageien", man denke nur an die Gloria von T u. T. Selbst in den regierenden Häusern, selbst in England, geht es steil bergab.

In Bizerta wird Chris vorzeitig von Bord gehen. Er hat, wie er anfangs sagte, dummerweise mit Berlin telefoniert und so erfahren, daß am Wochenende ein amerikanischer Professor nach Berlin kommt, der für Austauschprogramme zuständig ist. Da Chris nach dem Diplom nach USA gehen möchte, will er jetzt die Gelegenheit nützen und gleich am 27.8. nach Berlin fliegen. Ein Rückflug nach einer Woche rentiert sich dann nicht mehr und ist auch nicht als billiges Rückflugticket möglich, weil wir dann schon in Sardinien sind. Claudia wird ca. am 12.9. von Bord gehen, da sie noch ihren Aufenthalt fürs nächste halbe Jahr in den USA vorbereiten will. Sie hat auch Heimweh, sie ist ja das erste Mal von Zuhause weg.

Die Flamingos haben sich als Reiher entpuppt, aber Dianne war von der Lagune ganz begeistert. Ich schreibe jetzt beim 2. Grog, leider noch keine Besserung.

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Cagliari Aufgang zur Oberstadt

Cagliari, 2.9.89 Liebe Allgäuer!
Gestern früh sind wir gerade vor dem Eintreffen eines Tiefs mit vielen schwarzen Wolken und viel Wind hier nach Sardinien gekommen. Wir hatten in Tunesien 2 Tage Sturm gehabt und benützten den günstigen Wetterbericht mit versprochenen SO 3-4 zur Überfahrt. Leider leere Versprechungen, denn wir mußten 120 Sm motoren und erst kurz vor dem Hafen kam der Wind, dann aber gleich immer stärker werdend. Während wir gestern wilde Wolken und stürmische Winde aus SO hatten, drehte er abends nach einem kräftigen Regen auf W und jetzt pfeift es aus allen Knopflöchern aus NW. Sogar im Hafen entsteht Seegang und wir haben alle Fender draußen, so drückt es uns auf die Pier. Manchmal komme ich mir im Hafen schon richtig dumm vor, weil ich immer alle möglichen Wetterberichte höre und alle anderen Boote kommen dann zu uns, um nach dem "fertigen" Wetter zu fragen. Aber es hat uns so zum Glück noch nie auf dem kalten Fuß erwischt. Immer vor oder hinter uns durch. Der Regen gestern abend war für die Arion der erste nach langen Monaten, denn den Regen in Tunis hat sie ja nicht abbekommen, der war nur für Landratten. Die Masten sahen oben schon richtig sandig grau aus, da war der Regen gut.

Gestern nach dem Einklarieren ging ich gleich zur Hauptpost, um die Briefe abzuholen. Zwei von Euch und zwei aus England. Vielen Dank für Eure Briefe aus Mainz und Eisenberg mit allen Neuigkeiten aus der Familie. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie man sich auf Post freut, wenn nicht jeden Tag der Briefträger kommt und wie oft man vorher schon über zu erwartende Post und Neuigkeiten redet und spekuliert. Wenn dann der Moment da ist, ist es doppelt schön. Meistens lesen wir die Briefe vor, damit jeder gleich schnell an die Information kommt. Die Briefe liegen dann ein paar Tage im Salon herum, damit man sie leicht noch mal lesen lesen kann.

Nachdem Chris am letzten Sonntag (27.) von Tunis heimgeflogen war, verbrachten wir noch einige Tage in Bizerte. Bizerte ist eine Stadt mit zwei Gesichtern. Die Altstadt innerhalb der Mauern ist "arabisch" und die Neustadt ist "französisch", fast europäisch, jedenfalls merkt man, daß hier die Franzosen am längsten waren. Wir lagen an der Mole des sehr aktiven Segelclubs und es gefiel uns recht gut. Einen Tag nach uns lief ein kleines Schweizer Boot ein, wir hatten die beiden jüngeren Männer schon in Tunis-La Goulette kennengelernt. Wir waren viel zusammen und verbrachten einige Abende mit Ratschen oder Video auf der Arion. Man trifft immer nette Leute und hier haben wir bereits zwei englische Paare kennengelernt und ein kanadisches Paar wieder getroffen, denen wir in Reggio di Calabria Karten von Griechenland verkauft hatten. Wir waren ganz erstaunt, sie schon wieder hier zu treffen. Am Funk habe ich ein neues Boot in der Runde kennengelernt und heute früh mit Info über Malta und Tunesien versorgt. Das Boot hat den Namen "Tagträumer". Der Kurzwellenfunk ist schon eine feine Sache. Habe schon überlegt, ob ich nicht eine Empfangsstation für Euch einrichte. Antennen sind ja an Land kein Problem und ich weiß von Seglern, die in Berlin in unserer Funkrunde mithören. In Italien gibt es günstige Empfänger ohne FTZ.

Zur weiteren Planung. Wir wollen bis Ende des Monats in der Rhonemündung sein. So etwa, das hängt vom Wetter ab, denn jetzt geht es gegen den eventuell bereits auftretenden Mistral. Deswegen nehmen wir auch die Ostküsten der Inseln. Der Westen wäre schöner, aber da kann man für Tage gefangen sein, an der Ostküste kann man immer noch raus und ev. motoren, oder in Lee hart am Wind gegen den NW segeln. Für gemütliches Segeln würden wir 14 Tage von Hafen zu Hafen bis Cap Corse brauchen.

Für die Kanäle, sagt uns jeder, sollen wir uns ja Zeit lassen, weil sie so schön sind. Wir werden Jürgen noch schreiben, aber Du kannst ihm sagen, daß 28.10 auf jeden Fall OK ist, wenn Kurt mitkommt, würde uns das ausgesprochen freuen. Wo wir da genau sind, weiß ich nicht. Wir wollen nach England überhaupt nicht eilen, 1. weil die Kanäle so schön sein sollen, 2. weil die Liegeplatzpreise in England so teuer sind, daß es nicht eilt und 3. weil wir dann auch Zeit fürs Allgäu haben. Wir sind ja unabhängig und da muß man sehen wie es aussieht, wenn wir da sind. Es soll gute Liegeplätze in den Kanälen geben und da werden wir dann den Abstecher ins Allgäu machen. Das könnte auch vor dem 28.10. sein. Obwohl das unwahrscheinlich ist, weil es sonst zeitlich drängt. Die Strecke ist ja nicht weit und Ihr könntet ja auch im Oktober zur Weinlese nach Burgund kommen, fällt mir gerade ein, weil ich Rosato trinke. Ihr seid ja unabhängig von uns, denn es ist egal ob wir mit Euch hin- oder zurückfahren, obwohl das natürlich das Einfachste und Günstigste wäre. Aber jetzt sind wir ja wieder in Europa und das Telefonieren wird immer einfacher. Wir sind jedenfalls ohne jegliche Termine und können uns voll nach Euch richten. Also Urlaub nehmen, schreiben/telefonieren und kommen. Wettermäßig wäre ja die Zeit bevor Jürgen kommt das Beste!! In der Rhône werden wir schon aus nautischen Gründen möglichst schnell nach Norden fahren, danach kommen dann die schönen Strecken in den kleinen Kanälen. Also überlegt es Euch. Irgendwo nördlich von Lyon ist es auch nicht so weit und über die Autobahn schnell erreichbar. Über die E62 über Genf ist das recht nah. Da wir ab Korsika wieder alleine sind, haben wir auch stets genügend Platz an Bord.

Daß unsere Freunde sich scheiden lassen, hast Du bereits geschrieben. Es gehen so viele Ehen in die Brüche, daß man gerade froh sein muß, wenn es einen nicht trifft, obwohl man eben auch was dafür bzw. dagegen tun kann. Wir haben uns im 15. Ehejahr den Gag geleistet, den Hochzeitstag zum ersten Mal und gleich alle beide zu vergessen!!! Ja, ja für so ein altes Ehepaar ist das eben schon so zur absoluten Normalität geworden, aber jeder Tag muß einen freuen, nicht nur ein Jubiläum!! Mich freut jetzt, daß Dianne gefüllte Auberginen macht, daß es bereits sehr gut riecht und ich (Hunger) Appetit habe.

Wir gratulieren, Christian - hast Dich auf dem Eishockey-Lehrgang wohl gut 'ran gehalten. Von den jungen Damen in der Großstadt Mainz haben wir von Mutti gehört. Ist doch mal was anderes in der Großstadt, obwohl ich, je mehr ich reise, immer mehr zum Land tendiere. Die Menschen sind dort anders, in den Städten gibt es zuviel Schrott und ich sehe es auch immer gleich - mit dem "alten Fahnderauge"! Landbewohner sind wie Inselbewohner, in der eigenen Welt glücklich sein, das ist das Beste.

Nun zu Muttis Brief- ich finde es lustig, daß Du bei Deinem Ausflug Schloß Johannisberg von den Metternichs gesehen hast. Wahrscheinlich habe ich zur gleichen Zeit gerade das Buch der Tatjana M. gelesen. Ihr seid ja auch noch nach Bonn gefahren, sehr reiselustig, liegt uns wohl allen im Blut, hast Du uns da infiziert?

Ich habe es mir gedacht, daß es für Euch in Mainz heiß sein wird. Wir hören immer die Deutsche Welle, da sind wir bestens informiert. Das wäre auch ein Rundfunksender mit einem Programm für Dich. Leider in Deutschland selbst relativ schlecht zu empfangen. In Malta gibt es einen Relaissender auf 1557 und 9545 KHz über den wir z.Zt. meistens empfangen. Alle 4 Stunden wiederholt sich das Programm, so daß man je nach Zustand der "Welle" das Programm immer mitbekommt. Radio Österreich hören wir auch viel. Der Bayr. Rundfunk war in Afrika besser zu empfangen als hier, aber das ändert sich mit der Tageszeit. Hier haben wir auch wieder neue dt. Zeitungen erhalten. Also an Informationen fehlt es uns nicht. Das Fernsehen vermissen wir überhaupt nicht. Die nächste Postadresse habt Ihr per Telefon erhalten. Leider sind die Postlaufzeiten so unterschiedlich. Ich hoffe. daß Frankreich besser wird. Ich glaube Tunesien war besser als Italien und Griechenland. Ich habe den Eindruck, daß die Post dort nur max. 5 - 6 Tage brauchte. Wenn man es immer vorher wüßte, könnte man öfters schreiben.

Jetzt mache ich Schluß, Essen ist fertig. Der Wind heult immer noch und wir planen eine kleine Eisenbahnfahrt ins Inland für morgen. Wir fahren gerne Eisenbahn und man sieht relativ viel vom Land.

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Arbatax, 7.9.89
Liebe Mutti!

Wir stecken jetzt in Arbatax, das ist nicht der Geburtsort von Obelix oder Asterix, auch wenn es so klingt, sondern ein kleiner Ort mit einem großen Hafen bei Capo Bellavista, das seinen Namen zurecht hat. Wir sind bei herrlichem Wetter und gutem bis starkem Wind, aber ablandig (bis 7 Bft.) von Cagliari am Montag weggesegelt und machten gute Fahrt bis nach Porto Corallo. Dieser Hafen, der noch nicht ganz fertig ist, bietet gute sichere Liege- bzw. Ankerplätze, ist aber so neu, daß er noch in keiner Karte richtig verzeichnet ist. Ein Italiener hat ihn uns verraten. Wir haben in Cagliari so viele nette Leute kennengelernt, darunter diesen Italiener aus Rom mit US-Flagge und amerikanischer Firma. Engländer, die wir kennenlernten, nannten uns einen Liegeplatz in England, der wahrscheinlich für uns frei ist. Wir bringen dafür die Handbücher für alle Tunesienfahrer auf neuesten Stand. Z.Zt. liegen an uns noch zwei Boote im Päckchen längsseits. Ein amerikanisches Ehepaar will auch nach Tunesien, wir waren gestern bei ihnen und gaben ihnen Hinweise. Außen liegt dann noch ein deutsches Boot, an Bord eine Familie mit erwachsenen Kindern.

Wie wir von Porto Corallo hierher gegenan motorten, machte das Wetter zu. In den Nachrichten werdet Ihr sicher von den Unwettern in Spanien gehört haben, das sind alles die gleichen Frontensysteme. Das kocht sich ausgerechnet jetzt und hier in dieser herrlichen Gegend aus. Wir lauern auf schönes Wetter für einen Schmalspurbahnausflug (Bahnhof gleich vor dem Boot) in die Berge. Lauter Kehren und Tunnel bis zur Paßhöhe auf 800m. Sardinien ist eine selten schöne Insel und da wollen wir auch ein wenig von der Gegend im Landesinnern sehen.

Jetzt hat es gerade gepfiffen, der Zug ist angekommen. Ich habe drei Passagiere gesehen. Mittags waren es zwei und 8 Mann Personal. Zwei Dieselloks, zwei Waggons, 2 Weichen, ein Stellwerk, ein Bahnhofsvorsteher, kein Bahnsteig, krumme Geleise, eine Drehbrücke, ein Bahnhofgebäude, das ist die FCS (ferro carosseria Sardinia). Die Bahn geht nur hier über die Berge. Richtig nett. Die Chancen stehen allerdings schlecht bis zum Wochenende laut Großwetterlage.

Dafür haben wir heute einen langen Spaziergang gemacht, der so richtig nach dem Geschmack von Papa gewesen wäre. Wir gingen zuerst - siehe Skizze - zu den Felsen gleich am Hafen, wo die Brandung auflief und die Felsen in ihrer Verschiedenartigkeit einzigartig waren. Grauer Granit und roter Sandstein direkt beieinander und Spalten in den Felsen, die mit schwarzer (Lava) oder weißer (Quarz) "Vergußmasse" perfekt ausgegossen waren. Die aus dem Wasser steil aufragenden roten Felsen sahen aus wie aus Knetmasse geformt, mit einigen abgebogenen oder abgebrochenen runden "Nudeln". Auf flache Granitplatten schoß das Wasser hinauf und dann daran entlang, bis es in einer Spalte gurgelnd zu Gischt zerstob. Wir spazierten dann durch den Ort hinauf zum "Berg" mit dem Leuchtfeuer. Dort oben ist zwar alles Militärgebiet, aber wir konnten hin. In Italien ist der Meteorologische Dienst und auch das Leuchtfeuerwesen dem Militär unterstellt. Sehr vernünftig, denn so gibt es im Frieden viele Dienstposten, wo sinnvoller Dienst gemacht werden kann und wo es Dienstposten auch für ältere, körperlich nicht mehr so leistungsfähige Militärs gibt. Das Hilfspersonal sind alles Wehrpflichtige, die auch bei geringer Tauglichkeit so "wehrtauglich" sind. Alle Capitanerias di Porto gehören zur Marine. Das spart Geld und Personal und beschäftigt im Frieden viele Leute. In Deutschland wäre das natürlich nicht möglich, dort wird viel Geld für den jeweils spezialisierten öffentlichen Dienst ausgegeben, ein Austausch von Personal findet kaum statt und wenn das Militär zu viele überständige Dienstgrade hat, werden diese für viel Geld "früh" pensioniert. Welcher Unsinn! >Welche Verschleuderung von Erfahrung und Arbeitskraft. Aber ein älterer Offizier beim Wetterdienst oder ein nicht mehr fliegender Düsenjägerpilot bei der zivilen Flugsicherung,- oh Schreck und Militarismus, nein, nicht in Deutschland. Die Bundeswehr leistet sich für 500.000 Mann, 300.000 in der zivilen Verwaltung der Bundeswehr. Nur, wie lange können wir uns noch diesen Luxus paralleler öffentlicher Dienste mit teuren Stellen leisten? Kein Wunder, daß die Koordination und Kooperation dann auch nicht funktionieren! Aber genug davon.

Wir unterhielten uns jedenfalls neben dem Leuchtturm recht nett mit dem Meteorologen in Uniform und freuten uns an der herrlichen Aussicht, wenn auch mit Wolken darüber. Wir sahen die auflaufende Brandung in der riesigen Bucht im Süden und konnten das Lagunengebiet nördlich des Kaps überblicken. Dianne hatte schon gestern versucht dorthin zu gelangen, war aber am eingezäunten Gelände der Papierfabrik mangels Überblick gescheitert. Wir spazierten also dann mit dem Überblick von Adlern, direkt am Strand entlang wo ebenfalls die Brandung auflief, allerdings nicht so stark wie südlich des Kaps. Ursprünglich war die Bucht wohl tiefer und ging bis an die Berge heran. Das Capo Bellavista war noch eine Felsinsel, aber die Strömung spülte eine Nehrung auf und nördlich des Kaps blieb sogar eine Lagune zurück und ein Wasserlauf parallel zur Küste. Heute gibt es zwei mit Steindämmen geschützte "Einläufe" in die Lagune und den Wasserlauf, denn die Lagune wird von einer Cooperative für Fisch- und Muschelzucht genützt. Am Eingang sind richtige Fischlabyrinthe und es gibt auch künstliche höher gelegene Zuchtbecken. Das hätte Papa sicher alles sehr interessiert, er stellte sich ja immer eine Fischzucht am Kalten Brunnen vor. Man kann sich im Geiste richtig vorstellen, was er dazu gemeint hätte. In dem Wasserlauf sahen wir auch sehr große Meeräschen, ganz an der Oberfläche und in der Lagune waren natürlich allerlei Möwen und sehr viele Graureiher. Auf der Nehrung und um die Lagune standen saftig grüne Pinien- und Eukalyptuswälder. Es war ein richtig schöner Spaziergang, nur hätte es am letzten Stück des Heimwegs nicht gerade regnen müssen. Aber irgendwie müssen wir ja an die INSEL gewöhnt werden, warum also nicht mit warmem Nieselregen. Später kommt dann das "warm" weg und dafür Grog und Heizung dazu, dann paßt es auch wieder; apropos PASSEN, würde es Dir passen eventuell mit Brigitte und Sepp mal nach Frankreich zu kommen? Burgund und noch warm!? Wenn wir erstmal in der Rhône gelandet sind, können wir da näher planen. So wie es heute abend aussieht, d.h. ich brauche es nicht sehen, ich höre den Regen an Deck, werden wir morgen nicht auslaufen und nicht in die Berge fahren, sondern wie heute einen faulen ruhigen Tag im Hafen haben. Wir kommen also momentan nicht so schnell nach Norden wie geplant. Aber wir haben Reserven und wollen nicht an diesen einmalig schönen Küsten unter hängenden Wolken entlangziehen. Das ist ja die Videokamera gar nicht gewöhnt und das wollen wir auch nicht einreißen lassen. Lieber einen Tag mit Rotwein im Hafen, als eine Woche ohne Wasser auf See (alte Seemannsweisheit aus dem ??? Jahrhundert). Ja, ja hart ist das Schifferleben, aber ungerecht! Wie Du siehst kann uns das Wetter nichts anhaben und wir genießen jeden "schönen" Tag und schön ist jeder.

Wir haben hier im Hafen nicht gleich einen "bleibenden" Platz gefunden. Zuerst machten wir im bereits neu gebauten Teil bei der Papierfabrik fest, wurden aber am nächsten Morgen von der Fähre vertrieben. Wir machten dann hier im Baustellenbereich fest, aber nach zwei Stunden kam der Ponton mit dem Kran und so mußten wir wieder ein Stückchen weiter. Nur 10m weiter liegen wir jetzt bei der Tankstellenpier vor dem "Hauptbahnhof". Die ganze Ecke hier wird als Fährhafen neu umgebaut. Die Piers bekommen Schwelldämpfer und die Kaiflächen werden vergrößert. Nautisch gesehen liegen wir hier ruhig, ansonsten hören wir halt ein paar Kräne und Baumaschinen. Hafenbauten sind schon enorm aufwendig. Um so schöner, daß die Porti Comunali in Italien alle gratis sind. Dafür wollte die Frau Tankwart heute 7000 Lira fürs Wasser, da haben wir dankend abgelehnt, schließlich haben wir noch 400 l und in den anderen Häfen ist das Wasser frei. Mich stört nicht, daß etwas Geld kostet, aber wenn sie meinen, es wie die Geier nehmen zu können, dann bin ich stur. Lieber würde ich nur noch Bier trinken, als dieses teure Wasser zu bunkern.

So, jetzt werde ich Schluß machen und ein Mützchen voll Schlaf bunkern.

P.S. 8.9.89 Es hat die ganze Nacht geregnet, lauter roter feiner Sand kam mit herunter und mußte mühsam wieder abgespült und geschrubbt werden. Auswirkungen einer Schirokkozyklone. Also nichts mit Bahnfahrt. Heute sehen wir nicht mal die nächsten Hügel.

Briefbeilage (Bild eines Marabuts): "Marabut" ist laut Lexikon zuerst ein religiöser Kämpfer im 11. Jh. gewesen, dann ein Heiliger, dann dessen Grab. Auch das Mausoleum von Habib Bourgiba in Monastir wurde als Marabut bezeichnet.

Nur hat sich bei uns die Frage ergeben, ob der Spruch "weise wie ein Marabu" sich auf diese Heiligen bezieht, oder auf die Vögel Marabu. Diese Frage läßt sich mit unserem Bordbibliothek nicht klären. Könntest Du schauen, ob Du es für uns bitte klären kannst? Da man Marabu und nicht Marabut in dem Spruch sagt, hatte ich mir immer vorgestellt, es gäbe vielleicht eine Fabel von Aesop oder Fontane, die diesen häßlichen Vögeln den Anschein der Weisheit verleiht.

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Arbatax, 9.9.89
Lieber Sepp und Familie!

Heute will ich gleich noch einen Brief schreiben, oder zumindest anfangen, solange mir die Erinnerung noch frisch ist. Wir haben ja die ganze Woche darauf gewartet, daß sich die dicken europäischen Wolken verziehen und, nachdem es gestern fast ohne Unterbrechung geregnet , genieselt und gesandelt hat (habe dreimal das Deck vom roten Saharasand abgespült), mußte es heute wohl besser werden. Das hatte uns der Meteorologe am Leuchtturm auch versprochen. Um 5 Uhr bin ich das erste Mal raus, um nach dem Wetter zu schauen. Um 6 Uhr entschieden wir uns fürs Aufstehen - auf Verdacht - und um 7.14 Uhr fuhren wir mit der Schmalspurbahn ab. Die Eisenbahngesellschaft ist privat, die Bahn wurde 1887 von Engländern gebaut und bis auf die Diesellok hat sich nicht viel geändert. Böse Zungen behaupten, die Ingenieure wären nach Kilometern bezahlt wurden und daß sie das im bergigen Gelände reichlich ausgenutzt hätten. Die Strecke windet und schlängelt sich dahin, das ist für eine Sightseeing Tour geradezu ideal, da wird keine Ecke ausgelassen.

Der Zug hatte heute nur eine Lok und einen Waggon, man sitzt recht eng nebeneinander, es gibt nur 4 Sitzplätze in einer Reihe, aber das ist klar bei einer Schmalspurbahn. Personal hat die Bahn aber genügend. Alle Schranken, bzw. Sperrketten werden von den Streckenwärtern, bzw. meist -innen direkt an den vielen Übergängen bedient. Die Schienen sind auch nicht geschweißt sondern haben noch einen schönen Schienenstoß und man rattert richtig dahin. Die Landschaft ist wirklich grandios und wir sind von einer Seite zur anderen gewechselt, um alles zu sehen. Auf der Rückfahrt von Seui konnte ich im Waggon direkt hinter der Lok auf die geschlossenen aber verglaste Einstiegsplattform gehen und hatte so einen Blick fast wie der Lokführer. Ebenfalls bei der Rückfahrt bot mir einer der Lokführer an einem Bahnhof, wo sie die Lok tanken mußte, einen schweren Desertwein an und so habe ich mit ihm ein Gläschen getrunken. Er ging dann mit der Weinflasche wieder auf die Lok und bei der Weiterfahrt prostete er mir von der Lok aus zu. So einen Service gibt es auch nur bei einer Schmalspurbahn. In Seui hatten wir eine Stunde Zeit, um auf den Gegenzug zu warten. Wir tranken einen Cappucino, kauften uns eine Brotzeit für die Rückfahrt und schauten ein wenig den Ort an. Diese Orte im Inland sind schon sehr abgelegen. Über 800m hoch und außer Gegend gibt es dort nicht viel. Aber es wird auch hier überall gebaut und von Armut keine Spur. Wir kamen auch an einigen Stellen mit Waldbrandschäden vorbei. Nicht, daß es jetzt noch brannte, aber man sah die verschieden alten Spuren in der Natur. Es gibt auch Gebiete mit Wiederaufforstung, aber dann immer Monokulturen und breite Brandschutzschneisen dazwischen, das sieht natürlich nicht mehr so schön aus wie vorher. Einige Brandstellen hatten gar nicht so sehr unter dem Feuer gelitten, wohl wegen des Windes war das Feuer so schnell durchgehuscht, daß nur die ganz dürren Zweiglein verbrannten, viele Bäume aber weiterleben. Wegen der sich auflösenden Wolken hatten wir schöne Quellbewölkung, das ist zum Filmen besser als so ein platter blauer Himmel. Ich habe sehr viel gefilmt und jetzt muß bald mal wieder das ganze Filmmaterial geschnitten werden. Wie wir heute am frühen Nachmittag an Bord zurückkamen, waren die Längsseitslieger ausgelaufen - das amerikanische Boot nach Tunesien und der deutsche nach Norden. Da wir noch recht viel Schwell haben und im Norden das Kap schon wieder, oder immer noch, wolkenverhangen ist, haben wir uns entschlossen erst morgen auszulaufen. Wir haben zwar nur 22 Sm, aber heute wäre es ohnehin knapp geworden.

Dianne und Claudia sind gleich nach unserer Rückkehr zum Schwimmen an den großen Sandstrand nördlich vom Hafen gegangen. Aber ich stehe nicht so auf Sandstrände, und am Felsufer, den Klippen gleich hier beim Hafen hinter der Mole, da ist zuviel Schwell. Hinaus ist möglich, aber beim Anlanden, wenn es einen da an die Felsen "spült", gibt es Bruch oder Schrammen. Da schreibe ich lieber. Und der kalte Kühlschrank ist auch gleich daneben.

Gestern haben wir noch mal Eure ganzen gesammelten Briefe der Reihe nach gelesen und dann die ganz alten aussortiert. Das war eine richtig nette Lesestunde. Außer Lesen, Deckwaschen, Kochen und Essen haben wir gestern nichts gemacht. Wir konnten gerade noch einen Spaziergang machen, wobei der Regenschirm nur etwa 50% aufgespannt war. Aber durch den Regen war die Luft unwahrscheinlich gut. Die Luft wird dadurch nicht nur rein, sondern durch den Duft der Macchia auch sehr würzig. So hat sich unser ungeplant langer Aufenthalt hier doch sehr gelohnt und ob wir hier oder dort die Zeit genießen ist schließlich egal, alles kann man sowieso nicht sehen. Wenn also morgen die Bedingungen ganz gut sind, überspringen wir einen Hafen. Die Großwetterlage ist allerdings noch nicht so 100%-ig. gestern bildete sich westlich von Korsika ein neues Sturmtief und das Barometer ist tief wie lange nicht mehr. Aber das zieht nach Osten ab und der 4. Sektor ist immer der Beste. Hier scheint jedenfalls die Sonne und wir sehen zum ersten Mal den Ort mit Umgebung so richtig in allen Farben. Der große Hafen ist relativ uninteressant, nichts lauschiges, eine große Baustelle und der Südteil wird von der Werft beherrscht, wo ein riesiger Ölbohrturm liegend gebaut wird, und der Ort ist nicht sehr groß. Das ganze Kap ist aber recht schön und wir sehen vom Boot aus den großen Leuchtturm oben auf dem Berg. Sinnigerweise kommt jetzt gerade in der Deutschen Welle eine Sendung über den letzten Leuchtturm mit Leuchtturmwärter am Bodensee, aus Lindau! Gerade hat die Glocke des Leuchtturms geläutet und der Wärter gab ein Interview.

Neben dem Boot auf der Pier versuchten sich von morgens 5 Uhr bis abends 23/24 Uhr die Angler, oder was sich halt so nennt. Die Italiener angeln stundenlang o h n e Erfolg, ist halt doch noch besser als überhaupt nichts tun. So sind sie aus dem Haus, haben eine Beschäftigung und tun nichts Böses. Ich habe noch keinen eßbaren Fisch an der Angel gesehen. Fisch ist hier im Gegensatz zu Tunesien wieder teurer als Fleisch. Aber Italien ist überhaupt teuer und für uns eine rechte Umstellung. Hier in den kleinen Orten gibt es keine Märkte mehr, nur Supermarket mit abgepacktem Gemüse. Das Einkaufen auf den Bauernmärkten machte schon Spaß. Bin gespannt wie das im französischen Binnenland ist. Aber bis dahin sind es noch einige Meilen.

Jetzt werde ich schauen, ob noch ein Geschäft auf macht, es ist schließlich Samstag und hier gibt es wieder Wochenenden. In Tunesien oder der Türkei hatte immer irgendwer auf.

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(Postkarte von Arbatax) 10.9.89
Arbatax liegt jetzt morgens um 9 Uhr bereits 5 Sm im Kielwasser und und wir segeln bei wolkenlosem Himmel entlang der felsigen Küste mit ihren Sandbuchten und Bergen darüber von 500 - 800 m. Steile Felswände wechseln mit grünen Rinnen und Schuttkegeln ab. Voraus liegt Capo di Monte Santu und dahinter den Golf von Orosei in der es große Meeresgrotten gibt. Die Cala Sisine, bereits auf der anderen Karte, ist noch 10 Sm entfernt. - Jetzt ist am Capo der Wind etwas eingeschlafen, der Diesel schiebt wieder mit. Dafür können wir dichter rangehen, das ist zum Filmen gut. Ich stehe am Ruder und trinke jugoslawisches Bier, das mit dem Gamsbock, das war im Sonderangebot und viel billiger als das italienische und schmeckt besser. Also ein richtig schöner Sonntag morgen. Seefahrt ist abwechslungsreich - 1 Std. später - Wind aus Süd, wir überspringen Cala Gonone und laufen gleich La Caletta an, 45 Sm Tagesweg. Die Lage ist günstig, 4 Kn bei genau achterlichem Wind. - Jetzt ist es schon 12.30 Uhr und der Wind hat auf Ost gedreht, 4,5 - 5 Kn bei halbem Wind und ruhiger See, Bilderbuchsegeln. Ich sitze im Salon und lese. Wir haben in Cagliari von einem Deutschen einige Bücher eingetauscht. So spannende Romane gehen immer von Schiff zu Schiff bis sie auseinanderfallen. - Jetzt habe ich fast den ganzen Tag für die Karte gebraucht, 18.30 Uhr, gerade im marinamäßigen Porto comunale festgemacht, alles neu, nur bei Strom und Wasser kommt nichts heraus. Die Deutschen, die bei uns als 3. Boot längsseits waren, sind am gleichen Steg. Die Sonne taucht gleich hinter den "Hafenberg", da muß ich noch filmen.

11.9. 03.30 Uhr Gewitter und jetzt ist alles grau in grau, wir wissen noch nicht, ob wir morgen auslaufen.

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(Postkarte von Felsen "Pinocchio") 16.9.89
Liebe Martina,

Hier ein paar Karten zum Sammeln mit den höchst sonderbaren Bildern von Felsen. Die ganzen Berge hier sind voll von solchen Formationen. Gleich nördlich "unserer" Bucht ist das Kap des Bären, wo die Figur eines "Bären" auf den Leuchtturm herunter schaut.

Zum Schulanfang alles Gute!

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(Postkarte vom Felsen des Bären) 16.9.89
Lieber Sepp, liebe Brigitte!

Dies wird unsere letzte Post aus Italien sein, denn heute wollen wir nach Korsika weiter, nachdem uns starker Wind in der Straße von Bonifacio 2 herrliche Tage in dieser Bucht (die 2. hinten im Bild) beschert hat.

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(Postkarte von Sardinien, Felsen "de Gaulle") 16.9.89
Liebe Mutti!

Ganz schnell vor dem Anker Auf noch eine Karte. Wir sind hier im Golf von Arzachena gleich südlich der Insel Caprera. Die Costa Smeralda ist wirklich schön. Die Straße von Bonifacio hat ihren Ruf als zugiges Eck zurecht.

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Bastia, 18.9.89
Liebe Eisenberger!

Jetzt taucht gerade die Frage auf, soll ich mit Maschine schreiben oder mit der Hand, ich wollte per Hand schreiben, aber Dianne meinte, daß ich zwar schneller per Hand schreiben könnte, Ihr aber Maschine schneller lesen könnt. Ist das richtig? Gut dann bin ich überredet und schreibe mühsam mit der Maschine, damit Ihr nicht m ü h s a m lesen müßt. Wie Ihr merkt, bin ich guter Laune, ist ja auch kein Wunder, denn heute war wieder POSTTAG! Ich bin heute früh - wie der Name sagt - aufgestanden, sonst wäre es ja spät gewesen, aber das war es wie wir gestern nacht eingelaufen sind. Dianne blieb noch ein wenig liegen, aber mich lockte der neue Tag im neuen Hafen heraus und ich spazierte durch die Stadt bis ich die Post gefunden hatte und die Öffnungszeiten wußte. Wie ich an Bord zurückkam, war der Kaffee bereits fertig und nach dem Frühstück marschierten wir beide zur Hauptpost, um die Briefe abzuholen. Vielen herzlichen Dank für die Briefe. Leider sind die zwei noch ausstehenden Briefe von Mutti, für die ich einen Nachsendeantrag von Cagliari nach Bastia gestellt hatte, nicht dabei gewesen. Na ja, hätte mich auch gewundert, wenn der Nachsendeantrag einen Zweck gehabt hätte. Wenn die Beamtin schon kein Interesse zeigt und beim Ausfüllen keine Anleitung gibt, dann wird der Brief auch nur lustlos behandelt und kommt eben nicht an. Deutsche Beamte sind eben auch lustlos präzise! Hahaha! Das ist eben das Problem des Südens. Wir haben uns jedenfalls sehr über die Post gefreut und haben beim Frühstück abwechslungsweise vorgelesen, damit der andere immer weiter essen konnte, d.h. das Frühstück zog sich heute etwas länger hin.

Heute ist überhaupt der Tag der Heimat und das fing gestern schon an. Zwei Sachen kamen sehr günstig zusammen: 1. der Bayr. Rdf. kommt jetzt sehr gut über Kurzwelle 6085 KHz herein und dann begann das Oktoberfest. So hören wir viel Blasmusik und Reportagen über die Wies'n. Aber erst mal der Reihe nach:

Bis Olbia dürftet Ihr ja über Claudia überraschenderweise gut informiert sein. Wie Claudia in letzter Minute die Fähre erreicht hatte, gingen wir an Bord zurück und es war erst mal unerwartet ruhig und still an Bord. Man muß sich erst immer daran gewöhnen, wenn man wieder allein an Bord ist. Ganz alleine waren wir allerdings die erste Nacht nicht und da war es wieder gut, daß Claudia nicht mehr an Bord war. Die Pier, an die wir noch verlegt hatten, um Wasser zum Waschen zu haben, wird ab und zu auch für Getreidefrachter oder Futtermittelfrachter benutzt und da fallen halt so einige Brösel ab, die auch den Ratten schmecken. Wie wir jedenfalls von der Fähre zurückkamen, wimmelte es nur so von Ratten auf der Pier. Wir machten an Bord für die Nacht alles dicht und so waren wir vor Besuchern im Schiff sicher, aber das Gerenne an Deck war doch störend. Jedes Mal wenn ich die Biester verscheuchte und dann eine Weile rausschaute, konnte ich die possierlichen Tierchen über die Leinen turnen sehen. Ratten sind aber scheinbar unterschiedlich gute Futterverwerter, denn einige waren genau doppelt so groß wie andere. So verließen wir Olbia am nächsten Morgen recht gerne und liefen Richtung Norden aus. Der Wind wollte sich nicht so recht einstellen und wie er dann etwas kam, war er genau auf die Nase. Wir motorten an Porto Cervo vorbei, diesem Nobelnest mit 120 DM/Nacht Liegeplatzpreisen und fanden eine Bucht fast für uns alleine in der Nähe. Es gab nur eine Segelschule mit Jollen, Kuttern etc. in der Seitenbucht und wir konnten vom Ankerplatz aus den Segelschülern zuschauen, was sehr unterhaltsam war. Es briste nämlich abends auf und blies auch die ganze Nacht durch. Wir waren schließlich im Maddalena-Archipel und da pfeift es aus der Straße von Bonifacio eben durch. Am nächsten Morgen war dann wieder sehr frischer Wind und wir sahen einige Boote neben uns kentern.

Wir wollten aber einen Ortswechsel machen und liefen zunächst mit Ziel Palau aus. Der Wind wurde aber immer stärker und wie wir genau die Düse der Enge vor uns hatten, standen wir fast auf der Stelle. So drehten wir um und liefen in den Golf von Arzachena, genau südlich von unserem alten Ankerplatz ein. Wir ankerten hinter der Mole des Porto Communale sehr geschützt auf flachem Wasser. Zuerst hatten wir dezent etwas außerhalb geankert, aber ein Deutscher, der mit seinem Boot schon länger dort ist und dort auch arbeitet, kam mit seinem Beiboot und sagte uns, daß wir doch besser hinter der Mole im Hafen ankern würden, das sei gestattet und auch gratis. Im Hafen lernten wir dann ein Schweizer Ehepaar mit 2-jähriger Tochter kennen und während wir den Nachmittag bei denen an Bord verbrachten, kam noch ein netter Engländer, der auch mit seinem Boot dort liegt und als Charterskipper etc. u.a. tätig ist. Er jammerte über die bescheuerten Geldleute in Cervo. Das muß wirklich ein übles Volk dort sein, na, wer weiß, womit die ihr Geld gemacht haben! Waffen, Heroin, Mädchenhandel, Rotlichtgewerbe?

Wenn man Nachrichten hört, hat man ohnehin den Eindruck, daß es nur noch um Geld geht; Moral und ethische Werte oder auch Religion spielen keine Rolle mehr. So haben sich schon mehrere Kulturen in der Geschichte verabschiedet! Wir haben aber den Aufenthalt bei zum Teil starkem Wind in herrlicher Umgebung mit netten Leuten genossen und eine Wetterberuhigung abgewartet. Wir hatten schließlich bis zu 8 Bft. Im Golf von Arzachena hatte es jüngst auch böse gebrannt und der Engländer war während des einen großen Brandes an Bord vor Anker in der Bucht. Er hatte zwei Anker draußen und wie er bei 65 Kn Wind einmal herausschaute, traf ihn ein vom Feuersturm verwehter Spatz am Kinn, so heftig, daß er eine Platzwunde hatte und der arme Spatz statt verbrannt, zerschmettert war. Neben der Tankstelle im Ort wohnen einige Engländer, die als Taucher dort auch tätig sind, die trugen ihre Pressluftgeräte wegen des Rauches und hielten die Tankstelle naß, so wurde sie gerettet. Es hatte, wie wir sehen konnten bis in den Ort und bis an die Tankstelle heran gebrannt. Es sind dort einige Menschen ums Leben gekommen, das Feuer kam mit 40 Kmh angebraust. Das muß schrecklich sein. Wir sehen hier nur überall die Brandspuren. Auch rings um Bastia hat es gebrannt. Damit Schluß für heute, wir sind beide vom Schreiben müde und gehen ins Bett. Morgen wollen wir mit der Bahn in die Berge fahren. Das ist unsere Lieblingsart etwas vom Landesinnern zu sehen.

19.9.89

Gestern müde aufgehört und heute müde angefangen!

Wir hatten einen herrlichen Tag!! Wir sind schon um 6.30 Uhr aufgestanden und fuhren dann um kurz nach acht mit der Schmalspurbahn - das wird das Jahr der Schmalspurbahnen - (hoffentlich sind wir nicht schon selbst schmal....) nach Corte, der alten Hauptstadt von Korsika. Korsika war schließlich im 14.!! Jhrh. selbständig. Haben auf die Schnelle korsische Geschichte lernen müssen. Sehr abwechslungsreich. Am meisten erstaunt uns die Sprache. Wir haben uns ja vorher nie mit Korsika befaßt, aber das ist italienischer als man denkt. Jetzt verstehe ich auch warum Napoleon sich soviel in Oberitalien herumtrieb. Das lag erstens nahe und dann gab es da alte Rechnungen. Corte liegt jedenfalls wunderbar in einem Hochtal zwischen wirklich hohen Bergen, nicht weit westlich ist der Monte Cinto mit 2700m, das ist sehr hoch wenn man vom Meeresspiegel aus rechnet. Als alte Hauptstadt hat Corte natürlich eine Festung, Zitadelle genannt und die haben wir zuerst besichtigt. Sie war bis 1983! als Festung für die Legion in Betrieb. Sie erhebt sich auf einer Felsnase hoch über der Stadt und man hat einen prächtigen Ausblick auf die ganze Umgebung. In Corte fließen zwei Flüsse, die aus Schluchten kommen zusammen und wir haben eine 4 Std. Wanderung in das eine Flußtal gemacht. Man geht immer oben am Hang entlang und hat stets einen schönen Blick ins Tal bzw. in die Schlucht und auf das Bergpanorama dahinter. Richtig alpin! Man geht durch die Macchia, quert kleine Rinnsale, wo gleich in üppiger Vegetation andere Bäume wachsen und kann viele Tiere beobachten. Vögel, auch schöne Raubvögel wie den Milan, Eidechsen, Käfer, Schmetterlinge, herrlich duftende Kräuter und Stauden. Eine üppige Natur zum Genießen!!

Man kann das schlecht beschreiben, erzählen ginge schon besser, aber da würde einem der Mund übergehen, Bilder sind da besser und ich habe viel gefilmt. Wieder zurück in Corte haben wir einen besonderen "Genuß" gehabt, den man unter dem Gesichtspunkt "Oktoberfest ist teuer" sehen muß. Durstig wie wir waren, setzten wir uns in ein einfaches Straßencafe und bestellten ein Bier. Das kam dann auch, in einem "Arzneifläschen" von 25 cl abgepackt und kostete 12 FF. Solche Bierpreise haben nicht mal die Italiener. Wir haben den Schock aber überwunden und trinken jetzt Literflaschen à 5,40 FF. Das schmeckt schon besser, oder? Wir haben nach unserer Rückkehr erst mal gekocht und jetzt geht es weiter mit Schreiben. Wir sind heute von lauter deutschen Charteryachten umgeben, es ist ganz ungewohnt, daß man mit Sie angeredet wird. Die Yachties sagen alle unabhängig vom Alter DU.

Damit der Brief gleich morgen abgeht, jetzt Schluß und viele Grüße an alle.

* * * * *

(Postkarte von der Zitadelle von Corte) 19.9.89
IX Jh gegründet. XIII Jh genuesisch, zuvor maurisch. 1419 erbaut. 1769 Hauptstadt.

Liebe Mutti!

Vielen Dank für Deinen Brief, der uns hier in Bastia erreichte (vom 29.8.). Die Neuigkeiten stehen im Brief an Brigitte an Sepp, der nächste Erzählbrief wird wieder an Dich gehen. Man muß immer etwas reihum gehen und doppelt erzählen hat keinen Sinn. Korsika wäre schon wieder so ein Platz, wo man längere Zeit zubringen könnte. Es gibt hier im Mittelmeer einfach keine uninteressanten Fleckchen Erde. Wenn man an einen neuen Ort ist und sich ein wenig schlau macht, merkt man erst wieviel interessante Geschichte es auch hier gab. Wir haben in Corte eine Broschüre vom Verkehrsverein bekommen und damit setzten wir uns oben in die Zitadelle und Dianne las die wechselvolle Geschichte der Region und der Festung vor. Der Geschichtsband Teil I und II unseres Brockhaus tat immer wieder gute Dienste und wir staunen immer wieder. Wenn man die Orte dann mit den heutigen Bewohnern kennt, sagt einem das Lexikon gleich viel mehr und man kann es sich auch besser merken. Ich merke jetzt, daß ich reichlich müde bin und mit vielen Grüßen gehe ich jetzt in die Koje.

* * * * *
Hafen von Bastia

Bastia, 20.9.89
Liebe Mutti!

Heute will ich gleich mit einem Etappenbrief an Dich beginnen, der dann wohl in der nächsten Zeit einmal fertig werden wird. Wir haben heute früh schwer mit uns gerungen, ob wir heute noch auslaufen sollen, oder was tun? Daß wir vormittags noch ins Museum wollten war klar, aber dann. So gingen wir erstmal zur Post, brachten einige Briefe auf den Weg und fragten nach eventuell noch angekommenen oder von Sardinien nachgesandten Briefen. Aber leider negativ. Dann kauften wir etwas ein und bis wir zum Museum kamen war es fast schon zu spät, um noch vor der Mittagspause hineinzugehen. Wind war auch keiner, nicht ein Hauch und so entschlossen wir uns, den Tag noch hier zu verbringen und nach der Mittagspause in Ruhe ins Museum zu gehen. Das Museum war dann eine "Ansammlung" von der Steinzeit über die Römer und Bonaparte bis zur Resistance und zum einfachen Landleben heute. Es gab richtig interessante Exponate, aber alles ein wenig kunterbunt. Man muß allerdings der Gerechtigkeit halber dazu sagen, daß die Faschisten, damit müssen die italienische Besatzer gemeint sein, im Museum geplündert haben. Solche Aktionen tun keinem Museum gut. Das Museum ist in der Zitadelle von Bastia, direkt über dem alten Hafen im genuesischen Palast untergebracht. Aus fast jedem Raum konnten wir auf die Arion hinunterschauen. Die Geschichte Korsikas war ja recht wechselhaft. Es kam einmal ein westfälischer adliger Glücksritter mit einem Schiff und einer Schiffsladung in Korsika an und wurde König. Später geriet er nach England, wurde dort wegen Schulden eingesperrt und verzichtete dann auf den Thron. Bestimmend waren wohl immer die Genuesen, und die Franzosen kamen als "Schiedsrichter" ins Spiel. Hier wie in Sardinien fallen einem an den Küsten die vielen Wachtürme auf. Sie wurden von den Genuesen im 15. Jh. gebaut. Allein einundneunzig gibt es auf Korsika. Heute sind sie für die Küstenschiffahrt gute Landmarken, mit deren Hilfe man die einzelnen Kaps unterscheiden kann. Nur ausgerechnet der "Tour Diane" war so verfallen. daß man ihn nicht mehr sah, obwohl er in den Seekarten noch drin ist.

Wir haben uns jetzt entschlossen, weil wir noch genug Zeit haben, den großen Bogen auszufahren und über Capraia, Livorno, La Spezia, Genua zu gehen. Das heißt, wir wollen weniger die großen Orte ansteuern, sondern mehr die kleinen Orte besuchen. Wir müssen den Süden noch ein wenig ausnützen, bevor es immer nordwestwärts geht. Wenn wir guten Wind gehabt hätten, wären wir wohl direkt nach Südfrankreich gegangen, aber zum hinüber motoren haben wir keine Lust und bei der anderen Strecke wird doch ab und zu Wind da sein. Im großen und ganzen können wir ja nicht klagen und wir haben große Strecken bei besten Windverhältnissen zurückgelegt. Wenn der Diesel ab und zu etwas mehr laufen muß, hindert das ihn wenigstens am Rosten - und wer nicht rastet, rostet auch nicht! Die Tage hier in Bastia waren sehr schön und heute war nun ein besonders schöner Herbsttag, wenn es auch früh morgens mehr nach Wolken aussah. Aber bis Mittags hatte sich alles aufgelöst und es war eine richtige milde sonnige klare Herbststimmung mit guter Luft. Wir saßen in der Nachmittagssonne an Deck, ich las Zeitung und Dianne zeichnete die Altstadt über dem Hafen. Es war ein Boot mit französischer Flagge neben uns hereingekommen und wie ich sie auf französisch ansprach, stellte es sich heraus, daß es eine israelische Charterbesatzung hatte. Wir saßen dann bei Wein an Deck und politisierten und diskutierten. Jetzt sind sie gerade 21.50 Uhr ausgelaufen, sie waren einen Monat unterwegs und der Urlaub geht zu Ende. Das Boot muß in San Raphael zurückgegeben werden und sie erwarten einen 25 Stunden Motortörn bis dorthin. Das ist halt das Problem im Mittelmeer. Der Sack des Äolus: entweder ist er gut verschnürt, dann ist es so wie jetzt, oder jemand macht ihn auf, dann faucht es fürchterlich heraus. Das Moderate dazwischen ist selten oder nur stundenweise zu haben. Die Irrfahrten des Odysseus sind wirklich nur im Mittelmeer möglich gewesen, wenn dann noch diese 'Rumtreibermentalität" dazukommt, sind einige Jahre gleich untergebracht. Ich kann ihn gut verstehen. Das geht eben so, und einen Motor hat der "Arme" ja keinen gehabt. Was blieb ihm anderes übrig, als ein wenig zu verweilen, wenn noch dazu die nicht immer unattraktiven Landesbewohnerinnen lockten .... . Wir haben die Odyssee an Bord und manchmal ist es amüsant, zu bestimmten Gegenden nachzulesen. Aber zum Thema NACHLESEN: Ich habe gerade Deine gesammelten Werke seit Februar neben mir liegen und die werde ich jetzt nach und nach nachlesen, um ev. nicht beantwortete Dinge aufzugreifen. Aber damit fange ich morgen an. Wenn's auf der Überfahrt ruhig ist, kann ich die Zeit dafür nützen. Ich habe jetzt unseren eisernen Gustav fest installiert und so brauchen wir zumindest bei ruhiger See und bei keinem Schiffsverkehr nicht immer am Ruder zu stehen. Grundsätzlich bin ich ja kein Freund von Autopiloten. (Ich schon)
 
 

21.9.89

Ich habe Freizeit, Gustav steuert und das Meer ist flach. Der Himmel zeigt keinen Hauch von anderer Farbe als Tiefblau, wie das Meer. Korsika verschwindet bei 5 Sm Abstand immer mehr im leichten Dunst, denn bei derart ruhigem Wetter mit Südtendenz gibt es keine kristallklare Fernsicht, wie bei kühlem Nordwind. Dianne ist am Aufräumen und wir haben gerade alte Reiseprospekte aussortiert, die uns aber zu schön schienen zum Wegwerfen. Wir werden sie daher mitschicken, es steht doch allerlei Interessantes darin und die Bilder sind auch schön. Wir sind also, da kein Wind weht, unterwegs nach Capraia, das ist wieder eine kleine italienische Insel zwischen Bastia und Livorno auf dem Festland. Capraia hat, laut Handbuch wie viele Inseln im Toskanischen Archipel eine Strafkolonie und man darf an manchen Küsten nicht näher an Land als 500m, sonst wird sofort geschossen. Man darf auch keine Beiboote im Hafen unbeaufsichtigt lassen und darf in den Ruderbooten keine Riemen lassen, damit keiner wegrudern kann. Es gibt noch andere Inseln, kleinere, da darf man überhaupt nicht hin und bei manchen weiß man nicht, warum man nicht hin darf. Das hat alles so ein Hauch von Chateau d'if und dem Graf von Monte Cristo, diese Insel liegt ja auch nicht weit von hier und ist auch Sperrgebiet. Nur bei Sturm kann man in die Bucht, darf dann aber nicht an Land. Bin gespannt wie die Insel Capraia ist.

Doch nun zu Deinem Brief:

Ja, der Bau unserer Boote, die Jahre harter Arbeit im Beruf und in der Freizeit haben sich gelohnt und wir haben es noch keine Minute bereut. Man gewinnt persönlich unheimlich viel und was verliert man? Ungewisse "Karriereaussichten", Streß, Ärger mit unfähigen Vorgesetzten, materieller Wohlstand etc., alles verzichtbare Dinge.

Der von Dir geschilderte Regenbogen muß ja wunderschön gewesen sein. Ja, die Natur bietet schon oft erstaunliche Schönheiten, leider wird es der Natur vielfach nicht gedankt. Von dem Sturm in Norddeutschland haben wir nicht nur im Radio gehört, sondern auch über Funk aus erster Hand, aus der Marina Wendtorf bei Kiel. Da müssen vor allem Kunststoffboote wie Pappboote zerschlagen worden sein. Ich habe schon bei so mancher Gelegenheit gedacht, wie gut, daß die Arion aus dickem Stahl ist. Leider war laut der Funkauskunft die Reaktion der Bootsbesitzer geteilt. Für einige eine Katastrophe natürlich, aber andere meinten wohl "... ja ich wollte sowieso nächstes Jahr ein neues Boot und wer weiß, ob ich den Versicherungswert (!) als Kaufpreis bekommen hätte." Da sind wir wieder an einem zentralem Problem unserer Gesellschaften. Geld, Geld, Materialismus ohne jeglichen moralischen, ethischen Aspekt.

Aber es hat keinen Zweck das zu beklagen, jeder muß persönlich dagegensteuern und sei der Einfluß noch so klein. Viele Tropfen geben einen Fluß. Über die Waldbrände habe ich schon Gottfried etwas geschrieben. Wie wir nach Corte fuhren, führte die Bahnstrecke 22 Km entlang der abgebrannten Hänge. Wir sahen in Korsika kein einziges Aufforstungsgebiet, sehr im Gegensatz zu Sardinien. Aber Sardinien ist eben autonome Provinz und scheinbar nicht "Italien". Man kann in Sardinien auch keine Baugenehmigung "freibrennen", das ist barer Unsinn, auch wenn es in deutschen Zeitungen manchmal behauptet wird. Ödland nach Bränden ist nicht einfacher als Bauland auszuweisen als Waldgebiete. Frankreich und Spanien haben da verschiedene Rechtslagen.
 
 

Daß Euer Sommer sehr gemischt war, konnten wir immer am Radio verfolgen. Aber jetzt läßt Euch das Wetter keinen Wunsch offen. Schönster Altweibersommer, wie der Bayr. Rdf. freudig im Hinblick auf die Wies'n meldet. Da wird's Räusche geben. Wir haben in Anbetracht des schönen Wies'n-wetters auch schon einen Frühschoppen gemacht.

Lustig, daß Du gerade das Gut der Metternichs im Rheingau erwähnst. Habe etwa zu genau dieser Zeit das Buch von Tatjana Metternich gelesen. Habe es glaube ich schon in einem anderen Brief erwähnt. Hatte da gerade zwei Tage einen rauhen Hals ohne Stimme und etwas Fieber. Blieb also tagsüber in der Koje und nutzte die Zeit zum lesen. So war das Buch in drei Tagen ausgelesen. So, die anderen Briefe habe ich wohl schon alle beantwortet, jedenfalls fiel mir jetzt beim nochmaligen Lesen kein wesentlicher Punkt auf.

Wir sind gerade einer Fähre Livorno - Bastia begegnet. Es gibt hier unter anderem die Linie, die alle Schiffe mit Moby ... etwas benennen. Sie haben einen großen blauen Pottwal (Moby Dick) an der Seite des weißen Rumpfes. Die Moby Prince hat den Wal mit einer Krone; die Moby Will hat ein dickes Ausrufezeichen über dem Walkopf, sie fuhr gerade vorbei; bei der Moby Dream hat der Wal eine Gedankenwolke darüber, usw. Finde das eine nette Idee. In Olbia lagen wir immer neben der Moby Prince.

Da es völlig windstill ist und 28 Grad warm, haben wir gleich an Deck heiß geduscht. Da wir hier sehr wenig in die sehr teuren Marinas gehen, gibt es die Dusche an Deck. Bei Maschinenfahrt ist jede Menge heißes Wasser vorhanden, aber 3 l reichen gut pro Person.

Sepp und Brigitte werden sich wohl gewundert haben, daß Post von der Deutschen Versuchsanstalt für Luft und Raumfahrt kam. Ich hatte in der TO-Zeitung einen Aufruf gelesen, daß Testyachten für einen Seenotsender über Satellit gesucht werden und habe hingeschrieben. Das ist eine ganz tolle Sache und ich würde mich freuen, wenn ich für den Test ausgesucht würde. Die technischen Einzelheiten werden Euch wohl weniger interessieren.

-etwas später-

Jetzt taucht gerade Capraia schemenhaft aus dem zarten Dunst auf, noch 5 Meilen bis zur Südspitze der Insel. Dianne hat inzwischen gekocht. Es gibt Hähnchenschlegel mit Reis und Lauchgemüse. Es ziehen schon verführerische Düfte hier über die Schreibmaschine hinweg. Es ist 13.20 Uhr und somit nicht zu früh fürs Mittagessen. So eine Insel aus dem Dunst auftauchen zu sehen, ist immer wieder ein Erlebnis. Man sieht eigentlich zuerst weniger als man ahnt oder riecht. Eine Libelle war das erste konkrete Anzeichen. Dann tauchen immer mehr Einzelheiten auf, der Kurs wird kontrolliert oder korrigiert und dann sieht man schließlich das Ziel. Menschen werden sichtbar, alles wird immer konkreter und dann ist man ganz allmählich in eine andere Gemeinschaft eingedrungen. Aber eben dezent, leise, langsam, mit Zeit zum Nachdenken, nicht mit einem Auto hupend mit 110 um die Kurve und gerade noch in der Lage, das Ortsschild zu lesen.

Ich lese aber an den Zeichen der Zeit ab, daß es ESSEN gibt!

- Pause -

15.15 Uhr

Fest vor Buganker in Capraia Hafen. Eine wunderbare Insel mit einem Hauch von Geheimnis und Abenteuer. Auf einem Felsen an der Bucht mit dem Ort die Festung. Dort war wohl einmal die Garnison, die die Gefangenen bewachte. Auf den Hügeln westlich des Ortes hoch über dem Ort sieht man einzelne Gebäude der Strafkolonie "Agricola". Wohl eine spezielle Art von landwirtschaftlicher Kooperative! Die ganze Strafkolonie wurde vor einigen Jahren aufgelassen, was wir erst jetzt erfuhren. Das Handbuch ist selbst in der neuesten Auflage nicht nicht up to date.

Der Hafen liegt ganz im Innern einer tief eingeschnittenen Bucht und ist wunderbar geschützt. Es kamen bereits Gedanken auf, nicht gleich morgen weiterzugehen oder eventuell nachts, um den Tag hier zu "abenteuerlichen" Erkundungen zu haben. Das ist mal wieder so eine Insel, wo die alten Jugendträume wild wuchern. Ich bin begeistert! Hier kommen angesichts der Landschaft und im Bewußtsein der Besonderheit der Insel Gefühlsmischungen und Gedanken aus vielen Büchern auf, z.T. vor vielen vielen Jahren auf der Holzlege am Stadel gelesen.

Habe das gleich wenige Minuten nach dem Einlaufen schreiben müssen. Jetzt wird das Schiff versorgt und dann gehen wir auf Erkundungstour. Davon dann später:

Jetzt ist es bereits dunkel geworden und wir haben einen schönen langen Spaziergang hinter uns. Nicht etwa wieder ein 4 Std. Marsch wie in Corte - nur hinauf in den Ort mit der verfallenden Festung aber sehr schönen sauberen Häusern und Straßen. An den Häusern überall viel üppiger Blumenbewuchs, riesige Bougainvillea. Ein ehemaliger Gefängnisbau mit Kirche beim Leuchtturm verfällt auch langsam. Es gab wohl hier früher mehr Gefängnis als jetzt. Dafür wird jetzt im Ort mehr auf freiwillige Touristen gesetzt. Es gibt schöne Lokale und Pensionen im Ort und am Hafen, aber relativ wenige. Es ist ja auch eine kleine Insel und zuviel würde alles zerstören. Auffallend auch die strenge Müllsammlung. Wir sahen allerdings an der Ostküste eine Schlucht, wo alles landet, aber das ist schon besser als wildes Verteilen des Mülls.

Jetzt kommt im Bayr. Rdf gerade eine Volksmusiksendung aus dem Allgäu!

Wie wir dann vom Ort zurückkamen, waren inzwischen einige Boote angekommen und jetzt sind es 15 im kleinen Hafen. Im Ort oben war es übrigens absolut ruhig. Meistens nichts zu Hören außer Zikaden oder Vögeln, nur ab und zu spielende Kinder. Um 19.00 Uhr kam dann die Fähre aus Livorno an. Sie bleibt über Nacht. Es kamen erstaunlich viele Autos mit einheimischen Kennzeichen zurück. Dabei gibt es nur die Straße vom Hafen zum Ort, 10 Min. zu Fuß! Wie weit man die Serpentinen im Westen zur Strafkolonie und dann den Nordwesten der Insel befahren kann weiß ich nicht. Ist ja Sperrgebiet. Bei der Fähre ist für Neuankömmlinge gleich ein Schild, daß das Autofahren eine Stunde vor und nach der Fähre verboten ist. Hinter uns am Hang sind auch lauter Schilder, die kann man nicht lesen auf die Entfernung, aber sie galten wohl auch nur für den, der da hinaufsteigen wollte. Ein Einheimischer sagte uns, daß die Schilder nur noch vorhanden sind, aber keine Gültigkeit mehr haben.

Ich weiß nicht, wovon wir jeden Tag so müde sind, aber wir schlafen wie die Bären und Füchse in ihren Höhlen. 8 Std. Schlaf ist so unsere Norm, wenn wir nicht nachts segeln, dann wird es deutlich weniger. Dianne hat auch gerade einen langen Brief an ihre Eltern geschrieben und bringt jetzt noch ihr Tagebuch auf neuesten Stand.

Gerade ist noch ein Spätankömmling, ein Italiener in die letzte Lücke neben uns hineingebumst. Das nächste Boot, auch Italiener, wurde richtig zur Seite gerückt. die Arion mit etwa 3x so viel Tonnen hat natürlich keinen Ruck gemacht. Hier sind jetzt kaum Langzeitsegler unterwegs und das merkt man gleich am Verhalten. Man kann ja in eine etwas zu enge Lücke auch langsam hineinfahren, zumal wenn bei Flaute keine Gefahr besteht, daß man abdriftet.

23.9.89

Jetzt sind wir inzwischen in Livorno gelandet und bleiben auch länger als geplant hier. Wir hatten von Capraia hierher fast keinen Wind. Nur teilweise hatten wir die Segel zusätzlich oben. Es brachte so mehr Fahrt, wäre aber nur zum Segeln zuwenig gewesen. Wie wir hier in den Hafen einliefen, war alles fast überfüllt. Es fand ein Hochseewettangeln vom Motorboot aus mit Schleppangeln statt. So war ein Hafenbecken neben dem Yachthafen der Clubs voller Motorboote. Da wir zeitig da waren, fanden wir noch einen Platz, aber genau beim Anlegemanöver versagte das Getriebe auf Vorwärts. Wir ließen noch den Anker fallen, gingen rückwärts an die Pier und machten später längsseits fest. Leider gehört der Kai der Werft und wir gehörten nicht zu den Anglern, so mußten wir heute früh weg. Zum Glück völlige Windstille und so schleppte und bugsierte ich die schwere Arion mit dem Schlauchboot auf einen öffentlichen Liegeplatz, während Dianne steuerte und die Leinen fuhr. Wir gingen zwischen zwei andere Boote an denen wir solange festmachten, bis der Anker mit dem Schlauchboot ausgebracht war. So haben wir einen Gratisplatz neben dem Club bei den Lotsenbooten. Gestern abend bauten wir gleich noch das Getriebe aus und heute habe ich es mit einem Mechaniker des Clubs zerlegt. Die Zähne aller Vorwärtskupplungsscheiben waren ab. Verschleiß. Am Montag hat der Ersatzteilladen in Viareggio auf, dann wird es fertig gemacht. Wenn man es einmal gesehen hat, eigentlich kein Problem. Wir haben auch gute Zeichnungen aller Teile an Bord. Dianne war unterdessen zum Einkauf und Geldwechseln gegangen. Wir hatten ja Italien schon abgeschlossen gehabt. Aber es schien uns noch zu früh für Südfrankreich. Livorno ist auch eine herrliche alte Stadt und auch ohne Getriebeschaden einen Besuch wert. Wir hatten ohnehin noch Reservetage eingeplant, die jetzt eben zum Teil aufgebraucht werden. Wir wollten so um den 6.10. in der Rhône sein. Das Mastenlegen wird nur etwa einen Tag dauern, für den Fall, daß Mike bei Brigitte anruft. Ich habe ihm schon geschrieben und werde auch nochmals anrufen, sobald das Getriebe wieder klar ist.

24.9.89

Wie ich vom neugekauften Briefblock gerade ein Blatt abriß, merkte ich, daß ich wohl ein Trottel bin. Ich wunderte mich schon, daß das Blatt 2, auch aus diesem Block, so steif war. Jetzt weiß ich es - das war das Löschblatt! Also keine Feuchtigkeit auf den Brief, sonst löst er sich auf... Nachdem es sich gestern sehr bewölkt hatte, hatten wir heute wieder einen einfach herrlichen Herbsttag. Wie ich heute früh aufstand, um den ital. Wetterbericht zu hören, wunderte ich mich, daß die Ansagerin "Ore sei" sagte, denn ich dachte, das heißt doch sechs, es "war" aber sieben. Statt Wetterbericht kam dann Musik und ich hielt es schon für ital. Unzuverlässigkeit, bis dann im Bay. Rdf. von einer Stunde länger schlafen usw. die Rede war. Da ging auch uns ein Licht auf und so haben wir eben jetzt "Winterzeit". Haben die Stunde gleich zu weiterem Verweilen in der "Bärenhöhle" benutzt.

Wir hatten zwar einen schönen geruhsamen Sonntag, die Beschäftigungen waren allerdings z.T. nicht sonntäglich. Nachdem mir gestern beim Auspumpen von öligem Bilgenwasser der Schlauch der el. Pumpe aus dem Altölkanister gerutscht war, sah der Maschinenraum dementsprechend zum Heulen aus!! Ich also gestern erst mal alles gereinigt und mit heißem Wasser und Bilgenreiniger mit der Druckspritze ausgespritzt. Das Wasser mit dem Lösungsmittel haben wir dann heute nach gründlichem Einwirken aus den diversen Bilgen abgepumpt. Dann habe ich noch die Getriebeteile mit Benzin gewaschen und damit und mit dem Entsorgen der Bilgenkanister war der Sonntagvormittag um. War allerdings im Vergleich zum gestrigen Tag keine Affäre. Gestern sah ich wie ein Schwein aus und wurde von Dianne an Deck abgeseift. Aber so macht man Arbeiten, die ohnehin einmal nötig wären, aber immer geschoben werden, denn zum Bilgenreinigen nimmt man in allen Häfen der Welt immer die Dümmsten. In Kiel kam immer das Boot "Schwentine" mit einigen schrägen Gestalten zum Bilgen entölen. Jetzt bin ich Kapitän und Bilgenentöler in Personalunion. Welches Leiden muß das für einen 2 Meter Kapitän sein, zumindest da tue ich mir leicht. Gut auch, daß es hier gleich ein Faß für Bilgenwasser und Bilgenöl gibt. Oft fahre ich die Kanister wochenlang in einem Schapp.

Nach dem Essen ging Dianne zu einem Stadtbummel nach Livorno hinein. Ich blieb an Bord, da man an unserem Liegeplatz das Boot nicht alleine lassen darf. Ist auch besser so, da es hier Wahnsinnige gibt, die trotz 5 Knoten Beschränkung mit voller Fahrt durch den Hafen brausen, wo es dann die Boote gegeneinander schleudert. Gestern kamen z.B. kurz nacheinander 4 Behördenboote, z.B. Capitaneria di Porto und Guardia di Finanza so schnell in den Hafen, daß unser Nachbarboot, ein sehr rankes Kunststoffboot so gegen uns geschleudert wurde und krängte, daß ihm die Fußreling verbogen, der Rumpf verkratzt und seine UKW-Antenne und Windmeßanlage an unserem Genickstag abgeknickt wurden. Bei uns waren keine Schäden. Das Fahren eines Motorbootes reduziert scheinbar den Verstand. Dabei werden die Motorboote oft von den Heckwellen des Vorausfahrenden selbst arg gebeutelt, aber die einzige Schlußfolgerung unterbleibt trotzdem. Jeder geht rauf aufs Gas.

Heute abend war großer Auflauf auf der Pier. Es gab die Preisverleihung für die Schleppangler und auch für eine Segelregatta, die heute stattfand. Das Angeln ging 3 Tage. Ich habe keinen einzigen gefangenen Fisch gesehen, aber morgens kistenweise Köderfische. Ich finde das gut, daß hier die Fische gefüttert werden. Das ist so eine Art Aufforstung. Die Italiener lieben es zu fischen. Alle Piers sind ständig voll von Anglern. Da liegt ständig Angelausrüstung im Wert von Tausenden am Ufer, aber Fische sieht man nie. Dabei wird mit allerlei ekligen Würmern, Brot und Kunstködern volles Register gezogen. Auf Sardinien angelt jetzt auch jemand mit zwei von uns gestohlenen Angeln. Das Angeln ist aber reine Männersache. Erst zur Preisverleihung kommen die Damen dann voll gedresst angeschwebt. Da wird erst promeniert, damit man auch gesehen wird und dann gehts zum Feiern.

Da ich heute den ganzen Tag an Bord war, habe ich viel Radio gehört. Du mußt mal versuchen die Deutsche Welle Köln einzustellen. Das wäre ein Programm, das Dir gefallen würde. Für Europa gibt es abends noch ein Sonderprogramm, z.B. mit dem Seewetterbericht. Der Österr. Rdf. sendet auch ein gutes Programm. probiere mal 6075 und 6155 KHz. Über eine Meldung habe ich mich heute aber ärgern müssen. Es ging um die Aufstellung eines Denkmals in Bonn für den "unbekannten Deserteur"!

Ein Redakteur von dieser Linkssendung "Monitor" wurde jetzt angezeigt, weil er im Zusammenhang mit dem Denkmal dazu aufgerufen hatte, daß möglichst Viele im Falle des Falles desertieren sollten. Die Diskussionen in Deutschland gehen schon teilweise seltsame Wege. Einige sollten das Gespräch mit den Übersiedlern suchen, damit sie vielleicht kapieren, wieviel wir bei uns schon erreicht haben und was man, wie, nicht gefährden sollte!

Auffallend ist auch, wie sich die Arbeitgeber Arbeitskräfte bei den Übersiedlern holen. Die große Arbeitslosigkeit ist, abgesehen von strukturschwachen Gebieten und strukturellen Problemen, wohl doch eher auch ein Problem der Arbeitswilligkeit, was ich aufgrund meiner im Beruf gemachten Erfahrungen nur bestätigen kann.

Damit für heute genug politisiert. Werde mich jetzt in meine Koje zurückziehen. Dianne schreibt auch noch an einem Brief an ihre Eltern.

25.9.89

Sig. Profumo telefoniert jetzt wegen der Ersatzteile und um 11 Uhr soll ich wieder kommen. Dianne geht jetzt solange zum Einkaufen und zur Post. Wir hoffen, daß wir heute abend wieder flott sind. Habe heute früh schon alle Gehäuseteile in der Werkstatt saubergemacht, dann geht es mit der Montage schneller. Bin gespannt, was der Spaß kostet. Beim Einbau der Kühlanlage waren wir mit den italienischen Verhältnissen sehr zufrieden, sowohl mit dem Preis als auch der Leistung.

* * * * *

Livorno, 26.9.89
Liebe Eisenberger!

Heute muß ich mal wieder per Hand schreiben, weil Dianne im Salon Video schneidet und somit Schreibmaschinenklappern nicht ist. Wir bringen heute so einen Tag herum, der zu nichts anderem richtig nütz ist. Wir warten auf Ersatzteile und das Wetter ist so trübe wie die Aussichten. Der nächste Ersatzteilhändler hat das Handtuch geworfen, jetzt kommen die Teile, nur einige Pappdichtungen und Messingringe aus Genua. Heute nacht ging eine Kaltfront durch, mit der Wucht des Südens. Um 23 Uhr dann Wolkenbruch und fast dauernd Blitze. Plötzlich war ein Oldtimer-Boot (60t Gaffelkutter Bj. 1915 in Norwegen) im Hafen. Hatte sich vor dem Wetter verdrückt. war eben bei denen drüben, Skipper Österreicher wie die Flagge, Crew 1 Italiener und 2 Nationen ungewiß, Sprache für alle englisch, aber nicht Muttersprache. Sie konnten vor Regen und Blitzen draußen nichts mehr sehen. Es hat aber auch gekracht und geschüttet. Jetzt fängt es gerade wieder an (15.20 Uhr). Für uns war es gut, denn so haben wir das Deckwaschen gespart und das wäre dringend nötig gewesen. Wir hatten bestimmt 100 - 200 l Wasser im Dinghi. Das ist immer gutes Deckwaschwasser, denn wir haben hier keinen Landanschluß, obwohl wir direkt neben dem Yachtklub liegen. Dort wäre allerdings das Liegen sehr teuer. Nobelyachten neben unsJetzt haben wir einen Platz, der öffentlich ist und neben uns liegen drei 20-22m Yawls der ital. Marine, schöne Boote aus Holz nach altem Riß. Es liegt direkt neben uns noch ein 4. Boot mit fast gleichem Riß das ist aber privat und gehört einer Redakteurin von Le Figaro in Paris. Sie segelt aber nicht gerne und so segeln öfters ihr Freund, ein Ingenieur aus Livorno und der Berufsskipper zusammen. Da sowohl der Freund als auch der Skipper aus Livorno sind, liegt das Boot auch normalerweise hier. Gestern waren wir zu einer Besichtigung eingeladen. Der Skipper ist sehr nett. Wir sprechen eine Mischung aus spanisch, italienisch und englisch, etwas schwierig aber es ging. Die Yacht ist 21m, 25 Jahre alt und alles aus lackiertem Mahagoni. Sogar ein Wannenbad ist in der Dusche/Toilette der Eignerkabine. Der Skipper hat viele Regatten in Südamerika gesegelt, so sprach er gut spanisch.

Das österreichische Oldtimerboot hat heute nacht den ersten großen Regen bekommen und so tropfte überall das Wasser hinein, das ist das Problem mit Holzbooten im Süden. Wenn es feucht bleibt, bleiben sie dicht. Wie ich vorhin zu einem Schwatz dort war, räumten sie alle Polster heraus und versuchten die Reißverschlüsse zu öffnen um die Bezüge zum Waschen ab zu machen. Das italienische Mädchen jammerte, daß sie nur die Sachen am Leib trocken habe, alles andere sei klamm. Wieder ein Vorteil vom Stahl, ist bei jeder Temperatur dicht.

Von hier aus werden wir etwa 8 - 10 Tage nach Port St. Louis benötigen, wenn wir gemütlich vorwärts gehen. Es ist also immer noch genügend Zeit für ein Treffen in Oktober im Burgund. Mir eilt es nämlich nicht nach England, denn hier ist der Regen zumindest warm! Bis das Getriebe fertig ist, wird die Kaltfront auch durch sein und wir werden wieder Schönwetter haben wie bisher. Jetzt hat es sich aber gerade erst richtig ein geregnet und geht jetzt mit fürchterlichem Krachen und Schütten wieder los. (Beim F von "fürchterlich" krachte es direkt hier ebenso fürchterlich! Allerdings nicht so wild wie heute nacht. Zum Glück braucht man auf einem Schiff am Meer keine Angst vor Fluten zu haben. Man macht es wie der Noah. Die Energie, die sich jetzt gerade austobt müßte man haben,, da könnte eine alte Frau lange damit kochen. Absolute Vergeudung wertvoller Energien. Jetzt fängt es auch noch zu hageln an. Das ist wie wenn man in der großen Trommel wohnt! Für unsere Masten ist das alles richtig gut, jetzt geht endlich aller Sand und Staub ab. Habe gerade zum Spaß das Radar angemacht, na ja wenn man weiß wie es aussieht, dann kann man alles erkennen, ansonsten wie Fernsehen nach Sendeschluß. Unsere Fenster sind zum Glück absolut schlagfest, da kann man in Ruhe zuschauen wie es darauf prasselt. Unser Fußabstreifer ist schon weiß, auf dem Deck sieht man es nicht so und die meisten Körner prallen gleich wieder zurück.

27.9.

Jetzt ist die Video-time vorbei und ich kann wieder auf der Maschine hacken. Zugleich kann ich schlechte Nachrichten verbreiten. Die Reparatur hält uns immer weiter auf. Schlimmstenfalls gibt es ein neues Getriebe für ca. 4000 DM. Der Mechaniker hat gemeint, daß das Getriebe schon mal auf war, das würde bedeuten, daß wir kein neues, sondern ein repariertes Getriebe mit dem neuen Motor bekamen. Na ja, wohl möglich, der Kaufmann war ein Mitglied jener Kaufmannsgruppe, die normal weltweit als geschickte Händler bekannt sind. Aber ich habe keine Vorurteile, man lernt nur immer wieder dazu! Wir haben aber beim damaligen Kaufpreis gut gespart und wenn es jetzt teurer wird, was soll's. Schwierigkeiten müssen eben immer irgendwie gelöst werden. Wir sind jetzt im Hafen schon bekannt, es ist nicht schlecht hier, der Liegeplatz kostet nichts, das Wetter ist heute auch wieder gut, es gibt einen guten Supermarkt in der Nähe und die ganze Sache kostet erst mal nur Zeit und die haben wir ja. Also im Grunde genommen keine großen Probleme.

Die Nachrichten aus England sind da etwas ganz was anderes. Wir wissen noch nichts genaues, aber jedenfalls mußte Dad erneut ins Krankenhaus und es soll wohl eine Chemotherapie nötig werden. Man wird abwarten müssen, aber wir sind sehr besorgt. Zum Glück sind wir jetzt schon wieder in Europa und somit wäre es für Dianne auch einfacher kurzfristig nach England zu reisen.

Jetzt ist Dianne gerade vom Faxen und Telefonieren zurückgekommen. Um 14.30 können wir in Cannes wieder anrufen, bekommen dann Bescheid, ob es die Teile dort gibt. Das ist hier fast wie eine Schnitzeljagd bei den Pfadfindern. Das Fax war auch so eine Sache. In der Hauptpost von Livorno war es nicht möglich ein Fax nach Deutschland zu schicken. Nach Australien und Uruguay, ja, aber Germania, No! Dianne bekam aber aus dem Fax-Buch vom Postbeamten eine Firma in der Nähe genannt, die auch Fax hatte. In dieser Überseespedition bekam dann Dianne sogar das Fax kostenlos zu Mike in die Firma. Fax ist hier sehr verbreitet und ich kann mir keinen vernünftigen Grund vorstellen, warum es mit Deutschland nicht von der Post aus möglich sein soll. Aber was ist bei Behörden schon vernünftig, seit ich nicht mehr Beamter bin! Vielleicht haben sie sich über die Abrechnung nicht einigen können.

Heute war im Hafen wieder allerhand los. Es kamen neue große Frachter herein und andere gingen raus. Es kamen u.a. ein Russe und die White Nile aus dem Sudan herein und ein großer Jamaikaner ging raus. Das waren die aus unserem Becken. Der einzige Nachteil an unserem Liegeplatz ist, daß es manchmal etwas unruhig ist. Dabei bekommen wir weniger Schwell als das Boot Bb von uns, das ist so ein nervöser Plastikhüpfer, der springt uns fast an Deck, wenn wieder so ein Idiot die 5 Kn. Beschränkung nicht beachtet.

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(Postkarte von Capraia) 28.9.89
Lieber Christian,

Das ist die alte Festung der Gefangeneninsel Capraia, die seit letztem Jahr frei ist, wie wir jetzt hier von dem Mechaniker erfahren haben, dem das Haus ganz links am Wasser gehört. Die Insel hat uns richtig gut gefallen und die vielen alten aufgelassenen Gebäude (noch weiter links ist noch ein ehem. Gefängnis beim Leuchtturm) gaben der Insel einen Hauch von Geheimnis. Hier in Livorno ist ein moderner Hafen und jeden Morgen werden wir durch die 8 Hafenschlepper geweckt, wenn sie zur Arbeit gehen. Wir haben sie die Elefanten genannt, denn sie rücken gemütlich in einer Reihe aus, trotten durch den Hafen.

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(Postkarte von Livorno) 30.9.89
Liebe Eisenberger,

Da die Karte an Christian noch nicht weg war und Briefe für das fast gleiche Porto schneller ankommen, gleich noch eine Karte dazu. Es gibt von Livorno keine guten Karten, aber diese hier gibt doch einen kleinen Eindruck. Wir haben jetzt auch einen richtigen Markt gefunden, wo es von Fisch bis Kartoffel alles gibt. Man muß nur lange genug irgendwo leben. In den kleinen Städtchen ist man da gleich durch. Heute früh wieder einmal blauer Himmel, wir hatten viele Tiefs hier und Gewitterzellen. Wir bekommen hier auch die Süddeutsche Zeitung vom Tage, heute werde ich mal wieder die Wochenendausgabe kaufen. Wir nutzen die Zeit auch für einige Arbeiten an Bord, gestern habe ich die Antennenleitung fürs Loran fest im Schiff verlegt, nachdem klar ist, daß die Antenne so gut funktioniert. Sie hängt mit einem Koppler auch am Achterstag.

Wir liegen mitten im alten Hafen beim Yachtclub Livorno Porto Mediceo, es gibt noch mehrere Yachthäfen und Becken für große Frachter hier. Livorno hat eine Menge kleiner Kanäle - ein Hauptgraben geht um die Altstadt und unter dem 300m langen Hauptplatz hindurch. Alle Kanäle sind an beiden Ufern voller kleiner Boote, die dann sonntags für Angelausflüge benutzt werden.

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Livorno, 2.10.89
Liebe Mutti,

Jetzt haben wir schon den 2.10 und wir sind immer noch in Livorno, unserem längsten Einzelaufenthalt in diesem Sommer. Heute Früh habe ich Deinen Brief bekommen. Vielen herzlichen Dank dafür. Brigittes Brief war noch nicht dabei, er wurde aber sicher zum gleichen Zeitpunkt aufgegeben. Die italienische Post ist wie so vieles in Italien einfach nicht zuverlässig. Ich verstehe nicht wie die Menschen hier mit der ständigen Schlampigkeit der Behörden und Mächtigen leben können und warum sie sich nicht endlich mal dagegen auflehnen. Wir gehen zum Beispiel immer dann am meisten an der Pier zur Kehr wenn ein Behördenboot einläuft. Die halten sich am wenigsten an die 5 Kn Vorschrift. In Deutschland hätte ich schon längst Anzeige erstattet, hier ist das alles nutzlos und man kann sich höchstens selbst schaden, wenn man dann Willkür herausfordert. Deswegen ärgert mich auch das dumme "Ausländerproblemegewäsch" in Deutschland so. Man sollte da immer nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit verfahren. Nur das Prinzip "wie Du mir, so ich Dir" funktioniert und ist auf lange Sicht ein Anreiz zur Angleichung. Einseitigkeit und Vorleistungen fordern einseitige Forderungen und Inanspruchnahmen heraus. Du siehst, wir beschäftigen uns ständig mit dem Weltgeschehen und deswegen lege ich auch ein paar Artikel aus der Süddeutschen bei, die ich interessant finde.

Dianne ist ja gerade in Deutschland, weil wir uns nicht auf die Italiener verlassen konnten. In Frankreich hätten wir nicht gezögert, die Sachen per Kurier schicken zu lassen, aber Diannes Erfahrungen mit Export nach Italien sind so, daß es funktionieren kann und das ist mir eben zu wenig. Einige Kameraden in der EG haben noch einen weiten Weg dorthin und wenn ich die Sache mit dem Papandreou betrachte, kann es einem schlecht werden, wenn man bedenkt, daß dieser Ganove, den ich übrigens noch nie schätzte, erst vor kurzem Präsident der EG war! Wie weit sind wir moralisch gesunken! Wer will es da wagen, den Finger zu erheben und auf Südamerikaner oder Afrikaner zu zeigen. Es kehre ein jeder vor der eigenen Tür! Aber es gab ja Kreise, die immer noch in Deutschland hoffähig sind, die Papandreou feierten, weil er damals gegen die Obristen in Athen kämpfte. Doch aus welchen Motiven und mit welchen Absichten. Man muß die Leute und Staaten eben an den Taten und nicht den Reden messen. So ist es auch mit der UdSSR. Dabei will ich Gorbatschow nichts unterstellen, aber er ist nur ein Mann in einem Riesenland! Aber genug damit, man ärgert sich nur.

Heute ist im Hafen sehr viel Betrieb und wenn ich hier sitze, komme ich mir vor, wie im U-Boot. Ständig das Mahlen der verschiedenen Schiffsschrauben im Wasser. Durch den Stahlrumpf hört man das sehr gut. Wenn ich manchmal abends oder morgens in der Koje liege, kann ich schon anhand vom Schraubengeräusch sagen wer oder was hereinkommt und welche Manöver fährt. So brauche ich nicht aufzustehen und kann das Manöver akustisch verfolgen.

Wir nutzen die Tage hier, um einige kleinere Arbeiten zu erledigen. Große Dinge sind zum Glück nicht notwendig, wenn man einmal vom Getriebe absieht, was eigentlich auch keine Affäre wäre, wenn nur die Ersatzteile da wären. Aber wir haben auch daraus gelernt. In Zukunft werde ich mich auf niemanden sonst mehr verlassen, sondern alles selbst erst mal versuchen und wenn wir das gleich gemacht hätten, wären wir schon wieder einige Tage unterwegs.

Jetzt habe ich heute nachmittag doch noch den dicken Brief von Brigitte bekommen. Er trägt die gleichen Stempel, warum war er also nicht schon morgens im Fach? Italienische Schlamperei, alles Schlamperei hier!

Jetzt habe ich gerade das Rolltürchen vom Küchenschrank nach Lackieren und neu mit Stoff Bekleben wieder eingebaut. Sieht wieder gut und wie neu aus.

Habe heute auch eine Süddeutsche gekauft, um über die Ausreise der DDR-Flüchtlinge nachzulesen. Welche menschlichen Schicksale. Der reale Sozialismus/Kommunismus ist wohl die tragischste gedankliche Fehlentwicklung der Menschheit und immer noch gibt es viele, die den totalen Offenbarungseid noch nicht anerkennen wollen. Die Diskussion um den Sozialismus kommt mir immer so vor, wie das Argument..."Ja aber der Hitler hat doch auch Autobahnen gebaut und die Arbeitslosigkeit beseitigt." Das eine ist eben vom anderen, dem Krieg, der Menschenvernichtung und dem totalitären Regime nicht zu trennen. Genauso ist der Kommunismus in sich ein Irrtum, es funktioniert einfach nicht, es gibt den Menschen nicht, mit dem die "schönen" Ideen funktionieren könnten. Über den weisen Tyrannen haben die griechischen Philosophen schon nachgedacht, aber der hat zwei Haken: erstens - Macht korrumpiert!! und wie! und zweitens: die Summe aller Individualentscheidungen läßt sich nicht von einer planerischen Bürokratie ersetzen, selbst wenn sie positiv ausgerichtet wäre! siehe EG Agrarmarkt! Jetzt bin ich schon wieder bei der Politik gelandet, aber wir politisieren ja beide recht gerne, habe ich wohl von Dir, kann also nichts dafür.

Jetzt ist es bereits spät abends geworden und gerade ist der Kapitän des österr. Oldtimers "Circe" von Bord gegangen, er war zum Abendessen und einem Schwatz bei mir. Das Schiff wurde 1915 in Norwegen gebaut. Ursprünglich als Segelfischereifahrzeug, in den 70 er Jahren zur Yacht umgebaut. Ein schönes altes Schiff von 60 Tonnen.

Auf der "American Eagle", einem der wenigen RoRo-Schiffe, die der Westen hat und die heute nachmittag hereinkam, wird noch immer entladen. Sie hat eine Ladung Panzer an Bord. Die Lademöglichkeiten sind auch der Grund warum die UdSSR so viele Schiffe dieses Typs besitzt. Wirtschaftlich hat sich dieser Schiffstyp nicht durchgesetzt. Über bewegliche Rampen am Heck kann die rollende Ladung (Roll On. Roll Off) geladen oder entladen werden. Besitzt man also erst einmal einen Hafen, z.B. in Norwegen, sind sehr schnell die Panzer eines ganzen Regiments oder einer Brigade an Land gesetzt. Diese Kapazitäten hat auch Gorbatschow noch nicht verschrottet.

Viel harmloser ist da das, was ich von der italienischen Marine zu sehen bekomme. Vor zwei Tagen lief hier ein Minensucher aus, das Ablegemanöver war so schlecht, daß einem die Figuren schon fast leid taten. Ein blutjunger Leutnant auf dem Achterdeck hatte nicht den leisesten Schimmer, wozu er dort war. Kein Wunder, daß man immer wieder ital. Offiziere trifft, die von der deutschen Marine schwärmen. Ich halte nichts von dem Spruch "am deutschen Wesen soll die Welt genesen", aber so leicht kann uns keiner etwas vormachen, es funktioniert eben vieles eine Idee besser. Aber beim Umgang miteinander können wir von den anderen lernen, die immer Zeit für ein freundliches Schwätzchen haben.

Von Brigitte haben wir einen Berg Post erhalten, der uns (bisher nur mich) sehr gefreut hat. Post zu bekommen ist einfach schön. Zum ersten Mal waren auch einige Postkarten dabei. Ich werde in Zukunft allen Freunden schreiben, warum sie meinen, uns keine Postkarten mehr wie früher schicken zu müssen. Man schreibt Postkarten doch nicht nur den Zuhausegebliebenen. Paul und Traudl haben einen richtig lieben Brief, sogar mit Gedicht geschrieben. So 'was finde ich ganz außerordentlich nett. Sind aber auch wirklich liebe Leute. Emmi, seine frühere Frau, hat auch geschrieben, sie ist auch eine so nette Frau, wir verstehen uns mit allen gut.

3.10.89

Heute Morgen ist Dianne mit den Ersatzteilen aus D zurückgekommen. Jetzt warten wir, daß der Mechaniker auftaucht, in dessen Werkstatt am Hafen das Getriebe in loser Schüttung liegt. Alles italienische Wurschtelei.

Nun zu Deinem Brief:

Vielen Dank für die Auskünfte über den Marabu /Marabut. Soweit waren wir auch über unser Lexikon an Bord (22 Bände) auch gekommen, es wäre um das Sprichwort gegangen. Das Bild des Marabu mit der Brille drängt sich uns, wohl aus der gleichen Quelle - unbekannterweise - auch auf. Ich vermute Friedrich II als Klammer zwischen den Heiligen / Weisen. Er hatte doch Berater / Freunde unter den Moslems!? Werde auch bei Gelegenheit Erika schreiben. Es gibt Phrasensammlungen als Nachschlagwerke.

Daß Gottfried ein 3. Mal mähen konnte, ist eigentlich doch ein Indiz für einen guten Sommer. Schade, daß er wegen der blöden Agrarpolitik zu Gunsten der Agrarfabriken immer Vieh abbauen muß und somit soviel Heu nicht unbedingt braucht, obwohl das Grummet auch teures Kraftfutter sparen hilft. Habe heute früh von Planungen gehört, daß es zinslose Kredite für den Bau von Wohnungen in landwirtschaftlichen Anwesen etc. geben soll. Habe immer schon mal daran gedacht, dort wo der Jungviehstall mit der Werkstatt darüber ist, eine kleine Wohnung einzubauen. Das würde die Außenfassade nicht verändern und die Landwirtschaft nicht beeinträchtigen, wenn die Stellplätze im großen Stall ausreichen. Wenn die Einnahmen den Kapitaldienst mit Überschuß decken würden, wäre das eine Möglichkeit. Würde mich gleich mit Arbeit beteiligen. Da kein Dach nötig ist, wäre das auch relativ billig zu machen. Würde ev. mit weniger Arbeit mehr als zusätzliches Jungvieh bringen. Habe es praktisch fertig im Kopf. 3 Ebenen möglich. Gerade kam in den Nachrichten nochmals etwas über eine Sitzung im Wohnungsbauministeriums zur schnellen Beschaffung von Wohnraum.

Der arme Katzenpeter. Der ist ja ein echter Lazarus. Er hat mehr als notwendig Pech, ist aber wohl zäh wie ein alter Kater. Wenn er wenigstens nur noch in der Nähe des Sofas bliebe, aber so schlau ist er doch nicht und wenn es ihn wieder hinaustreibt, hat er halt das normale große Katzenrisiko.

Haben mit der Post von Brigitte eine Karte von den Schweizern bekommen, die wir in Bizerte kennenlernten. Die hat es wohl auch bei der Überfahrt erwischt, so wie den Amerikaner nach uns. Der war allerdings nicht einen Tag, sondern nur 2 Stunden nach uns abgefahren. Ich habe die Erfahung gemacht, daß man einfach, wenn die Situation günstig ist, losfahren muß und wenn man irgendwie kein gutes Gefühl hat, einfach drin bleiben muß. Bin damit immer gut gefahren und wenn manchmal über meine ständige Wetterberichthörerei gelächelt wurde/wird, dann kann ich nur sagen, daß ich dadurch einen Gesamteindruck habe, mich ins Wetter hineindenken und fühlen kann und dann im Falle des Falles auch das richtige Gefühl habe (haben kann).

4.10.89

Immer noch in Livorno und gestern deswegen fuchsteufelswild mit den Itakern gewesen. Sie sind einfach nicht zuverlässig. Ab 9 Uhr ging ich stündlich los, um nach dem Mechaniker zu fragen. Es war aber immer nur sein netter williger Atlatus da, der mich immer nur vertrösten konnte. Um 15.30 hatte ich dann genug und nahm das zerlegte Getriebe in Teilen an Bord und nachdem es fast zusammengebaut war, stellte ich fest, daß ein Bolzen fehlt. Also wieder zurück zur Werkstatt, den Weg abgesucht, der Bolzen war weg - meine Laune auch!

Also die Drehbank rausgeholt und das englische Maß 9,5..?? mm selbst gedreht, geschliffen und dann eingebaut. Dann ging die Frontplatte nicht bündig drauf, biß gerade an einer Ecke, aber an welcher, alles bei künstlichem Licht, Dianne als "Luzifer" mit der Handlampe, ich mit meiner "ruhigen" Art ..... . Um 21 Uhr alles beieinander und nach dem Befüllen mit Öl im Handbetrieb ausprobiert. "Und sie dreht sich doch" wäre der richtige Ausruf gewesen. Danach mit Kreuzweh erst einmal ins Bett. Die "Werkbank" an Bord ist eben ein wenig niedrig. Heute früh dann die Große Probe nach dem Wiedereinbau. Alles lief tadellos. Nur nach der gestrigen Verzögerung war heute natürlich ein Auslaufen nicht mehr sinnvoll. dabei schönstes Wetter und der Wind von der genau richtigen Seite. Es soll aber so bleiben. Damit sei das Thema Getriebe hoffentlich für die nächsten Jahre erledigt.

Also nicht nur deswegen ist ein guter Tag. Da Dianne, wenn auch nur kurz, in der Heimat war, gab es heute Mittag Leberkäs!! und Weißbier!! Am Rundfunk auch gute Nachrichten von den armen Menschen, die immer noch versuchen über die Botschaften aus der "DDR" zu entfliehen. Dann ein Verband der Bundesmarine wird zum ersten Mal die UdSSR besuchen. Historisches Ereignis - und die Coburg wird dabei sein! Werde aus diesem Anlaß dem jetzigen Kdt. und meinem "Alten" Briefe schreiben. An so einem Schiff hängt man eben immer. Ein Schiff ist eben kein Eisenbahnwaggon, zumindest kann ich es nicht so empfinden.

Gerade kam Wolfgang von dem Oldtimer "Circe" vorbei und entführte uns auf einen Drink. Bei dieser Gelegenheit habe ich gleich noch einige elektrische Probleme bei ihm an Bord gelöst und sein Barometer eingestellt. Techniker sind in Seefahrtskreisen immer gefragt. Er hatte aber guten Rotwein und Martini. Das geht immer nach dem Motto, eine Hand wäscht die andere Kehle.

Heute morgen hatten wir auch wieder eine nette Runde am Funk. Wir bekamen über einige Ecken auch wieder Grüße ausgerichtet. Die Dauersegler sind irgendwie wie eine Familie und man bekommt schnell netten Kontakt. Diese Art Nachbarschaft gibt es an Land zumindest in den Städten nicht mehr, ich nenne es daher das segelnde Dorf.

* * * * *

Chiavari, 7.10.89
Liebe Eisenberger!

Heute will ich nun den versprochenen Brief endlich anfangen. Nachdem wir schon wieder einen Zwangsaufenthalt haben, gibt es auch Zeit zum Schreiben. Wir kommen nur langsam der Heimat näher, will sie uns nicht haben? Eine mächtige Kaltfront hat den Alpen heute nacht bereits Schnee und uns Regen und eine gehörige Sturmwarnung mit dementsprechenden Aussichten bis Montag gebracht. Dabei hatten wir heute den ganzen Tag absolute Flaute und sogar einige Stunden schönsten Sonnenschein. Aber das war wohl die Ruhe vor dem Sturm. Es lief den ganzen Tag Dünung aus SW und laut Wetterbericht soll der SW in N/NO umschlagen, wir sind also im Moment in der neutralen Zone. Gerade kam der neueste Bericht auf KW von Monaco Radio. Die geben einen sehr guten ausführlichen Bericht auf Einseitenband Seefunk mit 3 Tage Vorhersage. Langsam machen uns einige Tage hin oder her schon nichts mehr aus, denn nach Livorno haben wir Planungen für den Oktober aufgegeben. Am 12. wollen Mike und Klaus kommen, am Monatsende dann Jürgen und dann werden wir weiter sehen. Wenn es noch etwas regnet, wird es auf den Flüssen dann planmäßiger weitergehen. Z.Zt. haben sie nämlich etwas wenig Wasser, der Canal du Midi ist deswegen gesperrt. Aber den wollen wir nicht nehmen und Rhône und Saone gehen immer. Aber genug von der "Umwelt".

Also erst mal vielen Dank für Euren Brief und das Besorgen der Post und diverser Telefonate. So ein Heimatstützpunkt ist einfach Gold wert. Das war auch für uns eine Überraschung, daß Claudia mit unserer Post gleich persönlich vorbeikam. Aber so habt Ihr wohl umfassend alle Nachrichten erhalten, aber keine Angst, ich höre deswegen nicht auf zu schreiben. Daß Martina eine Lehrstelle bei einem Klassenkameraden von Dir hat, war eine gute Nachricht, wenn auch überraschend. Warum werden immer künstliche organisatorische Hürden aufgebaut! Es geht ja nicht um eine zusätzliche Prüfung, so was kann man mit der entsprechenden Ruhe immer machen, aber wenn man es einem fast nachträglich mitteilt, wird es stressig. Ein leeres Blatt ist reine Nervensache. Ich kann das nachfühlen, ich träume manchmal heute noch von Prüfungen und genau solchen Situationen, vielleicht weil ich sie immer gefürchtet habe - innerlich - und bin dann immer heilfroh wenn ich aufwache und aus der Schule raus bin. Und da bist Du Martina jetzt auch raus und das bedeutet erst mal Erleichterung und wenn man gleich das nächste Ziel angehen kann, ist das rundherum positiv. Schade nur, daß die Deutschen nicht ein wenig das amerikanische Bildungssystem mit ihrem mischen können und überall die formalen Daumenschrauben anziehen müssen. Das ist doch eigentlich überflüssig, aber dann wären die Kultusbürokraten arbeitslos.

Daß Sepp jetzt im EV Füssen nicht mehr aktiv ist, tut uns richtig leid. Aber das ist mal wieder ein typisches Beispiel dafür, wie die Idealisten behandelt werden. Ob das im Verein, Beruf oder Politik ist, sie bleiben leider immer auf der Strecke und die Wichtigtuer, die Skrupellosen und die Vetterleswirtschaft triumphieren. Aber Bergsteigen usw. sind ja auch ein guter Ausgleichssport und jetzt zum Winter hin, muß ja auch eine Menge Holz gemacht werden. Wenn man sich dann auf den knorrigen Holzblöcken Gesichter vorstellt, gewinnt das auch wieder eine sportliche Note, wer geht am besten aalglatt entzwei?

Der Urlaub in der CSSR war wohl eine schöne Zeit. Für Sepp war ja Prag nichts Neues, aber für Christian muß ein Land des Ostblock viele neue Eindrücke geboten haben. Aber mit Kaviar läßt es sich auch gut leben, da kann man doch auf die Südfrüchte für eine Woche verzichten, oder?

In das recht hübsche Städtchen Chiavari kamen wir eigentlich per Zufall. Es gibt hier eine ganze Fülle von Yachthäfen, die meisten allerdings sehr teuer, aber u.a. hier gibt es eine Transitpier die praktisch Porto comunale ist und der Marinehafenververwaltung untersteht. Sie ist 72 Stunden frei, aber auch das geht nicht so genau. Unser Nachbar aus Würzburg, auch Dauersegler, ist jetzt wegen des Wetters den 4. Tag hier. Vorher hat er ein Wellenlager repariert. Dabei sind wir im Hafenbecken der Marina, die wie die direkt daneben liegende Marina Lavagna zwar gut, aber teuer ist. Jedenfalls hatten wir gestern früh am Funk Kontakt mit Franz von der La Quinta in Triest und er empfahl uns den Hafen. Franz wird sich bei Euch einmal telefonisch melden, damit wir uns eventuell in Frankreich treffen können. Ebenso werden sich eventuell Christine und Peter aus Bern mal bei Euch melden. Wir kennen sie auch vom Funk her und wollen ihnen das Buch "Mediterranean Saefood" besorgen. Sie angeln mit Erfolg!!! und brauchen Rezepte und den Namen des gefangenen Kameraden. Unsere Gesprächsrunde ist inzwischen recht angewachsen und über das ganze Mittelmeer verteilt. An manchen Tagen geht es recht lebhaft am Funk zu. Wenn Ihr einen Empfänger hättet - auf den höheren Frequenzen könntet Ihr bestimmt mithören, zumal man dann eine gute Antenne bauen könnte. So ein angepaßtes Achterstag ist eigentlich nur ein Notbehelf, wenn der Koppler auch DM 1.200,- gekostet hat. In Arbatax haben wir amerikanische Amateurfunker kennengelernt, die unterschiedlich lange Drähte im Rigg als Dipole gespannt haben und sich als "Dipol-people bezeichnet haben. Ein Haus ist für Dipol-Leute genau das Richtige, denn eine gute Antenne ist der beste Verstärker. Ich weiß von Berlinern, die dort unser Netz mithören.

Jetzt habe ich mich vergaloppiert, eigentlich wollte ich ja etwas von Chiavari erzählen. Die Altstadt ist sehr gut erhalten und man hat Neubauten nicht einfach als Klötze dazwischen gestellt, sondern, wenn schon nicht stilecht nachgebaut, zumindest so bemalt, daß es nach Stuckfassaden aussieht. Man muß manchmal zweimal hinschauen, bis man es bemerkt. Es gibt also jede Menge Häuser mit schönen Fassaden und in den Hauptstraßen haben alle Häuser Arkaden, so daß man immer in der Überdachung geht und durch die Bogengänge auf die andere Straßenseite schaut. Es gibt auch noch eine Burg hier, einen alten Palast, wo jetzt die Justiz darin ist und einen Dom, der wie ein griechischer Tempel aussieht. Auf den Plätzen sind überall große Standbilder und gleich hinter diesem Vordergrund die Berge als Kulisse. Wie wir gestern bei noch guter Sicht aus der Bucht von La Spezia ausgelaufen sind, sahen wir die steilen Hänge mit den darangeklebten Ortschaften zwischen terrassierten Feldern. An diesem Hang finden die Straße/Autobahn und die zweigleisige Eisenbahn noch Platz. Man sieht sie aber meist nur in den Geländeeinschnitten auf Viadukten, sonst spielt sich alles im Tunnel ab.

Das Einlaufen nach La Spezia war, wie es sich für einen Kriegshafen gehört, mit Kanonendonner verbunden. Wir hatten schon den ganzen Tag das Wummern gehört und laut Handbuch waren uns auch Schießgebiete in der Gegend bekannt. Wie wir dann näher an die Westeinfahrt im Sperrdamm, der die Bucht gegen das offene Meer schützt, kamen, schoß ein Aufpasserfahrzeug auf uns zu und bedeutete uns nicht weiterzufahren. Weit ausholende Handbewegungen zeigten etwa die Richtung und eine gerufene Zahl sollte wohl den Schießsektor bezeichnen. Ich reimte mir also in etwa die Lage zusammen und da noch Frachter unterwegs waren bzw. vor Anker lagen, sagte mir das, wo zumindest nicht gewollt hingeschossen wird. Wegen der schlechten Sicht hatten wir auch die feuernde Batterie noch nicht ausmachen können. Ich vermutete sie aber direkt neben der Bucht, wo wir die Nacht bleiben wollten. Der Golf von La Spezia mit seinen Häfen und Buchten ist recht weitläufig. Wie wir dann schon recht nah auf unser Ziel zuliefen, legte direkt vor uns eine Maschinenkanone (7,5 cm OTO Melara) los und ein weiteres Aufpasserboot schickte uns auf eine Warteposition direkt neben den Kanonen. In einer Feuerpause konnten wir dann den Feuerbereich passieren und gleich hinter uns krachte es wieder.

noch Chiavari, 8.10.89

Der Barograph verschwindet gerade nach steiler Abwärtskurve von 1027 mb unter 1000 mb und der Donner grollt aus dunklen Wolken. Habe gerade am Funk von den anderen Seglern erfahren, in welchen Häfen sie liegen und keiner fährt raus. Wir hatten heute nacht nur 12° C und jetzt habe ich die Heizung angemacht, die selbst nach langer Pause brav angesprungen ist. Unser Würzburger Bootsnachbar bleibt auch noch hier und wird gleich zum Frühschoppen kommen. Gut, daß wir gestern Rum für Grog gekauft haben. Jetzt regnet es auch noch und ich denke immer, was muß die Seefahrt früher schlimm gewesen sein, ohne all die angenehmen technischen Hilfsmittel, die es uns so einfach machen. Solange man Strom hat, schaltet man nur ein wenig herum und schon hat man Unterhaltung, Nachrichten, Standort, Kurs und Fahrt und sogar in der Nacht und bei Nebel Radarsicht. Uns geht es besser als den Menschen jemals zuvor, das sollte man auch nie vergessen.

Wir sind froh, nicht ausgelaufen zu sein. Immer noch kein Wind aber Regen, Dünung und Wolken, die an unsere Mastspitze stoßen. Motoren ist nicht schön, aber bei schönem Wetter mit Autopilot, wenn man was anderes an Deck machen kann, noch tragbar. Aber bei so einem Wetter mag ich es nicht.

Dianne schreibt Tagebuch, sie ist immer ein paar Tage hinterher und ich werde dann lesen. Dianne hat ja neue Bücher : Michener "Mazurka", Johann "Die Wildnis aber schweigt", Morris West Romansammlung Jubiläumsausgabe für 7 DM - sehr gute Romane - und aus der Serie "Anders Reisen" - "Frankreich".

Unser Nachbar will einige Unterlagen mitbringen, er ist die Kanalstrecke schon einmal gefahren. Bis jetzt waren alle von den Flüssen und Kanälen begeistert. Schade nur, daß wir bis jetzt diesen so schönen Landstrich Italiens nicht richtig genießen können. Erst so lange wegen des Getriebes, jetzt das Wetter und wenn es dann besser wird, müssen wir Meilen machen. Die Zeit geht so schnell vorbei, jetzt ist Claudia auch schon wieder einen Monat von Bord. Anfangs war es richtig ungewohnt, aber inzwischen sind wir wieder im 2-Personenrhythmus. Schade daß jetzt auch die Tage schon merklich kürzer werden, dafür schlafen wir halt länger. Werde jetzt auch wieder den dicken Schlafsack herausholen. In Sardinien bin ich vom Leinentuch bzw. dem Bezug alleine auf den leichten alten Schlafsack umgestiegen und jetzt muß in den Bezug schon wieder etwas dickeres rein. Bin gespannt wann ich zusätzlich noch meine Teddy-decke brauche.

Auf den Bergen bei Euch herum liegt wohl bereits neuer Schnee? Dafür hat es in Südengland bei Mum und Dad von Mai bis jetzt nicht geregnet!! Verrückt, was? Der Durchschnitt wird dann aufgeholt werden, wenn wir da sind. Dann werde ich vom Widder zum Wassermann, oder gleich Fisch.

Dad kam nach seiner ersten nur begonnenen Untersuchung aus dem Krankenhaus wieder heim. Nachdem alles vorbereitet war, fehlte der Radiologe. Staatlicher Gesundheitsdienst! Jetzt wurde letzten Do/Fr die Untersuchung gemacht und morgen kommt er in die Klinik zur Operation.

Haben in einem Programm der BBC gehört, daß es jetzt eine "Nähmaschine" gibt, die geschluckt wird und dann von außen ferngesteuert im Magen und Darm schneiden und nähen kann, z.B. Magengeschwüre usw. Jetzt soll das Gerät verfeinert und ev. für Operationen In Arterien und Herz verkleinert werden. Die NASA hat für längere Raumfahrten eine "Fernoperationsbrille" für Laien (Astronauten) entwickelt. Das Bild wird dem "operierenden" Arzt zusammen mit den Daten des Patienten übertragen und nach seinen Anweisungen wird gearbeitet. z.Zt. wird diese Brille in der Ärzteausbildung mit Erfolg eingesetzt. Es ist einfach toll, was alles möglich ist.

Unser Nachbar ist noch nicht aufgetaucht und so werde ich mal mit dem Sonntagvormittag Frühschoppen alleine anfangen. Dianne trinkt noch "english tea".

Zum Essen gibt es heute Nasello, Euch aus Jugoslawien als Merluzza oder Meerhecht bekannt. Dieser gute Fisch übersteht wohl am besten die Nachstellungen der Italiener und kommt so häufig vor, daß er sehr billig ist, wenn man ihn gefroren kauft.

Hier auf unserer Mole wird von früh bis spät geangelt. Fische ab 10g, die dann sofort die Katzen bekommen. Da kann nichts nachwachsen, wenn die Brut in den Küstenzonen weggefangen wird, da fehlen dann auch die Futterfische für die Raubfische. Die ganze Nahrungskette ist unterbrochen.

So jetzt wird es langsam dunkel, wir haben einem deutschen Charterer bei seinem etwas hilflosen Anleger geholfen, sie dann auf einen Kaffee mit Cognac eingeladen, denn sie waren auf ihrem kleinen Boot ganz durchgefroren, und jetzt haben wir für die Nacht eine zweite Leine zu einer anderen Ankertonne ausgebracht, denn es kommt Wind auf, die Wolken sind wild und zerrissen und ich hänge nie gerne nur an einem Faden. Und drei Boote an einer Tonne ist zwar festigkeitsmäßig kein Problem, aber wenn ein Boot in die Leine einruckt, kommt die Boje näher und die anderen Boote haben weniger Zug auf der Kopfleine. Habe bei der Gelegenheit auch noch eine zweite Leine für Fritz, den Würzburger ausgebracht. So geht ein Tag schnell dahin. Über die französischen Kanäle haben wir auch vieles erfahren und sogar Adressen für unterwegs bekommen. Die Dauersegler sind irgendwie eine große Familie und wie wir heute nachmittag die beiden Charterer (er und sie) an Bord hatten, hat man richtig den Unterschied gemerkt, sie gehörten nicht zur Familie. Dagegen sind die Freunde, die man nur vom Funk kennt einem richtig vertraut und wenn man sie persönlich kennenlernt, gibt es praktisch nie eine Enttäuschung.

So wie der Himmel jetzt aussieht, Molto furioso, wird es Wind geben und ich hoffe, daß wir morgen welchen aus NO oder O haben und es aufklart. Es ist jetzt sehr kalt geworden und die Sicht wurde völlig klar. Da wir in Landdeckung segeln können, würden mich selbst einige Bft mehr nicht stören, 4 bis 5 wären aber gemütlicher. Der Wind wird jetzt auch den südlichen Schwell hinaustreiben, denn auf den bin ich überhaupt nicht erpicht.
 
 

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(Postkarte von Chiavari) San Remo - Monaco, 11.10.89
Liebe Mutti,

Chiavari ist, wie Du auf dem Bild siehst, eine schöne Stadt. Leider hatten wir dort so schlechtes Wetter und konnten wegen Sturmwarnung nicht raus. Wir haben aber nette andere Segler kennengelernt. Jetzt mußte uns gerade so eine dicke Millionärsyacht (Motor) recht dicht passieren, dabei ist hier soviel Platz und fast niemand außer uns bei diesem herrlichen Wetter unterwegs. Die anderen Deutschen wollten eigentlich mit uns auslaufen und wir hatten uns die gleiche Ziele vorgenommen, aber es war ihnen dann wohl vorgestern doch noch zu rauh, jedenfalls kamen sie nicht. Wir freuen uns schon, wenn in Nizza Mike und Klaus an Bord kommen werden. Peter, ein Freund der auch schon mit an Bord war kommt eventuell auch. So wird es bis Port St. Louis sur Rhône recht kurzweilig sein.

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(Postkarte von Portofino) Monaco 11.10.89
Liebe Eisenberger,

Als sparsamer Nicht-Millionär brauche ich an dieser M....-Küste die alten Ansichtskarten auf und verschicke sie in einem Brief. Von den vielen M.-Yachten ist jetzt nach der Saison nichts zu sehen und bei den Liegeplatzpreisen werden wir auch in ihre Häfen nicht reingehen. Da mache ich lieber in einem Altstadthafen wie Savone an einem Kutter fest. Wir wurden dort im sehr engen Hafen von einem netten Italiener, der gut deutsch sprach, längsseits genommen und er machte uns sogar fest. Die Küste hier bei San Remo ist nicht sehr schön, kahl (gebrannt) und alles mit Häusern oder Gewächshäusern vollgebaut. Zwischen Genua und Imperia ist die Küste sehr schön und keine M. . Bin auf die Küste zwischen Nizza und der Rhône gespannt. Dort sind ja die Seealpen mit Inseln und Buchten. Wenn der blitzblaue Himmel mit soviel Fernsicht bleibt, bestimmt herrlich.

Im Hafen von St. Tropez
 
 

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(Postkarte von Tarascon) Ardoise 23.10.89
Liebe Eisenberger!

Vielen Dank für die Post nach Port St. Louis. Sie kam gerade vor der Abfahrt an. Dianne ging um 9 Uhr zur Post und um 9.40 legten wir ab. Schlösser und Burgen wie dieses gibt es viele hier und wir kamen heute auch an Chateauneuf du Pape vorbei. Papst Joh. XXII hat dieses Schloß 1330 erbaut und es gibt seinen Namen dem berühmten Wein, einem der vielen guten der Côtes du Rhône. Kein Wunder, daß die Weine gut sind, wir haben heute am 23.10. kurze Hosen an, weil es so warm ist. Den Platz, wo wir gerade festgemacht haben, hat uns unser dänischer Nachbar von heute nacht verraten. Er ist in keiner Karte, wir haben immer wieder solche Geheimtips bekommen und so ist das Anlegen auch immer zum Nulltarif. Wir liegen an einem kleinen Pontoon direkt am Ufer, die Leinen an Steinen inmitten von Flußauwäldern ohne Häuser. Nur ein paar Angler haben wir vertreiben müssen zum Anlegen. Dianne hat die anfängliche Ablehnung (ganz klar und verständlich) inzwischen gebrochen. Es sind nette Opas, die ihre Zeit mit Angeln totschlagen. Es ist reines Angeln - kein Fischen! In Port St. Louis haben wir ein deutsches Boot wieder getroffen, das in Kreta in der gleichen Bucht Spinalonga lag. So klein ist die Welt. Sie sind jetzt eine Tagesstrecke vor uns. Hatten heute starken Nebel und kamen deswegen erst um 12 Uhr los. Deswegen auch dieser Stop abseits. Es gibt an der Rhône nicht viele Anlegemöglichkeiten für Boote.

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Die Masten gelegt

(Postkarte von Arles) 23.10.89
Liebe Oberdeuscher!

Jetzt fahren wir schon 3 Tage auf der Rhône, diesem riesigen Fluß. Von Port St. Louis bis Arles ist der Fluß sehr ursprünglich, riesige Auwälder und Lagunen, eben die Camargue, die Nationalpark ist. Der Fluß ist teilweise 15m tief, hat dann aber auch wieder flachere Stellen. z.Zt. ist wenig Wasser da und auch wenig Strömung, was für uns günstig ist, so schaffen wir 8,3 km/h. Da die Stromkilometer angegeben sind können wir jetzt nicht mehr in Meilen rechnen. Die Arion sieht mit den Masten übers Deck schon sehr verändert aus. Der Radarradom behindert etwas die Sicht, aber man gewöhnt sich daran. Gestern haben wir den großen Palast der Päpste in Avignon besichtigt. Sie haben nicht schlecht gewohnt und wohl auch gelebt, denn von dieser Zeit stammt wohl der Spruch "Leben wie Gott in Frankreich". Na ja, einige Päpste waren ja auch berüchtigt und das sah man ihnen auch an, denn im großen Versammlungssaal hängen die Bilder von allen, die damals hier als Päpste wirkten. Die Gesichter reichen von "fein" bis "Schurke"! Ich schreibe hier in der milden Abendsonne an einem ganz einsamen Fleck am Fluß. Nur Natur.

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(Postkarte von Arles) Ardoise, 23.10.89
Liebe Mutti!

Einige riesige Schleuse für uns alleinSo jetzt sind wir also im Süßwasser gelandet. Das Kranen ging recht gut und flott und die Flußfahrt ist recht abwechslungsreich. Natur und Baudenkmäler in Hülle und Fülle. Da wir früh in Port St. Louis abgefahren waren und es keine Schleusen gab, waren wir recht früh in Arles (wir machten dort, wo der blaue Strich ist, fest) und konnten noch schön bei Tageslicht die Stadt besichtigen.

Gestern war es dann auch so, daß wir schon um 14.15 Uhr in Avignon waren. Wir besichtigten den sehr eindrucksvollen Papstpalast und die Altstadt. Wir lagen in einer kleinen netten Flußmarina direkt unterhalb des Domfelsens. Gestern und heute auch die ersten großen Schleusen mit 15 und 10m Höhenunterschied. Morgen kommt eine mit 23 m. Das sind gigantische Bauwerke und in den Stauflächen könnte ein Weißensee oder Forggensee leicht Platz finden. Ein gezähmter Fluß, die Rhône, aber früher gefürchtet wegen seiner wilden Hochwasser. Wir haben heute an der Einmündung der Ardoise an einer kleinen Anlegestelle ohne Ort in idyllischer Natur angelegt.

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Viviers, 25.10.89
Liebe Brigitte, lieber Sepp,

Wir freuen uns schon wahnsinnig darauf, daß Ihr kommt. Wir haben ausgerechnet, wir in der Gegend von Chalons-sur-Saône sein werden. Allerdings haben wir eine Routenänderung. Statt Canal du Centre, Canal lateral à la Loire und Canal Briare müssen wir jetzt zuerst nördlich über Langres, Chaumont, St. Dizier und dann westlich der Marne entlang über Chalons-sur-Marne und Epernay, und kommen erst in Paris in die Seine. Es hat hier 5 Monate nicht geregnet und die flacheren Kanäle führen einfach nicht genügend Wasser. Es war damit zu rechnen, denn der Canal du Midi ist schon lang gesperrt. Dieser Weg ist unwesentlich länger und hat unwesentlich mehr Schleusen, aber so kommen wir nicht bei Silvia vorbei, die in der Nähe von Orléans wohnt.

Könntest Du, Sepp folgende Teile bei Eberspächer bestellen? Erstens ein Ausströmer für 100 mm Auslaß (wir haben nämlich die Heizung zusätzlich ins Bad gelegt) und zweitens einen Kamindeckel, denn unserer liegt auf 1600m Tiefe vor der Côte d'Azur. Im Moment haben wir eine umgebaute Wurstdose als Deckel. Das erfüllt den gleichen Zweck, sieht aber mit Aufschrift "Bierwurst" nicht so dekorativ aus.

Um 7 Uhr heute früh war kaum Nebel, aber während des Frühstücks wurde es dichter. Immer wieder scheint es sich zu lichten, um dann wieder pottendick zu werden. Zum Glück hat das Binnenschiff an dem wir liegen, auch kein Radar und muß genau so lange warten wie wir. Es ist auch morgens sehr kalt. Ich bin jetzt um meinen Arion-Rollkragenpulli froh. Gestern nachmittag war Wetter für kurze Hose und T-Shirt. Aber wir dürfen das Datum nicht vergessen und dafür haben wir es seit langem schön und wenn der Nebel heute erst zu spät weggeht, dann fahren wir halt kürzer. Wenn es mit den Schleusen gut klappt und wir nicht auf ein Handelsschiff warten müssen - nur die kommen immer gleich dran - sind 50 km am Tag gut zu schaffen. In den kleinen Kanälen mit Handschleusen wird das etwas langsamer werden und die Tage werden auch immer kürzer. Für 50 km mit z.B. 2 großen Schleusen haben wir gestern 7 Std. gebraucht. Wir machen 8 bis 10 km/h je nach Strömung.

Aber jetzt wieder einmal etwas in der Zeit zurück und der Reihe nach.

Der letzte Brief war wohl aus Chiavari, wo wir wegen starkem Wind etwas warten mußten. Der Wind blies zwar nicht genau dort, denn die Bucht von Rapallo ist sehr geschützt; deswegen schon seit langem berühmter Kurort. Wie wir uns dann bei Flaute zum Auslaufen entschieden, kam immer mehr Wind und im Golf von Genua fuhren wir immer "naß". Die Landschaft auf der dann folgenden Strecke war recht schön und abwechslungsreich, das habe ich aber bereits in Karten geschrieben. An der viel gerühmten Côte d'Azur kann man zwar noch die Schönheit der Natur erkennen, man muß aber recht genau in die Lücken zwischen den Hochhäusern und Riesentourismuswohnanlagen peilen. Ganz dicht östlich von Nizza ankerten wir in einer stillen kleinen Bucht mit Blick auf Monaco. Dort waren wir am Tag zuvor an dem riesigen US-Flugzeugträger "America" vorbeigefahren. Später in Toulon sahen wir dann noch zwei etwas kleinere frz. Träger im Hafen. Am 12. machten wir schon ganz früh - wir brauchten ja nur um Nizza herumzufahren - in St. Laurent du Var fest. Das ist eine Marina mit 1600 Booten und liegt direkt westlich von der Startbahn vom Flughafen Nizza. Man macht zuerst an der Rezeption kurz fest, der Computer sucht einen freien Platz für die Größe, man bezahlt und kann sich dann in den Liegeplatz einfädeln. Wenn man 10,85m laut Schiffspapiere bezahlt, aber 13,49 mit Bugspriet mißt, ist das ein richtiges Einfädeln. Aber kein Wind, kein Problem. Gleich in der Nähe, in der "Rue de Landsberg am Lech" (Partnerstadt!) war einer dieser riesigen frz. Einkaufszentren "Hypermarché".

Doch weiter im Text von heute früh:

Dianne begann gleich zu waschen und ich besorgte den Einkauf und Geldwechsel. Wir brauchten vor allem einen anderen Wasseranschluß. Ich glaube so langsam bin ich auf alle Anschlüsse außer Hydrant B-Schlauch eingerichtet. Mike kam dann schon am frühen Nachmittag, gerade richtig zum Essen und abends gingen wir nach Nizza hinein zum Abendessen. Mike lud uns in ein vietnamesisches Lokal ein und wir spazierten auch etwas in der Altstadt herum.

Da es später wurde und Mike wirklich kein Frühaufsteher ist, liefen wir erst spät aus, der Wind flaute bereits ab, aber er kam dann aus einer noch besseren Richtung und wir segelten bis St. Raphael, wo wir an einem Ausflugsdampfer im alten Hafen festmachten. Gleich daneben ist ein 1200- Boote-Hafen, den wir gerne mieden. Selbst der Herr von der Capitainerie meinte beim Kassieren, daß die Marina einfach unverschämt sei. Nizza war hingegen billig. Nachsaison.

Mit anfangs 5 Bft von achtern, dann mit Blister ging es am nächsten Tag nach St. Tropez. Dieser Ort ist einfach hübsch und war zu dieser Zeit nicht überlaufen. Wir machten an der Stadtpier fest, wo der Louis de Funes Film "Der Gendarm von St. Tropez" gedreht worden war. Es waren auch echte Millionärsyachten da, auch die "Helisara" von Karajan. Wie wir nach dem Liegeplatzpreis fragten erfuhren wir, daß wir einen Tag zu früh da waren. gerade noch Saison: 149 FF zu 45 FF am nächsten Tag. Da aber im Handbuch St. Maxime genau 3 Sm gegenüber in der Marina eine Nacht pro Boot pro Monat gratis versprach, liefen wir wieder aus. Drei Stunden sind in St. Tropez immer frei, und die hatten uns gerade genügt, d.h. da wir in der Mittagspause des Hafenkapitäns angekommen waren, störten auch 4 Stunden nicht. In St. Maxime stellte es sich heraus, daß dort zwar schon Nachsaison war, aber wir waren für die Freinacht eine Stunde zu früh eingelaufen und wenn wir noch mal ausgelaufen wären, hätte er uns - er schmunzelte dazu - keinen Gastliegeplatz mehr garantieren können, denn es waren nur noch 4 frei. Aber 55 FF das ging ja auch. Schließlich waren wir im Golf von St. Tropez.

Der nächste Tag nach Hyères wurde wieder so ein schöner Segeltag und wir machten gute Meilen. In einem herrlichen Sonnenuntergang glitten wir mit der letzten Brise in den Hafen. Wieder so eine Super(scheiß)riesenanlage - Wohnsilos in allen Formen. Am Ende dieses Jahres, wo wir so viel schöne alte und neue Archtiektur gesehen hatten (z.B. Malta) tat das den Augen besonders weh, aber es war zum Glück bereits Nacht. Am nächsten Morgen kam ein deutsches Charterschiff mit 12 Personen an Bord "diagonal" superspezial blind neben uns. Ich sagte ihm dann, nachdem wir ihm zuerst geholfen hatten, daß wir bald auslaufen wollten und er uns nicht mehr auf die Seite drücken könne, also selbst ordentlich festmachen müsse. Ich machte ihn auf die Schwierigkeiten aufmerksam und erkärte ihm auch die Lösung seines Problems, aber vergeblich. Während wir rückwärts ablegten, trieb er natürlich wieder auf uns darauf und nach dem Motto 100 Mann und kein Befehl, hatte keiner der 12 einen Feder parat und das 14m Boot traf uns hart mit dem Bugbeschlag. Eine unserer wirklich robusten Relingsstützen wurde eingedrückt und leicht verbogen und die Genuaschot, die als einziger "Fender" diente, außen verletzt. Wir fuhren weiter, weil ich erst draußen den Schaden sah und eine Entschuldigung hat auch keiner von uns gehört. Typisch!

Dann wieder herrliches schnelles Segeln nach Toulon. Eine nette Stadt und ein beeindruckender großer Hafen voller Kriegsschiffe. Nachdem Mike von Bord gegangen war, liefen wir noch aus und kamen erst in der Dunkelheit nach La Ciotat, von wo wir sehr früh im Morgengrauen wieder ausliefen und bei schönem aber leicht diesigem Wetter bis nach Port St. Louis motorten. Deswegen sahen wir vom nahen Marseille nichts. Mike hatte wohl den Wind versehentlich mit eingepackt und jetzt ist es uns recht. das heißt wir haben hier leichte südliche Winde gehabt und das schiebt auch ein wenig mit.

In Port St. Louis lagen wir im großen Becken vor der Stromschleuse zur Rhône, sie hat keinen nennenswerten Höhenunterschied ist aber genauso wie die Schleusen am Nordostseekanal notwendig. Zum Glück takelten wir gleich ab, denn am nächsten Tag gab es ein Gewitter mit viel Regen. Wir konnten aber weiter das Rigg abbauen und so ging nach dem Durchschleusen am nächsten Tag das Mastenlegen sehr schnell. Wir blieben für die Nacht noch an der Takelpier und nach dem Postholen ging es ab in den großen Strom. Wir lagen zusammen mit der nagelneuen Andromeda von Jochen und Helga an der Pier, allerdings auf entgegengesetztem Bug, sie wollten noch über den Teich.

Endlose Auwälder, Wasservögel, kaum ein Schiff und schöne Herbstfarben bis Arles. Dort fanden wir einen im Handbuch nicht eingetragenen leider belegten schönen Schwimmkai mit gratis Strom und Wasser, aber ein freundlicher Engländer winkte uns an sein Boot längsseits und bei einem abendlichen langen Drink versorgte er uns mit mehr Informationen. Er war als Chefsteward bei British Airways gewesen, kannte die ganze Welt und war mit einem Autor, der für MacMillans (engl. nautische Führer) Handbücher über die französische Kanäle schreibt unterwegs gewesen. War ein netter Abend und Noel tat es gut, mal wieder englisch zu reden, denn er lag wegen Motorreparatur bereits 2 Wochen da und alle um ihn herum inkl. deutscher Mechaniker (auch Yachtie) sprachen alles Mögliche nur nicht Englisch. Nach soviel Rotwein war er bei unserem Ablegen noch nicht auf. Bis Avignon, wo wir so früh ankamen, daß wir genügend Zeit hatten, die Stadt zu besichtigen, verbrachten wir einen schönen Tag auf dem Fluß. Wir hatten noch mehr Zeit als in Arles zur Verfügung. Die Stadtbesichtigung lohnte sich. Habe ja in dem Kartenbrief schon darüber geschrieben. Wir lagen auch einmalig schön in einer kleinen gemütlichen Marina direkt hinter der Pont d'Avignon. Das ist die Brücke aus dem Lied, die im 14. Jh. gebaut wurde und deren Westende zugunsten einer Fahrrinne fehlt. Auf einem Brückenpfeiler ist eine Kapelle, d.h. gleich zwei Kapellen übereinander. Eine ist eine Nikolauskapelle.

Die Räume im Papstpalast waren sehr eindrucksvoll. Diese Art Bauten gefallen mir immer wieder.

Am nächsten Morgen dann pottendick! Nicht mal mehr die Brücke zu sehen. gegen 12 Uhr lichtete sich die Suppe erst und wir liefen im Kielwasser eines Holländers in die Schleuse von Avignon. Die Nacht verbrachten wir dann in Ardoise in einsamer einmaliger unberührter Natur. Dort am nächsten Morgen wieder Nebel. Die frühen Angler hinter uns waren kaum zu sehen. Der geliebt Ponton war ja zum Angeln von der Arion gesperrt. Bei den Fangergebnissen, war es allerdings egal, wo die Haken gebadet wurden.

Um 11 Uhr kam dann aus dem Nebel aus der Ardoise eine Péniche (Frachter) heraus. Dianne fragte, ob sie bergwärts fahren und da das eine offene Schleuse versprach, riefen wir sie über Funk an. Sie ging sofort mit der Maschine auf Stopp, sie kapierte nicht gleich, daß wir auf Sicht am Ufer waren und nicht auf Kollision in der Rhône. Wir dann im Alarmstart gleich hinterher, wir verloren sie aber doch aus der Sicht und wie wir zur Schleuse kamen - nur 2 km - war das Tor schon zu, die Ampel auf rot und das Wasser rieselte aus dem Tor. Also bereits Füllen der Schleuse. Am Funk keine Antwort. Dann ging das Tor wieder auf, die gleiche Péniche kam rückwärts wieder heraus. Der Schiffer sagte, daß er das Arbeitsboot der Kanalverwaltung, an dem wir zwischenzeitlich zum Warten festgemacht hatten, abschleppen würde. Die hatten das wohl oben in der Schleuse ausgehandelt. Zusatzverdienst für eine leerfahrende Péniche. Das Arbeitsboot hatte Motorschaden und war für uns sehr willkommen, denn wegen der großen Dalbenabstände ist es nicht einfach zum Warten festzumachen. Wir hatten es bisher noch nicht nötig, aber gestern abend stellte sich ein Kai aus dem Handbuch mit angeblich 3m Wasser als schräge Anschüttung vor der Mauer heraus. 3m Wasser nur bei 3m Hochwasser. Also vorsichtig an die Dalben davor. Vorleine zum Bugkorb auf den Poller in luftiger Höhe, dann an langer Leine zurück zum nächsten Dalben und dort vom Deckshaus aus die Achterleine rauf. Das Auge jeweils mit dem Bootshaken hochgehoben. Dann mit dem Schlauchboot die Leinen an Land gefahren. Längsseits an einem Dalben, die langen Leinen wieder rein. Gerade fertig, da kommt eine Péniche für die nacht, also wieder ablegen, zum Glück alles auf Slip gelegt und dann längsseits der Péniche, die natürlich leicht vor die Dalben paßte. Das Schifferehepaar, sehr nette Leute. Wir bekamen einige gute Hinweise. u.a., daß der Canal du Centre wegen Wassermangel zumachte. Er riet uns auch zum heutigen Anleger.
 
 

Unterbrechung, Auslaufen:

Le Pouzin, 25.10 abends
Jetzt sind wir heute doch noch um 11 Uhr weggekommen und hatten nach anfänglichem leichten Nebel schöne Sonne. Wir wurden jeweils ohne Wartezeit geschleust, aber bis Valence reichte es doch nicht mehr und wenn man keinen der wenigen Festmachemöglichkeiten vor Dunkelheit erreicht, ist man aufgeschmissen. Die beiden Schleusen heute mit 18 und 13 m gingen wieder reibungslos. Wenn man bedenkt, daß der Panamakanal mit allen Schleusen insgesamt 26m Unterschied hat! Wir hatten gestern in Bollène 23 m in einer einzigen Schleuse. Man fährt in ein dunkles Loch 12 x 7 m unter einer steilen Wand hinein und kommt oben im Sonnenschein aus einem randvollen Becken wieder heraus. Talseitig zieht das Hubtor nämlich nach oben und bergseitig sinkt es unter Wasser nach unten weg. Die Schleusen sind 12m breit und 195m lang, Das ist eine Menge Wasser, das nur für die Arion bewegt wird. In den Schleusenseiten sind Schienen in der Wand eingelassen, in denen Poller mit dem Wasserspiegel hinaufgleiten. Die 18m Schleuse hatten wir für uns alleine, vor der 2. wartete eine englische Yacht auf uns, denn die Schleuse wußte ja, daß wir noch kommen würden. Wir haben unsere UKW-Antenne an Deck wieder montiert und sind sogar beim Manöver an Deck in der Schleuse über das Handfunkgerät erreichbar. Der Engländer hatte überhaupt kein Funkgerät einsatzbereit. So wissen wir auch nicht wohin er heute noch wollte, denn wir wußten von unserem Schiffer von heute früh, daß der nächste Stopp nach der nächsten Schleuse noch vor Valence für Yachten kaum nutzbar ist....
 
 
Chalons sur Saône, 2.11.89
Jetzt liegen schon 323 km Rhone und 142 Km Saône hinter uns und eine neue ungeplante Route liegt vor uns. Wegen Wassermangel wurde der Canal du Centre geschlossen und so werden wir weiter die Saône nach Norden fahren bis zum Canal Saône a Marne. Ursprünglich wollten wir hier schon nach Westen abbiegen um dann nordwestlich und nördlich auf Paris zu zu fahren. Jetzt werden wir über die Marne nach Paris kommen, sie mündet ja direkt in Paris in die Seine. Die Strecke ist unwesentlich länger, aber wir hatten die alte Route eigemtlich wegen ihrer schönen Landschaft gewählt.

Jürgen kommt jetzt doch nicht für einen Urlaub, er hat zuviel Arbeit im Moment. Wir freuen uns jetzt schon darauf, daß Brigitte und Sepp am Sonntag für eine Woche kommen. In Lyon kam Michelle mit ihrem Neffen Nicolas zu einem Besuch an Bord. Dianne hatte sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen. Sie besuchte uns eigentlich noch südlich von Lyon, wo wir an einer Stadtpier mit viel Schwell lagen. Die Rhone verläuft dort über eine lange Strecke nach Norden und wir hatten einen steifen Südwind, das produzierte ganz schöne Wellen.

In Lyon sahen wir riesige Industriegebiete mit häßlichen Hafenanlagen für die Berufsschiffahrt und dann viele schöne Gebäude entlang der Wasserfront. Von Port St.Louis bis Lyons haben wir 13 große Schleusen passiert, die uns auf 161 m ü.d.M. hoben. Zum Vergleich, der Panama-Kanal hat nur 26 m Höhenunterschied.

Zu Beginn der Woche hatten wir noch etwas Pech gehabt. Die 12 V Lichtmaschine gab plötzlich ihren Geist auf. Wir fuhren noch einen Tag mit Batteriestrom bis Mahon, wo wir in das flache Hafenbecken für Sportboote fauhren. Wir wirbelten eine Menge Schlamm auf, blieben aber nicht stecken. Wie wir den Hafenmeister nach Reparaturmöglichkeiten fragten, stand zufällig ein deutscher Mechaniker, der dort wohnt, neben ihm. Er bot gleich an die Reparatur für uns zu übernehmen. Leider war ein Austausch der Lichtmaschine notwendig, aber er fuhr uns zu einem Geschäft und unsere ganze Arbeit bestand im Geldwechseln. Für seine ganze Mühe wollte er dann 20 FF fürs Benzin.

Unser nächster Stop war dann die hübsche alte Stadt Tournus. Schon vom Wasser aus sieht man die Abteikirche, das Kloster und direkt am Wasser die Kathedrale aus dem 12 Jhrh.. Die Stadt wurde schon in 177 vom Hl. Valerien christianisiert, deshalb findet man in der Stadt einige Gebäude aus der Zeit vor 11 Hundert.

Chalons sur Saône hat ebenfalls eine sehr schöne Altstadt mit einer allerdings gotischen Kathedrale und vielen schönen Häusern. Die Stadt ist relativ groß und es gibt auch viele moderne Geschäfte, die in die Altstadt mit der großen Fußgängerzone integriert sind.

In diesem Flußabschnitt kommen wir mit etwa 10 Km/h voran und schaffen etwa 1 - 3 Schleusen am Tag, wobei wir für jede etwa eine halbe Stunde brauchen. In Heuilley werden wir die Saône verlassen und in das System der kleinen Kanäle mit ihren vielen Schleusen einfahren. Wir wissen noch nicht wie schnell wir dann voran kommen. Wir haben jetzt keinen Nebel mehr, aber ab und zu etwas Regen.

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In den kleinen Schleusen
St.Jean de Losne, November 1989
Bericht

Unsere Fahrt, die bis hierher so problemlos verlief, hat sich geändert. Alles hat sich geändert und jetzt stehen einige neue Entscheidungen an.

Es begann mit schweren Regenfällen in der Schweiz, die den Doubs, einen Nebenfluß der Saône kräftig anschwellen ließen. Wir hatten uns in den Yachthafen velegt um auf Brigitte und Sepp zu warten. In einer Nacht stieg dann das Wasser über 2 m und große Baumstämme und sonstiges Treibgut schwammen durch den Alt-Arm der Saône, wo die Marina liegt. Wir halfen im Hafen mit die Stege immer wieder vom Treibgut zu befreien, denn es bestand die Gefahr, daß der Wasserdruck ganze Stege losreißt. Spät abends kam ein Boot den Fluß herunter und machte dummerweise quer zum Fluß fest. Sepp und ich halfen stundenlang in der Dunkelheit das Boot vernünftig festzumachen, ohne unsere stabilen Fender hätte das schöne Holzboot noch mehr Schäden abbekommen. Wegen des Hochwassers konnten wir auch nicht weiter flußaufwärts. Wir verlebten also schöne Tage im Hafen, kauften im nahen Hypermarché ein und kochten erlesene Speisen an Bord. Mit dem Auto machten wir Ausflüge in die Gegend und die Zeit wurde uns nicht lang.

Am Donnerstag den 9.11. war der Fluß dann wieder befahrbar und Brigitte und Sepp genossen die lange Fahrt bis St.Jean de Losne. So eine Flußfahrt war für sie ja völliges Neuland. Nach der Einmündung des Doubs hatten wir kaum mehr Strömung und vor allem kein den Propeller gefährdendes Treibgut mehr.

Die Nachrichten aus England über den Gesundheitszustand von Dad waren in den letzten Tagen schon immer schlechter geworden. Wir waren schon spät im Jahr, auf der Strecke vor uns gab es kaum Plätze um ein Boot einige Zeit zu lassen und so entschlossen wir uns die ARION im sicheren Hafenbecken von St.Jean de Losne zu lassen. Dianne reiste per Bahn über Paris nach England und ich fuhr gleich mit Brigitte und Sepp ins Allgäu um meine 84-jährige Mutter zu besuchen.

Wenige Tage später starb Diannes Vater.

Wir versprachen Diannes Mutter, auf jeden Fall zu Weihnachten in Lymington zu sein, hatten aber schon Zweifel, ob wir das mit der ARION noch schaffen könnten. Wir wollten aber versuchen zumindest noch weiter Strecke in Richtung England zu machen.

Mein Freund Wolfgang brachte uns mit seinem Wohnmobil mit viel Gepäck und Nachschub aus der Heimat, z.B. vielen Vollkonserven aus Bundeswehrbeständen, zurück nach St. Jean de Losne.

Aber es wurde nichts aus einer Weiterfahrt. Eisiger Frost und Nebel hielten uns im Hafen fest und bald war klar, daß wir den nächsten möglichen Hafen, wo das Boot über Weihnachten hätte liegen können, auch nicht mehr rechtzeitig erreichen würden. Einige Tage vor Weihnachten brachen wir bei strömendem Regen zum Bahnhof auf. Über Le Havre - Portsmouth reisten wir für 2 Wochen nach Lymington.
 
 

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Lymington, 29.12.89

Liebe Mutti,

Vielen Dank für das Buch von Franz Werfel. Es sieht interessant aus und wird mich eine Weile beschäftigen!

Inzwischen ist auch Dein zweiter Brief mit den Angaben zu St. Jean de Losne eingetroffen. Welcher Zufall, daß Du das gerade liest, während die ARION dort liegt. Die Stadt war mal gut befestigt, es ist aber jetzt nicht viel von der Stadtmauer übriggeblieben.

Es war schön, jetzt auch Jeremy und Caroline nach 3 Jahren wieder zu sehen. Beide waren sofort sehr zutraulich, so als ob wir uns alle paar Wochen sehen würden. Heute sind alle abgefahren und das Haus ist wieder stiller. Wenn wir nächsten Mittwoch wieder die Nachtfähre nehmen, wird es Mum natürlich wieder zu still ums Haus. Wir haben Dad alle sehr vermißt, er wurde oft zitiert.

Es ist hier mild und teilweise regnerisch aber wir waren trotzdem viel draußen. Im New Forest jagten die grauen Eichhörnchen durch die Baumwipfel, ein Fuchs querte unseren Weg, auch 2 Rehe liefen davon. Und natürlich standen überall die Ponies herum. Die letzten Stürme haben viele Schäden angerichtet, vor allem durch Hochwasser in Lymington selbst. Das Wasser war in den letzten 50 Jahren nie so hoch und die Häuser unter an Fluß hatten alle Wasser im Erdgeschoß. Die Kieselsteinbarre, die Hurst Castle mit dem Festland verbindet, war durchbrochen und auch der Seedeich an mehreren Stellen. Umbau und Verstärkung des Seedeichs stand für 1990 sowieso auf dem Plan, jetzt wird schnell ein Provisorium gebaut. Am Strand waren die Umkleidekabinen mit Kieselsteinen zugeschüttet. So ändert sich das Küstenbild über Nacht.

Im Garten blüht einiges und das Haus ist wie immer voller Pflanzen. In der Vase auf dem Kaminsims steht die saisonübliche Stechpalme mit roten Beeren zusammen mit einer Nelke aus dem Treibhäuschen. Auch Chrysanthemen und Amaryllis blühen im Haus und im Freien blühen der Winterjasmin und Hamamellis, die Christrosen haben schon Knospen.
Also den Blüten nach ist es nicht sehr winterlich. Wir erlebten jetzt gerade die 2. Standardwetterlage hier: Kontinentales Hoch, etwas kälter und leichter Wind aus ca. Ost/Süd. Das ist das Kanalüberquerwetter. Wenn dann wieder die atlantischen Tiefs mit Sturm und Regen heranjagen, ist wieder Pause.

Wir hatten eine gute Fahrt von St. Jean de Losne hierher, wenn wir nicht gerade zu Fuß unterwegs waren. Reisen bei unseren lieben europäischen Nachbarn ist oft mit Fußmärschen verbunden, z.B. in Paris in der wenig übersichtlichen Metro mit allerlei unterirdischen langen Gängen und Treppen; z.B. in Le Havre vom Bahnhof zum Fährhafen (ganz draußen); wenn die Busse streiken; z.B. in Portsmouth wenn vor 7 Wochen der Busdienst Hafen - Bhf eingestellt wurde, aber immer noch mit Fahrplan etc, ausgeschildert ist. Ich war also nicht gerade in Gesamteuropäischer Stimmung wie wir hier ankamen! Wenn ich da an München mit allen Schildern in 4 Sprachen denke, ohne Streik, alles funktioniert! Die Deutschen müßten nur noch ein wenig das Leben von den Franzosen lernen, aber sonst können sie alle in Deutschland zur Schule gehen. Das Pfund fällt und fällt, 20 Milliarden £ Handelsbilanzdefizit in diesem Jahr ist die Quittung wenn man alles verquer macht. In den Geschäften ist wieder alles in engl. Pfund und Unzen gewichtet und auch die Preise per Pfund und nicht per Kilo. Es geht also metrisch rückwärts, kein Wunder, daß da der Export nicht läuft. Der Traum vom großen Empire ist noch nicht ausgeträumt, man schiebt das Aufwachen hinaus, denn man müßte endlich vorwärts schauen, aber die Briten sind in Vielem schlicht und einfach konservativ, selbst wenn's unbequem wird. Es gäbe da so viele Beispiele und jedesmal ärgere ich mich. Aber genug damit, aber es fällt halt auf.

Mit lähmendem Entsetzen haben wir die Ereignisse in Rumänien verfolgt. Es war nicht die erste Weihnacht der Geschichte, die eine blutige genannt wurde, aber daß so etwas heutzutage noch möglich ist! Mit Erleichterung haben wir dann den Frontwechsel der Armee zur Kenntnis genommen und richtige Genugtuung über die Hinrichtung verspürt. Die armen Rumänen - im doppelten Sinne - haben sich ihre Freiheit teuer erkauft. Da macht es um so mehr betroffen, wenn bei uns vielen (z.B. den Grünen) die Freiheit nicht mehr viel wert erscheint, sie nehmen vielleicht zuviel davon ganz selbstverständlich in Anspruch. Die eigenen Probleme verblassen jedenfalls da ganz schnell und man kann nur noch dankbar dafür sein, daß es einem so fast unverschämt gut geht.

Jetzt bin ich aber für einen Nach-Weihnachts-Brief ganz schön vom Weg abgekommen.

Vielen vielen Dank für das interessante Weihnachtsgeschenk, das meinen geschichtlichen Horizont etwas heben wird. Du hättest es aber dabei belassen sollen!! Also nochmals vielen Dank für das Geld, das helfen wird, den navigatorischen Horizont zu heben. Bedarf an nautischen Handbüchern ist bei uns immer. Für jedes neue Gebiet werden andere gebraucht. So fahren wir also mit Deiner doppelten Unterstützung zur See. Habe beim ersten Durchsehen schon eine Menge interessante Artikel gesehen, z.Zt. lese ich noch Mazurka von Michener, bin gerade bei der ersten polnischen Teilung, (Katharina die Große).

Weitere Post an die anderen Allgäuer wird bald folgen. Muß nur noch geschrieben werden. Auch andere Post wartet noch.

Viele liebe Grüße von der Insel westlich Europas.

*****

Nach unserer Rückkehr nach St. Jean de Losne wurde es Anfang Januar  in Burgund immer kälter und bald gab es Eis im Hafenbecken, das nicht vom Fluß durchströmt wird. Der Canal Saône a Marne wurde wegen Eis geschlossen und wir trafen ein englisches Boot, das über den Canal de l´Este ausgewichen war und auf dem Weg von Paris zum Mittelmeer war. Die hatten wenigstens die bessere Richtung, aber die Frau hatte schlimme Erfrierungen an den Fingern, wegen der vereisten Schleusenanlagen und Leitern. So etwas wollten wir auf keinen Fall riskieren. Drei Wochen warteten wir noch an Bord eine Wetterbesserung ab, wie aber die Kinder mit Schlittschuhen auf 20 cm dickem Eis um die ARION kreisten, gaben wir für diesen Winter auf und fuhren ins föhnig sonnige Allgäu.

Weiter der Reihe nach Kapitel 6
(Durch Frankreich, nach England und Irland)

Oder erst einmal ein großer Sprung:

Transatlantik 1990

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